Full text: St. Ingberter Anzeiger

Pferde in Anspruch —, während Deuischland für 
den Anschluß von Thorn aus durch rufsfisches Ge⸗ 
hiet bis Kiachta-Maimatschin sorgen würde. Eine 
depesche von London würde daher den Weg über 
Belgien und Deutschland nach Thorn und von dort 
durch Rußland und China nach Penking nehmen. 
Ausland. 
Wien. Die der österreichischen Regierung 
aahestehende „Wiener Presse“ schreibt zu den Be⸗ 
iuchen und Begegnungen in Peterhof, Kissingen 
und Gastein: 
„Das Zweikaiserbündniß mit Italien am rechten 
Flügel, England am linken Flügel und mit der 
Türkei in der Reserve hätte bei aller Friedenspolitik 
und Defensive eine Konstellation ergeben, welche 
die Aktionskraft Rußlands gelähmt hätte. Es hat 
nun den Anschein, als ob man in St. Petersburg 
dieser Gruppierung aller in der Orientfrage maß⸗ 
gebenden Großmächte vorbeugen möchte — und zwar 
dadurch, daß Rußland selbst in eine derartige Kon⸗ 
tellation eintritt, indem es sich den Zweikaiser⸗ 
nächten wieder näher anschließt und der Pforte in 
auffälliger Weise nähert. Es fehlt nicht an An⸗ 
zeichen für die erstere Bestrebung, denn die Ein⸗ 
ladung, welche an den erlauchten Bruder Sr. Maj. 
des Kaisers, an den Erzherzog Karl Ludwig, er⸗ 
zangen ist, die russischen Majestäten in Peterhof 
zu besuchen, spricht ebenso dafür, wie die Entrevuen, 
welche demnächst zwischen Minister Giers, dem 
Fürsten Bismarck und vielleicht auch mit dem 
Brafen Kalnoky stattfinden sollen. Wir meinen 
nicht, daß diesen Unterredungen der drei leitenden 
Staatsmänner oder dem Besuche des österreichischen 
Erzherzogs in Peterhof irgend eine hervorragende 
aktuelle politische Bedeutung zukomme, aber darin, 
daß diese Zusammenkünfte überhaupt stattfinden, 
liegt ein Beweis für die Bereitwilligkeit Rußlands, 
die Momente von Skierniewice und Kremsier wieder 
aufleben zu lassen ..... Speziell das Verhält⸗ 
niß Rußlands zu unserer Monarchie kann nach un- 
serer Auffassung — unberechenbare Zwischenfälle 
abgerechnet — so lange keine ernste oder dauernde 
Trübung erfahren, als für die Interessen- und 
Machtsphären dieser beiden, in der Orientfrage am 
meisten interessierten Großmächte genügender Raum 
zu gleichmäßiger und großartiger Bethätigung auf 
»er Balkanhalbinsel vorhanden ist. Wie die Dinge 
yjeute stehen, ist bei aller Konkurrenz im Prinzip, 
kein Anlaß zu akuten Konflikten, sondern ganz 
ausreichende Gelegenheit zu Kompromissen vor⸗ 
handen.“ 
LEondon, 4. August. Die Kommission, 
welche beauftragt war, die Ursachen der Handels⸗ 
tockung zu erforschen, hat nunmehr ihren Schluß⸗ 
bericht veröffentlicht. In demselben räth die Kom⸗ 
mission davon ab, die Zahl der Arbeitsstunden zu 
yermehren oder die Löhne zu verringern; das Dar⸗ 
niederliegen des Handels schreibt sie hauptsächlich 
der Ueberproduktion und der fremden Konkurrenz, 
insbesondere der deutschen zu. Die Kommission 
chlägt weder fiskalische Aenderungen, noch Schutz⸗ 
joll oder Gegenseitigkeit vor, sondern sie empfiehlt 
den britischen Fabrikanten, sich den Bedürfnissen 
der fremden Märkte anzupassen, namentlich in Be⸗ 
wreff der Produkte. in denen Deutschland sich aus⸗ 
eichnet. 
Lokale und pfaälzische Rachrichten. 
