Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
von „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 14 60 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1) 75 4, einschließlich 
94 Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4., bei außerpfälzischen und folchen, 
.. auf welche die Exbedition Auskunft ertheilt, 13 8, Neklamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 191. Sonntag, 3. Oktober 1886. 21. Jahrg. 
24 12skale und pfalzische Nachrichten. 
Bestellungen J *Si. Ingbert, 2. Oktbr. Wir machen 
J auf den 3 wiederholt auf das heute Abend im Saale von 
0 berhauser stattfindende Conzert des Streich⸗ 
Zt. Ingberter Anzeiger Sexstetts der Dreißiger aus Saarlouis auf⸗ 
merksam. Freunde schöner und gediegener Musik 
mögen nicht versäumen, demselben anzuwohnen. 
* St. Ingbert, 2. Okt. Wie aus einer 
Anzeige dieser Rummer ersichtlich, gibt am Sonn⸗ 
lag und Moniag Abend von 8 Uhr ab der rühm⸗ 
lichst bekannte Physiker und Magiker Herr Stein⸗ 
metz im Horst'schen Saale je eine Vorstellung in 
der höheren Physik und Magie. Das Programm 
ist ein sehr reichhaltiges und großartiges. Ueber 
die Leistungen des Herrn Steinmetz lesen wir in 
den verschiedensten uns vorliegenden Zeitungen die 
günstigsten Urtheile; auch besitzt derselbe Atteste 
iber seine Leiflungen von hohen und höchsten Herr— 
schaften. Wir können darum nur Jedermann an⸗ 
rathen, die Gelegenheit sich einen genußreichen Abend 
zu verschaffen micht unbenützt vorübergehen zu lassen, 
uͤmsomehr als ja der Einteittspreis im Verhältniß 
zu dem Gebolenen so äußerst billig gesetzt ist. 
— — In Mußbach und Gimmeldingen 
findet die Weinlese am Montag den 4. Oktober 
tatt. Die Quantität wird sehr klein, die Qualität 
aber vorzüglich werden. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 1. Oktober. Dem „Berliner Tage⸗ 
jatt“ wird aus Sofia depeschirt: Die bulgarische 
kegierung sei jetzt auch geneigt, in die Freilassung 
a“am AÄttentat vom 21. August betheiligten Offi⸗ 
ete einzuwilligen. 
Berlin, 30. Sept. Nachdem Staatssekretär 
Botticher in Thorn angedeutet hat, daß Ruß⸗ 
and in seinen handelspolitischen Beziehungen zu 
denschland bald eine Besserung werde eintreten 
assen, mag, nach der „Frankf. Ztg.“, erwähns 
ein, daß während der jüngsten Berathung des 
panischen Handelsvertrages im Reichstage Gerüchte 
sullerien, wonach Aussicht auf das Zustande- 
ommen eines Handelsvertrages mit Rußland vor— 
sanden sein. 
Vermischtes. 
4 Mettlach, 29. Sept. Von einem sehr 
bedauerlichen Unglücksfalle wurde heute Vormittag 
ein belgischer Edelmann, der sich auf der 
Durchreise von Baden⸗Baden befand und die ganze 
Tour zu Wagen rnaachte, betroffen. Auf der Land⸗ 
traße zwischen Mettlach und Besseringen fiel der 
Jagdwagen mit dem Pferde in den Graben; der 
Zuischer wurde herausgeschleudert und fiel so un⸗ 
zlücklich, daß die Hälfie der Kopfhaut ihm abge—⸗ 
rissen wurde. Doch war damit das Unglück noch 
nicht zu Ende. Nachdem mit unsäglicher Mühe 
das prachtvolle Pferd aus dem Graben geschafft 
war, zeigie es sich, daß es nicht mehr im Stande 
war, sich auf den Beinen zu halten und, wie zu 
bermuthen ist, die Wirbelsäule gebrochen hatte. 
Dem Leiden des Thieres machte man mit einigen 
Axtschlägen auf den Kopf sehr schnell ein Ende. 
Pau dem Verlust des Pferdes erleidet der betroffene 
Herr einen Schaden von 5000 Mk. 
