Full text: St. Ingberter Anzeiger

»t. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des könial. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag uad Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
„n und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 4 60 einschließlich Traäägerlohn; durch die Post bezogen 1M 73 , einschließlich 
4 Zustellungsgebu hr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen, 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 49, Reklamen 80 —. Bei Amaliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
193. Dienstag, 5. Oktober 1886. 
21. Jahrg. 
Die Nachrichten aus dem großen belgischen Jin die Welt setzen konnte, bemerkte der russische 
B estellungen dohlenrevier von Charlersi de wie die „Voss. Militäragent in Paris, General Frederichs, der bei 
auf den Zeitung“ schreibt, der belgischen Regierung große der heen gegenwärtig war, die französischen 
2260 2 zorgen. Man kann es nicht mehr leugnen, die Zeitungen berichteten regelmäßig nicht, was wirklich 
5zt. Ingberter Anzeiger rage ist dort ernst; die sozialistische Agitation hat dorgefallen, sondern das was sie wünschten, 
für das ine nicht erwartete Ausdehnung angenommen. Die as geschehen wäre. Man erinnert sich, daß auch 
V. t 1 188 6 Irganisation der Arbeiter, die Schaffung korperas Beneral Frederichs jüngst in der Lage war, eine 
J o ILL iver Gesellschaften und festorganisirter Arbeiterver hm von den französischen Blättern zugeschriebene 
ä 39 „dände ist aller Orten durchgeführt. Von Tausen⸗ leußerung dementieren zu müssen. Nach den 
Deanme ude Poflanstalten. die den besuchte Arbeiterbersammlungen, in denen der leußerungen dieser Offiziere ist während der Ma—⸗ 
Die Expedition könig auf das heftigste angegriffen, der Krieg gegen söver alles geschehen, um sie zu demonstrativem 
s die Reichen und die Direkloren gepredigt und das Uuftreten zu provozieren, namentlich wurden sie 
illgemeine Wahlrecht gefordert wird, finden allsonn- äüberall von der Bevölkerung mit dem Rufe vive 
äglich statt. Arbeiterkundgebungen, in denen nicht la Russie, vive Farmée russe begrüßt. Die Zeit, 
nir roihe Fahnen und Abzeichen der Republik wo man in Frantkreich vive la Pologne rief, ist 
inhergetragen werden, sondern auch roth gekleidete also vorbei. 
Weiber und Kinder marschieren, durchziehen Sonn⸗ 
ags die Arbeiterorte. Kein Lokal wird mehr von 
en Arbeitern betreten, dessen Wirth sich nicht bei 
em Arbeiterkomitee eine rothe Karte für 3 Franks 
jekauft und solche nicht am Fenstet seines Lokals 
iusstelli. Und dazu berichten die Behörden von 
irekter Auflehnung gegen das Gesetz. In Binche 
ollte vor einigen Tagen eine von 5000 Arbeitern, 
Nännern, Weibern und Kindern für das allgemeine 
Vahlrecht angekündigte Kundgebung stattfinden. 
Der Bürgermeister hatte dieselbe unter der Beding⸗ 
ing gestattet: „Keine rothen Fahnen!“ Die Ar⸗ 
zeiler aber erschienen mit ihren Weibern und Kin⸗ 
dern, 5000 Mann stark, alle roth geschmückt. und 
ntfalteten unter den Klängen der Marseillaise ihre 
cothen Fahnen. Der Bürgermeister und die Polizei 
rückten gegen die Menge vor. „Eher das Blut, 
ils die Fahnen!“ schrie sie. Es kam zum Hand⸗ 
jemenge, 32 beristene Gensdarmen gingen gegen 
ie tobenden Arbeiter vor, sie mußten der Ueber⸗ 
nacht weichen. Die Fahnen blieben entfaltet und 
8 ertönten die aufrührerischsten Reden. Dazu 
oridauernde Arbeitseinstellungen! Kaum ist auf 
»er einen Grube die Arbeit wieder aufgenommen, 
da bricht die Bewegung an anderer Stelle aus. 
