Full text: St. Ingberter Anzeiger

Gestern Abend noch wurde die Leiche des Vaters 
unier großer von tiefem Ernst erfüllter Betheilig⸗ 
ung zu Grabe gebracht. Merkwürdig ist, daß auch 
der Vater des Verunglückten, in Assenheim wohn⸗ 
haft, voriges Jahr in einem Streit mit seinem 
anderen Sohne von dem letztern durch einen Stich 
in den Kopf mit einer Dunggabel getödtet wurde 
Vermischtes. 
Altenwald, 31. August. Am Sonntag 
Abend zwischen 10 und 11 Uhr gerieth ein un— 
vderheiraiheter Kolsarbeiter mit einem unverheirathe 
ten Bergmann von hier beim Nachhausegehen aus 
einer Wirthschaft auf offener Straße in Streit. 
Ersterer rief einen hier in Arbeit stehenden Metz 
—RV Gegner 
gemeinschafilich mit einem großen Metzgermesser be— 
arbeitet, und zwar so, daß an dem Aufkommen des 
Verletzten gezweifelt wird, da ein Stich tief in die 
Lunge eingedrungen ist. Der dieser rohen That 
verdaͤchtige Metzgergeselle wurde gestern in das Un— 
ersuchungsgefängniß nach Saarbrücken abgeführt. 
Hoffentlich wird die gerichtliche Untersuchung den 
richtigen Thäter ermitleln und ihm seine gerechte 
Strafe zutheil werden. (S. u. Bl.8.) 
FStraßburg, 1. Sept. Gestern Abend 
tagte in der „Wolfsschlucht“ eine Versammlung der 
Bereinsvorstände, welche die Ausführung des Sr. 
Majestät dem Kaiser am 18. September, abends 
8 Uhr, darzubringenden Lampionzuges in die Hand 
genommen haben. Einstimmig wurde Herr Bür 
germeister Back zum Vorsitzenden des Geschäftsaus— 
schusses gewählt. Der Kaiser hält sich hier vom 
16. bis 19. Sepiember auf. — Da die Nachfrage 
nach Plätzen auf der anläßlich der Kaiserparade vom 
11. September auf dem Polygon errichteten, 2700 
Sitze und Stehplätze umfassenden Tribüne eine 
ungemein große ist, wurde beschlossen die Tribüne 
nach beiden Seiten hin zu vergrößern, um dadurch 
für etwa 1000 Zuschauer mehr Platz zu schaffen. 
Frankfurt, 80. August. Der Prinz 
von Wales speiste gestern im Palmengarten 
Als derselbe seinen Tisch wieder verlassen, kaufte, 
wie das „Fr. J.“ berichtet, eine englische Familie 
das Tischtuch, überhaupt alles Tischgeräthe, was 
durch den Fürsten benutzt war, zu hohem Preise an. 
Frankfurta. M., 80. August. Zwölf 
junge Damen erregten dieser Tage in einem hie⸗ 
figen Cafs allgemeine Aufmerksamkeit. Sie rauchten 
Cigarren und Cigaretten, spielten Karten und Bil—⸗ 
lard und kümmersen sich wenig um die Blicke der 
neugierigen Herren. Die Konversation wurde in 
engůscher Sprache geführt. Mit einem Male standen 
die Sitzenden auf und eilten nach den Billards 
wo die Spielenden mit einem jungen Handlungs- 
beflissenen in Konflikt gerathen waren. Sie re⸗ 
voltirten energisch gegen den Stsrenfried, welcher 
der kampfesmuthigen Schaar ein schlimmes Worit 
zurief. Eine der Damen mußte ihn verstanden 
haben, denn fie gab dem jungen Menschen eine 
iraftige Ohrfeige, wahrend ihre Gefährtinnen sehr 
drohend eine Phalanx niedlicher Händchen ihm 
entgegenstreckten. Die Zwölf sind, wie man erfuhr 
Emanzipirte“, die sich zu einer , Probefahrt, durch 
das alte, von „Voruriheilen? befangene Europa 
vereinigt haben. — So reiche junge Damen haben 
gut die Emanzipirten spielen, meint der „Beob.“ 
Tigarrenrauchen, Billardspielen. Ohrfeigen, das 
scheinen die nächsten Errungenschaften ihrer Eman⸗ 
zipation zu sein. 
