— Speyer, 21. Juli. (Sp. 3.) Sr.
Exz. Herrn Regierungspräsidenten Staatsrath von
Braun wurde durch Zuschrift des Protektors und
Senates der Großh. badischen Universität Heidel⸗
berg die auszeichnende Einladung zu Theil, der
Stiftungsfeier als Ehrengast beizuwohnen.
Pr.OQ. (Die Lehrmittel⸗Ausstel—
lbung bei der zehnten pfälzischen
streislehrer-Versammlung in Lud—
wigshafen a. Rh.) „JIn zahlreichen Volls—
schulen fehlt es fast gänzlich an den zweckent⸗
sprechenden Lehrmitteln; nicht selten bieten einige
alte und vermoderte Landkarten nahezu das ganze
Lehrmittel ˖· Materiad. Das ausgedehnte und so
überaus wichtige Gebiet des Anschauungsunterrichtes
wird — wenn von der Zaählmaschine abgesehen
wird — in der Mehrzahl der Schulen von weni—
gen oder geeigneten Unterrichtsmitteln unterstützt.
Der lediglich durch Anschauung fruchtbringend zu
gestaltende naturkundliche Unterricht entbehrt zu⸗
meist der natürlichen Bafis, welche derselbe vor⸗
zugsweise in Sammlungen von Steinen, Pflanzen,
Thieren und guten Abbildungen aus den drei Na⸗
turreichen zu finden vermag. Nicht besser, eher
schlimmer steht es in Rücksicht auf die Schulein⸗
richtungsgegenstände. Wenn man von einzelnen
größeren Gemeinden absieht, wird nur selten eine
Schulbank gefunden, welche den rationellen Anfor⸗
derungen der Gesundheitspflege und Pädagogik
gleichmäßig entspricht. Regelmäßig sitzen alle Jahr⸗
gänge der Volksschule auf Bänken von der näm—
lichen Größe und Dimension; die elementare An⸗
forderung an eine gute Schulbank, gleichmäßig für
das Sitzen wie das Stehen der Kinder geeignet zu
sein, ist eine in weiten Kreisen völlig unbekannte
Sache. Auch die ühbrigen Schuleinrichtungsgegen⸗
ftände, vom Lehrkatheder herab bis zum Schreib—
griffel der Kinder, sind nur zu häufig von wenig
befriedigender Beschaffenheit.“ Mit diesen Worten
leitete einer der hervorragendsten Verwaltungsbe—
amten Bayerns im Jahre 1875 sein Programm
zur Gründung eines Kreislehrmittel-⸗Magazins ein.
Diesem Ergebniß gegenüber ist es nun allerdings
erfreulich, constatiren zu köͤnnen, daß in dem in⸗
zwischen verflossenen Decennium in allen Kreisen
unseres engeren Vaterlandes ein reger Wetteifer zur
ernstlichen Besserung und gründlichen Umgestaltung
dieser Verhältnisse sich entfaltet hat, und es ist
—V daß in der That anerkennenswerthe
Fottschritte gemacht worden find. Besonders dort,
wo ein glücklicher Stern eine erleuchtete Regierung
mit einem für die Interessen der Volksbildung be⸗
geisterten und opferwilligen Landrath zu gemein⸗
samem Wirken verband, wie dies in der Pfalz der
Fall war, gelang Ungewöhnliches für Schule und
VFehrer und die Reformen wuchsen von Jahr zu
Jahr an Zahl wie an Bedeutung. Das durch
und durch praktische Bedürfniß, dem Unterricht des
Lehrers durch verbesserte Lehrmittel und Schulein⸗
richtungsgegenstände Erleichterung und Unterstützung
zu gewähren, quillt aus der zwingenden Noth des
Schuͤllebens hervor und ist die Veranlassung ge⸗
worden, daß seit einer Reihe von Jahren mit den
pfälzischen Kreislehrer · Versammlungen häufig Lehr⸗
mittel⸗Ausstellungen verbunden waren. Die Erfahr⸗
ung hat gelehrt, daß auf dem Wege behoͤrdlicher
Ausschreibungen und allgemeiner Anregungen es
nicht immer gelingt, in dieser Sache zum Ziele zu
kommen, und in der That läßt sich auch das rich⸗
tige Verständniß von dem Werth und Brauchbarkeit
guͤter Lehrmittel und Schul⸗Einrichtungsgegenstände
für die Schulbehörden, Lehrer, sowie Eltern der
jchulpflichtigen Kinder nur durch die Anschauung
und den Gebrauch solcher Gegenstände vermitteln.
