Full text: St. Ingberter Anzeiger

zum Schusse kommen, und der Keiler ging auf 
ungefähr dreißig Schritte flüchtig über die Schneise 
und ist in dem Moment mit sicherem Schusse von 
der Foͤrsterstochter empfangen worden. 
7 nun der elsässischfranzösischen 
Grenze. scheinen wenig erfreuliche Zustände zu 
herrschen. Ein Forstbeamter schreibt der „Straßb. 
V.“, daß die Bewohner der franzosischen Ort. 
schaften in wohlbewaffneten Banden auf deutsches 
Gebiet ziehen und sich dort ihr Bauholz holen. 
Verträge von baulustigen französischen Grundbesitzern 
verpflichten jene Holzdiebe geradezu, sich das Holz 
auf deutschem Boden zu stehlen. Naht sich ein 
deutscher Foͤrster, dann ist er der Ueberzahl gegen⸗ 
über vollig machtlos, zumal es ihm verboten ist. 
von seiner Schußwaffe Gebrauch zu machen. Die 
Holzdiebe lassen sich denn auch bei solchen Gelegen⸗ 
heiten gar nicht stoͤren, bieten dem Beamten mit 
der einen Hand freundlich die Flasche und halten 
in der anderen ihr geladenes Gewehr. Uebrigens 
soll die regelmäßige Bewaffnung dieser Banden erst 
seit der Zeit herruͤhren, in welcher von deutschen 
Förstern auf sie geschossen worden ist, so daß das 
neuerdings erfolgie Schußverbot sehr gerechtfertigi 
erscheint. Eine Abhülfe dürfte wohl nur dann ein⸗ 
treten, wenn die französischen Verwaltungsbehörden 
auch ihrerseits ihre Pflicht thun. 
tEtschweiler, 18. Januar. Die „Köln. 
Volkszig.“ meldet: Heute Morgen verdbreitete sich 
hier die Kunde von einem im nahen Walde ent⸗ 
deckten, entsetzlichen Verbrechen. Ein Holzhacker 
fand nämlich gegen 11 Uhr Morgens die Leiche 
eines hiesigen 23jährigen Briefträgers auf einem 
Scheiterhaufen. theilweise angebrannt liegen. Der 
Schädel des Unglücklichen war zerschmettert, außer⸗ 
dem fand sich ein Stich in der Brust vor. Der 
Ermordete war gestern Morgen mit einem einge⸗ 
schriebenen Briefe zu dem im Walde wohnenden 
Foörster gesandt, und ist auf dem Wege dorthin 
von den Mördern überfallen, getödtet und beraubt 
worden. Wahrscheinlich haben sie vermuthet, der 
Briefträger trage größere Geldsummen für die um⸗ 
liegenden Zechen bei sich; thatsächlich aber hatte er 
neben dem eingeschriebenen Briefe keine amtlichen 
Werthgegenstände. So viel bekannt ist, hatte er 
nur drei Mark Privatgeld bei sich, welches geraubt 
wurde. Offenbar um die Spuren der That zu 
vernichten, haben die Mörder die Leiche auf einen 
Scheiterhaufen geworfen und diesen angezündet. 
Bei der feuchten Witterung ist aber das Feuer er⸗ 
loschen, und so fand man die angebrannte Leicht 
auf dem ebenfalls angebrannten Holze. Die Auf— 
regung über das Verbrechen ist groß. Der Er 
mordeie war als ein braver junger Mann bekannt. 
Von den Thätern fehlt noch jede Spur. 
Darmstadi, 17. Januar. Ein tragi— 
scher Fall hat sich hier ereignet, der eben so 
sehr die allgemeine Theilnahme verdient, wie er zur 
Vorsicht gemahnt. Eine Lehrersfrau hatte die Speise 
mit Essig gewürzt und wollte die Flasche eben 
verkorken, als von dem Schlag mit der flachen 
Hand der Flaschenhals abbrach. Ein Glassplitter 
drang hierbei der Frau in die innere Handflächt 
(sog. Maus) und blieb dort stecken. Die Wunde, 
obgleich nur unbedeutend, schmerzte sofort sehr 
heftig. Der Mann trat herzu und entfernte mit 
aller Vorsicht den Glassplitter aus der Wunde. 
