Amiliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Dienstag, 20. Juli 1888. 21. Jahrg.
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Deutsches Reich.
Augsburg, 17. Juli. Der Kaiser hat die
Zerenade und überhaupt jede Ovation in Anbetracht
er Landestrauer abgelehnt. Hierbei ist übrigens
ußer der Rüclssichi auf die Landestrauer auch noch
in persönlicher Grund bei dem Kaiser vorhanden:
er Tag seiner Abreise von Augsburg und Ankunft
n München ist nämlich der 19. Juli, und das ist
er Todestag der Königin Louise, der Mutter des
jetätvollen Monarchen, der diesen Tag steis in
nöglichster Ruhe und Stille zu verbringen pflegt.
zeräuschvolle Huldigungen und Festlichkeiten an
diesem Tage würden dem Kaiser somit gegen die
Fzmpfindung gehen.“ Der heurige 19. Juli ist
zer 76. Gedächtnißtag des Todes der Königin
Louise und zugleich der 16. Jahrestag der Wieder⸗
rneuerung der Kriegasdekoration des Eisernen
dreuzes. —
Augsburg, 19. Juli. Der Kaiser ist gestern
Abend 82/2 Uhr hier eingetroffen und wurde auf
zem festlich geschmückten Bahnhofe von den Be—
pörden, der Generalität, dem Bürgermeister und
Jer preußischen Gesandtschaft empfangen. Sodann
egab sich der Kaiser in einem königlichen Gala⸗
wagen unter stürmischem Jubel der dichtgedrängten
holkamenge durch die reich geschmückten und illu⸗
minirten Straßen nach dem Hotel „Zu den drei
Nohren“. In Folge nicht endender Hochrufe der
holtsmassen erschien der Kaiser bald darauf auf
dem Balkon, sich nach allen Seiten dankend ver⸗
neigend.
Augsburg, 19. Juli. Der Kaiser nahm
jeule Morgen zunächst verschiedene Vorträge ent⸗
gegen und begab sich dann um 10 Uhr unter ent⸗
jusiastischen Hochrufen der stundenlang vor dem
hotel Zu den drei Mohren“ und auf der nach
dem Bahnhof führenden Straße harrenden dichtest
gedrängten Volksmassen durch die überaus reich mit
Fahnen und Laubgewinden geschmückten Straßen,
wo die Feuerwehr und die Kriegervereine Spalier
ildeten, zum Bahnhof. Die Abreise erfolgte um
l0i Uhr nach München.
München, 19. Juli. Der Kaiser traf um
4 Uhr 30 Minuten 'auf dem reich geschmückten
zahnhofe ein, wo er von dem Prinz⸗Regenten,
uͤmmtlichen Mitgliedern des Königshauses,, den
bersten Hofchargen und den Staatsmipistern em⸗
ffangen wurde. Der Kaiser trug bayerische, Prinz
uitpold preußische Unifgrn.
Munchen, 19. Juli. Der Kaiser nahm im
dönigssalon mit dem Prinz ⸗Regenten und sämmt ⸗
ichen Prinzen und Prinzessinnen das Deieuner ein
und reiste um 1 Uhr nach Salzburg unter enthu⸗
iastischer Begrüßung des Publilums.
München, 19. Juli. Laut Telegramm des
Wolff'schen Bureaus haben der Kaiser und Prinz
duitpoid sich zur Begrüßung dreimal umarmt und
dreimal herzlich geküßt.
Die jungst fiattgehabten Besprechungen zwischen
den süddeutscher Finanzministern haben sich,
vie man hört, auf die Brannweinsteuerfrage be⸗
ogen, Es wird damit bestätigt, daß einer neuer
Anlauf auf diesem Gebiete nahe bevorsfieht. und
man kann die Hoffnung hegen, daß ein neuer, mit
mehr Muße unternommener Versuch bessere Ergeb⸗
nisse lifern werde. Wenn sich die suddeutschen
Finanzminister jetzt schon mit der Angelegenheit
zeschastigen, so wird man auch erwarten duürfen,
datz der neue demnächst dem Reichstag vorzulegende
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wie die früheren, nur auf das Gebiet der Brannt⸗ In dem hinter dem Wohnhause befindlichen Gart
weinsteuergemeinschaft erstreckt. Das würde von chen wurde er aufgefunden und kann man sich bis
vornherein der neuen Vorlage nur zur Empfehlung setzt die Motive dieses Selbstmordes noch nicht er⸗
gereichen, wenn es auch kaum einem Zweifel unter- ilären. * — W
egen kann, daß auch zu einem Gesetz in den zuu.
