ʒi. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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F IOos.
Politische Uebersicht.
1Es ist beschlossene Sache, daß auch dem
zachsen Reichstag gleich bei Beginn der Ver⸗
andlungen der Reichshaushalt vorgelegt wird;
fänglich lag es in der Absicht, auch die auf das
dezüglichen Entwürfe wegen ihres nahen Zu ˖
nmenhanges mit dem Etat gleichzeitig einzubringen,
iich dürfte dies sich kaum ermöglichen lassen und
vird die Vorlage jedenfalls zu einem späteren Zeit⸗
sunkt erscheinen. Der Etat des Auswärtigen Amtes
ürfte mehrere neue Aufstellungen enthalten, die⸗
Aben sollen sich indessen nur auf die Vermehrung
er Konsulate beziehen.
Mit der Leitung der Geschäfte des Reichs—
schatzanttes ist vorläufig der preußische Finanz.
minister Herr von Scholz betraut worden.
Von verschiedenen Seiten kommen Meldungen,
weiche deu Entschluß Rußlands bekunden, seine
bulgarische Politik nunmehr mit Gewalt
zur Durchführung zu bringen. So telegraphirt
an dem „Verl. Tagebl.“ aus Lemberg vom 9. d:
hach einem in Warschau eingetroffenen Circular
des Kriegsministers haben vier Infanterie⸗Divisionen,
welche in Sstow, Dünaberg und in anderen Orten
—VVVVDD sämmtliche beur—
ubten Soldaten sofort einzuziehen, um nach Verlauf
von 5 Tagen an die österreichischrumänische Grenze
ransportiert zu werden.
Die Wiener „Neue Freie Presse“ bringt fol—
jende Meldung: In Russisch Bessarabien herrscht
ine ganz ungewöhnliche Bewegung. Anzeichen
enster militärischer Vorkehrungen find wahrnehmbar.
dohe russische Militärs sprechen von einem Ein—⸗
jarsche in Bulgarien wie von einer possitiven
Thatsache. Wege und Brücken werden eingehend
Ffichtigt. Die Isprawniks (Landräthe) erhielten
jrenge Weisungen betreffs der zu leistenden Vor—
panns. Die zwischen Kischeneff und Bender statt.
ehabten Manöber wurden trelegraphisch sistiert, und
ie dort konzentrierten 30,000 Mann erdhielten
Irdre, zum Admarsche nach Ungheny und Odessa
zereit zu sein. Die Besatzung der Festung Chotin
st zur Besetzung der rumanischen Grenze längs des
bruth dirigirt. Demgegenüber ist festzustellen,
ah ernste politische Kreise eine russische Okkupation
Zulgariens nicht für wahrscheinlich halten.
Der Korrespondent der „Daily News“ berichtet
uus St. Petersburg. „Aus bester Quelle erfahre
ch, daß zwischen England und Oesterreich ein voll⸗
saͤndiges Einverständniß erzielt ist und beide Machte
ast identische Noten hier überreichen werden. Ruß⸗
aand täuscht sich. wenn es glaubt, daß Deutschland
geutral bleiben wird. Die russischen Chauvinisten
ind außer ordentlich thätig, bisher ist es aber Herrn
. Giers noch gelungen, sie zurückzuweisen. Er
sürchtet deshalb sehr viel von der persönlichen Ge—
ceiztheit des Czaren.“
Die bulgarische Regierung will von Rußland
ßarautien betreffs der Offiziere und anderer Fragen
und dafür den russischen Kandidaten für den Für⸗
tenthron acceptiren. Russische Blätter haben fol—
jsende Ammenmärchen ausgehecht: „Auf der einzu—
erufenden Sobranje soll die Vereinigung mit Ost⸗
Kumelien proklamirt und der neue Fuüͤrst zum König
Dienstag, 12. Oktober 1886.