Auch nach Entfernung des Splitters schmerzte die 
kleine Wunde noch sortgesetzt sehr heftig, ja die 
Schmerzen steigerten sich rasch zum Unerträglichen, 
so daß der Mann sich rasch entschloß, einen Arzt 
herbeizurufen. Als der Mann nach kurzer Frist 
mit dem ärztlichen Beistand in das Haus zurück⸗ 
kehrte, fanden fie die Ftau todt. Das Urtheil des Arztes 
ging dahin, ‚daß Starrkrampf eingetreten sei. Man 
wartete mit der Bestattung der Leiche 24 Stunden 
über die gesctzlich vorgeschriebene Zeit. Da sich aber 
die Zeichen der Verwesung einstellten, so erwies 
sich die Vermuthung eines Scheintodes als durchaus 
unbegründet. Leider war über die letzten Augen⸗ 
blicke der Unglücklichen nichts weiter mehr zu eruiren, 
da sie ganz allein im Hause gewesen war. (M. T.) 
FMainz, 19. Januar. Die großherzogliche 
Regierung hat die Umwandlung der S5prozentigen 
Prioritäten der Hessischen Ludwigsbahn in 4pro- 
zentige genehmigt. Die Darmstädter Bank ist mit 
der Durchführung dieses Geschäftes betraut. Es 
handelt sich hierbei um 40 Millionen Mark, die 
mit vierteljährlicher Kündigungsfrist demnächst wer— 
den aufçerufen werden. 
Frankfurt a. M., 18. Januar. In 
der Apfelwein-Produktionsanstalt von Freyeisen in 
Sachsenhausen verunglückte s. Z. ein angetrunkener 
Arbeiter derart, daß ihm die Hand amputirt wer- 
den mußte. Mit seiner Klage auf Entschädigung 
auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes wurde 
der Verunglückte abgewiesen, weil er betrunken ge— 
wesen sei. Aber er appellirte gegen das erste Ur⸗ 
theil. Das Oberlandesgericht ordnete ein neues 
Beweisverfahren an und sprach dem Kläger die 
Berechtigung auf Entschädigung zu, weil es die 
pflicht des die Stelle des Beklagten vertretenden 
Aufsehers gewesen sei, den Betrunkenen von der 
Arbeit zu entfernen. Ueber die Höhe der Ent- 
cchädigung sollte in der ersten Instanz weiter ver- 
jandelt werden. Gestern fand der Prozeß dadurch 
seine Erledigung, daß dem Verunglückten ein Ka⸗ 
pital von 7500 Mk. ausbezahlt wurde. 
—7 Frankfurt, 20. Januar. Gestern wurde 
hier, wie das „Int. Bl.“ berichtet, ein junger 
Mann verurtheilt, ein Mädchen entweder innerhalb 
weier Monate zu heirathen, oder ihm 20,000 M. 
Entschädigung für Nichteinhaltung des Eheversprechens 
zu bezahlen. 
F Die peinlichen Vorfälle, die sich im vorigen 
Sommer auf dem Friedhofe zu Frank 
furt a. M. zutrugen, werden nunmehr endlich 
ur gerichtlichen Beurtheilung vor der dortigen 
Ztrafkammer gelangen. Man schreibt darüber aus 
Frankfurt a. M., 19. Januar: Die Friedhofs— 
Affaire wird aller Voraussicht nach mehrere Ver⸗ 
sandlungstage in Anspruch nehmen; denn es ge⸗ 
angen nicht weniger als 76 Zeugen zur Verneh— 
nung. Der Hauptangeklagte. Polizeikommissar Meyer, 
wird für die zahlreichen Körperverletzungen verant⸗ 
wortlich gemacht. Ein Schutzmann, Namens 
Wingleit, wird beschuldigt, drei fliehende, bereits 
am Thore angelangte Theilnehmer am Leichende⸗ 
zängnisse mit dem Säbel ganz ohne Grund verletzt 
zu haben, während die Schutzleute Hohmann und 
Schweiger beim Absuchen des Kirchhofes einen harm 
losen Maurer, der mit der ganzen Sache nicht das 
Beringste zu thun gehabt. mit den Säbeln bear⸗ 
deiteten. Für den letzteren Schutzmann kommt noch 
erschwerend in Betracht, daß er dem Maurer schon 
Tags vorher gedroht. Die Anklageschrift ist, wie 
uunmehr hestimmt verlautet, den vier Angeklagten 
scchon vor einigen Tagen zugestellt worden. Kom⸗ 
missar Meyer wird von Herrn Dr. jur. Meyer 
und die Schutzleute von Herrn Dr. jur. Geiger 
vertheidigt werden, während Dr. Eppstein sich im 
Auftrage von 13 der bei dem Leichenbegängniß 
»erwundeten Sozialisten als Nebenkläger an⸗ 
chließen wird. 