Sftipendium. Die Administration der 
Stein'schen Stipendien⸗Stiftung für Besucher deut⸗ 
scher Brauerschulen fordert qualifizirte Bewerber 
um gedachtes Stipendium auf, ihre Gesuche bis 
längstens zum 20. Sept. ds. Is. dem Vorsitzenden 
Henrich, Frankfurt a. M. schriftlich einzureichen. 
Huglifiziri zur Bewerbung sind nach Artikel 2 und 
3 der Statuͤten gesittete, strebende und fähige, dem 
deutschen Reiche angehörige junge Leute, welchen 
die genügenden Mitel fehlen um sich an einer deutschen 
Brauerschule weiter auszubilden und welche schon 
mindestens ein Jahr lang in eiuer deutschen Brau⸗ 
erei zur Zufriedenheit gearbeitet haben. Das 
Jahresstipendium beträgt pro Oktober 1886 bis 
dahin 1887 800 M. pränumerando balbiährlich 
zahlbar. 
F Auf dem Markte zu Marktbreit wurde 
der Schuhmacher Wendel aus Heidingsfeld ver⸗ 
haftet, als er im Begriffe stand, ein falsches Zwei⸗ 
markstück auszugeben. Bei einer telegraphisch an⸗ 
geordneten Haͤussuchung wurde in seiner Wobnung 
52 unvollendete Falsifikate nebst den Werkzeugen 
für die Faschmunzerei aufgefunden. 
pAus Untserfranken, 31. Aug. Das 
Städtchen Königshofen im Grabfeld wurde von 
einem großen Brandunglück heimgesucht: über 80 
Firste, darunter 36 Wohnhäuser, legte das ver⸗ 
deerende Element innerhalb 12 bis 15 Stunden 
jeit gestern Mittag in Asche. Noch heute früh war 
das Feuer nicht vollständig gelöscht. Ueber 40 
Feuerwehren betheiligten sich an den Löͤscharbeiten, 
die durch Wassermangel ungeheuer gehemmt wurden. 
Das Feuer griff, begünstigt durch die große Trocken⸗ 
heit der letzten Tage, mit rapider Geschwindigkeit 
uͤm sich; viel Groß- und Kleinvieh verbrannte. 
Der Schaden ist ungeheuer. * 
Augsburg, 31. Aug. Das erste Ulanen⸗ 
Regiment siellt seinem Inhaber dem deutschen Kron⸗ 
prinzen während der Dauer seines Aufenthaltes 
hier und auf dem Lechfelde ein hochfeines Vierer⸗ 
gespann zur Verfügung. 
München, 31. August. Die königl 
Schlösser scheinen brillante Geschäfte zu machen. 
Wenn Pessimisten ehemals glaubten, man müsse sie 
jerfallen lassen, da ihre Unterhaliung zu theuer, 
o sind diese trübseligen Ansichten gründlich wider⸗ 
egt. Ganz das Gegentheil wird wahr. Die bis— 
her nicht vollendeten Wasserwerke auf Herrenwörth 
werden demnächst vollendet und im September noch 
in Betrieb gesetzt. Das Entroͤe wird an den Tagen, 
wo die Wasserwerke arbeiten, auf 3 Mark erhöht. 
F Ueberreiche Kindersegen wurde dem 
Schuhmacher Franke in Ne uß zu Theil; dessen 
Thefrau beschenkte ihn mit zwei Knaben und zwei 
Mädchen. 
Die Zuckerausfuhr, welche längere 
Zeit hindurch erheblich gestockt hatte, ist, wie das 
Chemn. Tgbl.“ berichtet, neuerdings wieder im 
Steigen begriffen und besonders im Juni ds. Irs, 
hedeutung größer gewesen als im Juni vor. Irs. 
Wie nun aus den neuesten amtlichen Veröffentlich⸗ 
ingen hervorgeht, hat der Export in dem abge⸗ 
aufenen Monat Juli eine noch viel größere Steig⸗ 
ung erfahren. Es ist in diesem Monat mehr als 
zreimal so viel Zucker zur Ausfuhr gekommen, als 
m gleichen Zeitraum des Vorjahres, nämlich 
322,000 Doppelcentner gegen nur 192,000 im 
Jahre 18883. Im Juli 1884 und 1883 hatte 
die Zuckerausfuhr 337,000, bezw. 241,000 Doppel- 
entner betragen. 
