Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Dienstag, 15. Juni 1886. 
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König Ludwig II. 
In ganz Bayern läuten die Glocken Trauer 
den Verlust unseres vielgeliebten Königs Lud⸗ 
. Und mit seinem treuen Bayernvolke be⸗ 
uen ganz Deutschland das tragische Geschick des 
Monarchen, dessen stolzer Geist einst in den 
hsfen Regionen weilte, um dann von jener fin⸗ 
Macht umfangen zu werden, die schlimmer ist 
helbst der kalte Tod. Echt und wahr ist die 
zuer, die aus dem Herzen des Volkes spricht, 
nund wahr, wie es die Liebe war, die dasselbe 
einem Koönige hegte, der seines verantwortungs⸗ 
hen Amtes mit Weisheit und Mäßigung gewaltet 
dallzeit ein treuer Hüter war der edelsten Güter 
ars volkes. Unauslöschlich und eng verflochten 
der Name des verklärten Herrschers mit dem 
mzendsiten Kapitel der Geschichte des neuerstande⸗ 
deutschen Reiches. Unvergessen wird dem edlen 
ingegangenen bleiben, was er in der Stunde 
insamer Gefahr zur Einigung aller deutschen 
imme that und wie er sich dann zur Krönung 
Siegeswerkes zum Dolmeischer der Gefühle des 
zen deutschen Volkes machte. Ein echt deutscher 
st, ein Beschützer der Künste und Wissenschaften 
x Koͤnig Ludwig. Die Geschichte wird sein 
upt mit dem verdienten Lorbeer umwinden. Und 
aß Andenken an den edlen Fürsten auch um⸗ 
ut von der untrennbaren Erinnerung an sein 
agisches Ende, der Name unseres Ludwig II. 
gmzt für alle Zeit in dem reinen Lichte erhabener 
uͤrlichkeit und hochsinnigen Patriotismus und 
mge wird es dauern, bis im Herzen des Volkes 
v Klage über das unerbittliche Geschick, dessen 
wier sein geliebter König geworden, verstummt. 
Munchen, 14. Juni. Heute Nachmittag⸗ ehrung kund gegeben; namentlich das Benehmen 
vurde im Geseg⸗ und Verordnungsblatt die Thron ⸗ des greisen Kaisers in der Krisis der Schlacht bei 
olge des Prinzen Otto als König und die Zravelotte soll ihm außerordentlich imponirt haben; 
lebernahme der Reich Sverwesung durch dei zahlreichen durch Lebensalter, Verhältnisse u. 
zrinzen Luitpold proklamiert. j. w. bedingten Verschiedenheiten dürften übrigens 
Muünchen, 14. Juni. Heute Nachmittag deide in Rede stehende fürstliche Charaktere starke 
st ein Thronfolge- und Regentschafts⸗Patent er⸗ Lehnlichkeitsmomente zeigen. An dem Tage der 
chienen, unterzeichnet Luitpold, Prinz von Bayern, etzten Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und 
ind vom gesammten Ministerum, welches die doönig Ludwig, 18. Juli 1874, rief bei der Ab- 
Thronfolge Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen ahrt aus dem Münchener Bahnhof der auf der 
RNto und die Uebernahme der Regentschaft Freitreppe des Salonwagens stehende Kaiser noch 
urch Se. Kgl. Hoheit den Prinzen Luit pohd be⸗ inmal Luitpold“ und zog den herbeigeeilten Vetter 
annt gibt und von allen Bayern Treue und Ge⸗ n die Arme. Trozt seiner 685 Jahre ist Prinz 
orsam gegen König Oito erwartet. Die Aemter Lduitpold noch sehr rüstig; nach menschlichem Er— 
ind Stellen haben ihre Amtspflichten nach wie nessen würde man sich also auf eine ziemlich 
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in den Verfassungs⸗ und Diensteseid. natürlich und leutselig, ist Prinz Luitpold allgemein 
Die Leiche des Königs Ludwig wird heute eliebt, dabei wohlunterrichtet und kunstverstündig; 
sacht nach München gebracht, am Dienstag von n den Grenzen seiner ziemlich schmal bemessenen 
Irof. Rüdinger sezirt, dann aufgebahrt (in der ittel ein Kunstfreund und Mäcen. Wie sein 
Narterkapelle der Residenz) und wahrscheinlich am bater bei aufrichtiger katholischer Religiosität keines 
ʒamstag feierlich beigesetzt. vegs klerikal gesinnt und in der bayerischen Reichs⸗ 
Muͤnchen, 14. Juni, 4 Uhr Nachminags. athskammer mit seiner Abstimmung fast regelmäßig 
Ddas amtlich ausgelegte Gutachten der eidlich ver⸗ iuf der antiklerikalen Seite gewesen, würde er sich 
ommenen vier Irrenärzte iautet in seinem be- dortrefflich in dem Rahmen der deutschen Reichs⸗ 
ründenden Schlusse: Hiermit schließen die Unter- »olitik zu halten verstehen, namentlich seit der in 
eichneten ihre Schilderung ab und erklären ein- Berlin neuerdings eingetretenen lkirchenpoltischen 
immig, was folgt: Seine Majestät König Wendung. Für Bayern und Deutschland würde 
zudwig find im weitest vorgeschrittenen Grade eine Regentschaft vorausfichtlich von segensreichen 
elengestört und leiden an jener Form, die Verrückt- Folgen begleitet sein. 
