Full text: St. Ingberter Anzeiger

werden konnte, fand er endlich nach drei Wochen 
den Weg zum pfälzischen Homburg. 
— Pirmasens, 17. Aug. Vor Kurzem 
verunglückte der Knecht der Herren Gebr. Fahr von 
hier dadurch, daß beim Transport einige Korbflaschen 
mit Schwefelsäuere zerbrachen und der Unglücdlich 
mit dieser schrecklichen Flüssigkeit begossen wurde. 
Trotzdem man die ganze Zeit die beste Hoffnung 
hatte, daß er am Lehen erhalten bleibe, ist er jedod 
heute Morgen seinen Leiden erlegen. 
— Pirmasens, 18. Aug. Am Sonntag 
früh begleitete die 38 Jahre alte Anna Mariod 
Abendroth von Lemberg eine ihrer Anverwandien, 
welche nach Amerika reiste, bis zur Bahnstation 
Kaltenbach. Als sie fich zur Heimfahrt bereit 
machte und auf den Wagen stieg, der sie nach 
Lemberg bringen sollte, setzie sich auch der Eisen— 
bahnzug in Bewegung. Die Scheidenden wintten 
sich noch einander zu, während auch der Fuhrmann 
anziehen ließ — da ein Ruck — und die Abend⸗ 
roth stürzte rückwärts auf den Boden. Die Be— 
dauernswerthe verletzte sich hierbei am Kopfe derart, 
daß sie Abends schon eine Leiche war. 
— In Kirheimbolanden wurde ein 
„Volapüka Kluh“ zur Erlernung der „Weltsprache“ 
Volapüka gegründet. 
— Neustadt, 17. Aug. Der von der kgl. 
Regierung ins Leben gerufene Reblauscurs, geleite! 
von Herrn Landwirthschaftslehrer Nipeiller aus 
Kaiserslautern, wurde gestern in den Räumen des 
Realschul Gebäudes eröffnet. Als Vertreter der 
kgl. Staatsregierung war der kgl. Bezirksamts— 
Assessor Herr Müller anwesend. Als Vertreter der 
Stadtgemeinde die beiden Vorstände. Die Zahl der 
Theilnehmer beträgt 20. Die meisten derselben gehören 
dem Bezirksamte Neustadt an. Unter den Theil⸗ 
nehmern befindet sich auch der Reichtagsabgeordnete 
Herc Dr. Bürklin aus Wachenheim. Der Cursus 
soll 5 — 6 Tage dauern. 
— Der Stadtrath in Luwigshafen be— 
schloß die Erbauung eines Schulhauses für 208,000 
Mk. Falls Zentralheizung eingeführt wird, erhöhen 
sich die Kosten um 22,000 Mk. Das Schulhaus 
wird 24 schöne Schulsäle enthalten, das ganze Ge— 
bäude im Jahre 1887 unter Dach gebracht, jedoch 
im nächsten Jahre nur 12 Säle und die übrigen 
12 im Jahre 1888 fertig gestellt. 
Vermischtes. 
f.Saarunion, 16. Aug. Ein außerge⸗ 
wöhnlicher Fall kam, wie die Metzer Zeitung schreibt, 
in der benachbarten Gemeinde B. vor. Eine 77 
Jahre alte Frau saß zu Hause bei ihren Töchtern 
und strickte. Plötzuch stand sie auf, legte ihre 
Arbeit nieder und sagte: „Jetzt muß ich sterben!“ 
Die Mädchen brachen in ein Gelächter aus; aber 
es verging ihnen bald. Die Frau kleidete sich 
aus, legte sich ins Bett und als ihre Töchter her⸗ 
zutraten, war sie bereits todi. 
Vom Rhein, 17. August. In Emmerich 
kamen am letzten Freitag mit einem holländischen 
Dampfboote 95 Passagiere an, welche von Ameriko 
nach Deutschland zurüäkehrten. 
Bonn, 14. August. Heir Rentner Philipp 
Greve⸗S tirnberg, der sog. „Alter Schwede“, 
hat der Münsterkirche eine Schenkung von 100,000 
Mark zugewandt, jedoch für Lebenszeit sich den 
Zinsgenuß vorbehalten. 
