Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Bei dem am Mittwoch 6. Okt. stattsindenden 
Jahresfest der Diakonissenanstalt 
Speyer kommen folgende 6 Schwestern zur 
Einsegnung: 1. Anna Nuß; 2. Katharina Rein⸗ 
hard; 3. Margaretha Herrmann; 4. Maria Rapp; 
5. Therese Mercier; 6. Salome Langenwalter. 
detztere ist aus Weisenheim a. S. und deren Tante 
ist schon in den 50er Jahren als Diakonissin in 
taiserswerth bei Dr. Fliedner eingetreten, leider 
aber frühzeitig durch den Tod weggerafft worden. 
— Neu eingetreten in Speyer sind Lina Ober⸗ 
mann aus Sulzbach- und Lottchen Nebinger aus 
Annweiler. Letztere ist die erste Pfarrerstochter. 
Die Festpredigt beim diesjährigen Diakonissenfest 
hält Herr Pfarrer Drescher aus lsenz. —“— 
— Wie man hört, soll der vom Schwurgericht 
freigesprochene frühere Polizei-Commissär Georg 
Bschwind von Ludwigshafen die Stelle eines 
Direktors in der Spiegelfabrik des Herrn Cem⸗ 
merzienraths Clemm in Ludwiqshafen erhalten 
haben. 
— Ludwigshafen, 29. Sept. (G. A.) 
Wie vorsichtig man bei der Behandlung von 
Wunden sein muß, beweist wieder nachstehender 
Fall. Spenglermeister Schreiber vom Hems— 
hofe verletzte sich kürzlich an der Hand durch ein 
Stück rostiges Blech ziemlich unbedeutend und 
schenkte deshalb anfänglich der Wunde keine beson⸗ 
dere Aufmerksamkeit. Nach mehreren Tagen schwoll 
indeß der Arm bedenklich an, so daß ärztliche 
hilfe in Anspruch genommen werden mußte, die 
cider zu spät angewandt wurde. Schreiber ist 
gestern an den Folgen einr Blutvergiftung 
im besten Mannesalter gestorben. 
— Aus der Pfalz, 28. Sept. Für das 
Jahr 1886 wurden zur Unterhaltung der Distrikts⸗ 
straßen in der Pfalz als Kreisbeitrag 72,000 Mtk. 
bertheilt. Der Gesammtaufwand für Unterhaltung 
der Distriktsstraßen beträgt 849,360 Mark. Die 
Länge der Distriktsstraßen pro 1886 beträgt 2100 
Kilom. 842 Meter. 
Pfälzisches Schwurgericht. 
III. Quartal. 
Zweibrücken, 28. Septbr., Vormittags. 
Verhandlung gegen 1) Joseph Oehl, lediger 
Tüncher zu Mundenheim, 2) Conrad Fran z, 44 
J. alt, Eisengießer in Mundenheim, Beide wegen 
Verbrechens des Meineides, 3) Johanncs Deu⸗ 
schel, 30 J. alt, Tagner in Mundenheim, wegen 
Verbrechens der Anstiftung der beiden Vorgenannten 
um Meineide. 
Die Anklage legt den unter 1 und 2 genannten 
Angeklagten zur Last, in der Sitzung des Schöffen— 
gerichts Ludwigshafen vom 7. Mai 1886 den vor 
ihrer Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch 
falsches Zeugniß verletzt und dem unter Nr. 3 be⸗ 
nannten Angeklagten, die Ersteren hierzu angestiftet 
zu haben. 
