Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anuslaud. 
Bukaresi, 23. August. Die Proklamatior 
der bulgarischen provisorischen Regierung besagt. 
Der Fürst leistete Bulgarien auf dem Schlachtfelde 
große Dienste, nahm aber in der Politik zu wenig 
Rtücksicht auf die Stellung Bulgariens als slavischer 
Staat und auf das gute Verhältniß zu Rußland. 
Seine Absetzung wurde daher nothwendig. Der 
Fürst wurde in Lompalanka gefangen genommen 
und wird demnächst über die Grenze geschafft werden 
Die frianzösischen Kavallerie⸗Manösver 
im Lagger von Chalns find gestern, Sonntag, er⸗ 
—I 
daran theil. Der Kriegsminister wird am 2. Sep⸗ 
tember bei dem Hauptmanöber und am 83. bei den 
Uebungen zum Ängriffe eines Engpasses anwesend 
sein. Die ausländischen Offiziere, die zu den 
Manövern des 12. und 18. Armeelkorps eingeladen 
find, werden die Gaste des Kriegsministers sein und 
im Militärcercle wohnen. Am 21. September, 
nach Schluß der Manöver, gibt der Kriegsminister 
im Militärcercle ein großes Fest nebst Zapfenstreich 
mit Pechfackeln, zu der alle Musikkorps und Trommler 
der Pariser Besatzung aufgeboten werden. 
Petersburg, 20. August. Derouled 
erklärte nach einem Privat⸗Delegramm des Berlinen 
Tageblatts einigen Interviewern hiesiger Blätter: 
Deutschland trage die Schuld an Rußlands mora⸗ 
lischen Niederlagen, sei mithin ein gemeinsamer 
Feind Frankreichs und Rußlands. Nichts sei ge⸗ 
fährlicher, als das deutsch⸗österreichische Bündnis, 
es müsse durch ein gemeinsames russisch⸗französisches 
Vorgehen zerstört, die Hegemonie Berlins vernichte! 
werden. Jeßzt sei der günstigste Moment; Frank⸗ 
reich wäre bereit, keinesfalls sei die Aktion über 
1889 aufschiebbar, weil in Frankreich eine stark 
Friedensliga vorhanden, welche gegen Kompen 
sationen in Belgien und Holland dem deutschen 
Bündnisse zuneige. Das hundertjährige Revolutions⸗ 
Jubiläum dürfte den National-Idealen weiteren 
Abbruch thun. Ein eventuelles deuisch⸗französisches 
Bündniß würde Rußlands Weltmacht vernichten 
Die Zeit dränge: spätestens 1887 müsse Frankreich 
wissen, ob es der russischen Hilfe ficher sei oder 
allein vorgehen müsse. (Maulfechtereien, denen 
kein vernünftiger Mensch Werth beilegen wird) 
Peters⸗burg, 22. August. Ein in den Zeit 
ungen enthaltenes offizielles Communiqué besagt 
In der letzten Zeit find in verschiedenen russischen 
Zeitungen Artikel erschienen, welche Besprechungen 
der politischen Lage enthalten; in denselben wurden 
vollständig willkürliche und unrichtige Ansichten über 
die zwischen der kaiserlich rusfischen Regierung und 
anderen Mächten bestehenden Beziehungen ausge⸗ 
sprochen. Diese Beziehungen haben sich im Laufe 
dieses Jahres keineswegs verändert und find auch 
keinerlei Umstände in Aussicht, welche Grund zu 
der Befürchtung zuließen, daß diese Beziehungen 
gestört und die kaiserliche Regierung zu einer Aen⸗ 
derung ihrer Politik veranlaßt werden koönnte. 
Konstantinopel, 28. August. Ein Cir⸗ 
cular der Pforte an ihre Vertreter im Auslande 
theilt denselben die Ereignisse in Sofia mit und 
beauftragi dieselben, die Anschauungen ihrer Re— 
gierungen darüber in Erfahrung zu bringen. 
Newyork, 283. August. Ein Meldung aus 
Mexiko konstaurt, die wexikanische Regierung sei 
dereit, Cutting in Freiheit zu setzen, weigere sich 
aber, das Prinzip aufzugeben, welches die Verhaft⸗ 
ung Cutting's veranlaßte. 
