Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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7 111. 
— 
Donnerstag, 10. Juni 1886. 
21. Jahrg 
Deutsches Reich 
Munchen, 9. Juni. Die heutigen „Neuesten 
zachrichten“ melden, daß der Landtag unmittelbar 
nach Pfingsten einberufen wird. Die Konferenzen 
Ministeriums mit dem Prinzen Luitpold dauern 
it. Zu der heutigen neunlouvertigen Hoftafel 
im Ptinzen Luitpold waren die Minister v. Lutz, 
Faustle, v. Crailsheim und die obersten Hof⸗ 
hargen geladen. Gerüchtweise verlautet. heute Abend 
egebe fich eine Deputation hoͤchster Staatsbeamten 
Hofwürdenträger zum Könige. Nach allge. 
Jeinet Annahme steht die Entscheidung baldigst 
bot. — Das Material für den Landtag ist 
dem Vernehmen nach fertig. Der Zusammentritt 
XV nach Pfingsten bevorstehend. Die 
Ferufung wird stündlich erwartet. * 
Muünchen, 9. Juni. Soeben ist eine Depu⸗ 
alion, bestehend aus den Ministern Lutz, Fäustle 
ind Crailsheim, den Grafen Holnstein, Toerring 
ind Malsen, den Aerzten Gudden und Erb und 
em erforderlichen Wärterpersonal nach Hohen⸗ 
wangau abgegangen. 
Berlin, 9. Juni. Der Reichstag wird 
wischen dem 25. und 28. d. M. in Berlin wie⸗ 
xt zusammentreten, da Fürst Bismard auf der 
durchberathung der Branntweinsteuergesetze besteht. 
die Sozialdemokraten halten mehrere Interpellatio- 
jen über die Handhabung des Sozialistengesetzes 
ind des Vereinsrechts in Bereitschaft. 
der „Reichsanzeiger“ publizirt das Zu dhe r⸗ 
uergesetz. 5 
Ddie Deputation des Pariser Gemeinderaths 
um Studium der Berliner Stadtbahn ist 
un in der Reichshauptstadt eingetroffen und hat 
n Hotel de Rome Quartier genommen. Es sind 
n Generalrath und neun Stadträthe. Paris will 
etanntlich ebenfalls eine Stadtbahn bauen. 
Berlin, 9. Juni. Der Kaiser empfing gestern 
zormittag den Besuch des Kronprinzen und nahm 
zäter den Besuch des Chefs des Militärcabinets, 
zenerals v. Albedyll, entgegen. 
Die Koͤnigin⸗Regentin von Spanien soll zu 
Pfingsten vom Papste die goldene Rose em⸗ 
jfangen. Bekanntlich ist dies Symbol der Tugend 
n der Schätzung der Menschen gesunken, seit auch 
—EAXI 
hella, dasselbe erhalten hat. 
Rusfsische Heeresorganifation. In 
stußland wird sehr eifrig an der Organisation der 
Streitmacht gearbeitet. Jetzt kommt die Nachricht 
von der Einführnng der allgemeinen Wehrpflicht 
im Kaukasus. Motive innerer Politik veranlaßten 
hierbei den russischen Reichsrath, die Ableistung der 
Wehrpflicht vorläufig blos für die christlichen Be⸗ 
wohner des Kaukasus einzuführen, den Muselman⸗ 
nen aber dafür eine Geldsteuer aufzulegen, indem 
ihnen dabei das Recht gelafsen wird, die Geldsteuer 
durch persoͤnliche Ableistung der Wehrpflicht zu er⸗ 
setzen. 
Athen, 8. Juni. Die griechische Flotte ist 
aunmehr wieder ausgelaufen. 