*St. Ingbert, 6. August. Der Hilfs⸗ 
bremser Jakob Preßmann von Würzbach wollte 
zestern beim Rangiren in der Station Bierbach 
inen abgestoßenen Wagen mit einem Bremshebel 
zum Stehen bringen, brachte jedoch den Hebel nicht 
an die richtige Stelle, wodurch ihm am linken Bein 
die Kniescheibe abgedrückt wurde. Die Heilung 
wird vorausfichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen. 
* St. Ingbert, 6. August. Das gestrige 
Bartenfest des Vereins „Gemüthlichkeit“ war 
ziußerst zahlreich besucht und nahm einen sehr 
chönen Verlauf. Die konzertierende Kapelle der 
Dreißiger unter Leitung ihres Kapellmeisters Herrn 
Reckzeh bewährte ihren alten Ruf. Sämmtliche 
Nummern des reichhaltigen und gut gewählten 
Programms wurden meisterhaft zum Vortrage ge⸗ 
bracht. Auch der unter Leitung des Herrn Lehrers 
Schlaudecker stehende Sängerchor der „Ge⸗ 
müthlichkeit“ ließ sich des Oeftern hören. Seine 
Leistungen reihten fich in jeder Hinsicht würdig den 
Vorträgen der Kapelle an. Auch das Arrangement 
»es Festes war ein sehr gelungenes und trug 
ieben den vorzüaglichen Leistungen der Musiker und 
Sänger, wesentlich zum hübschen Verlauf des 
Hanzen bei. Lampions erhellten am Abend den 
Barten; zwischen den einzelnen Musikpiecen erstrahlte 
in verschiedenen Punkten bengalische Beleuchtung 
ind wurden Feuerwerke abgebrannt. Lob erwarb 
ich auch der Wirth Herr Joh. Weirich durch die 
rasche Bedienung und gute Bewirthung (brillantes 
Bier aus der Becker'schen Brauerei und ausgezeich⸗ 
nete Speisen). 
* Heute ist der Jahrestag der Schlacht 
»on Spichern. Mit Wehmuth und Freude 
zedenken wir des 6. August vor 16 Jahren; mit 
Wehmuth, wenn wir an die Opfer denken, welche 
»er blutige Kampf forderte; mit Freude, wenn 
vir uns der Folgen des in diesem Kampfe er— 
rungenen Sieges erinnern. In unserer Nachbar— 
tadt Saarbrücken⸗Sit. Johann finden, 
wie alljährlich, auch heuer an diesem Tage verschie⸗ 
yene Festlichkeiten statt. So veranstalten die Schu⸗ 
len der beiden Städte eine Jugendfeier mit festlichem 
Imzug der Schulkinder 2c. Am Abend findet im 
dasinogarten ein Konzert der Kapelle des 131. 
Inf.⸗Regim. und im Volksgarten ein solches der 
dapelle des 30. Inf.⸗Regim. statt. 
— Aus Lauterecken hat sich der Buch⸗ 
ruckereibefitzer Treis mit Hinterlassung nicht unbe⸗ 
eutender Schulden entfernt. Der von ihm verlegte 
zauter- und Glanboote erschien am Sonntag nicht 
nehr. Derartige Vorgänge erscheinen, da jetzt fast 
ür jedes görßere Dorf ein Blatt gedruckt wird, 
eineswegts wunderbar. 
— Kaiserslautern, 2. Aug. Bei der 
hahier neu eingeführen „Pfälzischen Bank“ wurde 
vieser Tage die Stelle eines Ausläufer besetzt, auf 
velchen Posten mancher Staats⸗ und Gemeindebe⸗ 
dienstete eifersüchtig werde könnte. Der Gehalt des 
Ausläufers beträgt nämlich vorab 1000 Mk. jähr⸗ 
ich, nebst freier Wohnung, Beleuchtung und Be⸗ 
seizung. Die Stelle wurde dem hiesigen Wirth 
‚zum Kronprinzen“, Herrn Dexheimer übertragen. 
