Full text: St. Ingberter Anzeiger

zu errichten und das für hier bestimmte Blatt 
dorten unter dem Titel „Pfälzer Bote, Lambrech- 
ler Tageblatt“ erscheinen zu lassen. Die Probe⸗ 
aummern sind bereits ausgegeben und trägt man 
in Lambrecht dem neuen Unternehmen große Sym⸗ 
dathie entgegen. Besagtes Blatt soll lediglich nur 
dem Lokalinteresse dienen und will jede Politik aus 
teinen Spalten fernhalten. Dem Hauptblatt wird 
ein illustrirtes Unterhaltungsblatt beigegeben. 
— Neustadt, 24. Juli. Das für hier 
projektirte neue Zeitungsunternehmen unter der 
Leitung des Herrn Schwuchow ist in Folge man⸗ 
gelnder Unterstützung gescheitert. Der seit einigen 
Wochen hier erscheinende „Pfälzer Bote“ soll nach 
Lambrecht verlegt und dort als „unpolitisches Blatt“ 
weiter erscheinen. 
— Speyer, 28. Juli. Die unter dem Vor⸗ 
sitze des Herrn Regierungsrathes Geib vor sich ge⸗ 
Jjangene Austrittsprüfung in der kgl. Lehrerbild⸗ 
ingsanstalt haben sämmtliche Framinanden, nämlich 
zreißig Seminaristen und drei Schulschwestern⸗ 
dandidatinnen, bestanden. 
Speyer,24. Juli. Gestern wurde von 
Altlußheimer Fischern die Leiche eines unbekannten 
Mannes geländet. Da dieselhe ganz entkleidet war, 
jo nimmt man an, daß die betreffende Person 
zeim Baden ihren Tod fand. Wahrscheinlich wird 
s die Leiche des beim Baden in Germersheim er⸗ 
trunkenen Soldaten sein. 
— Weisenheim am Sand, 23. Juli. Das 
Opfer einer frechen Zigeunergaunerei wurde heute 
n hiesiger Schneider, Namens Süß. Eine aus 
fünf Wagen bestehende Bande dieser braunen Spitz⸗ 
»uben kampirte seit em in unserem Dorfe. 
Heute Vormittag nun kamen drei ihrer schmutzigen 
Frauen auf ihrem Streifzuge durchs Dorf auch in 
das Haus des genannten Schneiders; sie fanden 
die kränkliche junge Hausfrau allein im Zimmer 
und aus christlicher Nächstenliebe verordneten sie 
derselben, nachdem sie ihr vorher „aus der Hand 
zewahrsagt“, ein heilsames Tränklein. Dasselbe 
kam jedoch der armen Frau insoferne theuer zu 
tehen, als nachher mit den drei Zigeunerinnen zu⸗ 
zleich auch eine Summe von 250 Mk. verschwun⸗ 
den war, die zur Zahlung eines Termins dienen sollte. 
Sofort angestellte Recherchen ergaben, daß zwei 
Wagen der Bande bereits gegen Fußgönheim zu 
Reißaus genommen hatten, während die Insassen 
der drei zurückgebliebenen Wagen natürlich von 
Nichts wissen wollten. Sie wurden einstweilen 
zurückgehalten, indeß sich die Polizei sowie die tele⸗ 
zraphisch benachrichtigte Gendarmerie an die Ver⸗ 
'olgung der ausgerissenen Gauner machte. Unbe⸗ 
zreiflich bleibt es nur, wie sich die Leute trotz allen 
yffentlichen Warnungen immer wieder von diesem 
herumstreunenden Gesindel „wahrsagen? und das 
Beld aus der Tasche stehlen lassen. 
Vermischtes. 
fMerzig, 24. Juli. Am nächsten Diens⸗ 
lag, den 27. cr., wird eine Anzahl Studierender 
der Technischen Hochschule in Darmstadt unter 
Führung des Herrn Geh. Baurath Prof. Wagner 
und Herrn Prof. Marr hier eintreffen, um die 
hiesige Terracottafabrik sowie die Pfarrkirche zu 
hesichtigen. Von hier werden sich die Herren nach 
und dem Moselthal zum Studium von Baudenk⸗ 
nälern begeben. 