Das Ergebniß der Beweisaufnahme ist folgen— 
des: Anläßlich der Bürgermeisterwahl kam es am 
Abend des 21. Februar 1886 zu Mundenheim in 
der Wirthschaft von Adam Böhmer zwischen der 
sog. rothen und grünen Partei, letztere Anhänger 
des bisherigen, erstere Anhünger des jetzigen Bür⸗ 
germeisters, nach vorausgegangenem Wortwechsel zu 
Thätlichkeiten, im Verlaufe derer zuerst der Ange« 
klagte Franz hinausgeworfen und geschlagen wurde 
und nach einiger Zeit den heutigen Zeugen Bauer 
dasselbe Schicksal erreiche. Franz stellte Strafan⸗ 
trag gegen den Angeklagten Deuschel wegen Körper⸗ 
berletzung und er sowohl wie auch sein Neffe, An⸗ 
geklagter Oehl, gaben der untersuchenden Gendar⸗ 
merie an, nachdem Franz hinausgeworfen worden, 
jabe ihm der Deutschel mit einer Art Todischläger 
auf den Kopf geschlagen. Ein Anderer als Deu⸗ 
schel sei niiogt an Franz gewesen. Die Familie des 
Johann Deuschel, insbesondere ein Bruder desselben, 
zab sich nun alle Mühe, die drohenden Folgen der 
Strafanzeige zu hintertreiben. Franz erhielt eine 
Entschädigung von 60 M., außerdem sollten ihm 
noch die Kurkosten bezahlt werden und veranlaßte 
man ihn, ein Schriftstück zu unterschreiben, in dem 
er den gestellten Strafantrag zurückzog. Als jedoch 
durch die kgl. Amtsgerichtsschreiberei Ludwigshafen 
der Bescheid zurückkam, zur Zurücknahme des Straf⸗ 
antrages sei es zu spät, ging nach den eigenen 
Erzählungen des Franz gegenüber verschiedenen 
Zeugen der Angeklagte Johann Deuschel kurze Zeit 
zor der Hauptverhandlung personlich zu ihm und 
hat ihn und den Oehl, ihre Aussagen doch so ab⸗ 
zugeben, daß er — Deuschel — nicht in's Ge—⸗ 
fängniß komme; sie sollten sagen, es seien mehrere 
an Franz gewesen und hätten ihn geschlagen, ob 
Deutschel dabei gewesen, könnten sie nicht genau 
angeben. Damit im Zusammenhange steht die 
mehreren Zeugen gemachte Aeußerung des Franz, 
er sei jetzt entschüdigt und habe kein Interesse den 
Deuschel ins Gefängniß zu bringen; vor dem Ge— 
ichte könne er auch anders sagen, wie er zu dem 
ßendarmen gesagt habe. In der Hauptverhand ⸗ 
ung am 7,. Mai vor dem Ludwigshafener Schöffen⸗ 
gerichte erklärten auch die Beiden nach geleistetem 
fide, Franz sei nach seinem Hinauswerfen aus der 
Wirthschaft von mehreren geschlagen worden, ob 
Deuschel dabei gewesen, wüßten sie nicht. Allein 
gie bestimmten Aussagen der übrigen Zeugen führ⸗ 
en trotzdem zu einer Verurtheilung des Deuschel 
zu 3 Monaten Gefängniß wegen qualifizirter Kör⸗ 
derverletzung und wurde dies Urtheil auch in der 
Berufungsinstanz bestätigt. Bei der wegen Mein— 
ides geführten Untersuchung gestand Oehl sofort 
ind öfters zu, durch seinen Onkel Franz dazu be⸗ 
wogen, die Unwahrheit wissentlich gesagt zu haben; 
heute leugnete er, wie auch der Angeklagte Franz 
dies vollständig ab. Auch der Angeklagte Deuschel 
hestreitet auf das Entschiedenste, den Franz oder 
Dehl zu einer falschen Aussage angestiftet zu haben. 
Die Geschworenen bejahten bezüglich des Franz 
ind Oehl die auf Meineid und bezüglich des 
Deuschel auf Anstifftung hiezu gerichteten Fragen, 
vorauf der Schwurgerichtshof gegen Oehl eine 
hefängnißstrafe von 1 Jahr, gegen Franz und 
Deuschel eine Zuchthausstrafe von je 18 Monaten 
wissprach; beide Letztere außerdem zum Verluste 
der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 
dahren verurtheilte und auf die Unfähigkeit sämmt⸗ 
icher Verurtheilten, je wieder als Zeuge oder 
Zachverständiger eidlich vernommen zu werden. er⸗ 
annte. 
Zweibrücken, 29. Sept. In heutiger 
Schluß⸗Sitzung wurde Karoline Dern, 24 Jahre 
ilt, Dienstmagd von Schellweiler, wegen Kinds⸗ 
nords zu 3 Jahren Gefaängniß verurtheilt. 
Vermischtes. 