FStuttgart, 19. Januar. Im Keller 
des Kolonialwaarenhändlers Hugo Klinger (Ma— 
cienstraße 18), explodirte um 5 Uhr Nachmittags 
ein Benzinkolben, welcher durch das Hinabrollen 
eines Petroleum-Fasses umgeworfen wurde und sich 
entzündete. In dem über dem Keller sich befind— 
lichen Friseurladen des Herrn Leinert wurde der 
Fußboden durchgeschlagen und sämmiliche Einricht- 
ungsgegenstände auf das Trottoir geworfen. Schwer 
heschädigt wurden 2 Kinder im Hofe und der im 
eller hantirende Knecht, ferner der Friseur Leinert 
und dessen Dienstmädchen. 
Sommerach (Anterfranken), 19. Januar. 
Fin junges Mädchen, das vor Kurzem eine Geld— 
»örse mit 10 Mark Inhalt fand und diese sofort 
urückstellte, wurde beschuldigt, aus der Börse fünf 
Pfennig (() genommen zu haben und wurde auch 
»om Amisgericht zu einem Tag Haft verurtheilt. 
Das Mädchen hatte sich aus Gram über die Strafe 
entfernt und man glaubt, daß es den Tod gesucht 
und gefunden hat. 
GOer schwäbische Postillon!) Unter 
dieser Spitzmarke ging vor kurzem eine Notiz durch 
diele Blätter Deutschlands, wonach ein Postillon, 
welcher auf seinem EhrensPosthorn lustige Weisen 
zeblasen, vom Schöffengericht Krumbach zu 34 M. 
Beldstrafe event. 34 Tagen Haft verartheilt worden 
var. Die Sache hat damals gerechtes Aufsehen 
exregt und kam in der Kammer der Abgeordneten 
zur Sprache. Am 14. d. kam nun die Angelegen⸗ 
zdeit vor der Berufungsinstanz (Strafkammer des 
Landgerichts Memmingen) zur Verhandlung. Der 
Beschuldigte wurde auf Antrag des Staatsanwalis 
fostenlos freigesprochen, weil das Gericht die An— 
iicht vertrat, daß das Blasen des Postillons ebenso 
wenig als ruhestörender Lärm angenommen werden 
lönne, wie das Geräusch eines Eisenbahnzuges 
In den Gründen des Erkenntnisses heißt es weiter 
Leuten, welche diesen Lärm nicht ertragen können 
ann nur anheimgestellt werden, den betreffenden 
Ort zu verlassen und einen solchen aufzusucher 
wo weder Post, noch Eisenbahn existirt.“ 
f Freising, 18. Januar. Gestern Mitta— 
wurde die 19jährige, bei Wirth Graf in Giggen 
hausen bebienstete Bauerstochter Kreszenz Mose 
im Stadel erschossen aufgefunden. Der Schuß war 
dem Mädchen mitten durch das Herz gegangen 
der Revolver lag in der Nähe der Leiche. Als de 
Mordes verdächtig wurde nach einer Mittheilum 
des „Freis. Tagbl.“ der 22jährige Wirthssohr 
Mathias Graf, der in intimen Beziehungen zu den 
Mädchen stand, von zwei Gendarmen verhafte 
und in die hiesige Frohnfeste eingeliefert. 
F Die Rentnerin Maximiliana Leirner ha 
die Stadtgemeinde München als Erbin ihret 
Vermögens mit der Bestimmung eingesßetzt, daß 
abgesehen von mehreren Legaten an Verwandfe 
aus den Zinsen des verbleibenden Kapitals all— 
jährlich an Weihnachten arme Kinder ohne Unter 
schied der Konfession zu kleiden sind und den 
Pfründnern im Nockher-Spital am Sendlingerthor 
säglich für alle Zeiten eine Tafse Kaffee zu reichen ist 
7 Mer älteste Monarch in Deuschland. 
Ein Leser der „T. R.“ macht darauf aufmerksam, 
daß anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläum— 
des Kaisers Wilhelm als König von Preußen 
nirgends dessen Erwähnung gethan wurde, daß der 
aiser in seiner anererbten Würde als König der 
ilteste Monarch ist, der je diesen Titel in Deutsch- 
'and getragen, wie er gleichfalls als Kaiser, alt 
velcher er in kurzer Zeit sein neunzigstes Lebens. 