Daher will die Lehrerschaft Ludwigshafens die Ge⸗
legenheit sich nicht entgeben lassen, auch hrerseits
durch die Veranstaltung einer Lehrmittel ⸗Aussteliung
einen, wenn auch kleinen Beitrag zur Förderung
des Schulwesens in unserem Kreise zu leisten. In
Bezug auf ihre Einrichtung aber soll sich dieselbe
nach den Vorschlägen des kgl. Local⸗-Schulinspektors
Dr. Geistbeck in zweifacher Richtung von allen
früheren wesentlich unterscheiden. Während bisher
den Buchhändlern des Festortes überlassen geblie—
bden war, für die Herbeischaffung des nöthigen
Materials Sorge zu tragen, hat der Ausstellungs⸗
Ausschuß diese Angelegenheit selbst in die Hände
genommen und zuvoͤrderst den Grundsazz aufgestellt,
daß nur wirklich Mustergiltiges auf der Ausstellung
bertreten sei. Aus diesem Grunde soll die Be⸗
theiliaung der Verlaasfirmen bei der Ausstellung
nicht eine beliebige sein, sondern es werden nur
jene Firmen geladen werden, die von vornherein
die Garantie für vorzügliche Leistungen bieten. Bei
der reichen Gliederung des Lehr⸗Programms unserer
Volksschule wird es aber wenigstens im Rahmen
einer Kreisausstellung geradezu unmöglich sein, mit
diesem Grundsatze zugleich auch die Forderung re⸗
ativer Vollständigkeit zu vereinigen. Deshalb hat
ich der Lehrmittel ⸗Ausschuß enischlossen, die letzt
rwähnte Forderung nur auf ein einziges Gebiet
zu beschränken, nämlich auf das des geographischen
Anterrichts, und in dieser Richtung soll die Aus⸗
stellung nicht nur qualitativ vorzuͤglich, sondern
auch quantitatidv relativ erschöpfend sein, fie soll
das Beste bieten, was die Schul⸗Geographie in
der Gegenwart leistet. Schon jetzt sind wir in der
zlücklichen Lage, constatiren zu können, daß die
hervorragendsten geographischen Firmen Deutsch⸗
andb uns mit ihrem Material zur Verfügung
tehen, und daß die Lehrerschaft, welche oft ver⸗
zeblich Rath sucht in der Beschaffung guter Karten,
hier die besten Muster vor Augen haben wird, die
nicht blos dem Bedürfnisse der Volksschule, sondern
auch weitergehenden Forderungen der Mittelschule
vollauf genügen. Die geographische Ausstellung
vird demnach umfassen: H Karten für den hei—
nathkundlichen Unterricht, Pläne von Schulzimmern
Schulhäusern und Stadtplänen; ferner das Grund⸗
naterial zur Herstellung von Karten der heimath—
ichen Umgebung; der betreffenden Generalstabs⸗
larten des kgl bayerischen topogrophischen Bureau's
m Maaßstab 1: 50,000; die Spezialkarten des
enachbarten badischen Gebietes im gleichen Maß⸗
tabe, die neu herausgegebene Karte des Deutschen
steiches im Maaßstab 1: 100,000, ein Musterwerk
noderner Kartographie. Diese Spezialkarten geben
nicht blos ein Bild des kartographischen Stand⸗
punktes der Gegenwart, sie sind zugleich auch die
»esten Hilfsmittel zur genauesten geographischen
Drientirung bei Excursionen in der Umgebung des
Ddeimathsortes. Neben diesen Karten wird auch
das gesammte methodische Material über Heimath-
unde, von Finger bis zu den neuesten literarischen
Erscheinungen dieser Karten, zur Einsicht aufliegen.