FKleinblittersdorf, 27. Sept. Der 
Ztand der Weinberge an der oberen Saar ist ein 
erhältnißmähig günstiger, obwohl die Menge sich 
iuf *. Herbst verringern wird. Vroben auf die 
beschaffenheit ergaben 105 Gr. nach Oechsle. 
F Düsseldorf, 28. Seßt. In einem 
siesigen Walzwerke ereignete sich Freitag ein ent— 
etzlicher Unglücksfall. Ein aus der Walze kom— 
nender glüheader Draht umwickelte einen Arbeiter 
uind schnitt so tief in das Fleisch, daß der Un— 
zlückliche gleich nachher an Verblutung starb. 
rMainz, 29. Sept. Der Name des vor—⸗ 
zestern vom Gerüst gefallenen Dachdeckerge— 
eslen ist noch nicht ermittelt. Durch einen mit 
hm von Frankfurt nach Mainz gewanderten Hand⸗ 
werksburschen ist ermittelt. daß er mit dem Vor⸗ 
namen Peter heißt, 41 Jahre alt ist und aus 
döln stammt. Auf dem Arm desselben sind die 
Buchstaben P. L. und ein Dachdeckerbammer ein⸗ 
zebrannt. 
f Das XVI. Mittelrheinische Turnfest, 
velches vor einigen Wochen in Worms abge—⸗ 
jalten wurde, schloß mit einer Mehreinnahme von 
und 5800 M. ab, welche dem Turnverein Worms 
iberwiesen wurde. 
FDarmstadt, 27. Sept. Gestern rückte 
zuch das Dragoner⸗Regiment Nr. 24, welches an 
»en Kaisermanövern in Elsaß theil genommen hatte, 
wieder hier ein. Fürst Alexander, welcher 
„ekanntlich à la suite des Regiments steht, war 
hem Regiment entgegengeritten und ritt beim Ein⸗ 
uge in der Regimentsuniform (mit den General⸗ 
ichselstücken) neben dem Obersten. 
F In Hünfeld wüthete in der Nacht zum 
28. Septbr. eine furchtbare Feuersbrunst. 
leber 27 Wohngebäude. die Synagoge, Scheunen 
uind andere Gebäulichkeiten sind eingeäschert worden. 
Zur Bewältigung des Brandes mußten übermensch- 
iche Anstrengungen gemacht werden. Die frei⸗ 
villige Feuerwehr von Fulda kam mittelst Extrazug 
anuf der Brandstätte an. Die Aufräumungsarbeiten 
zehen langsam vor sich, da noch einige Gebäude 
n hellen Flammen stehen. 
FFrankfurt a. M., 29. Sept. Gestern 
Abend um 8 Uhr wurde zwischen den Schienen 
»er Main⸗Neckar-Eisenbahn kurz vor der Brück⸗ 
in etwa 30jähriges, gut gekleidetes Mädchen 
— — — 
von hier aufgefunden, dem der linke Fuß big 
die Knie vollständig zermalmt war. Das Macc 
hatte dort den Tod gesucht. Der Raumer an 
Maschine hatte es, aber so zur Seite —— 
daß nur der linke Fuß des Mädchens unter J 
Räder des Zuges gekommen war. Die üngn 
liche wurde in das Hospital verbracht. 
7 Der „Kl. Pr.“ wird über folgenden Vorfah 
Mittheilung gemacht, über den seltjamerweise diehe 
nichts in die Oeffentlichkeit gelangt zu sein schein 
Am Montag. den 20. September, früh 6 uͤh 
25 Min. reiste ich mt meinem Schwagetmi * 
Versonenzuge von Stuttaart nach uln 
Zwischen Eßlingen und Flachingen liegt eine kleint 
Ztation Altbach, an welcher unser. Zug nit 
anzuhalterr hatte. Da, kurz vor dieser Statio 
ertönten auf einmal von der Lokomotide her Noth 
ignale. Alles lief nach den Ausgangsthüren, dodh 
zu spät. Auf einmal ein fürchterlicher Krach um 
ein heftiger Stoß, der jedoch keine nachtheiligen 
Folgen hatte, denn alle Passagiere kamen mit den 
Schrecken davon, was wir jedoch nur dem ener 
gischen Eingreifen des Lokomotivführers zu ver 
»anken hatten. Und was war die Ursache de 
Zusammenstoßes? Schwere mit Kieselsteinen beladent 
Wagen versperrten beide Fahrgeleise. Eine Maschin 
zum Ausfahren befand sich nicht bei denselben. 