eit (Paranoia) bezeichnet wird. Bei dieser Krank⸗ — — * 
eitsform und ihrer allmählichen Entwickelung und 
sch über lange Jahre erstreckenden Dauer ist Seine 
Najestät unheilbar und ein weiterer Verfall der 
geisteskräfte unzweifelhaft. Bei dieser Krankheit 
st die freie Willensbestimmung ausgeschlossen und 
er König deßhalb an der Ausübung der Regierung 
erhindert. Die Verhinderung wird nicht nur 
änger als ein Jahr andauern, sondern sich auf 
zie ganze Lebensdauer des Kranken erstrecken. 
Gez.): Gudden, Hagen, Grashey, Hubrich. 
Der neue Regent von Bahern wird in 
her „Elberfelder Zeitung“ folgendermaßen charak⸗ 
erisirt: 
„Im Jahre 1866 Befehlshaber einer der vier 
ayerischen Felddivisionen, focht er namentlich bei 
deimsiadt in Unterfranken 25. Juli. Sein ältester 
Sohn, der präsumtive künftige König Ludwig III. 
vurde an jenem blutigen Tage neben ihm schwer 
erwundet. In der bayerischen Reichsrathskammer 
timmte er mit sämmilichen bayerischen Prinzen 
mßer dem jetzt als Arzt und Menschenfreund so 
joch berühmi gewordenen Herzog Karl Theodor am 
38. Januar 1870 gegen den damaligen bayerischen 
Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe. In dem 
Feldzuge von 1870 war er dem Hauptquartier des 
zönigs von Preußen zugetheilt und wohnte in dieser 
ztellung den Schlachten bei Gravelotte 18. August 
nnd Sedan 1. September bei; auch an der Ver— 
nisler Kaiserprollamation des 18. Januar 1871 
at er Theil genommen; ebenso natürlich an dem 
gerliner Siegeseinzuge 16. Juni und dem Mün⸗ 
hener des 16. Juli 1871. Wie bei so vielen 
zayern scheint der Krieg von 1870 den Groll bon 
866 auch bei ihm besiegt zu haben. Unter den 
hm nachgesagten Aeußerungen findet sich nach 1870 
iejenige, daß „die ihm anerzogene Tradition den 
jeuen deuischen Zuständen widerstrebe, die nüchterne 
xinsicht ihm aber die Unvermeidlichkeit und Er⸗ 
prießlichkeit derselben zeige“. Für die Person Sr. 
Paiestäs des Kaiserk hal er steis die größte Ver⸗ 
dönig Ludwig war geboren am 28. 
jut 1845 und hatte den Thron seiner Väter 
ttiegen am 10. März 1864, als nicht ganz 
jähriger Jüngling. Der verewigte Monarch 
te ein Alter erreicht von nicht ganz 41 Jahren. 
bayerische Königswürde ging nun über an des 
useligen Königs Bruder, Se. Kgl. Hoheit den 
imzen Otto, geb. 27. April 1848, General der 
dallerie und Inhaber des kgl. b. 5. Chevaux- 
ers. Regts,, dessen 2. Eskadron in Zweibrücken 
nisonitt. Da jedoch, wie die Regentschafts⸗ 
ctlamation ausdrücklich besagt, über Se. Kgl. 
veit den Prinzen Otto schon lange ein ihm die 
hetnahme der Regentschaft unmöglich machendes 
iden verhängt ist, so bleibt die soeben verfassungs- 
sig begonnene Regentschaft Sr. Kgl. Hoheit des 
zen Luit pold einfach bestehen, beziehunas⸗ 
ise wird dieselbe bestätigt. 
Deutsches Reich 
Nuünchen, 14. Juni. Heute Vormittag 10 
and in der Türkenkaserne eine Vereinigung 
Generalität und des Offizierkorpo, in allen 
deren Kasernen die Vereidigung der gesammten 
nnschaften zum Gehorsam gegen Se. Majestät 
uig Otto J. von Bayhern und dem Verweser des 
vhes Prinz Luitpold statt. 
— Die Konigin⸗Mutter liegt krank in Elbinger⸗ 
Flügeladjuiant Graf Duͤrchheim ist im hie- 
n Militärgefüngniß interniert, sein Bruder, 
mierlieutenant, wurde im Duell mit dem Grafen 
utein verwundet. Die kgl. Theater sind ge⸗ 
lsen und sechswöchentliche Landeslrauer angeordnet