— Bei der Aufhebung der griechischen Blockade 
erzichten die Großmächte auf Entschädigung der 
dosten für gekaperte griechische Schiffe, welche 
heilweise schon entlassen find. —7 
bisher in der Branntweinsteuerklommission zu Ber⸗ 
in zurückgehalten gewesen und eben erst zurückge⸗ 
ommen, aber zu ermüdet sei, um der Versamm⸗ 
lung beizuwohnen, und der 2. Vorstand, Herr 
Brünings, durch Krankheit an seinem Erscheinen 
verhindert werde. Herr Dr. Bürklin betrat hier— 
auf unter rauschenden Beifall der Versammlung die 
Rednerbühne und entwarf in ausführlicher Darleg⸗ 
ung ein umfassendes Bild von den jüngsten Ar⸗ 
yeiten des Reichstages. Am Schlusse seiner fast 
Lua stündigen, von stürmischen Bravo's oft unier- 
hrochenen Rede spricht der Vortragende die Ueber⸗ 
eugung aus, daß die große Mehrzahl der Nation 
zum Geiste einer vernünftigen Mitielpartei das 
Irößte Zutrauen hat, daß die Grundfirömung in 
der Nation der Auffassung entspricht, die seine 
Partei von jeher vertreten habe. Redner schließt 
nit der Hoffnung, daß die deutsche Jugend der— 
inst in nationalem Sinne an die politische Arbeit 
jerantreten werde, und mit der Versicherung, daß 
Treue zu Kaiser und Reich“ stets fein Leitstern, 
„Deutschland, Deutschland über Alles“ seine Devise 
ein werde. Stüurmischer Beifall folgte diesen Wor⸗ 
en. Hierauf sprach Herr Dr. Knecht dem Herrn 
Redner den Dank der Versammlung aus und schloß 
mit einem dreifachen Hoch auf Deutschland, in 
velches die Versammlung lebhafi einstimmte. 
— Am Pfingstdiennag, den 15. ds. Mits. 
Vormitiags 10 Ühr, wird im Kaisersaale des 
Saalbaues zu Neustadt a. H. eine General— 
dersammlung des Allgem. evang.prot. Missions⸗ 
pereins in der Pfalz stattfinden, in welcher die 
desinitive Organisation desselben berathen und be— 
chlofsen werden soll. 
kEokale und pfäl⸗eische Nachrichten. 
F Zweibrücken, 7. Junir Der Schleußen⸗ 
haͤrter Sch. der zugleich die Stelle eines Flur⸗ 
hützen versah, bezog durch diese Doppelstelle ein 
olches Einkommen, daß er seine zahlreiche Familie 
redlich ernähren konnte. Anstatt aber seinem Be⸗ 
ufe pflichtgemäß nachzugehen, gefiel es ihm am 
Besten in der Kneipe. Hier verjubelte er sein 
held und seine Familie mußte darben. Von seinen 
borgesetzten wurde er wiederholt aufgefordert, den 
oflichten seines Berufes besser nachzugehen. Doch 
half nichts und wurde ihm daher seine Stelle 
jekündigt. Dieses wirkte auf die sorgsame Frau 
jon Sch. so niederschlagend, daß sie heute an der 
S„chleuße ihren Tod suchte und fand. 
— Kaiserslgutern, 7. Juni. Heute 
Bormittag wurde der Küfer Heinrich Munch von 
zier, zur Zeit beim 2. badischen Grenadierregiment 
n Mannheim, welcher gestern Abend von seinem 
stegiment desertirt war, in seiner elterlichen Wohn⸗ 
ung verhaftet und heute Minag wieder zu seinem 
stegimente zurücktransportirt. Münch war nach der 
Pf. Pr.“ vor Jahresfrist schon einmal desertirt. 
— Kaiserslautern. Der hiesige kathol. 
dirchenbauverein hat aus seiner ersten Lotterie 
9,000, aus der zweiten 80,000 und aus der 
ritten 100,000 Mark erzielt und mit den Be⸗ 
rägen jetzt 300,000 Mark zinstragend angelegt, 
o daß nun bald an die Ausführung des Baues 
edacht werden kann. 
— Gelegentlich des Festes der Pfälzischen 
zechtverbände zur Errichtung von Reichswaisen⸗ 
sausern am Pfingstsonntag auf dem Trifels bei 
UInnweiler werden zwei Extrazüge dahin abgelassen 
ind zwar von Ludwigshafen und Landau.... 