Fünf dieser Wagen wurden total zertrümmert, di 
Lokomotive des Personenzuges stark beschädigt Nu 
ist die Frage; Wie ist es möglich, daß man da 
Fahrgeleise spertt und den Zug, ohne Anzeige ju 
machen, herankommen laßt? Der Herr Siauion— 
vorsteher scheint auch nicht am Platze gewesen zr 
sein, denn ich sah ihn erst nach der Katastroph 
mit einem Arbeikter, der ihn wahrscheinlich geholt 
daher?ommen 
Kronach, 18. Sept. Als Mörder de 
neunjährigen Knaben der Wittwe Hornung ist de 
18 Jahre alte Korbmacher Jos. Buckre u ß vor 
Thonberg ermittelt worden. Derselbe hat die Un 
hat begangen, um sich durch den Verkauf der ge 
raubten Kuh Geld für die Kirchweihe zu verschaffen. 
Kronach, 26. Sept. Hier ist ein grauen 
haftes Verbrechen begangen worden. Gestern Nach 
mittag zwischen 2 und Z3 Uhr versuchte außerhall 
Schleyreuth ein unbekannter Mann eine unter der 
AUufsicht des 9 Jahre alten Knaben der Wittwi 
dornung voun Schleyreuth auf der Wiese weidend 
duh wegzuführen und als der Knabe sich diesem 
Vorhaben widersetzte, schnitt der Unbekannte dem— 
elben den Hals durch Die Leiche wurde heut: 
srüh in der Nähe des Thatortes aufgefunden; der 
Zopf war mit dem Körper nur noch durch eir 
kleines Stückchen Haut verbunden. Der Morder 
welcher von der Gendarmerie eifrig verfolgt wird, 
suchte die mitgeführte Kuh in Gössersdorf zu ver— 
kaufen, und als ihm dies nicht gelang, soll er die⸗ 
selhe bei einem Bauern eingestellt haben. 
In der Nacht von Samstag auf Sonnta— 
um 11 Uhr wurde dem Wechselwärter auf der 
Statiou Thalbam (Ginte-Holzkirchen⸗Schliersee 
eine mit Sand gefüllte, steinerne Flasche, vaoe 
eine Dynamitpatrone gesteckt war, durch's Fekste 
in die untere Etage geworfen und die Patron 
durch eine Zündschnnr entzündet. Unter schrecklichen 
Getöse explodierte die Patrone. Fenster und Ofer 
find zertrümmert, die Decke zerrissen, das Mauer 
werk theilweise demoliert. Der Wechselwärter und 
die in der unteren Etage schliefen, kamen mit den 
Schrecken davon. Vom Thäter hat man keine Spur 
F München, 29. Sept. Don Carlos 
Infant von Spanien, ist mit Familie und Gefolge 
gestern Abend mit dem Orient-Expreßzug hier ein 
getroffen und im Hotel „Rbeinischer Hof“ ab— 
gestiegen. 
FLeipzig, 27. Sept. Aus Anlaß dei 
Ausweisung des sozialistischen Agitators Tischlerge⸗ 
ellen Schumann kam es gestern gegen Abend hiei 
wischen etwa 400 Sozialdemokraten, welche nebfi 
inderen Genossen unter Entfaltung einer rothen 
Fahne die Arbeitermarseillaise gesungen, und vier 
Polizeibeamten zum Handgemenge; die Beamten 
erhielten nicht unerhebliche Verletzungen und ge⸗ 
wannen erst dann die Oberhand, als zwei von 
ihnen die Revolver hervorzogen. Als noch weitert 
Polizimannschaft angelangt war, wurden zwölf der 
Hauptschuldigen, darunter der Agitator Schumann 
in Haft gebracht. 
Berlin, 29. Sept. Der bei dem Eisen⸗ 
ahnunglück am Freitag schwerderletzte Ulan Rohde 
st gestern Mittag im Elisabethhospital seinen Ver—