St. Jugherter Atzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
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X I78. Dienstag, 14. September 1886.
21. Jahrg.
Deutiches Reichh.
Muünchen, 12. Sept. Der Prinz-Regent
at nunmehr mittelst allerhöchsten Erlasses neben
migen geriageren Aenderungen in Betreff der Ad⸗
usticung unseres bayerischen Heeres die Ersetzung
s Raupenhelms durch den Gendarmeriehelm, die
hickelhaube, angeordnet.
Berlin, 12. Sept. Der Zuüricher „Sozial⸗
emotrat“, das Organ der deutschen Sozialdemo⸗
dalen, macht von einem Erlasse des preußischen
NRinisters des Innern Meldung, in welchem an⸗
eblich die Behörden angewiesen werden, ein scharfes
luge auf die Versuche der Durchsetzung der Armee
nit sozialdemokratischen Grundsätzen zu haben. Es
oll bekannt geworden sein, daß die Führer der
ʒozialdemokraten ihren Genossen, welche zum Mi⸗
jär ausgehoben werden, streng anbefohlen haben,
ch während ihrer Dienstzeit wacker zu halten, da⸗
nit sie Unteroffiziere werden. Auf diese Weise
vill sich die Sozialdemokratie des Unteroffizierkorps
emächtigen, um im Falle einer ausbrechenden
debolution das Militär auf ihrer Seite zu haben.
jerner heiße es in dem Erlaßk, es sollten genaue
zachrichten über die Verhältnisse derartiger Per—
onen gesammelt werden, damit „sie streng über⸗
pacht und vom Avancement ausgeschlossen werden
onnen.“ Wir wissen nicht, ob ein solcher Erlaß
xistier.. Da aber die Voraussetzung richtig ist,
daß nämlich das sozialistische Gift in die Armee
inzuschleppen versucht wird, eine Voraussetzung,
ie zu bestreiten der „Sozialdemokrat“ fich wohl⸗
veislich hütet, so würden wir es vollkommen ge⸗
echtfertigt finden, wenn der Minister solchen Be⸗
irebungen entgegentritt. Jeder Verständige wird
vünschen, daß das Heer von solchen politischen und
zefährlichen Agitationen frei bleibt.
Berlin, 12. Sept. Die nächste Bundes⸗
nathssitzung ist auf morgen Mittwoch anberaumt.
Wie amtlich bekannt gegeben wird, erfolgt die
Fröffnung der Reichstagssession kommenden Don⸗
nerstag Nachmittag 2 Uhr.
Berlin, 13. Sept. Im August sind für
,137, 860 Mark Reichsgoldmünzen ausgeprägt
vorden. Im Ganzen stellt sich der Betrag der
zusgeprägten Reichsgoldmünzen auf 1,952, 176,065
NRark.
Berlin, 18. Sept. Der preußische Gesandte
eeim Vatican, Herr v. Schlözer, ist nach
Nunchen abgereist, von dort begibt er sich nach Rom.
Berlin, 13. Sepibr. Der allgemeine deutsche
Longreß zur Förderung überseeischer Interessen
vurde heute durch Peters eröffnet. Jannasch be—
eichnet cls den Zweck des Congresses die Bildung
iner starken colonialpolitischen Partei, welche ge-
villt ist, die colonialen Bestrebungen bei der Reichs⸗
egierung zu unterstützen. Den Vorsitz führen
jseben den Genannten Graf Behr-Bandelin, Bice⸗
dmiral Livonius, Knoll⸗Prag, Wolff.Siebenbürgen,
on Koseritz. Porte Alegre. Vier Sectionen wurden
ebildet für praktische Colonisation, für deutsche
luswanderung, für deutsche Missionen und für
frhaluung der deutschen Sprache und Art in der
iremde.
In dem Besinden des Herrun Reichs⸗
anzlers ist eine wesentliche, wenngleich zunächst
ur leichte Besserung eingetreten. Fürst Bismarck
ermag für kurze Zeit sich vom Sopha zu erheben
ind einige Minuten auf⸗ und niederzugehen. Da
iie Genesung nur langsam vorschreitet, konnte über
een Zeitpunkt der Abreise der färstlichen Familie
ach Varzin noch keine Bestimmung getroffen werden.