Chicago, 20. August. Der Vertheidiger der 
verurtheilten Anarchisien hat einen Antrag auf Ab⸗ 
haltung eines neuen Prozesses eingereicht, über den 
im September eine Entscheidung getroffen werden 
wird. Sollte der Antrag zurückgewiesen werden, 
wird Berufung gegen die Urtheile beim obersten 
Gerichtshof eingelegt werden. Es heißt, die Polizei 
sei entschlossen, alle Theilnehmer an den jüngsten 
anarchistischen Ausschreitungen gefänglich einzuziehen, 
und man glauht, daß 8300 Verhaftungen in Aus⸗ 
ficht genommen find. Die zum Tode verurtheilten 
Anarchisten sind: August Spieß, Michael Schwab, 
Samuel Fielden, Albert R. Parsons, Adolph Fischer, 
Georg Engel und Louis Lingg. Mit Ausnahme 
oan Parsons und Fielden, von denen ersterer ein 
Amerikamer, letzterer ein Engländer ist, sind die 
übrigen Verurtheilten alle Deutsche. Nube erhielt 
15 Jahre Gefängniß. 
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— 
Zkokale und pfalzische Rachrichten. 
Schnappach, 24. August. Unsere dies 
jaahrige Kärchweih war vom besten Wetter be⸗ 
zünsugt. In Folge dessen war unser Ort sowohl 
am Sonntag wie am Montag sehr zahlreich besucht. 
Auf der Straße herrschte reges Leben und Treiben 
und die meisten Wirthschaftslokalitäten waren ge⸗ 
cadezu überfüllt. Daß unter diesen Umständen 
unsere Herren Wirthe freundliche Mienen machten. 
versteht sich von selbst. 
Wittersheim, 22. August. Der hie⸗ 
sige Bergmann Brug wurde schwer heimgesucht. 
Zein 18jähriger Sohn, Arbeiter auf der Halberger 
Hutte — Brebacher Werk — wurde von einem 
umstürzenden Wagen erdrückt. Sofort ins Spital 
gebracht, starb er dort unter fürchterlichen Schmerzen 
die Leiche wurde nach Wittersheim verbracht und 
jeute unter überaus großer Theilnahme der Um— 
zegend der Erde übergeben. Der Schmerz der 
ẽllern läßt fich denken. 
— Speyer, 22. August. Heute fand im 
dom dahier die Priesterweihe und zugleich ein 
chreckenerregender Unfall statt. Während des Nach—⸗ 
nittagsgottesdienstes erstieg ein Unbekannter den 
nittleren vordern Turm, gab um etwa 4 Uhr vor 
der Kuppel aus 83 Revolverschüsse ab — er schof 
in die Luft — und stürzte sich dann von der etwo 
140 Meter hohen Kuppel aus auf das Straßenpflaster 
wo er vor dem Portal tot liegen blieb. Er hatte 
eine bebeutende Kopfverletzung und außerdem beid 
Füße am Gelenk gebrochen. Der Verstorbene ist 
usweislich seiner Legitimationspapiere der 33 Jahrt 
ilte ledige Hausirer Spengler von Schwan— 
deim bdei Bergzabern, nach seinen hinterlassenen 
—AV—— 
ich auch geistesgestoͤrter Mensch; er hinterlaßt auch 
einen Brief an Seine Hochwürden den Herrn Bischos 
von Ehrler. — Der noch mit mehreren Kugeln 
bdersehene Revolver fiel mit herab und ist es ein 
wahres Glück, daß ein weiterer Unfall hiedurch nicht 
hervorgerufen wurde. — 
Vermischtes. 
fFGersweiler, 22. August. Scharlach 
und Diphtheritis haben hier wieder Einkehr ge— 
nommen und einem Manne bereits drei Kinder 
in 14 Tagen weggerissen. Zwei wurden heute 
in ein Grab gebettet und sein viertes ist ebenfalls 
von der heimtückischen Krankheit erfaßt und von 
Tode bedroht. 