. Köln. Kin nobler Ehemann ist unstreitig 
ein hiefiger wohlhabendern Kaufmann. Derfelb 
hatte das Glück, daß seine Gattin dieser Tage 
ohne ihn davon in Kenntniß zu setzen, mit einen 
seiner Gehilfen eine Reise in die Ferne antrat. 
Als er den Namen des Ortes ersuhr, wohin die 
beiden sich gewandt, sprach er ihnen schriftlich seinen 
Dank für die ihm erwiesene Wohlthat aus und 
fügte als Anerkennung und mit dem Wunsche, daß 
es ihnen noch lange recht weit von hier, wohler⸗ 
gehen möge, eine Anweisung auf 15,000 Mk. bei. 
7 Worms, 186. August. Gestern Mittag 
wurde von dem Erbauer der Dampfdroschke Hrn. 
Hoffmann, mit dem neuen Vehikel die erste offizielle 
Fahrt durch die Hauptstraßen der Stadt deran— 
staltet. Die auf dem Wege befindlichen Steigungen 
nahm die Maschine bei ÄAufwand von nur 8 N— 
mosphären mit großer Leichtigkeit, ebenso leicht 
wurden die Schwierigkeiten der verschiedenen Bieg⸗ 
ungen und Wendungen mittels der sehr geschiat 
angebrachten Steuerung und Bremse uͤberwunden. 
Die Schnelligkeit war se nach den Weghindernissen 
eine zwischen der eines Ein- und Zweispanners 
wechselnde. Irgend welche Beschwerden beim Fahren, 
sei es durch das Ausstroͤmen von Dampf, sei es durch 
das Stoßen der Maschine, hatten die Insassen nicht 
zu erleiden, trotzdem nach Angabe Hoffmann's der 
Gesammtapparat ein Gewicht von etwa 40 Centnern 
repräsentiren mag. Die der Dampfdroschke begeg 
nenden Fuhrwerke waren kaum merklich“ von der 
befremdlichen Erscheinung der Dampfdroschke irritirt 
Groß war dagegen das allseitige Erstaunen des 
Publikums über den ungewohnten Anblick der 
Straßenlokomotive. 
fxMannheim, 18. August. Am 25. und 
26. d. Mis. wird in unserer Siadt der erste De— 
legittentag füddeutscher Gastwirthe stattfinden. Nach 
dem uns vorliegenden Programm stehen folgende 
Punkte auf der Tagesordnung: 1) Willkemmen 
des Vereinsvorsitzenden von Mannheim. 2) Wahl 
des die Versammlung leitenden Bureaus, Fesistellung 
der Prasenzliste und Prüfung der Legitimationen 
83) Berathung über Bildung eines füddeutschen 
Gastwirtheverbandes und Eintheilung desselben in 
Landesunterverbände. 4) Antrag des Vereins Mann⸗ 
heim: Stellungnahme zu den Gastwirth⸗Innungen 
ꝛc. 5) Feststellung der Statuten. 6) Wahl des 
Vororts für ganz Süddeutschland, des Verbands 
vorsitzenden. 7) Herausgabe des Verbandsorgans 
das allen Mitgliedern gratis geliefert werden soll 
3). Die Bierfrage, insbesondere Bierpreis, Faßaiche 
Miethsverhältmisse und Zehntel. 9) Die Konzessions— 
ind Bedürfnißfrage. 10) Die Weinsteuer in den 
inzelnen Staaten. 11) Antrag des Vereins Frei— 
zurg: Aufstellung einer Statistik der Wirthschafts 
zetriebe ꝛc. 12) Wahl des nächsten Versamm⸗ 
lungsortes. J 
7 Die Heidelberger Festrede des 
Professors Kuno Fischer wird in der „N. 3. 3., 
von Hans Thunichtgut geschildert wie folgt: „Als 
alle in der Kiche drinnen, traten einige schwarzt 
Männer in die Erscheinung, musterten aufmerksam, 
ob jeder auf dem richtigen Platze säße, zogen dann 
ciesige Hausschlüssel aus der Hosentasche, schlossen 
sämmtliche Kirchthüren ab und verschwanden laut⸗ 
los wie jene drei schwarzen Männer im ,Tin Ogle“, 
welche die schöne Mable lebendigen Leibes ein⸗ 
mauerten. Wir dachten, es sollte nur Niemand 
mehr in die Kirche hinein. Gräßliche Enttäuschung! 