— „In Neustadt tagte am Montag die 
Innung der Bader, Friseure und Barbiere. In 
)en Vorstand gewählt wurde u. A. Herr Sebastian 
»on Landau. Die Versammelung faßte nach der 
„N. Z.“ den auffallenden Beschluß, daß die Lehr⸗ 
ingszeit die bei Nichtinnungsmeistern zugebracht 
vurde, von den zur Innung gehörigen Meistern 
nicht anerkannt werde. J 
— Dem Rechenschaftsbericht des Pfälzischen 
—„chreibgehilfenvereins entnehmen wir, 
saß die Miigliederzahl 115 beträgt, das Vermögen 
3326 Mk. 67 Pf. und die diesjährigen Erübrig⸗ 
ingen 975 Mk. 14 Pf. Unterstützt wurden in 
iesem Jahre 5 Personen mit zusammen 608 Mk. 
die Generalversammlung findet siatt am 15. Aug. 
ächsthin zu Dürkheim im Café Schüpple. 
— Speyer, 4. Aug. Vergangene Nacht er⸗ 
choß sich im Domgarten der Buchhalter Albert 
S„cheidweiler aus Mannheim. Derselbe, etwa 20 
zahre alt, war bisher in der Bayer. Brauereige⸗ 
ellschaft dahier als zweiter Buchhalter engagitt und 
vurde kürzlich entlassen, was wohl das Motio zu 
er unseligen That gewesen sein mag. (Pf. Zig.) 
Vermischtes. 
7 Nach einer Entscheidung des Ministers des 
Innern find Buchdruckereien nicht als Fabriken in 
»em Sinne anzusehen, daß etwaige die Sonntags- 
eiligung betreffende Verordnungen auf fie ange⸗ 
vandt werden dürfen. Gleich den Buchhandlungen 
ätten Buchdruckereien von jeher eine besondere 
„tellung in den Gewerbebetrieben eingenommen. 
7 Metz, 1. August. Der Kriegerverein in 
MNetz hat in Verbindung mit dem Turnverein auch 
n diesem Jahre wieder eine allgemeine Schmück⸗ 
ing der Gräber auf den Schlachtfeldern vom 14., 
16. und 18. August in Aussicht genommen. Zu 
iesem Zwecke find in den letzten Jahren aus allen 
Theilen Alideutschlands so reichliche Kranz⸗ und 
Heldspenden eingegangen, daß auch die abgelegen⸗ 
len Grabhügel mit Schmuck versehen werden konn- 
en. Voraussichtlich wird dies an dem bevorstehen⸗ 
)en sechszehnten Jahrestag der Schlachten in noch 
eichlicherem Maße als seither der Fall sein. 
Straßburg, 4. August. Hier find 58 
ranzösische Deserteure angekommen. Die Leute 
lagten sehr über schlechte Kost und zu strengen 
dienst. Einer von ihnen, der nach Frankreich ge⸗ 
lohen war, um nicht deutscher Soldat zu werden, 
vill jetzt gern dienen. 
F Koln. Das Deutzer Kürassier⸗Regiment 
8. rheinisches) begiebt sich in Tagemärschen durch 
die Eifel über Trier nach Metz zu den geo 
Tavallerie Uebungen. Dasselbe wird 9 F 
uusbleiben und voraussichtlich den Rückmarsch * 
ie bayerische Pfalz nehmen. Die Heimkehr in 
Zarnison Deutz soll am 5. Oktober erfoigende 
F Vom Rhein, 2. August. Der cassd 
dieutenant Sawine, welcher auf dem Tramed 
don Frankreich nach Rußland in Duisburg, wo r 
ltankheitshalber in das St. Vincenz- Hospital —* 
vorden, entwichen war. ist in Brüssel wieder 
gefangen worden. Sawine wird wegen Vreh 
stiftung von der russischen Regierung — 
weshalb auch der Auslieferung von beigschee 
-wie früher der von französischer Seite micht 
im Wege stehen dürfte. 
Der Mann heim er Maurerftrit ist nicht 
wie mitgetheilt wurde, beendet, sondern nur in an 
anderes Stadium getreten. Die Arbeit war zwu 
vieder aufgenommen; das Agitationsbureau in 
Hamburg hat der Lohnkommission jedoch eine be 
eutende Summe übersandt, sodaß der Sirik sein, 
Fortgang nehmen wird. 
f Mainz, 2. Aug. Im hiefigen Floßhafen 
jat sich nunmehr auch noch ein Menschenfuß ge. 
unden, welcher gleichfalls als dem ermordelen 
S„chuhmacher Wothe gehörig von der Medizinalbe. 
zörde rekognoszirt wurde. 