FBingen. In drei Jahren Vater von 7 
stindern und zwar von 7 Knaben zu werden, ist 
ein selten gehörtes Ereigniß. Herr Oberpostsekretär 
⁊. in Aachen heirathete im Juni 1883 und be⸗ 
chenkte ihn seine Frau im ersten Jahre mit Zwil⸗ 
lingen, im zweiten war dasselbe der Fall und vor 
Zurzem bekam sie sogar Drillinge. Und alle sieben 
sind kräftige Buben! Bei der Geburt der Drillinge 
wandte sich Herr K. nach Berlin und werden bei 
der Taufe keine Geringeren als der Kaiser, der 
ronprinz und Staatssekretär Stephan als Pathen 
tehen. Die Mutter, sowie die Großmutter dieier 
kinder waren auch Zwillingsgeschwister. 
fFAus Westphalen, 23. Juli. Ein 
schreckliches Brandunglück hat sich am 21. ds. M. 
in dem in der Nähe des Städtchens Rhede ge⸗ 
legenen Dorfe Herzebrock zugetragen. Ein dortiger 
Bauer war mit seiner Frau und seiner erwachsenen 
Tochter damit beschäftigt, das eingefahrene Heu 
auf dem Boden seiner Scheune unterzubringen, 
während sein kleines Söhnchen in einem Neben⸗ 
caume derselben spielte. Plötzlich steht auf eine 
his jetzt noch nicht aufgeklärte Weise das Heu in 
Tsammen jedenfngsa entzündet hurch ein Streich— 
— 
zölzchen, welches das Kind in der Weste seines 
baters, die in demselben Raume lag, gefunden 
atte. Der Bauer, nur an die Unterdrückung des 
mmer schneller um sich greifenden Elementes be⸗ 
acht, vergißt in seiner Verwirrung die beiden auf 
dem Boden befindlichen Frauen, die später durch 
ie Rettungsmannschaften in einer Kammer, wohin 
ie, nachdem das Gebälk des Bodens durchgebrannt 
var, jedenfalls gefallen sind, vollständig verkohlt 
nufgefunden wurden. 
FVom Niederrhein, 23. Juli, schreibt 
nan der „Fr. Ztg.“: Vorgestern Abend entlud fich 
iber Emmerich und Umgegend ein Gewitter, ver⸗ 
hunden mit furchtbarem Hagelschlag. Der letztere, 
velcher über eine Viertelstunde anhielt, hat enormen 
Schaden angerichtet. Der Hagel hatte die Größe 
ines Hühnereies, schließlich fielen nur mehr Eis— 
fücke in den verschiedenartigsten Gebilden einige 
eiwa 120-2c. 150 Gr. schwer. Kein Dachfenster ist 
zanz geblieben; in den Gemüsegärten sieht es trost⸗ 
los aus; am meisten hat jedoch der Tabak gelitten, 
derselbe ist günzlich vernichtet. Der Schaden läßt 
ich momentan auch noch nicht annähernd angeben. 
FHeidelberg, 23. Juli. Eine große 
Inzahl Menschen welche der Langfingerzunft ange- 
jören, treibt sich jetzt schon in hiesiger Stadt herum, 
im während der Festlichkeiten ihr unsauberes Ge⸗ 
verbe auf Kosten unvorsichtiger Leute zu treiben. 
Es ist deßhalb allen Festtheilnehmen Vorsicht anzu⸗ 
athen. (G.A.) 
FCEeerer Werthbrief.) Eiu Rentier 
n Frankfurt erhielt vorigen Donnerstag aus Dres⸗ 
»en ein Schreiben mit der Aufschrift: „Werth 
2,000 Mk.“ Das Schreiben war bereits sehn⸗ 
üchtig erwartet worden, da dessen Inhalt mit zur 
zegleichung mehrerer Wechsel dienen sollte. Beim 
Jeffnen des Briefes zeigte sich indessen, daß der⸗ 
elbe anstatt der 12,000 Mk. nur Zeitungspapier 
nihielt. Sofort wurde der Telegraph in Beweg⸗ 
ing gesetzt und angefragt, ob das Geld vielleicht 
ius Versehen nicht in den Brief gekommen sei. 
kinige Zeit darauf langte ein Antworttelegramm 
in, in welchem mitgetheilt wurde, daß der Kom⸗ 
nis, der den Brief zu schließen hatte, die 12,000 
Mark unterschlagen habe; das Geld sei jedoch noch 
jei ihm vorgefunden worden und treffe baldigst 
in. Der betreffende Kommis wurde verhaftet. 
