Full text: St. Ingberter Anzeiger

jetroffen werden. Das Staatsgebäude und die; 
Zahnhöfe werden von den Truppen besetzt werden. 
Bon auswärts herbeigerufene Regimenter werden 
die Dörfer der Umgegend okkupieren. Das Arbei⸗ 
jerblatt“ mahnt dringend die Arbeiter der Provinzen 
1b, in Gruppen oder einzeln am 13. Juni nach 
der Hauptstadt zu kommen,* 
London, 9.“ Juni. Die Königin soll den 
Antrag Gladstone's, betr. Auflosung des Parlaments, 
angenommen haben; der Zeitpunkt. der Auflösung 
sei jedoch noch nicht festgesetzt.— de 
Im Süden Irlanda, zu Ardeegalain in 
der Grafschaft Kerry. ist von den Mondschein⸗ 
rittern wieder ein Agrarmord« vollführt 
worden. Die Schurken drangen um Mitt⸗ 
lernacht in das Haus eines Furmers namens 
Kornelius Doberiy ein und erschossen ihn, trotz der 
Jehenden Bitten seiner Frau und seiner Tochter; 
ein Verbrechen bestand darin, daß er sich bei dem 
Butsherrn Going als Flurschütz verdungen hatte. 
Diese Mordthat gibt einen Vorgeschmack von 
Greueln, welche auf die entgültige Beseitigung des 
Ddome Rule⸗Entwurfs folgen dürften. 
Belfasft (Irland), 10. Juni. Infolge der 
andauernden Reibungen zwischen Orangisten und 
atholiken fanden gestern Abend ernstere Ruhestör⸗ 
ungen statt. Eine größere Anzahl Katholiken griff 
die Polizei an, welche der Uebermacht weichen mußte 
und Zuflucht in der Kaserne suchte, von wo sie 
auf die Volksmenge feuerte. Fünf Personen wur⸗ 
hen getödtet und viele verwundet. Schließlich 
vpurde Militär zur Ruhe requirirt. Während der 
Ruhestörungen wurden mehrere Häuser zerstört und 
ins in Brand gesteckt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Die „Z3. Z.“ berichtet aus Ensheim, 
3. Juni: Am verflossenen Donnerstag wollten 
einige junge Burschen auf der Kegelbahn der Wittwe 
Adt dahier ein Kegelspiel machen, wobei zwei der⸗ 
selben wegen des Anwerfens in Streit geriethen. 
Der eine nahm nun eine der Holzscheiben und 
varf sie dem fich Entgegenstellenden an den Kopf, 
so daß derselbe besinnungslos zu Boden ffürzte 
und das Blut aus Ohren und Nase floß. Letzterer 
ist nun derart erkrankt, daß an seinem Aufkommen 
gezweifelt wird. 
— Lehrer Müller auf den Erzhütten wurde 
aim Samstag Abend auf dem Rückwege von Mehl⸗ 
hach, wohin er sich zu einem Leichenbegängnisse be⸗ 
jeben haite, in der Nähe der Dammmühle von 2 
cohen Burschen angefallen, in brutaler Weise durch 
Schläge auf den Kopf mißhandelt und in die Lauter 
zeschleppt. In bewußtlosem Zustande wurde er in 
der Nacht von einem zufällig Vorübergehenden, der 
auf sein Stöhnen aufmerksam geworden war, auf⸗ 
zefunden und nach seiner Wohnung geschafft, wo 
er an den Folgen der ihm beigebrachten Veletzungen 
sehr krank darniederliegi. Hoffentlich gelingt es der 
Polizei, die unbekannten ruchlosen Attentäter zu 
ermitteln. 
— In Edenkoben trat die neue Anord- 
nung bezüglich der Uebergabe der Steuerzettel im 
Coubert bereiis praktisch in die Erscheinung. Für 
die Einnehmereien erwächst aus der Ueberschreib⸗ 
ung der Umschläge eine beträchtliche Mehrarbeit. 
—- Der Landauer Stadtrath beschloß die 
Aufnahme eines 3* proz. Anlehens im Betrage 
hon ca. 800,000 Mark. Mit dem Gelde soll u. 