Keiner follte mehr heraus und dem Schrecklichen 
entweichen, das alsbald hereinbrach. Um 12 Uhr 
versuchte ein Trupp entschlossener Männer, in der 
Mitte eine Anzahl leblos gewordener Professoren⸗ 
öchter mit fich führend, mit Gewalt aus der Kirche 
auszubrechen. Die schweren Thorriegel wichen nicht 
und die schwarzen Männer, welche die Schlüssel in 
der Tasche trugen, standen inzwischen hohnlächelnd 
draußen. Sie anworteten auf die inständigsten 
Bitten und das herzzerreißendste Flehen nur durch 
ein Guckloch: „Wenn wir jetzt aufmachen, rennen 
alle weg und Fischer ist noch lange nicht fertig“. 
Gegen 1 Uhr verbreitete sich in der Stadt das 
Berücht: Kuno Fischer habe den Großherzog ge⸗ 
lödtet, auch der ganze Hof lage erschlagen zu seinen 
FJüßen, nur der deutsche Kronprinz, eine Hune von 
Bestalt und fiegreich in den Strapazen dreier Feld⸗ 
züge, wehre fsich noch mit schwindender Kraft gegen 
den dreistündigen rednerischen Austurm des grimmigen 
Professors. Kaiser Nero erstickte bei einem Mahle 
jeine erschreckten Gäste unter einem Wolkenbruch 
aatürlicher Rosen Fischer ließ uns bei der Fest⸗ 
rede in einem Meer künstlerischer Redeblumen ver⸗ 
rocheln. Während drinnen einer nach dem andern zu 
endlosem Schlummer langsam dahinsank, erfülfte 
draußen Wehtlagen und Jammern die Gassen und 
Märkte. Eine große dunkle Menschenwelle drängte 
iich brausend um das verrammelte Gotteshaus. 
erzerschütternde Tsone über das schreckliche Schick⸗ 
al der eingeschlossenen Angehörigen stiegen gen 
immel und wurden von innen mii thrähnenreichen 
‚eufzern beantwortet. Endlich, endlich brachen die 
Fforten auf. Eine pflichtgetreue Dienstmagd war 
jineingedrungen, um ihre eingesperrte Herrin zu 
tetten. Dieses Madchen wurde unser Winkelried 
ind brach der Freiheit eine Gasse. Unter den Klängen 
des Mendelssohn'schen Lobgesanges flüchteten wir 
auf die Straße. Um haib 8Uhr Nachmittags 
war die Kirche geleert; um 9 Uhr frith hatte sie 
ach gefüllt gehabt. Kein Wunder, daß noch am 
selbigen Abend der deutsche Kroaprinz abreiste, um 
aicht einer Wiederholung rednerischer Ausschreitungen 
dei den Ehrenpromotionen ausgesetzt zu sein.“ 
7.Frankfurt, 16. August. Heute Morgen 
sam hier eine Gesellschaft Enqgländer durch. welde. 
geführt von einem kundigen Fü 
weit über Wien und ee 8 Air 
asien, Palastina und Eghpten —*— — 
Die 28 Herren haben 70 Diener bei —* he 
7 Ende nächster Woche trifft in 383 
a. M. ein Extratzng mit Elsaß Lothehcatfur 
welchen auf Kosten der Stadt n den —8 tin 
Weinausstellung ein Fest gegeben werden In de 
In diesem Jahre find es 300 Jahre 
Kartoffeln in Deutschland eingeführt — thd 
Zeit sind 10 Millionen Morgen mit nge 
vebaut, welche jährlich im Durchschnitt 28 — 
Tonnen Kartoffeln liefern. Man v loren 
2640 Sorten. tiche 
F Eine Zusammenkuft fürstli 
Perfondichte itene wird wit inthid 
Fahre auch in dieser Saison auf dem landte 
Schlosse zn Rumpenheim bei Hangu— —J— 
finden. Es soll wieder eine große Zahl sen 
höchster Herrschaften sich dori gegen Enbeun 
oder Anfang nächsten Monats ein Rendezvous bg 
Unter anderen werden erwartet: Der Konig 
die Königin von Dänemark, der König von on 
land, Prinz und Prinzessin von Wales, der 
uind die Herzogin von Nassau, die Mitgliede p 
'andgräflich hessischen Familie ꝛc. ꝛc. 
