Full text: St. Ingberter Anzeiger

x»i. Ingherter Amzeiger. 
—— 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. J 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 /A 60 B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen IM 753 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunst ertheilt, I5 4, Reklamen 830 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
8 192. Montag, 4. Oktober 1886. 
21. Jahrg. 
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juvat. Wie sich doch seit zwanzig Jahren die 
Zeiten geändert! 
Berlin, 2. Oktober. Bezüglich des Czaren⸗ 
attentats wird gemeldet, daß bei der Untersuchung 
des Bahndamms vor der Rückfahrt des Czaren 
don den Polenmanövern nahe Luga (130 Werst 
von Petersburg) thatsächlich eine Mine gefunden 
vurde. Jeder weitere Anhalt über die Verbrecher 
sehlt bisher, obgleich die Untersuchung hochgradig 
hetrieben wird. (R. B. L.) 
Auslanud. 
Pest, 2. Okt. Apponyi's „Tageblatt“ will 
wissen, das österreichisch-deutsche Bündniß sei bereits 
auf weitere sieben Jahre verlängert worden. 
Brüssel, 2. Oktober. Die Pariser „France“ 
zeröffentlicht einen Artikel, welcher den Besuch des 
dönigs Leopold beim deutschen Kaiser als einen 
Act der Unterwerfung Belgiens unter Deutschland 
hezeichnet. Dieser Artikel wird von der belgischen 
Presse in der schärfsten Form zurückgewiesen, wobei 
betont wird, daß Belgien mit den französischen Re—⸗ 
vanchepolitikern nichts gemein haben wolle. 
Paris, 1. Okt. Ein republikanisches Jour⸗ 
al aus Tarbes veröffentlicht ein an das spanische 
Volk gerichtetes Manifest des Herzogs von Sevilla, 
datirt Tarbes, 28. September, worin der Herzog 
über die schlechte Behandlung klagt, die er waͤhrend 
seiner Haft erlitten. Er erklärt, obwohl er ein 
Republikaner von innerster Ueberzeugung sei, so 
habe er doch der Monarchie Alphons XI. loyal 
aus Familienpflicht gedient; aber nach dem Tode 
des Koͤnigs fühle er sich der Pflicht enthoben. 
Er wolle zur Vroklamirung der Republik, als der 
einzigen Staatsform, welche die Sicherheit und 
Integrität Spaniens verbürge, beitragen. 
Madrid, 2. Oklt. Das Kriegsgericht verur⸗ 
heilte den General Campa, den Lieutenant Ser⸗ 
cano und 5 Unteroffiziere zum Tode. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 4. Okt. Das am Sams⸗ 
ag Abend im Oberhauser'schen Saale stattgehabte 
onzert (Streich ˖Sextett der ‚8SOer“ aus Saarlouis) 
var verhältnißmäßig nur schwach besucht. Die 
deistungen waren sehr gut und ernteten die Musiker 
reichen Beifall, besonders bei dem Solo für Violine 
y. David (dorgetragen von Herrn Heyme) und bei 
dem Solo für Clarinetto v. Paudert (vorgetragen 
yon Herrn Zimmer). Sehr gefallen haben ferner 
die Ouvertüre zu Op. „Martha“ v. Flotow und 
„Dichter und Bauer“ v. Suppe, sowie die „Er— 
nnerung an Wagners Tannhäuser“ von Hamm. 
St. Ingbert, 4. Oktober. Die gestern 
Abend im Saale des Herrn Horst stattgehable Vor⸗ 
tellung des Physikers und Magikers A. Steinmetz 
hot eine recht angenehme Unterhaltung und so viel 
Abwechslung, daß der Besuch nur empfohlen werden 
ann. Die erste Abtheilung bilden verschiedene neue 
Kunststücke und ältere, die man doch gern wieder⸗ 
fieht. Dann aber find es die Nebelbilder, welche 
sehr schön gewählt sind und für manchen alte Er— 
innerungen wecken. Bilder vom Rhein und aus 
der Schweiz, Italien und Oesterreich, doch auch 
einige humoristische Sachen fehlen nicht. Reizend 
aber sind die Chromatropen in ihrem schönen, das 
Auge blendenden, Farbenreichthum. Auch für die 
Zwischenpause ist gesorgt. Heute und morgen 
Ubend 8 Uhr findet noch eine Vorstellung statt. 