Unsere Absicht ist ferner, mit dieser heimaihkund⸗
lichen Section eine Ausstellung prähistorischer
Begenstände zu verbinden, welche einen interessan⸗
ten Einblick in die cullurgeschichtliche Entwickelung
unseres heimathlichen Gaues gewährt. Endlich
dürfen hierbei auch nicht Karten über Bodencultur,
Jeologische Profile u. dgl. fehlen. Im weiteren
imfaßt die geogrophische Ausstellung: 2) Physi
alische und politische Karten aller Ärt, Verkehrs⸗
arten, Globen und Tellurien. 8) Eine Sammlung
von den besten Atlanten von Perthes in Gotha,
Vagner und Debes in Leipzig, Oldenburg in
München mit den eben so vorzuͤglichen wie billigen
Benz⸗Rohmeder'schen Atlanten c. Neben diesen
nehr den Schulmann interessirenden Objecten fehlen
dann nicht die auch das Auge des Laien entzücken⸗
den Landschaftsbilder der Polar- und Tropenwelt,
der Alpen⸗ und Dünen⸗Regionen ꝛc. von Hölzel in
Wien, von Heitmann in Leipzig; Lehrmittel, die
vir heute als unentbehrliche Beigabe jedes geogra⸗
zhischen Unterrichts betrachten, der auf das Prä⸗
dicat „anschaulich“ Anspruch erheben will. 4)
Schließlich sei noch der geo⸗plastigraphischen Werke
Relief⸗Karten) Erwähnung gethan, in welchen die
Firma Stumm in Rheinbach anerkannt Muster⸗
ziltiges leistet. So problematisch der Werth der
Keliefkarten bei der Darstellung größerer Länder-
aume ist, so vorzügliche Dienste leisten sie bei der
Wiedergabe kleinerer Gebiete, namentlich wenn fie
zurch ihre Naturwahrheit in so hohem Grade fes⸗
eln wie die Stumm'schen Karten. Sein Aetna⸗
stelief, dann die Reliefs der Otzthaler⸗ und Ber⸗
nina⸗ Alpen müssen als Prachtleistungen der Mo⸗
dellierkunst auf kartographischem Gebiele gerühmt
verden. Indem wir uns eine detaillirte Bericht⸗
erstattung über die anderen Abtheilungen der Aus—
tellung vorbehalten, wollen wir dieselden nur noch
n den allgemeinsten Umrissen zeichnen: die natur⸗
undliche Section umfaßt Thierpräparate, Scelette,
Iflanzen⸗ und Mineraliensammlungen; die histori—
chhen Bilder aus der Cultur⸗ und Weltgeschichte
horträts berühmter Personen; auch für den Physik⸗
Unschauungs- und Rechenunierricht wird Gutes
jeboten werden können, die Schuleinrichtungsgegen⸗
tande vertritt in erster Linie die Firma Lickrokh
u. Co. in Frankenthal. Von einer ursprünglich
rojectirten Ausstellung von Schulerarbeiten sou
ür diesmal abgesehen werden. dagegen beansprucht
unser spezielles Interesse eine Ausstellung der
methodischen Werke, —BS— ———
und Hilfemittel jeglicher Art fur den utttn
joweit solche von pfalzischen Schulmänner n
herfaßt bezw. construiri worden find. Ahg In
tellungsraume dienen die großen —XR um
Schulhaufe neben der katolischen Kirche, dem 9
animlungslocale direct gegenüber, also für
Besuch sehr günstig gelegen. Die —E
dleibt während der drei Festtage, 20. —22 S n
für die Theilnehmer an der Versammlung, 8
das allgemeine, an der Sache interesfirte —
geöffnet. Zur Bestreitung der ganz —*
Ausstellungskosten soll ein kleiner Einninne
von 20 PPfg. à Person erhoben werden, und d
Ausschuß gibt sich der Hoffnung hin. daß a
ür den einzelnen so geringe Auslage kein Hindern
niß zür den allgemeinen Besuch der interessanlen
und lehrreichen Sammlungen sein wird.
Vermischtes.