Mühlsteine aus Glas werden von der 
„Deuischen Spiegelglas⸗Aktien⸗Gesellschaft in Freden 
neuerdings angefertigt. Eine runde 8 bis 9 Centi⸗ 
meter starke Scheibe wird auf der Reibseite mittels 
Diamant gerissen und durch eigens hergerichtete 
Meißel eingehauen. Zur Vervollständigung einer 
erforderlichen stärleren Dicke des Mühlsteins wird 
Fement, in Formen gegossen, verwandt. Die eigen⸗ 
artigen Fabrikate sind schon zahlreich bestellt. Es 
wird versichert, daß diese Glasfläche nach 10- bis 
Sjahrigem Gebrauch ihre Schärfe behalten, wogegen 
hekanntlich die bisherigen Steine eine der Abnutzung 
ntsprechende öftere Ausbesserung irfordern. 
F Nun, die Gefahr liegt wohl doch nicht so 
nahe, bemerkte auf dem Bahnhofe in Reichenbach 
ein Herr Braun, indem er versuchte, den Fürsten 
Bimardd zu einer Aeußerung über die bulgari⸗ 
sche Frage zu bestimmen. „J, bewahre, versicherte 
aach dem „Reichenbacher Wochenblatt“ der Kanzler, 
esen Sie Goethe's Faust“!“ (Wenn hinten weit in 
der Türkei die Völker aufeinander schlagen u. s. w.) 
f Zolleuriosum. Eine Hamburger Dame, 
velche mit mehreren Damen eine kleine Fußpartie 
nach Bahrenfeld machte, nahm zu diesem Zweck aus 
Altona für 830 Pfg. Kaffeekuchen mit und mußte 
zafür nach der „L. C.“ an der Zollgrenze — 20 
Pfg. Zoll bezahlen. 
Die Abrechnung der in Hamburg ansäß⸗ 
gen Zentral⸗Kranken und Sterbekasse der Tischler 
ind anderer gewerblicher Arbeiter für das 1. Viertel 
1886 weist, dem „Hannovb. Kur.“ zufolge, bei einer 
desammteinnahme von 369,852 Marl, eine Aus— 
zabe von 434, 106 Mark nach, mithin einen Fehl⸗ 
hetrag von 64,254 Mark auf. 
FeUm die Mittagsstunde des 27. August ging 
in Berlin das Gerücht um, der Fürst von Bul⸗ 
zarien träfe mit dem 1 Uhr⸗Zuge dort ein und der 
Zaiser nebst dem Kronprinzen würden ihn vom 
Bahnhof nach dem Schloß geleiten. Der Platz vor 
deni Bahnhof war deshalb bald nach 12 Uhr dicht 
zesetzt und das Zuströmen der Menge erreichte seinen 
Hoͤhepunkt, als kurz vor 1 Uhr konigliche Kutschen 
vorfuhren, denen die Equipagen des Kaisers und 
des Kronprinzen folgten. Die Hochrufe stei 
sich zu lautestem eee u ten 
nuten nach der Einfahrt des Zuges der a Ni 
der Seite eines stattlichen Herrn in e an 
orm wieder sichibar wurde und mit dies un 
ammen den offenen Wagen bestieg. Das 8 ir 
jieß es. „Also so sieht er aus de Eine er 
Heftalt, ein prächtiger Mann. Na, der Hiulete 
wieder auf dem Thron fitzen!“ „Wer de bah 
fragte einer, der von gar nichts wußte. on 
Sie denn den Alexander von Buigarien — 
Stand hier bei den Gardes du Korps hn 
„Aber, das ist doch gar nicht möglich ?“ 
der Skeptiker ein. „Na, denn nich, lieber 8 
bekam der Zweifler zu hören. Dem Kaiser und n 
Begleiter waren Hurrahs mit einer Kraft und Ir 
entgegengerufen, wie sie nur bei außerordentn 
Gelegenheiten gehött werden; um so mehr im n 
nierte die Huldigung dem Gaste des Kaiserz 
König von Portuggg. 