1. ein neues Waisenhaus mit einem Kostenaufwand 
von 60,000 Mk. gebaut werden. 
— Am Haardtgebirge macht sich infolge 
der langen Regengüsse in den Weinbergen bereits 
wieder der Sauerwurm stellenweise stark bemerkbar. 
— Speher, O9. Juni. Gestern gegen Abend 
hat sich oberhalb des Pionier-Uebungsplatzes ein 
fremdet Mann mit einem Vollbarte von einem 
Nachen aus in den Rhein gestürzt. Die Pioniere 
zanden schnell einen Nachen los und fuhren der 
Stelle zu, wo der Mann mehrmals auftauchte, 
konnten ihn aber nicht mehr retten. (Pf. 3.) 
Vermischtes. 
fStraßburg, 10. Juni. Die Zeitein⸗ 
theilung für die Kaisermanbver des 15. Armeekorps 
zei Straßburg ist folgendermaßen bestimmt: die 
Divisionsmanöver finden statt: bei der 80. Divi⸗ 
sion vom 6. —8. September bei Zabern⸗Pfalzburg, 
31. Dipission vom 6. — 8. Seytember Gegend von 
Molsheim. Am 11. September große Parade. 
Um 13. September Korpsmanöver gegen einen 
narkirten Feind, am 15., 17. und 18. September 
Feldmanöbver der beiden Divisionen gegeneinander. 
— In der Gegend zwischen Saarbrücken und Ott⸗ 
veiler finden in der Zeit vom 21. bis 25. Sept. 
ie Manöver der 16. Division statt; die der 15. 
division werden vom 9. bis 15. Septembec bei 
Nünstermaifeld abgehalten. 
F Düäüssel dorf, 7. Juni. Die diesmalige 
Sommerversammlung des ‚Vereins deuischer Eisen⸗ 
üttenleute“ wird am 27. Juni in der Gesellschaft 
Verein“ hierselbst stattfinden. Die Tagesordnung 
st folgende: 1) Geschäftliche Mittheilungen. 2) 
leber die rheinisch- westphälische Kleineisen- und 
Stahlwaaren-Industrie von Ingenieur Hädicke, 
direktor der Remscheider Fachschule. 8) Die Zu— 
ammensetzung der Thomasschlacke und ihre Be⸗ 
fründung von Oberingenieur G. Gilgenstock in 
hörde. 4) Ueber die neuern Erfahrungen in der 
berschlesischen Hochofen⸗ Industrie vvon H. Micco 
in Siegen. 
Hamm an der Sieg, 10. Juni. Gestern 
Abend ẽxplodirte in der Pulbermühle hierselbst eine 
Zulverpresse. Von den verletzten Arbeitern sind 
nereits drei gestorben. 
. Der Fabrikant Jos. Schnettler in 
Zagen, welchem durch den pens. Eisenbahn ⸗Be⸗ 
amten Runde der Bauch aufgeschlitzt worden war, 
ist am 5. d. nach unsäglichen Qualen im Kranken⸗ 
jause gestorben. Ueber die näheren Umstände der 
unseligen Blutthat verlautet noch nichts. 
CGeue Erfindung.) Proofessor Jäger 
vill nun auch ein unfehlbares Mittel gegen See⸗ 
rankheit erfunden haben. Dasselbe besteht in einem 
jandbreiten Gurt aus dickem Filz, den man mit 
Zgranntwein durchtränkt über die Magengrube auf 
em bloßen Körper tragen und immer wieder auf's 
ieue anfeuchten muß. Seereisende werden also gut 
daran thun, je eine Anzahl Schnäpse über und 
sinter die Binde zu gießen. 