Straßburg, 13. Septbr. Der Kaiser ift
mittelst Exirazug heute Vormittag 10 Ahr- zum
Forpsexerzieren nach Brumath abgereist.
Ausland.
Wien, 12. Sept. Das bulgarische Offizier⸗
orps sendete einen herzlichen Glückwunsch nach
zugenheim. um den Fürsten Alexander zu seiner
lücklichen Heimkehr zu begrüßen.
Nach Bukarefter Meldungen dauern in
zessarabien und der Krim unauffällige russische
Truppenverschiebungen an behufs einer raschen
donzentrierung eines Okkupationskorps für Bul⸗
jarien, wenn ein solches nöthig sein sollte. Rus⸗
ische Agenten kaufen in Rumänien Getreide an,
velches wohl damit zusammenhängt.
Petersburg, 12. Sept. Ueber die am 10.
». M. Abends 8 uUhr in Brest Litowsk erfolgte
Ankunft des Prinzen Wilhehm von Preußen
erichtet der „Regierungsanzeiger“ Folgendes: Auf
»em Bahnhof, auf welchem eine Ehrenwache von
em II. Reserve-Infanterie⸗Bataillon mit der Fahne
ind der Musik aufgestellt war, waren zum Empfange
es Prinzen anwesend: der Kaiser, der Großfürst⸗
Thronfolger, sowie die Großfürsten Georg, Wladi⸗
nir, Nicolaus der Aeltere und Michael Nicolaje-
vitsch nebst ihrem Gefolge. Der Kaiser und die
grokfürsten hatten preußische Uniform mit preuß⸗
schen Ordensbändern. der Prinz Wilhelm russische
iniform angelegt. Bei der Ankunft des Prinzen
atonirte die Musik der Ehrenwache die preußische
»ymne. Vom Bahnhofe aus fuhr der Kaiser mit
ein Prinzen Wilhelm nach der Festung, wo letz⸗
erer die Kaiserin begrüßte. Hierauf fand bei den
Majestäten zu Ehren des Prinzen ein Diner von
z0 Gedecken statt, an welchem auch das Gefolge
es Prinzen theilnahm. Bei der Tafel saß der
ßrinz rechts von der Kaiserin, links von derselben
er Kaiset. Auf Befehl des Kaisers sind dem
Irinzen während seiner Abwesenheit der General⸗
djviant Fürst Schachowskoj und der Flügeladju⸗
ant Fürsi Bielosselsky attachirt. Bald nach dem
diner wohnten die Majestäten, Prinz Wilhelm
ind die übrigen höchsten Herrschaften der nächtlichen
Irmirung einer Lunette dei, auf welcher ein mit
Flaggen und Laubwerk geschmückter Pavillon er⸗
chtei war, von dem aus die Herrschaften bei
lektrischer Beleuchtung die erfolgende Armirung
eobachieten. Letztere erfolgte in musterhafter Ord⸗
ung und Stille innerhalb 82 Minuten. Hierauf
— F
ann begann die Beleuchtung des vor der Lunette
iegenden LTerrains durch Raketen. Gegen 12 Uhr
—DD— übrigen
herrschaften nach der Festung zurück. Für den
zrinzen Wilhelm ist in einem Hause nahe. dem
ditolaithor Wohnung hergerichtet.
Peiersburg, 12. Septbr. Prinz Wilhelm
st gestern früh von Brest⸗Litewsk abgereist. Am
Zahnhof verabschiedete sich das Kaiserpaar, der
chronfolger, die Großfürsten Georg und Wladimar
jerzlichst vom Prinzen, welchen der Kaiser wieder⸗
solt umarmte.
Sofia, 11. Sept. Ueber 180 Mitglieder der
Sobranje schickten ein Telegramm an den Fürsten
Alexander folgenden Inhalts: Die nationalen De⸗
unerten, versammelt in Sofia, benutzen die Ge⸗
»genheit des Namenstages Deiner Hoheit zur Ver⸗
erung ihrer Ergebenheit. Indem wir zu Gott
im Gesundheit und langes Leben für Dich bitten,
hedauern wir tief Deine Abwesenheit vom geliebten
Baterlande. Wir wünschen sobald als möglich,
den heldenmüthigen Vertheidiger unserer nationalen
Freiheit und Unabhängigkeit wieder in unserer
Mitte zu sehen, er lebe zum Ruhm, zur Ehre und
Bröße Bulgariens.