FKoln, 1. Oktober. Auch hier hat die 
vissenschaftliche Prüfung für den einjährig freiwil⸗ 
igen Militärdienst, welche am 27. vorigen Monats 
m Vereinshause der Lesegesellschaft ihren Anfang 
aahm, wieder ein klägliches Ergebniß gehabt. Von 
26 jungen Leuten, die sich angemeldet, stellten sich 
aur 20 zur Prüfung; von diesen wurden nach 
dem schriftlichen Examen nur 9 zum mündlichen 
zugelassen und von diesen erhielten 5 den Berich⸗ 
igungsschein. 
FIn Frankfurt sind nach dem „J. Bl.“ 
durchgegangen: Ehemänner: 47 in 1884 56 in 
1885, und in 1886 bereits 53; Ehefrauen: 14 
in 1884, 12 in 1885 und schon 16 in 1886. 
4 Ueber das Eisenbahn⸗ Unglück auf der Station 
icholzheim der Heidelberg-Würzburger Linie, 
welches eine Zugsverspätung verursachte, liegt fol⸗ 
Jender ofsfizielle Bericht vor: Der am 
28. September um 10 Uhr 24 Min. von Würz⸗ 
durg abgegangene Eilzug Nr. 54 ist daselbst auf 
den vorauefahrenden Güterzug Nr. 552 aufgefahren, 
unfolge dessen die Locomotive des Eilzuges und drei 
Wagen des Güterzuges mehr oder weniger beschä⸗ 
Ausland. 
Budapest, 1. Oktober. Alle Journale sind 
uuig darlüber, daß Tisza's Erklärungen das natio⸗ 
ale Programm der auswärtigen Politik bilden. 
Denn Tisza's Worte wahr gefühlt und gesprochen 
ind, lassen dieselben, nach Ansicht der Oppositions⸗ 
lattet den Krieg mit Rußland als unvermeidlich 
eischeinen. Der „Pester Lloyd“ sagt dagegen: 
Warum sollen wir bulgarischer sein denn die Bul⸗ 
uren ? (Fr. 3.) 
Die Kavalleriedislokation im öjst⸗ 
ichen Frankreich ist, woran heute mehrfach 
cinnert wird, keine neue, sondern bereits im Früh⸗ 
ahr beschlossene und jetzt nur zur Ausführung 
ommende Maßregel. Im Ganzen sind etwa 3 
kegimenter in die Front und zwei derselben in 
aie zweite Linie derselben von dem Rayon um 
zaris aus dislokirt worden. Da dentscherseits 
ieser Verschiebung im Frühjahr schon die nöthige 
Aufmerksamkeit gewidmet wurde, so ist kein Grund 
athanden, sich über diese Angelegenheit zubeunruhigen. 
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untsters sind ungefähr zwanzig Offiziere der Sa— 
agossaer Besatzung den anderen Truppentheilen 
ugewiesen worden. In Bilbao sind 5, in Coruna 
Vivilisten verhaftet worden. In Madrid sind 
ale verhafteten Offiziere bis auf 8 freigelassen 
vorden. Die Tochter des Generals Villacampa 
jat die Fü sprache des päpstlichen Nuntius ange— 
ufen und der letztere hat sich kelegraphisch um 
berhaltungsmaßregehn an den Papst gewandt, die 
fegierung bleibt bis jetzt unerschütterlich bei ihrem 
knischluß, den Entscheidungen des Kriegsgeri hts 
n seiner ganzen Strenge den freien Lauf zu lassen. 
Auf indirektem Wege geht dem „Berl. Tagbl.“ 
us Petersburg die Nachricht zu, daß am 
ergangenen Freitag auf einer Eisenbahnstation ein 
jsegen das Kaiserpaar geplantes Attentat, welches 
nurch eine Eisenbahnmine ausgeführt werden sollte, 
Atdecht wurde. 
digt, sowie ein Postbeamter und vier Reisende ver⸗ 
leßt worden sind. Veranlaßt wurde der Zusam⸗ 
nenstoß dadurch, daß das Zugspersonal das auf 
„Halt“ stehende Stationsabschlußsignal nicht recht⸗ 
zeitig beachtet hat. Durch einen im Zug befind— 
üüchen Arzi ist den Verletzten alsbald die erforder— 
liche Hilfe zu Theil geworden und konnten dieselben 
mit dem nächsten Zuge ihre Reise fortsetzen. 