7 Trier, 21. Juli. Die Kirschenernte im
hiefigen Thale war selten eine so reiche, wie m
diesem Jahre. Wenn man sich auch hin und wieder
einmal eines guten Ertrages zu erfreuen hatte
scchreibt die „Tr. Ztg.“, dann standen ader di
Preise 30 —50 pCt. niedriger, als jetzt. Der dig
ährige Durchschnittspreis berechnet sich auf 10Pf
pro Pfund gegen 5. 4 und 3 Pf. in den früheren
Jahren.
F Aachen, 19. Juli. Von einem bedauerns.
verthen Geschick ist ein offenbar aus gut situirtet
Familie stammender, etwa 6 Jahre aller Knabde
hetroffen worden. Das Kind wurde von Zigeunern
geraubt und mit in der Welt herumgeschleppt, big
es durch eine rheinische Polizeibehörde befreit und
in Pflege gegeben wurde. Bewohner des Ortes
Iversheim im Bezirk Köln waren auf den von der
Zigeunerbande mitgeführten Knaben infolge seiner
jelleren Gesichtäfarbe und seines verweinten Aus-
ehens aufmerksam geworden und hatten durch
Befragen aus demselben herausbekommen, daß er
nn Mannheim in einem Garten vom Spiel wegge
rissen, ihm ein Ball in den Mund gesteckt und er
auf einem Wagen, nachdem man ihn seiner schönen
dleider beranbt, weggeführt worden sei. Bei seinet
Vernehmung vor dem Amisgericht gab das öffen⸗
zar iehr eingeschüchterte Kind nur an, daß es Georg
Sonnemann, genannt Reinhard, heiße und seine
Mutter, Wittwe Sonnemann, in Mannheim ge—
wohnt habe. Diese Angaben haben indessen noch
nicht zur Ermittelung der wirklichen Eltern des
senaben geführt. Er ist in seinem Dialekt nach
nus der Gegend von Saarbrücken oder Frankfurt
a. M. In der Hoffnung, daß diese Zeilen
bielleicht die gewünschte Ermittelung herbeiführen,
geben wir nach dem Ausschreiben des hiesigen
önigl. Untersuchungsrichters die Personal · Beschreib⸗
ungen des Knaben: Derselbe hat dunkelblondes,
urz geschorenes Haar, stumpfe, etwas breite Nase,
jesunde Zähne, eiwas gelbliche Hautfarbe. Er ist
lMeter 15 Centimeter groß, ziemlich kräftig gebaut.
F Schwelm, 20. Juli. Ein entsetzlichet
Mord aus Eifersucht ist gestern Abend 11 Uhr hier
zerüht worden. Ein junger Rekrut saß mit seiner
Beliebten in einem Restaurant, in welchem eine
Tyroler National⸗Saängergesellschaft konzertirte.
Blötzlich zog er ein Rasiermesser aus der Tasche und
chnitt seiner Geliebten den Hals ab, so daß leß⸗
ere in eine Blutlache todt zu Boden stürzte. In
der allgemeinen Aufregung über die entsezliche That
ntfloh der Mörder und ist bis jetzt noch nicht er⸗
zriffen.
F Eine Krokodiljaged wurde am Diens
ag bei Hannover abgehalten. Ein auf dem Schützen⸗
est daselbst gezeigtes, vor wenigen Tagen erst von
dagenbeck verkaustes Krokodil von 82 Fuß Lange
var abends in den zum Transport bestimmten
tasten gebracht worden, und als der Eigenthümet
imn anderen Morgen noch einmal warmes Wasser
Jeben wollte, fand er den Kasten zertrümmert, das
Zrokodil entwichen. Mit der herbeigerufenen Mann⸗
schaft wurde sofort cine Suche begonnen und ge⸗
funden, daß der Flüchtling seinen Weg nach der
Ihme, einem breiten Nebenflusse der Leine, genom⸗
men hatte. Erst nach 2 Stunden gelang die Enb
deckung des Thieres. Die ersten Versuche des Ein⸗
fangens wurden mit starken Netzen gemacht, welcht
sedoch von dem wild gewordenen Thiere im Moment
in Stücken zerrissen wurden. Nun wurde die Jagd
mit Drahtschlingen von einem Boote aus gemacht,
aber ebenfalls ohne Erfola., denn das mächtia u