letzi vorgeschlagenen Formen alsbald der eitritt Vermischtes.
der süddeutschen Staaten erfolgt sein würde. fWorms, 17. Juli. Die Bahnbau⸗Arbeiten
Die Wiener Blatter bringen übereinstimmend auf der Nebenbahnlinie Worms· Offstein werden
die Meldung, daß der österreichische Minister des mit großer Beschleunigung vorgenommen und sind
Aeußern, Graf Kal nok y, in den nächsten Tagen bereits sehr weit gediehen. Auf' der Strecke von
zum Bejuche des deutschen Reichskanzlers, Fürsten der Frankenthaler Chaussee bis Horchheim find die
Fu'amarc nach Kissingen kommen werde, Die Erdarbeiten fertiggestellt. zwischen Horchheim und
Zusammenkunft der beiden Staatsmänner wird als deppenheim wird die Bahn im Laufe der nächsten
Vorläufer und Vorbereitung der bevorstehenden Woche vollendet sen. —
Begegnung des deutschen Kaisers mit dem Kaiser WBelterod im, Kreise St. Goarshausen,
von Oefterreich betrachtet, weicher später eine En- 15. Juli. Dem „Rh. Cour.“ wird von hier be⸗
revue zwischen dem Kaiser von Rußland, dem richtet: Im Jahre 1870, beim Ausbruche des
Prinzen Wilhelm von Preußen und dem öͤster⸗ deutsch⸗franzosischen Ktrieges, zog ein damals schon
reichischen Kronprinzen folgen sol. verheiratheter Landwehrmann von hier, Namens
Berlin, 19. Juli. Die „Nat.«Ztg.“ meldet, Breitenbach und Landmann von Geschaft, mit in
daß der bisherige französische Botschaster am Ber- das Feld und gerieth bei einer Schlacht in fran⸗-
liner Hof, Baron Courcel, bei dem Vrasidenten zoͤsijche Kriegsgefangenschaft. Wegen eines Sub⸗
der Republik die Enthebung von seinem Posten ordinationsvergehens erhielt er eine Strafe von 24
beantragt hat. Jahren Einsperrung bei schwerer Arbeit und wurde
Berlin, 19. Juli. Die Handelsstokung in zur Verbüßung dieser Strafe nach Algier verschidtt.
Kamerun ist beseitigt, nachdem die Eingeborenen In diesem Jahre nun, und zwar am 26. April,
sich mit den reduzirten Preisen zuftieden gegeben. zelang es ihm. von dort zu entkommen und nach
In Milugar⸗ wie in Marinekreisen sieht man dvielen Irrfahrten ist er vor einigen Tagen in seinem
mit gespanntester Theilnahme den Flottenmanövern heimathorte hier angelangt. Längst schon war er
entgegen, welche in der letzten Woche ds. Monats in Vergessenheit gerathen und für todi gehalien.
suͤ Kiel ihren Anfang nehmen, und 6 Wochen Seine Frau hatte sich, da er nie ein Lebensz eichen
zauern sollen. Es soll dabei, wie die „Nat.Ztg.“ bon fich gegeben, inzwischen anderweit verheirathet
hervorhebt, eine neue Gefechtsweise zur Anwendung und das Wiedersehen mag wohl bei beiden Theilen
lommen, deren ebentuelle Bewährung von besonderer onderbare Empfindungen hervorgerufen haben. Die
Wichtigieit für weitere Entwickeiung unserer Marine Frau erkannte ihren ersten Mann sofort wieder.