Die Kaiserparade bei Straßburg.
Straßburg, 11. Sept. Wer möchte die
Tausende zählen, die heute vom frühesten Morgen
in hinauszogen zum Polygon, dem etwas über eine
Stunde vor der Stadt entfernten Paradefelde!
Auf den verschiedensten Wegen wälzten sich die
Menschenwogen heran, um alle an einem Ziele zu
nünden. Die direkte Straße zur Tribüne nahm
ine ununterbrochene Kette von Wagen ein, und
iur mit mancherlei Stockungen vermochte die
Dampfbahn ihre Extrazüge alle zehn Minuten nach
vem Polygon zu führen. Dabei strebten fortwäh⸗
zend größere Truppenabtheilungen dem Paradeplatze
‚u; kurz, man hatte ein Bild, als wenn die
ganze Bevölkerung Straßburg's sammt der Gar—⸗
nison in der Auswanderung begriffen sei.
Und was fuür Fahrzeuge drängten sich da durch⸗
inander! Man hätte eine Wagenausstellung dar⸗
zus machen können, in welcher von der Urväter
jeräumigen Reisekasten bis zur glänzenden Equipage
der Neuzeit gewiß kein Exemplar fehlte.
Auch die Landbevölkerung war in Schaaren
herbeigeeilt, und unser westliches Nachbarreich hatte
recht viele Neugierige gesandt, die sich aber so
venig wie möglich bemerkbar zu machen suchten.
die 4400 Sitzplätze der Zuschauer⸗Tribüne waren
ämmtlich vergriffen. Indeß bildeten die hier Be⸗
indlichen nur einen kleinen Bruchtheil der Menge,
velche das Paradefeld wie eine Mauer umgab.
Ddie Kriegervereine, welche sich mit ihren Fahnen
ieben der Tribüne aufgepflanzt hatten, zählten
allein einige Tausend Mann.
Kaum befanden sich die gesammten Truppen
'n der Parade⸗Aufstellung, als auch schon, punkt
1 Uhr, der Kaiser in großer Generalsuniform
nit einer glänzenden Suite herannahte, der Kaiser
n vierspännigem Wagen, die Suite zu Pferde.
Die Kaiserin fuhr in sechsspännigem Wagen mit
wei Vorreitern, .ihr zur Seite war die Großher⸗
ogin von Baden. Zwar fehlten im Gefolge dies—
nal die zahlreichen fremdherrlichen Offiziere, die
onst mit der Mannigfaltigkeit ihrer bunten Uni⸗
ormen der kaiserlichen Suite ein farbenreiches Ge⸗
zxäge gaben, aber das Gefolge war darum nicht
veniger glänzend, befand sich doch eine größere
Anzahl deutscher Fürsten und Prinzen dabei, und
»ie Militärbevollmächtigten von England, Italien,
Desterreich, Portugal, Schweden, Rußland und
Spanien ließen die fremdartigen Uniformen doch
nicht ganz vermissen.
Langsam fuhr der Kaiser die Front der Trup⸗
jen ab, bei dem ersten Treffen vom rechten Flügel
um Linken, bei dem zweiten Treffen von der ent⸗
jegengesetzten Seife. Wo der Kaiser erschien, bliesen
ie Truppen den Armeemarsch, die Brigaden präsen⸗
irten, und nachdem der Kaiser dem betreffenden
Flügelbataillon seinen Gruß zugerufen, intonirten
die Kapellen das „Heil Dir im Siegerkranz“. Das
viederholte sich etwa eine Stunde, denn so lange
dauerte es, bis der Kaiser die beiden Treffen passirt
jatte. Die Truppenmasse, welche in der Parade
tand, war nämlich fast doppelt so stark, als sonst
zei den Kaiserparaden; man hatte diesmal ein