Dienstag nachmittag für Schulkinder, welche um 
o mehr zu empfehlen ist. 
Bestellungen 
auf den 
St. Ingberter Anzeiger 
an der Hand des bekannten Schreibens des Fürsten 
Bismarck vom 15. Dezember 1878 die Grundlagen 
für eine grundsätzliche Aenderung des bis dahin 
hbestehenden Zollsystems auszuarbeiten hatte. In 
seinen folgenden Stellungen wirkte Herr v. Bur⸗ 
hard an der Weiterförderung der wirthschaftlichen 
steformpolitik mit vollster Hingabe mit und hatte 
er speziell als Staatssekretär im Reichsschatzamte 
die schwierige Aufgabe, im Reichstage die neue 
Zoll⸗ und Handelspolitik zu vertheidigen. Die Art 
und Weise, wie Herr v. Burchard sich der Lösung 
dieser Aufgabe unterzog, hat ihm auch seitens der 
entschiedensten Gegner dieser Politik die gerechte 
Anerkennung erworben und daß man an leitender 
Stelle seine Verdienste vollauf zu würdigen weiß, 
davon legen die Herrn von Burchard mehrfach zu 
Theil gewordenen hohen Ordensauszeichnungen, 
seine Erhebung in den Adelsstand, seine Berufung 
in den Staatsrath u. s. w. hinlänglich Zeugniß ab. 
Andauernde Kränklichkeit nöthigte den hochverdienten 
Beamten, 'um seinen Abschied einzukommen, nach⸗ 
dem selbst ein mehrmonatlicher Urlaub leider nicht 
im Stande gewesen war, Herrn v Burchard zur 
Wiederübernahme seiner Ressortgeschäfte zu befähigen. 
Db derselbe in einer späteren Zeit im Stande sein 
wird, wieder in den Reichsdienst einzutreten, muß 
einstweilen dahingestellt bleiben; jedenfalls ist fein 
Besundheitszustand zur Zeit ein derartiger, daß bis 
auf Weiteres Herr v. Burchard sich die strengste 
Schonung auferlegen muß. Ueber seinen Nachfolger 
verlautet noch nichts Bestimmtes. 
für das 
IV. quartal 1886 
ehmen fortwährend an: die Postanstalten. die 
hollboten, die Austräger und 
Die Erpedition. 
Politische Uebersicht. 
der Prinz⸗ Regent Luitpold von 
gayern hat am Freitag seine Rundreijse 
urch Schwaben und Franken mit dem Besuche von 
Anbbach, der politischen Hauptstadt Mittelfrankens 
ind mehr wie dreihundertjährigen Residenz der 
starkgrafen von Ansbach- Bayreuth, beendigt und 
mnoch am Abend des genannten Tages nach 
dunchen zurückgekehrt. Von Anfang bis Ende der 
deise it dem Prinz Regenten überall die beigeistertste 
lufnahme zu Theil geworden und Augsburg wie 
dürnberg, Würzburg wie Ansbach haben in dem 
bestreben gewetteifert, dem greisen Fürsten den 
ztzlichsten und zugleich glänzendften Empfang zu 
reiten und somit hat auch die nun beendigte Reise 
em Prinz⸗ Regenten den Beweis geliefert, daß das 
zayernvolk in Liebe und Treue zu ihm steht und 
einer Regierung das vollfte Vertrauen entgegen⸗ 
gingt. 