Aus Thäringen, 29. Sept. In der 
Nacht vom 27. bis 28. September wurden in 
Langenberg, Gera und anderen Orten bei starkem 
Züdweststurm und ungewöhnlich hoher Temperatur 
138 Grad Reaumur) Erderschütterungen bemerkt. 
Diese Erderschütterungen waren so stark, daß Fenster, 
Schränke, Tische zitterten. 
4 Die politischen Ereignisse von Bulgarien 
haben die öffentliche Aufmerksamkeit von dem Un— 
glücke, das eines der interessantesten Länder des 
Drients befiel, abgewendet. Grieche nland, wel⸗ 
hes seit seiner Befreiung sich wieder zu seiner alten 
Zivilisation emporzuschwingen beflissen ist, hat vor 
furzem in einigen seiner schönsten Provinzen sein 
Streben gelähmt und seine Bemühungen durch eine 
ürchterliche Naturkatastrophe vereitelt gesehen. In 
inigen Minuten hat das Erdbeben tausende von 
däusern, schön aufblühende Städte in Trümmer— 
haufen zusammengeworfen. Die Geschichte weiß 
von solch einer verheerenden Umwälzung in jenem 
klassischen Lande nichts zu berichten, es sei denn 
daß die Stadt Elike, deren Trümmer man, wie 
alte Schriftsteller berichten, im korinthischen Meer⸗ 
busen unter dem Wasser sah, durch einen ähnlichen 
Umsturz in vorhistorischen Zeiten verschwand. Es 
sind vorzüglich die schönen Provinzen von Messenien. 
Elis und Arkadien, die von diesem Unglück heim⸗ 
gesucht wurden. Die im Wohlstande prangende 
Stadt Pyrgos liegt in Ruinen, nichts bleibt mehr 
don dem schönen Philiatra, und von dem handel⸗ 
reichen Hafen Katakolon; eine große Anzahl don 
großen und kleinen Dörfern ist vollkommen zerstört. 
Selbst Olympta ist nicht verschont worden. 
Tempelsäulen fielen dort um und wurden zerbrochen, 
ztückticherweise aber nur von denjenigen, die den 
päteren, römischen Zeiten angehören. Es war 
kurz vor Mitternacht, als sich die Stöße fühlen 
ießen, die das Verderben brachten. Die Einwohner 
chliefen, und dieser Umstand hat dazu beigetragen, 
den Menschenverlust zu mehren. Todt sind über 
dreihundert, und an sechshundert beträgt die Zahl 
der Schwerverwundeten. Ganze Familien wurden 
unter den Trümmern begraben gefunden; in einem 
Haus fand man zwei Kinder in ihrem kleinen 
Zetie umarmt. Die Ueberlebenden hatten keine 
PWohnung mehr; sie waren um ihre ganze Habe 
zjekommen; diese Nacht und die darauffolgenden 
Tage irrten sie obdachlos und sogar hungernd 
jerum, denn auch alle Lebensmittel waren zerstört. 
Die nächsten Behörden und die griechische Regier⸗ 
ung bemühten sich nach Kräften behufs Linde rung 
der Leiden der Verunglückten, indem Mehl und 
Zwieback, Zelte, Bretier zum Bau provisorischer 
Zütten und Geld, so viel aufgebracht werden konnte, 
singeschafft wurde. Aber dies alles konnte nur 
eine provisorische und sehr geringe Hülfe sein, an 
der Größe der Verluste bemessen, die auf mehr als 
zwanzig Millionen Franken geschätzt werden; und 
das Land ist zu klein und noch nicht reich genug, 
uim den der äußersten Armuth Verfallenen hin⸗ 
reichende Entschädigung zu leisten. 
Fuür die Redamuon verantwortlich: F. X. Demenz.