ach gestalten dürfte. Der Zurückgekehrte erzaͤhlte wundersame Geschichten
über seine Entweichung und lange Reise in die
Heimaih. Schon seit Jahren will er die Flucht
geplant und nur auf einen günstigen Augenblick
gewartet haben. Dieser bot sich ihm am 26. April
d. J. dar. In Gemeinschaft mit einer Anzahl
anderer Gefangenen naͤmlich hatte er unter strenger
Aufsicht Feldarbeiten zu leisten und war so in die
Nähe eines Waldes gelangt. In einem unbewach⸗
ten Augenblicke entwischte er, schlüpfte zunächst in
den Wald und führte seine Wächter, die ihn unter
fortwahrendem Gewehrfeuer verfolgten, dadurch irre,
daß er auf einen Baum kletterte und sich da so
lange verfteckt hielt, bis seine Verfolger den Rüd⸗
weg angetreten hatten. Nach langen Irrfahrten
hatte er sodann die Farm eines Deutschen erreicht
und ist von diesem mit Nahrung, Kleidung und
Geld reichlich ausgestattet worden. Durch weitere
Unterstützungen, die ihm unterwegs gute Menschen
ju Theil werden ließen, gelangte er nach Deutsch⸗
land und der Heimath immer näher, bis er, wie
schon gesagt, vor einigen Tagen, vom Wetter ge-
bräunt, hier eintraf. Er machte übrigens auch die
Mittheilung, daß in Algier, und zwar auf dem⸗
jelben Platze, wo er gewesen sei, noch ein Lands⸗
mann, Namens Koch, aus dem Regierungsbezirke
Wiesbaden — den Ort konnte er nicht nennen —
in französischer Kriegsgefangenschaft sei.
—f Regensburg,«15. Juli. Gestern früh
Fe — den kranken Spenglermeister B. ein
Mordanfall ausgeübt. Als seine Frau und defsen
heide Söhne außer Hause waren, kam der 16jäh⸗
rige Lehrling in das Zimmer seines im Bette
iegenden Meisters und versetzte demselben mit dem
Werkzeuge zwei Schläge auf die Seite und einen
vuchtigen Schlag auf den Kopf; er lief damn.
tw Auslaud.
Ealzburg, 19. Juli. Kaiser Wilhelm
ist heute Nachmittag 4*2 Uhr hier eingetroffen und
am Bahnhof von dem (von Reichenhall erschienenen)
Prinmen und der Prinzessin Wilhelm von Preußen
sowie den Spitzen der Behörden empfangen worden.
Eondon, 19. Juli Das Ministerium hat
beschlossen, morgen zurückzutreten.
Eokale und pfalzische Nachrichten.
0 Erfweiler, 19. Juli. Gestern zeigte
man mir einen kleinen Zweig von einem Kirsch⸗
daume aus Ballweiler, an dem nicht weniger denn
71 ausgewachsene veredelte Kirschen hingen. Der
Zweig hatte eine Lange von circa 8 Dezimeter.
rs wurde mir versicherl, daß der ganze Baum mit
Zirschen; formlich überladen sei. — Wahrend in
den ietzten Jahren die auch anderwärts haufige
slage des Landmannes, daß die Preise der Aecer
und auch Wiesen so gefallen seien, Grund zur
Mißstimmung veranlaßten, bonnen wir diesez Jahr
die erfreuliche Thatsache berichten, datz bei Ver⸗
teigerungen hier die Güter einen viel höheren Be⸗
rag erzielten, wie früher. Bei einer abgehaltenen
Zwang eversteigerung betrug die Taxe etwas über
000 Mark, der Erlös aber fast 10,000 Mark.
Es dürfte dies ein Beweis sein, daß die Lage des
dandmannes eine bessere ist, denn früher.
— Kirchheim a. E., 19. Juli. Gestern
Nachmittag erhängte sich der 20jährige Fabrikar⸗
beiter Philipp Baab, Sohn des Schuhmachers
Jehannes Baab dahier. Derselbe galt bis daher
als ein braver, fleißiger Bursche und soll gestern
noch zweimal den Gottesdienst hier besucht haben