Der Herbstaufenthalt in Baden⸗ 
Zaden bekommt unserem Kaiser in ausgezeich⸗ 
netster Weise und es lauten denn auch die privaten 
vie die offiziellen Nachrichten über das Befinden des 
greisen Monarchen andauernd günstig. Täglich 
internimmt er, begünstigt durch das wieder einge⸗ 
netene schöͤne Herbstwetter, Ausfehrten und Pro⸗ 
menaden, die Gelegenheit geben, sich von dem über⸗ 
caschend wohlen Aussehen des Kaiserlichen Herrn 
u überzeugen. Anderseits erledigt der Kaiser auch 
n gewohnter Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit 
ie laufenden Regierungsangelegenheiten und folgt 
r hierbei den Vorgängen auf dem Gebiete der in⸗ 
neren wie äußeren Politik mit gleich regem Inter⸗ 
se. Dies gilt namentlich von der Entwickelung 
ver Dinge auf der Balkanhalbinsel, speziell der bul⸗ 
zarischen Dinge und versichert man, daß der Kaiser 
dem Prinzen Alexander von Battenberg nach wie 
vor die größte persönliche Theilnahme entgegenbringt 
and daß das Opfer, welches der Prinz durch die 
diederlegung der bulgarischen Krone der Erhaltung 
xs europaischen Friedens gebracht hat, vom Kaiser 
voll gewürdigt werde. 
prinz Friedrich Leopold von Preußen 
at den Antritt seiner indischen Reise auf den 15. 
ober verschoben. 
Der Rücktritt des Siaatssekretärs im Reichs⸗ 
qatzamte, Herrn v. Burchard's, ist seit Wochen 
as bemerkenswertheste Ereigniß auf innerpolitischem 
Gebiete. Mit Herrn v. Burchard scheidet einer der 
aitesten und verdientesten Mitarbeitet an der im 
Keiche durchgeführten Wirthschaftsreform aus dem 
üiffentlichen Leben. Schon seit der Zeit, in welcher 
er als vortragender Rath an der Spitze der früheren 
Finanzabtheilüng des Reichskanzleramtes stand, war 
derr v. Burchard zur Mitarbeiterschaft an dem 
Werke der prattisch— wirthschaftlichen Reformen be— 
rufen, denn er gehörte der Kommission an, welche 
a 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 30. Sepet Dem „pfälz. Kur.“ 
chreibt man: Die jüngsten Ereignisse in den 
Reichslandshauptstädten Straßburg und Metz, und 
der festliche, ja herzliche Erapfang, welcher 
dem deutschen Kaiser und seinem Kronerben 
don allen Seiten zu theil wurde, gestatten wohl 
eine kurze Erinnerung an die großartige Feier, 
welche im Juli 1866 zu Nanch stattfand aus An⸗ 
laß des hundertjährigen Jubiläums der Vereinigung 
Lothringens mit Frankreich. Die Kaiserin Eugenie 
und der kaiserliche Prinz verherrlichten die Feier 
durch ihre Anwesenheit; ganz Lothringen und 
ein großer Theil vom Elsaß waren durch Corpo— 
rationen vertreten. Der geistreiche Mitarbeiter des 
Pariser Journals „Illustration“, Jules Claretie, 
iußerte sich in einer fulminanten Schilderung des 
Festzuges u. a. wie folgt: „Ich werde zur Erhol⸗ 
ing von den Eindrücken dieses höchst patriotischen 
Festes eine kleine Tour über den Rhein machen, 
im mir die lorbeerbekränzten Pickelhauben und die 
amosen Zündnadelgewehre etwas näher zu besehen, 
iber welche man sich hier in Lothringen nicht wenig 
ustig macht. Unsere Franctireurs von Elsaß und 
dothtingen werden sich ihnen mehr als gewachsen 
eigen. Jammerschade, daß dieser König von 
Preußen nicht einen kleinen Ausflug über den Rhein 
zerüber zum Besuch der Jubiläumsfeier gemacht 
Jat, natürlich nur als einfacher Festgast, als Tou⸗ 
rist, incognito. Er hätte sich dann aus eigener 
Anschauung überzeugen können, von der innigen 
Zusammengehörigkeit der „beiden Schwestern“ zu 
Frankreich, von deren traurigem, weil von Deutsch⸗ 
and losgetrenntem Zustand er vor zwei Jahren in 
zöln gesprochen haden soll. Als „Tourist oder 
Bast“ sage ich, denn in anderer Eigenschaft, dessen 
zin ich versichert, wird er niemals über den Rhein 
rach Elsaß oder Lothringen kommen. — Maeminisse