Mit einem Worte — es herrscht im Bassin ein 
aufrührerischer Geist, der schlimme Ereignisse fürchten 
äaßt. Was diese Stimmung schürt, ist die Hart⸗ 
näckigkeit der Werksbesitzer, die keinerlei Zugeständ⸗ 
nisse machen, und die Sorglosigkeit des Minsteriums, 
as trotz aller Reden und Versprechungen Nichts 
hut, sondern die Dinge gehen läßt, wie sie gehen. 
Volitische Uebersicht. 
In Mannheim wurde seitens der national⸗ 
deralen Partei als Candidat für die bevorstehende 
eichstagswahl Herr Commerzienrath Dr. Diffens, 
rösidenten der Mannheimer Handelskammer, auf⸗ 
efellt. Auf diesb. Anfrage erklärte sich derselbe 
ereit, dem Rufe seiner Partheifreunde Folge zu 
ehen, wenn ein geschäftliches Bedenken sich be—⸗ 
itigen lasse. Die Demokraten haben an Stelle 
z aus dem Reichstage ausgeschiedenen Herrn 
opfer den Rechtsanwalt von Feder als Candidat 
x die Ersatzwahl in Aussicht genommen. 
Offiziös wird geschrieben: Nach den nun⸗ 
ur vorliegenden Meldungen betrug die Gesammt⸗ 
u der während der diesjährigen Herbstübustgen 
den 14 der preußischen Kontingentverwaltung 
gehörigen Armeekorps an Hitzschlag Erkrank— 
1196. — Ein großer Theil der Erkrankungen 
dörte der leichtesten Form des Hitzschlages an; 
m den Schwerkranken sind 9 gestorben. Außer⸗ 
m weisen die Monate Mai, Juni und Juli 76 
trankungen mit 5 Todesfällen auf. Hiernach 
mmt im Durchschnitt auf jedes Armeekorps ein 
odesfall. 
Einem Vertreter mehrerer amerikanischer Zeit⸗ 
ingen gegenüber hat sich Herr Gill, der Lordmajor 
'on Dublin, in folgender Weise über die im Winter 
rohende Krissi s in Irland ausgesprochen: „Ich 
laube, daß die weniger vermögenden Gutsherren 
m Winter ihre Pächter hart bedrängen werden, 
ie Pacht zu zahlen, obgleich sie dieselbe nicht gut 
ufbringen können. Ermuthigt durch das Bestehen 
iner torystischen Regierung und dem Ton der 
orystischen Presse, werden sie zu Exmissionen greifen 
ind, die Pächter werden in ihrer Verzweiflung zu 
vilden Racheplänen gereizt. Werden die vertriebenen 
Zächter aus nationalen Fonds unterstützt und kann 
s verhindert werden, daß die Ernte der Farmen 
ingeheimst wird, so wird eine große Zahl irischer 
Butsherren in sechs Monaten ruinirt sein. Die 
ndgiltige Lösung der Landfrage würde dadurch 
chon viel einfacher werden. Die gesammte irische 
kace wird zu den Fonds beisteuern und die Na— 
ional⸗Liga wird die Gelder verwalten. Ich fürchte, 
ie Gutsherrn werden die Regierung zu scharfen 
Naßnahmen gegen die Liga zwingen. Aber die 
Unterdrückung der Liga ist nicht so leicht. Ange⸗ 
iommen, der Vicekönig erklärte sie für ungesetzlich, 
o wäre damit ihre Ungesetzlichkeit noch lange nicht 
»ewiesen. Da es an der Macht fehlt, welche unter 
)er Forster'schen Akte bestand, die Führer der Liga 
ns Gefängniß zu werfen, würde ein Prozeß nutz⸗ 
os sein. Sobald die Liga nicht mehr existirt, 
verden sich geheime agrarische Gesellschaften bilden 
ind beklagenswerthe Dinge passiren. Die Liga übt 
inen friedfertigen Einfluß aus. Home Rule halte 
ch für ganz sicher bevorstehend, mag sich ihre Ein⸗ 
ührung auch immer drei bis vier Jahre hinaus⸗ 