fGie Politik und der Leierkasten 
In goldener Morgenstunde am 27. August 188. 
ist von einem alten freiwilligen pommerschen de 
nadier“, der — wenn'e sein soll, „gern noch sem 
alten Knochen an den russischen Bären wagt“, 
deuisches Leierkastenlied (nach der Melodie zu sinhe 
Gotti grüß dich, Bruder Straubinger) gedihl 
worden, von dem der Autor wunscht, daß es un 
Sedantage 1886 auf allen deutschen Gassen g 
sungen und von den Dächern geblasen werde. Doa 
im derben Volkston gehaltene „Leierkasten-Lied 
geht mit der russischen Unberschämtheit und Tig 
arg ins Gericht, huldigt dem heldenhaften Batten 
berger zollt, dem Bulgarenvorke wohlbverdiente An 
erkennung und schließt mit einer urkräftigen Apo 
strophe an den russischen Bären. Hier eine Prot 
der allerjüngsten Blüthe der deutschen Volkspoef 
Du aber, zottiger Gesell, 
Hast nun genun verbrochen; 
Sonst fähri Europa dir an's Fell 
Und an die Bärenknochen! 
Du bist ja schlimmer als der Turk' 
Dein schamt fich der Franzose! 
Troß Boulanger wohnt Ritterfinn 
Noch bei der „rothen Hose“! 
Wohl grausig ist der Mafsenmord 
Ehrgeizger Raublust wegen! 
Doch nur getrost! Gott unser Hort 
Bleibt Schid und Schwert und Segen, 
Wo man nicht faulen Frieden liebt 
Mehr, als des Volkes Ehre! 
Aus, deutsches Volk, wie's Gott beliebt! 
Auf, ruste deine Wehre! 
4 In einem west preüßischen Orte kämp 
ten zwei Parteien heftig um die Schulzenwürd 
Die Partei, die bisher im Schatten gestanden 
errang den Sieg und damit das Dorfscepter. di 
Verwaltungsbücher wurden einer eingehenden Pri 
fung unterzogen, und es ergab fich, daß die au 
dem Felde geschlagene Partei in mancher Beziehun 
im Trüben gefischt habe. In einer alsbald anbe 
raumten Versammlung ergriff das neue Oberhaub 
das Wort und hieli nachfolgende inhaltsschwe 
Ansprache: „Nawerslüd, met us, (seiner Parte 
is ma bedrügerisch umsprunge. Na de Boͤder he 
wi soshunnen Mark so vel betahlt; nach dise 
Bock sint veerhunnert. Sin se in en Stunn ni 
lahlt, blank hie upp de Disch, foͤhr'k hüt noch hur 
Landrat na *.Ein dröhnender Handsclag ar 
das detreffende Buch mochte die Rede wohl besonden 
rindringlich machen; denn alsbald losten sich o 
Personen, der frühere Szepterträger und det Ren 
dani von ihrem Sitze und wurden unter schallen 
dem Gelächier unsichtbar. Nach kaum einer Slund 
erschienen fie indeß wieder und legten einen gefüllei 
Beutel. mit den Worten auf den Tisch: „Hie is da 
Geld.“ — ‚Goot“, meinte der Schulze, „u n 
diesem Booker legte ein anderes vor) noch wur 
hundert in dieselbe Tid.“ Auch diese wurde 
herangeschafft. Nachdem das Geld unter die Be 
saͤtzer vertheilt war. hielt das wurdige —RX 
agende Schlußrede ·, Nu find wi wedder ehrl 
Rawerslüd. Enn goot, Alles goot! De Versamn 
lung is ut!“ 
(Wie Legenden entsteheu 
Mehrfach wurde in diesen Tagen an die Wor 
rinnert, die Fuͤrfi Bismarck vor fieben Jahren 
dem Prinzen von Vatlenberg gesprochen haben sol 
Nehmen Sie die Wahl zum Fürsten von Vib 
garien immerhin an; es wird sedenfalls eine an 
genehme Erinnerung für Sie sein.“ Der Khen 
Kur * macht darauf aufmerksam, daß dieselbe 6 
schichte, allerdings nicht in Beziehung auf den Prinße 
eeeee saon vor eiwa wanzig dJaben