Ddas Geld hatte er in seinen Ueberzieher eingenäht. 
FGom Eisenbahnzugegetödtet.) 
Inter den Passagieren des Berlin⸗Frankfurter Ku—⸗ 
ierzuges, welcher 5 Uhr 14 Min. Morgens die 
ztation Nordhausen verläßt, befand sich, wie die 
Nordh. Ztg.“ mittheilt, Mittwoch früh eine fein⸗ 
jekleidete, hübsche Dame von 25 Jahren. Dieselbe 
var in einem durchgehenden Wagen und stüczte — 
ib absichtlich, zufällig oder gar durch ein Verbrechen, 
bird die eingeleitete Untersuchung feststellen — im 
Tunnel zwischen Riestedt und Blankenheim von der 
Blattform des Wagens herab, zertrümmerte sich 
‚abei das Nasenbein und trug eine Hautwunde 
iber dem einen Auge davon. Die Dame raffte 
ich auf und lief hinter dem Zuge her, doch kaum 
jatte sie die etwa 100 Meter betragende Strecke 
»is zum Ausgang des Tunnels zurückgelegt und 
var im Freien, da kam ihr der in Nordhausen 
im 7 Uhr 53 Min. Vormittags von Halle ein⸗ 
reffende Personenzug, welcher kurz vor dem Ein⸗ 
jange zu dem Tunnel eine Kurbve beschreibt, in⸗ 
olge dessen sie ihn nicht sehen konnte, entgegen 
ind warf sie um. Die Unglückliche wurde von 
demselben derart zermalmt — das eine Bein wurde 
hr unterhalb des Kniees abgefahren, das andere 
icht unter der Hüfte buchstäblich herausgerissen; 
erner wurde ihr der eine Unterarm zerfleischt —, 
aß fie auf der Stelle todt blieh. Bei ihr wurde 
ine feine goldene Uhr, zwei Ringe und ca. 75 
MNark in Gold vorgefunden. Die Persoönlichkeit 
ver Verunglückten ist noch nicht festgeftellt. 
7 Wuürzburg, 23. Juli. Der berübmte 
Lhirurg Professor Maas (früher in Freiburg, Nach⸗ 
olger Bergmann's) ist heute früh gestorben. 
F Bayreuth, 24. Juli. Die Festspiele 
vurden bei ausverkauftem Hause gestern mit, Var⸗ 
ival eröffnet. 
FBayreuth, 25. Juli. Zur heutigen 
borstellung von „Tristan und Isolde“ war das 
haus ausverkauft. Die diesmaligen Gesammt⸗ 
jnkosten betragen 400,000 Mark, wovon die 
zälfte bis jetzt gedeckt isft. Die Bestellungen sind 
ehr befriedigend. Das weiterverbreitete Gerücht, 
frau Cosima wolle den „Parsifal“ anderswo (in 
Imerikad hermenden mi⸗en han zu——diger Soite⸗ 
entschieden dementiert. Die anwesenden —XE 
zeabsichtigen hier eine Todtenfeier Scaria's —* 
anstalten. Die gestern mit dem Wiener crine 
angekommenen Personen wurden von der — 
nerschaft sehr warm empfangen. Gelf. 3 
f Erlangen, 22. Juli. Das Korps 
paria wurde, wie der „Fränkische Kurier“ —** 
durch Beschluß des akademischen Senats vom gest 
rigen auf zwei Semester suspendirt; zwei Mil. 
zlieder desselben erhielten zugleich das consilium 
eundi. Die Maßregel steht mit dem Tode tines 
Premierlieutenants in Bamberg in Zusammenhan 
In Bambetg hat sich nämlich vor kurzem ein hud 
nierlieutenant des 5. Infanterieregiments selbst 
ims Leben gebracht, nachdem er vorher mil schlich. 
em Abschied entlassen worden war. Wie man jest 
rfährt, wäre diese Entlassung die Folge bewiesent 
Nachlässigkeit' in Austrag eines Ehrenhandels mit 
inem Erlanger Korpsstudenten gewesen. Mu 
dieser Sache wird auch die vor einigen Mondie 
erfolgte Pensionirung eines höheren Offiziers in 
Zusammenhang gebracht. 
F Ansbach, 23. Juli. Der bekannte Hi⸗ 
toriker Max Dunker ist auf der Reise nach Ponce, 
iind in Ansbach gestorben. 