feFürth, 15 Aug. Der „F. Z.“ wird p 
chrieben: In einem eigenthümlichen Fall hatte jünß 
inser Magistrat, als nächste Vewaltungsbehon 
kntscheidung zu treffen. Ein isralitischer Kaufmun 
derehelichte sich mit einer Protestantin, wodurch 
bereits 5jährige Söhnchen, das in der protesn 
tischen Kirche getauft. legitimirt wurde. di— 
Mutter verpflichtete sich zwar notariell, zum Juden 
thum überzutreten, allein das Rabbinat lehnte do 
Gesuch mit der Motivirung ab, daß der Uebertt 
nicht aus innerer, religöser Ueberzeugung geschehe 
Als der Knabe schulpflichtig wurde, fragte es sih 
welcher Religion der Knabe angehöre. Da in g 
mischter Ehe in der Regel Knaben die Religion de 
Vaters anzunehmen haben, wurde der Schüler der 
Kabbiner zum Untericht überwiesen, welcher di 
Annahme verweigerte. Auf Grund der gesezzliche 
Bestimmungen entschied der Magistrat, das de 
Knabe in der israelitischen Religion zu erziehen sei 
F München, Nach einer Entscheidung de 
Ministeriums des Innern darf bei Eingaben un 
Verleihung des Ehrenzeichens für 25jährige Feuer 
wehrdienste die zurückgelegte Militärdienstzeit, sofer 
sie sich als eine Unterbrechung des Feuerwehrdienste 
darstellt, eingerechnet werden. A 
F Dem „Münchener Fremdenbl.“ zufolge wirh 
das 1. und 2. Chevauxleger-Regiment nicht blot 
eine andere Uniform erhalten, sondern eine toteh 
Umgestaltung erfahren. Es wird namlich beabsich 
tigt, die 6 Chevauxleger⸗Regimenter auf 4 zu te 
duzieren und 2 Husaren⸗-Regimenter zu errichten 
Diese Frage wurde schon bald nach dem Krieg 
1870 —71 in militärischen Kreisen viel besprochen 
aber wieder fallen gelassen, da fie an höchster Stell 
leinen Gefallen fand. An den nächsten Landta 
wicd eine Vorlage kommen bezüglich der durch dit 
Neuformation veranlaßten Mehrkosten. 
Das Turnen der Mäödchen hat, als es zuer 
vorschlagen wurde lebhaften Wiederspruch erfahren 
Einzelne Eltern, auch Schulmänner sahen darin 
Gefahren und Nachteile für die Gesundheit oder 
Siitsamkeit, sprachen von Vergeudung von Kräfter 
und Zeit behufs Erlernung halsbrecherischer Sei 
tänzerkunste und dergleichen mezr. Wohlberathen 
Schulvorstände kehrten sich jedoch nicht daran, führter 
das Mädchen⸗Turnen ein und hatlen bald 
die handgreiflichsten Erfoge vor Augen. Auch den 
Einwand, daß weibliche Kinderhände einen vollen 
und dabei nützlichen Ersatz dafür in Arbeiten. ir 
daus, Kuüche, Keller, Stall, Garten, Feld fander 
st offenbar für die meisten städtischen Familien 
enger Häuslichkeit hinfallig. Greift die Schule nich 
ein mit einer geregeiten Gymnasiik, so müssen uahet 
armen Madchen von Geschlecht zu Geschlecht mieh 
verkümmern. Und die reichen Maͤdchen sind schwer 
lich besser daran, denn wenn sie auch nicht an 
jüngeren Geschwistern fich krumm schleppen oder ander 
schwere ungesunde Arbeit in zartem Alter verrichten 
müssen, so wirlt hier derbilbend, daß sie meist in 
Uebermaß zu feinen Hand⸗ und Luxus Arbeiten un 
Stubenhockerei angehallen werden und manche ande 
leidige Verkehrtheu. Eulenburg wies 1838 u. 3. nach 
daß don 8300 mit verkruͤmmter Wirbelsäule behaftete 
Rindern 261 weibichen Geschlechisund erblit 
belastet von bälerlicher Seite nur 8. von miltiet 
fichet dagegen 70 voren Ein Berliner Schulbor⸗