'ahr beginnt, zweifelsohne der älteste Kaiser is 
ver je äber Deutschland regiert hat, und überhaupf 
hat nie ein Fürst in der Welt in dieser höchsten 
Würde in einem solchen Alter einen Thron besessen. 
„Seit den Zeiten der Karoliner“, hieß es schon 
zelegentlich der goldenen Hochzeit des Kaiserpaares 
„seit das deutsche Volk in mehr als vorübergehen 
der Weise sich zu einem Ganzen zusammenschloß 
seit Deutschland fich zu einem Staatswesenverband 
ja selbst seit den ersten Versuchen der Verbindung 
aller deutschen Stämme zu des großen Karls Zeiten 
dem ganzen Jahrtausend deutscher Geschichte, has 
ein König und kein Kaiser sich auch nur dewn 
achtzigsten Lebensjahre genähert. Wenn man da! 
zurückgelegte siebzigste Jahr als den Beginn de 
Greisenalters annehmen will, so haben nur seh 
wenige Kaiser diesen Lebensabschnitt erreicht. E 
'ind dies Friedrich II. (gest. 1493), der mit 7 
Jahren starb, Rudolph J. (gest. 1291), der Gründe 
der Habsburgischen Dynastie und Franz II. (gest. 
1835), welche beide Letzteren ein Alter von 78 
Jahren erreichtn. Im 70. Lebensjahre starben 
Zaiser Lothar von Sachsen (gest. 1187) und 
Sigismund, der Luxemburger (gest. 1437) und 
auch Friedrich J. Barbarossa genannt, ertranl 
(1119) im 70. Jahre. Zwei Habsburger, Al— 
brecht 1. (gest. 1303) und Leopold J. (gest. 1705) 
ttarben mit 65 Jahren, und um wenige Jahre 
»der „eben nur“ überschritten Ludwig der Bayher 
(gest. 1347), Karl IV., (gest. 1378). Otto J. (gest 
973), Karl V., Friedrich 1J. und Mathias das 60. 
Jahr ihres Lebens. Das 60. Lebensjahr erreichten 
nicht Heinrich IV.. Friedrich II, Heinrich VII. 
Rudolph M, Ferdinand Il, Karl W. und Franz J. 
die alle als Fünfziger starben; und Rudolph von 
Nassau, Albrecht U., Maximilian I., Joseph 
gest. 1790) und Leopold II. starben schon vor dem 
50. Lebensjahre. Wenn die Namen der Kaiser 
hier nicht erwähnt werden, die in den vierziger. 
dreißiger, ja zwanziger Jahren starben, so sei 
wenigstens noch Otlo IIi. genaunt, der (1009) 
schon im 22. Lebensjahre verstarb. 
F Berlin, 15. Januar. Von einem ent 
setzlichen Unglücksfall wurde vor einigen Tagen die 
Familie des hierselbst, Wrangelstraße, wohnhaften 
Premierlieutenants v. O. betroffen. Im Bade— 
zimmer waren Anstalten getroffen, um den Kindern 
des genannten Herrn ein warmes Wannebad zu— 
zubereiten, und zu diesem Zwecke war die bereit⸗ 
stehende Badewanne bereits mit einer nicht geradezt 
allzugroßen Menge heißen Wassers gefüllt. Während 
nun zwei der Kinderchen enitkleidet wurden, eb 
kletterte das dreijährige Söhnchen des Herrn b. O. 
in einem unbewachten Augenblicke den Rand der 
Badewanne und sprang spornstreichs in das heiße 
Wasser hinein. Mit schrecklichen Brandwunden 
bedeckt, ward der arme Kleine herausgeholt und 
verstarb schon nach etlichen Stunden unter entsetz 
lichen Oualen. 
F Ein fürstliches Honorar ist kürzlia 
einem Berliner Arzte zu Theil geworden. Derselbe