F In Frankfurt a. M. sind die städtischen 
Steuerlisten gegenwärtig zur Einsicht ausgelegt. gu 
dlasfsensteuer find darnach 80,027 Personen, u 
Finkommensteuer 6992 Personen eingeschätzt. die 
döchstbesteuerten sind die Herren v. Rothschild, im 
‚war zahlt Baron Wilhelm v. Rothschild an fidd 
ischer Einkommensteuer 133 900 Mtk., Baron Kat 
47,060 Mt. Von der Deutschen Effekten⸗ um 
Wechselbank erhebt die Stadt 64,988 Mi., don 
)er Frankfurter Bank und der Deutschen Vereind. 
dank je 58,140 Mk., von der Reichsbank 18680 
Mk., von der Trambahngesellschaft 11,628 Mi. 
don den beiden Gasgesellschaften D2876 und 11,62 
Mark. 
F(Ein Menschenfreund aus Sa— 
oohen.) Das „Fr. Int.⸗Bl.“ berichtet: Einin 
Wiesbaden zum Kurgebrauch anwesender Fremder 
aus Chambery lernte gelegentlich eines Garlkenfeste 
in Wiesbaden einen jungen Frankfurter, den Sohn 
einer armen Wittwe. kennen. Der 68 Jahre alte 
herr gewann den jungen talentvollen Menschen 
sieb und versprach ihm die Mittel zu seiner voll⸗ 
tändigen Ausbildung. Der Fremde deponirte zu 
dem Zweck in einem Bankhause in Karlsruhe 4500 
Mark. 
FDas „Aschaffenburger Tgbl,“ schreibt: Unser 
dandsmann Gundlach der vor ca 40 Jahren nach 
Amerika auswanderte, hat in San Francisco auf 
iner Farm Sonoma den Weinbau mit rhein⸗ 
schen und pfalzischen Reben eingeführt. Welche 
Ausdehnung derselbe haben muß, beweist, daß die 
iejährige Ernte auf 70 Millionen Liter geschät 
vird. 
Ein plötzlich wertvoll gewordenes Glas be⸗ 
itzt der Bahnhofs⸗Restauateur in Nürnberg 
In demselben wurde vem durchreisenden Reichs⸗ 
anzler Bier kredenzt. Ein Engländer bot dafür 
jergeblich 50 Mk. 
F Die telephonischeBVerbindungvon 
5tadt zu Stadt dürfte demnächst in Bayern all⸗ 
gjemeine Einführung finden. Der Minister Crails⸗ 
)eim hat bereits, wir die „stöln. Ztg.“ meldet, mit 
dem gegenwärtig in Wien weilenden belgischen 
Batent⸗Inhaber Meurlon einen für alle bayerischen 
Telegraphenlinien gültigen Vertrag abgeschlossen. 
FSe. Kgl. Hoh. Prinz⸗Regent Luipold 
zat im Namen Sr. Maj. des Konigs das Protec⸗ 
orat des landwirthschaftlichen Vereins in Bayhern 
ibernommen; ebenso dasjenige über den Landes⸗ 
Feuerwehrverband. 
7 Gegendie Tournüre.) Die Nordh. 
Ztg.“ schreibt: Die jetzige Zeit vor der Ernte iß 
n unserer Gegend die Zeit der Schützenfeste in 
Stadt und Land. Nach Scheiben, Flattern, ein⸗ 
und zweiköpfigen Adlern und Hirschbildern wird 
geschossen. Neu und originell dürfte das Ziel sein, 
—XE 
orfes Rottleberode schossen: nach der Tournüre 
iner mit Faächer und Klemmer bewaffneten Mode⸗ 
dame, welche auf einer Holzscheibe abconterfeit war. 
Auf die mächtige Tournüre war die Scheibe get 
nalt. Das Bud trug die Umschrift: „dDie häß⸗ 
iche Mode bringt heute zu Tode der Schützenbund 
Kottleberode!!“