— Neustadt. Die Versammlung, in wel⸗ 
her am Sonntag der Reichstagsabgeordnete Herr 
dr. A. Bürklin Bericht über die Thätigkeit des 
seichstages erstattete, war sehr zahlreich besucht. 
der große Saal des Saalbaues war stark zur 
hälfte besetzt und mit großer Aufmerksamkeit folg- 
en alle Anwesenden den Ausführungen des Herrn 
stedners. Herr Dr. Knecht begrüßte die Anwesen⸗ 
den und übernahm die Leitung der Versammlung 
da der 1. Vorstand des Vereins. Herr Dr. Buhl 
Vermischtes. 
FStraßburg, 7. Juni. Der Aufmerksam⸗ 
reit der deutschen Zollbeamten in Basel gelang es 
zieser Tage, einen hiesigen Einwohner zu ertappen, 
welcher auf seinem Korper unter den Kleidern die 
dleinigleit von 260 Stück filberuen und goldenen 
Taschenuhren verborgen hatte, um dieselben, wie er 
ãach geschmadvoll ausdrückte, zur Hebung seines noch 
jungen Geschäfts aus der Schweiz einzuschmuggeln. 
Er erleidet für diesen Hebungsversuch eine Geld⸗ 
srafe von 4054 M., sowie die Konfiskation der 
hren, deren Werth auf 5600 Mt. abgeschäht ist. 
Neidenfels, 7. Juni. Geftern Morgen 
früh erschoß sich der hiesige Tagner Grambiter 
im nahen Schuppen seines Hauses. Er hinterläßt 
eine Wittwe mit 9 Kindern. Hruslicher Zwist 
joll die Ursache des Selbstmordes sein. 
Aus dem Wupperthal, 8. Juni. 
kinem ganz merkwürdigen Unglüdsfall ist gestern 
jier ein Metzger zum Opfer gefallen. Derselbe 
vurde von einem wüthenden Ochsen, welchen er 
chlachten wollie, auf die Hoͤrner genommen und 
in einen mit kochendem Wasser angefüllten Kessel 
zeworfen, wodurch der Unglückliche in lebensgefähr⸗ 
icher Weise verbrüht würde. 
f Nuürnberg, 7. Juni. Die in der vor⸗ 
etzten Schwurgerichtssession zum Tode verurtheilten 
zeiden Luber von Stein wurden von Sr. Majestät 
»em König zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe be— 
madigt. Nach der Verkündigung des Gnadenaktes 
detheuerte Luber sen. wiederholt seine Unschuld; 
duber jun. wollte die ganze Schuld auf fich nehmen. 
fMGMuünchener Kuren.) Man sollte kaum 
zlauben, wie besorgt Mancher für seine Gesundheu 
fsfit — In einem Munchener Wirtbähauf⸗ soben 
Auslaud. 
Paris, 7. Juni. „Temps“ sagt bei Be⸗ 
oxechung der Prinzenausweisungsfrage, noch nie 
i die parlamentarische Thatigkeit durch solch byzan ⸗ 
mische Schwätzerei vergeüder worden. Die erste 
zälfte der Session sei durch Chimäre verthan, wo 
och keine Gefahr die Republik bedrohte; in der 
deiten Hälfte würde es ebenso ergehen, da das 
hotum des Senats zweifelhaft sei und einen Kon- 
ilt zwischen den beiden Kammern herbeiführen 
oͤnnte. Temps“ meint, durch solche Handlungs⸗ 
veise werde der Republik mehr geschadet, als durch 
ie absolut ungeführliche Anwesenheit einiger Prinzen. 
Paris, 8. Juni. Der Pariser Gemeinderath 
nehmigte gestern auf Antiag der Bürger Joffrin, 
habert und Vaillant, ungeachtet der lebhaften 
insprache des Seine⸗Präfeiten einen „Wunsch“, 
mzufolge alle Gesetze und alle Dekrete, welche auf 
delstitel Bezug haben, abgeschaffi, die Güter der 
demaligen Herrscher ⸗Famuien eingezogen und die 
lngehdrigen derselben sämmtlich des Landes ver⸗ 
niesen werden sollen. 
— Der heutige Ministerraih beschloß, den von 
t Ausweisungs⸗ Kommission gestern angenommenen 
Aheten) Anirag Floquet, wonach die Ausweisung 
lgemein durch das Gesetz erfolgen soll. abzulehnen.