F(Gayerischer Veteranen⸗, Krieger⸗ 
ind Kampfgenossen-⸗Bund.) Dem Prä— 
idium lagen in seiner Sitzung am 7. d. M. 147 
Unterstützungsgesuche zur Verbescheidung vor. 116 
»erselben, unter welchen 10 von Wittwen und 
Paisen, wurden mit 1548 Mark bedacht, 24 ab⸗ 
jewiesen, 7 ausgesetzt. 81 Gesuchsteller machten 
ie Feldzüge 1866 oder 1870771, 3 1849 und 
1813—- 153 mit, bei 25 derselben sind die Leiben 
ioch Folgen des Feldzuges 187071. Neu auf⸗ 
jenommen würden 17 Vereine. 
f Am 26., 27. und 28. Juli findet zu 
dehlheim die 1. Versammlung bayerischer Forst⸗ 
virthe statt. Alle Anfragen sind bis spätestens 10. 
Juli an den kgl. Forstmeister Reinhold in Kebl⸗ 
jeim zu richten. 
F In Augsburg findet vom 10. bis 14. 
Juli die 17. Generalversammlung des Verbandes 
eutscher Müller statt. Derselben wird sich am 
13. Juli die Generalversammlung des bayerischen 
Zweigverbandes anschließen. 
FWie unangebracht oft das Mitleid mit ge⸗ 
zrechlichen Personen ist, bewies am Sonntag abend 
vieder ein Blinder, der mit seiner Begleiterin in 
iner Gastwirthschaft an der Herbststraße in München 
inkehrte, dort unter sortwährendem Prahlen, was 
er heute verdient habe, eine ganze Hand voll Mark⸗ 
tücke aus der Tasche zog und auftrageu ließ, was 
zut und theuer ist, „da es ja heute so was wohl 
eide·. 
F Dresden. Nicht zu Wasser! Bei einer 
er letzten Rekruten⸗Vereidigung kam hier folgender 
omischer Fall vor. In der Eidesformel stehen 
jekanntlich die Worte: dem Kaiser zu Land und 
u Wasser tren zu dienen. Einer der neu Einzu⸗ 
tellenden, welcher jedenfalls der Ansicht war, das 
Wasser habe keine Balken, wollte aufs Wasser nicht 
chwören; es wurde ihm zugeredet, und er erhob 
viederum die drei Finger, als aber die Worte 
amen: „zu Wasser“, senkte sich abermals die Hand. 
„Nee, zu Wasser mag ich nich, e guter Landsoldate 
vill ich sein, aber uf's Wasser mag ich nich!“.... 
krst als man ihm zum so und sovielten Male 
agte, daß der Eid für deutsche Lande und See⸗ 
oldaten derselbe sei und man seinetwegen die Eides⸗ 
ormel nicht ändern könne, da überwand er endlich 
eine Widerwillen gegen das Wasser und leiltete 
den Schwur. 
F Die Wolkenbrüche in Mitteldeutsch⸗ 
land, welche in den ersten Tagen des Juni wü⸗ 
eten. baben schreckliche Folgen gehabt. In Teist 
ingen auf dem Eichsfelde find in den pu 
jsereinbrechenden Fluthen 2 Kinder, in Dehnehn 
»ameln ein 11jähriger Knabe und in õuun be 
de 2Frauen erirunken. Die Zahl degenan 
ommenen Viehes ist seht groß. In Worbis de 
ie Wassermassen den Friedhof vollständig dg den 
zie Leichen“ zrieben zum Entsetzen der —— 
chaft in den Fluthen. Auf einem Kommuneen 
vege bei Hochstedt wucde ein Geschirr aus * 
jausen, bestehend aus Chaise, Pferd und — 
ortgeschwemmt; zwischen Herreden, Hochstedt 
y)örningen wurden sämmiliche Brücken nd 
elbst eine schwere, eiserne, erst im vorigen 9— 
rbaute Brucke wurde k20 Meter weit sahe 
Weit und breit sind die Gemarkungen vershinn 
ind ertragsunfähig, Eisenbahn und Post haben nt 
nanchen Gegenden tagelang den Betrieb nn 
nüssen. Was das Wasser nicht ruinitt hat 
von dem bis zur Größe von Kartoffeln — 
dagel vernichtet worden, kurz die elementaren Er— 
aignisse haben auf. Jahre hinaus Tausende an du 
Bettelstab gebracht. J 
(ine Seltenheit.) Hert F. Windinge 
in En gen hat dieser Tage ein öwöchiges Sam 
alb im beträchtlichen Gewicht von 210 Pfund 
Metzger Maier in Engen um 82 M. verkauft. 