München, 25. Juli. Die heute ausge⸗ 
jebene Nummer 39 des Gesetz⸗ und Verordnungs. 
olattes veröffentlicht den Abschied für den Landrath 
der Pfalz über dessen Verhandlungen in seing 
zußerordentlichen Versammlung am 81. Mai und 
4. Juni 1886, durch welchen der Beschluß de— 
dandrathes betreffend den Neubau eines Kranken. 
zauses in Frankenthal genehmigt wurde, sowie daß 
ein Gesammtdarlehen von 209000 Mark in jähr· 
ichen Raten von 35,000 Mark in den Jahren 
1887 -1892 unverzinslich aus Kreismitteln an 
den Maximilians-Getreidefond zurückbezahlt werde. 
F(GAus der Sommerfrische.) Eine 
Plauderei in den Münchener „N. N.“ erzählt u— 
A.: „Mr. Owell, Rentier aus London, mit Frau 
wei Töchtern und einem Sohn.“ Die reichen 
Engländer! Das Hauptinteresse des kleinen Kur— 
sxtes dreht fich um die interessanten Leute. Die 
)eiden Töchter mit den wassergrauen Augen und 
nit den strohgelben Mähnen sind Gegensland all⸗ 
eitiger Huldigung. Man bewundert ihren Chic, 
hre extravaganten Toiletten und soger ihre großen 
Füße, auf welchen fie sich mit mehr Sicherheit als 
Brazie bewegen. Die Flegeleien des Sohnes wer⸗ 
»en von der gesammten Schuljugend kopirt. An 
er Table d'höte sitzt die Familie obenan. Mr. 
Dwell spricht sehr laut, und wenn er spricht, 
chweigt die ganze Tafelrunde, und er spricht immer. 
är kritisirt die Speisen, die Bedienung, den ganzen 
Irt und ist nie zufrieden. Er wird wohl sehr 
vornehme Gewohnheiten haben. Der Kellner zit⸗ 
ert vor ihm. Beim Nachtisch legt er die Beine 
nuf einen zweiten Stuhl. Wenn er sie auf den 
Tisch legen würde oder in den Schooß einer Nach⸗ 
sarin, man nähme ihm das auch kaum übel. Das 
st eben englisch, sagen sie. Wahrscheinlich ein 
joher Aristokrat incognito. Heidenmäßig reich! 
kines Tages schlagt Nr. Owell großen Laärm an 
der Table d'höte. Man hat sein Couvert um 
inen Platz heruntergerückt für einen neuen vor⸗ 
iehmen Gast: „Lord Anybody“ steht im Fremden ⸗ 
»uche. Mr. Owell weiß das nicht; er rast nur 
iber seine Zurücksetzung. Der Kellner zittert wie 
iine Espe im Sturm. Mr. Owell hat versprochen 
hm die Suppenschüssel an den Kopf zu werfen. 
Da tritt ein einfach gekleideter Herr ein, der neue 
Hast. Der Kellner führt ihn an den Ehrenplah 
ieben Mr. Owell. Dieser stutzt. Der Neuange⸗ 
lommene auch; er ruft: Kellner!“ — „sSie 
vefehlen!“ — „Tragen Sie mein Couvert an 
inen anderen Tisch! Ich bin nicht gewohnt, bei 
Tisch neben meinem Schuster zu sitzen “ — — — 
Daher das feine Schuhwerk der ganzen Familie! 
Der Kellner zittert nicht mehr vor Mr. Owell! 
fOsterhofen, 22. Juli. In Forsthart 
jat der Gütler Michael Knab die Gütlerin Magda⸗ 
ena Fastenmaier erschossen deren Ehemann durch 
ꝛinen Schuß schwer verletzt und sich dann durch 
zinen Revolverschuß selbst entleibt. Knab entzweite 
ich mit der Fastenmaier wegen Umherlaufens det 
dennen () auf den Getreideäckern derart, daß er 
jeimrannte sein Doppelgewehr holte und die Fasten⸗ 
maier todtschoß. Ihr Nann entriß dem Wüthenden 
zas Schießgewehr, allein Knab war auch noch mit 
ꝛinem Revolver und einem langen Messer bewaffnet, 
vomit er dem Fastenmaier den linken Arm abschoß 
ind an dor rechten Soeit⸗e der Brust zwei Stiche ver⸗