FOberstein, 21. August. Vorgestern wurde 
die kleine Lui se Krämer zur letzten Ruhe ge— 
leitet. Ein größerer Trauerzug hat sich wohl noch 
nie hier bei der Beerdigung einer Kindesleiche nach 
dem Friedhofe bewegt. Alle Klassen der Bevölker⸗ 
ung waren, wie dem „K. T.“ berichtet wird, ver⸗ 
freien; auch viele Personen aus der Umgegend, 
hesonders Frauen hatten sich eingefunden, um dem 
Trauerzug zu folgen. Als der mit Kränzen ge—⸗ 
schmückie Sarg, umstanden von den Mitschülerinnen 
des so schrecklich gemordeten Mädchens, in die 
Bruft gesenkt wurde und Herr Pfarrer Bonnet in 
einer Grabrede die schauderhafte, laut nach Sühne 
chreiende That schilderte, blieb kein Auge thränenleer 
FElberfeld, 20. August. Unglaublich 
iber wahr! Wie erst jetzt bekannt wird, hat die Feuer⸗ 
vehr in Gräfrath (einem Städtchen von 6000 
Finwohnern im benachbarten Kreise Solingen) am 
Sonntag folgende Depesche an den französischen 
riegsminister Boulanget abgesandt: „Kriegs⸗ 
minister Boulanger, Paris. Des deutschen Mannes 
Jugendkraft lebt noch! Die Gräftather Feuerwehr.“ 
rhef der Gräfrather Feuerwehr ist der dortige 
Bürgermeister Kürten. (Fr. 3) 
DerVerband DeutscherHandlungs⸗ 
zehülfen C(eipzig) hat in seinem abgelaufenen 
deschäftsjahre über 2500 Mitglieder aus allen 
Theilen Deutschlands aufgenommen, so daß derselbe 
ffectiv über 7000 Mitglieder zählt. Diese Mitglie— 
erzahl vertheilt sich auf 98 Kreisvereine, von denen 
inzelne über Hunderte von Mitgliedern, der größte 
512 Mitglieder zählt. Die Stellenvermittelung weisi 
recht gute Rusultate auf. Fur Unterstützung bei 
Stellenlofigkeit wurden Mkl. 2000 reservirt, aber 
aur Mk. 400 ausgegeben. Der Rechtsschutz und 
der briefliche Unterricht in Buchführung wurden 
derhältnißmäßig benutzt Der Reservefonds des 
Verbandes selbsi belief sich (Mitgliedsbeitrag Mk. 8 
— ) am Schluß des Geschaftsjahres auf Marl 
10536,70, das Vermögen der Wittwens und Waisen⸗ 
kasse betrug Mk. 27169,30, das der Kranken⸗ und 
Begräbnißkasse M. 17930. T,. Die Gesam 
einnahme belief sich auf 6471176. Außeren 
wohlthätigen Kassen ist eine ———— 
mit Mt. 5000,— dotirt in Vorbereitung. 
Fortschritte der auch von der selbständigen Zande 
welt unterstützten und gut angeschriebenen n 
Jahre bestehenden Vereinigung sind, wie n 
sieht, große und zum Beitritt ermunternde. ur 
FHagen, 20. August. Ein Akt unglauh 
licher Rohheit erhielt gestern vor der hiesigen —* 
kammer seine Sühne. Zwei Brüder, Nen 
Wehberg aus Kierspe, hatten in der Nacht * 
11. v. Mis. fünf Kühen ihres Nachbars auf de 
Weide die Euter abgeschnitten und außerdem duth 
Messerstiche in Kopf und Brust verwundet. du 
Bericht verurtheilte die vertierten Subjekte zu s 
resp. 17 Monaten Gefängniß. 