chhieben und zwar ebenso umfassend wie sie Glad⸗ 
tone geplant hat.“ 
Von verschiedenen Seiten wird ein ganz 
werraschender Erfolg der neu eröffneten staatlich 
nerstützten Dampferlinie des Norddeutschen 
johyd nach Ostasien gemeldet. Ein bedeutendes 
teigen der Aktien der Gesellschaft wird von Sach⸗ 
emnern lediglich diesem Erfolge zugeschrieben. Die 
eichlichkeit der Rückfracht hat alle Erwartungen 
xttroffen, namentlich scheint auch der Verkehr 
vischen Newyork und China sich der neuen Linie 
zuwenden. Das Unternehmen des Norddeutschen 
ohd ist im besten Zuge, den ältern englischen 
d französischen Gesellschaften, welche bisher den 
asiatischen Verkeyr in der Hand hatten, den 
cang abzulaufen und verspricht die Nichtigkeit 
r kramerhaften Besorgnisse und düstern Prophe⸗ 
hungen, mit welchen das Dampferunterstützungs⸗ 
jetz im Reichslande bekämpft wurde, alsbald durch 
e unwiderlegliche Thatsache zu beweisen. 
Die portugiesische Regierung unterhandelt mit 
Deutschland über die Absteckung der Grenzen in 
„üdafrika zwischen Mossamedes und Ovampo. Den 
hauptpunkt der Unterhandlung bilden die Fluß⸗ 
jebiete des Cunene und Cubango, welche Portugal 
ils zu seinem Gebiete gehörig beansprucht. 
Deutsches Reich. 
Mürnchen, 4. Okt. Das heutige Gesetz⸗ und 
Berordnungsblatt veröffentlicht ei Handschreiben 
esß Reichsverwesers Prinzen Luitpold, 
n welchem derselbe für die zahllosen herzlichften 
zeweise treuer Liebe und Ergebenheit, die ihm nicht 
los in den Slädten, welche er besucht, sondern 
iuch in den vom Zuge flüchtig durcheilten benach— 
arten Gegenden und Orten entgegengebracht wor—⸗ 
zen seien, dankt. Der Reichsverweser spricht ferner 
ür den Willkommsgruß der Münchener Gemeinde⸗ 
Bertretung, der ein würdiger Schluß aller patri⸗ 
tischer Kundgebungen gewesen, seinen wärmsten 
ind lebhaftesten Dank aus. 
München, 4. Okt. Das Oktoberfest verlief, 
zis auf den Circusunfall, zu allgemeiner Zufrieden— 
Der hiesige Correspondent der Petersburger 
„Nowoje Wremja“ hat den zu den französischen 
Nanövern gesandten russischen General Felhde 
nann gefragt, ob er die ihm von der „Temps“ 
ugeschriebene Bemerkung über die französischen 
Truppen thatsächlich gemacht hätte. Nach dem 
„Temps“ sollte General Feldmann dem Obersten 
— 0 
ierens die Hand gereicht und dabei gesagt haben: 
Mit solchen Soldaten, wie die Ihrigen haben Sie 
einen Feind zu fürchten.“ General Feldmann 
rklärt nun in positivster Weise, daß von dieser 
nelodramatischen Szene kein Wort wahr sei! Als 
der Correspondent sich wunderte, wie ein Blatt 
on dem Charakter der „Temps“ eine solche Lüge 
Erzbischof Dinder hat am Donnerstag 
aen feierhbichen Einzug in Gnesen 
halten, wo er von einer großen Menschenmenge 
wartet und sympathisch begrüßt wurde. In der 
Georgskirche empfing die katholische Geistlichkeit 
en Erzbischof, welcher sich alsdann in feierlicher 
tocession nach der Kathedrale begab, wo ihn 
Leihbischof Cybichowski mit einer Unfprache be— 
rüßte. Nach Beendigung der kirchlichen Feier 
üpfing der Erzbischof im erzbischöflichen Palais 
Geistlichkeit und die zum Einzuge entsendeten 
urgirten.