7 Den Lehrern und Schülern des Raze 
burger Gymnasiums ist am 2. Juni eine ba 
ondere Ehre zu Theil geworden. Genannte An— 
talt machte nämlich einen Ausflug nach dem 
Sachsenwalde und erfuhr schon dadurch einen Be 
veis außerordentlicher Freundlichkeit, daß der Oher⸗ 
örster Lange von Friedrichsruh ihr einen Forß. 
leven als Führer mitgab, welcher ihr die schönsten 
Bunkte im Walde und Parke des Fürsten Reichskanzler 
eigte. Später kehrte man im Landhause von 
Friedrichsruh ein und restaurirte sich. Inzwischen 
hatte wohl der Kanzler erfahren, daß das Rage⸗ 
hzurger Gymnasium dort anwesend war, und hant 
ich wohl auch gedacht, wie die jugendlichen Herzen 
ich darnach sehnten, den Einiger Deutschland— 
kennen zu lernen; kurzum — er erschien plötzlich 
'm Landhause mitten unter den Lehrern und 
Zchülern. Zunächst ließ der Fürft durch den Di⸗ 
rektor der Austalt, Herrn Dr. Steinmetz, das Leh— 
rerkollegium vorstellen und unterhielt sich in der 
reundlichsten Weise mit einem der Herren, dessen 
Name ihn an den Ordinarius erinnerte, den er 
einst als Tertianer gehabt und der seinem Namen 
als „streitbarer“ Herr alle Ehre gemacht habe 
hHierauf ließ der Reichskanzler sich die einzelnen 
klassen der Anstalt vorführen und richtete in der 
leutseligsften Weise einige Worte an dieselben. Ve— 
onders drückte er die Händchen der „Kleinsten 
der Anstalt, die ihm mit ihren hellen Kinderaugen 
entgegenlachten. Aber auch für die „Großen“, be 
onders die demnächstigen Abiturienten, hatte er 
rreundliche und ernste Worte. Ein geradezu er 
jebender Moment war es, als er mit von Rühr⸗ 
ing und Warme durchdrungener Stimme der Ju⸗ 
send zurief: „Gott gebe, daß Sie Ihrem jetzigen 
daiser und allen folgenden einmal mit eben solcher 
Freudigkeit dienen, wie ich meinem Hertn. Stim⸗ 
nen Sie ein mit mir in den Ruf: „Seine Maje⸗ 
zät, unser Kaiser, lebe hoch!“ Wie die von Herjzen 
ommenden Worte in hundert Herzen freudiger 
Widerhall gefunden, davon zeugte das donnernd 
— 
zürst jede Ovation für seine Person verbeten hatte 
d ergriff doch der Direkior der Anstalt noch dab 
Wort, um alle Anwesenden aufzufordern, auf de 
deutschen Reiches „Grund;, Eck⸗ und Edelstein 
ein Hoch auszubringen, in das alle Anwesender 
voll Begeisterung einstimmten. Darauf wender 
ich der Furst nochmals an die erwachsene Jugend 
mit den Worten; FReichskanzer lann ja nicht 
Jeder werden; aber sollten Sie einmal Reichslags- 
Pgeordnete werden, so machen Sie Ihrem Kanzlet 
zas Leben nicht zu schwer, denn stritisiren ist imme 
eichter, als Regieren.“ Nachdem er nun nod 
iniqe freundliche Worte, besonders zu den Abitu · 
ienien, gesprochen, entfernte er lich wieder. Um 
en Tag dauernd als einen Ehrentag für dad 
datzeburger Gymnafium festzuhalten, beschlossen di 
Schuler gemeinfam eine Foahne fur die Anstalt p 
tifien, welche neben den Worten Friedrichstuh 
deh 2. Jun 1i886auch noch den Woahlsprut 
enthalten soll: „Es lebe der Kaifer und sein aroer 
danzler!“ 
j GUnfallversicherung) Ueber Idr 
Folgen einer nicht rechtzeitigen Änmeldung eine 
Arbeiters zur Unfallbersicherung verdient nachfolger