FBerbin, 20. August. Ein rührendes Ve. 
spiel von der Treue eines Hundes. In einen 
Restaurant des Rordens von Berlin pflegt ein Hert 
welcher regelmäßig in Begleitung seines Bernhat 
diners erscheint, allabendlich mit Freunden Slat ze 
spielen. Als nun neulich einmal der Hund du 
Gastzimmer verlassen hatte und in die Kuche p 
laufen war, wo er gefüttert wurde, begab sich sen 
derr, ohne an seinen Begleiter zu denken, nach den 
Stettiner Bahnhofe, von wo aus derselbe mi 
Freunden eine mehrtägige Reise unternahm. Valh 
nachdem sein Herr sich entfernt, fand sich der Hund 
wieder im Zimmer ein, wo er schnuppernd um 
winselnd seinen Herrn suchte. Endlich, nach langem 
dergeblichen Suchen sprang das Thier auf der 
Stuhl, auf dem sein Herr stets zu sitzen? pflegte 
und war nicht zu bewegen, denselben zu verlassen 
So saß er drei Tage unbeweglich und nur wenis 
Nahrung zu sich nehmend. Man kann sich di 
Freude des Herrn denken, als derselbe bei seine 
Rückkehr seinen treuen Begleiter vorfand; die Freu— 
denbezeungen seitens des Hundes sollen geradezr 
rührend gewesen sein. Wie der Hunde⸗Speziel— 
korrespondent ferner mittheilt, soll der treue Bern— 
hardiner auch seinen Herrn am Skattisch vertreten 
haben; das gewonnene Geld lag neben ihm. Nicht 
einmal eine Wurst hat er sich dafür gekaust. — 
Nicht der erste Reichshund, sondern Tyras II. be 
findet fich in der Berliner Thierarzneischule. Tyras! 
fristet jetzt in Friedrichsruh ein behagliches Leben. 
FLübeck, 23. August. In einem allein 
stehenden Hause an der Travemünder Bahn sind 
gestern Abend vier Personen (eine Arbeiterfamilie 
verbrannt und eine fünfte durch Brandwunder 
schwer verletzt. 
fWien, 21. August. Zwei Blitzableiter— 
Monteure nahmen heute früh um 5 Uhr im Auf— 
trage des Stadtbauamtes von der Stephansthurm 
spitze die Fahne ab, welche der Anstreicher Pirchen 
dort aufgehißt. 
F Gen f. Eine eigenthümliche neue Judustrie 
die ihren Hauptsitz in Paris hat, ist nun auch au 
dem Bahnhof in Genf eingeführt, nämlich das Aus— 
leihen von Sitzkissen für Passagiere 8. Klasse, welch 
weitere Reisen unternehmen. Für 1 Francs erhäl 
man ein hübsches sauberes Luftkissen zur Benüßung 
welches nach vollendeter Fahrt wieder abgegeber 
werden kann. 
F Paris, 11. August. Zufolge Meldunger 
aus Vierzon beabsichtigen sämmtliche Arbeiter, an 
5000, am Montag zu feiera. Die Manifestation 
ist gegen die Maschinenfabrik und die Arbeitgeber 
gerichtet; man will ein Syndikat behufs Gleich 
stellung der Löhne bilden. Zur Durchführung de 
Maßregel steht Ende des Monats ein allgemeiner 
Strike in Aussicht. — In Rouchamd, wo un 
ängst ein Schlagendes Wetter 24 Bergleute ver 
schüstete, ist eine Arbeitseinstellung ausgebrochen 
Truppen wurden zur Aufrechterhaltung der Ruh⸗ 
dorthin beordet. 
7 Boulanger und kein Ende — heißt er 
in Frankreich. Jetzt wird gar eine eigen— 
Zeitung unter dem Titel „Le Boulangiste“ ode 
wie die „Koln. Ztg.“ berichtet „La Boulangerie 
auf den Pariser houlebards ausgeboten. Die erhn 
Rummer bringt, der Frankf. Ztg.“ zufolge,lt 
phhsische und 4 moralische Porträts; die ersterer 
flellen General Boulanger in allen nur denkharer 
Lagen und Phasen seines ministeriellen Daseins dar 
I. Der General ohne Bart; 2. Der General mi 
Bart; 8. Der General zu Fuß; 4. Der Genera 
das Volk grüßend; 5. Der General, von rücwarh 
gesehen .3 13. Der General, in die Luft schie 
end; 14. Der General nach dem Vriefe; 16. de 
FJeneral bei der Arbeit u. s. w. Die „moralischer