27 Jahrg.
ausgerufen werden. Die Nowosti meldet: Die Wahl⸗
agitation der bulgarischen Regierung mache die
Wiederwahl Alexanders von Battenberg unzweifel⸗
haft. Die militärischen Behörden sollen die Sol⸗
zalen zwingen, den Battenberger preisende Lieder
zu singen; in den Kirchen werde für den Fürsten
Alexander gebetet“
»or 4 Jahren, er erwähnt die Sezessionisten, die
etzt in dem allein seligmachenden Schoße Eugen
Richters säßen, und rühmt die Mehrheitskombina-
sion im Abgeordneienhause, die leider im Reichstage
aicht in gleicher Weise vorhanden sei. Von der
Beendigung des Kulturkampfs erwartet Eynern
keinen kirchlichen Frieden; er erklärt sich gegen die
Bersuche der evangelischen Kirche, in die Staats⸗
echte einzugreifen, will ihr dagegen mit größeren
Heldbewilligungen entgegen kommen. Die auswär—
ige Politik der National-Liberalen sei die des
Fürsten Bismarck. Abgeordneter Kalle-⸗Wiesbaden
vill nur konstatieren, daß Einigkeit zwischen den
rationalliberalen Abgeordneten Suüd- und Nord—
eutschlands herrsche. Professor Grimm-Wiesbaden
pricht über die Erfolge und Hoffnungen der Na—
ional⸗Liberalen in Hessen-Nassau. Rechtsanwalt
Sieben⸗Landau betont, das einige Zusammengehen
»er National-Liberalen, soweit es die Verhältnisse
jestatten, mit den Konservativen gegenüber den
taatsfeindlichn Parteien. Dr. Osann rühmt die
Fortschritte des National-Liberalismus in Hessen-
Darmstadt und wünscht eine festere Organisation
der Gesammtparthei. Letzter Redner ist Dr. Jeru⸗
salem-Berlin, welcher ausführte, daß der National-
Liberalismus im Reichstage in die Defensive ge-
drängt sei, sich aber die großen Errungenschaften
der letzten Jahrzehnte nicht nehmen lasse. Mit
einem Hoch auf Kaiser Wilhelm schloß Direktor
Jäger die Versammlung um 224 Uhr.
Das Verhältniß Bulgariens zu Rußland hat
nach der „Köln. Ztg.“ ein Bulgare Herr v. Kaul⸗
ars gegenüber nach orientalischer Weise in einem
reffenden Gieichniß geschildert. Der Bulgare er⸗
ühlte; „Es war einmal ein Mann, der „einen
inderen, einen Fleischer, rettete, als dieser in Gefahr
var, mit der rechten Hand in das Räderwerk einer
Maschine zu kommen. Nach dem Rettungswerke
kam nun der Retter alle Tage zum Geretteten und
jolte sich einige Pfund Fleisch, die er niemals be⸗
ahlte, indem er sich immer auf den geleisteten
Dienst berief. Das ging ein ganzes Jahr, bis der
Fleischer endlich durch diese Steuer an seinen
ebensretter in feinen Vermögensverhältnissen zurück⸗
am. Da verweigerte er denn, weiter das Fleisch
hne Zahlung zu geben, und als der Retter ihm
nun heftig zurief: „Du bist ein Undankbarer, ich
habe dir doch die rechte Hand gerettet“, da nahm
der Fleischer die Axt, hackte sich die rechte Hand
ab und warf den blutigen Stummel seinem Quäler
ins Gesicht mit den Worten: „Jetzt wirst du mir
wenigstens nicht mehr vorwerfen können, daß du
nir die rechte Hand gerettet hast!“
Karawelow nimmi an der Regierung keinen
iktiven Antheil. In einem heute erlassenen Auf⸗
rufe an die Wähler heißt es: „Wählet ehrliche
Zeute, Bulgaren, nicht Russen. Vergeßt nicht, daß
elbst ein geringer Fehler genügt, um der Freiheit
ind Unabhängigkeit verlustig zu werden. Hütet
Fuch vor den Verräthern, die mit Rußland halten.
Behorchet nicht Karowelow, dem Haupturheber der
Verschuörung, er ist ebenso gefährlich wie Rankow.“
Ausland.
Wien, 9. Okt. Von authentischer Seite wird
nitgetheilt: Die Polizei beobachtete seit längerer
Zeit ungefähr 20 augenscheinlich der Arbeiterklasse
ingehörige Individuen, welche allsonntäglich in
einem gesonderten Raume eines kleinen Wirths⸗
zauses des Wiener Vororts Penzing sich versam⸗
melten, und ermittelte, daß diese Gruppe ein
Anarchisten⸗Konventikel darstellte, welches in jenem
Wirthshause die Zusammensetzung von Explosiv⸗
toffen zur Herstellung von Dynamit-Bomben ꝛc.
zetrieb, ura in der Nacht vom 3. auf den 4. Okt.
die Holzlager in den westlichen Vororten Rudolfs⸗
Jeim, Hietzing, Penzing, Bezirk Favoriten und an
der Donaulände in Brand zu stecken, gleichzeitig
einige öffentliche Gebäude anzuzünden und in die
hierbei zusammenströmende Menge Bomben zu
verfen. Die ersten Brände sollten in einem großen
Betreidemagazin in Penzing und zugleich in einem
Bebäude von Hietzing und in den Holzlagern an
)»er Donau aufflammen. Thatsächlich wurde auf
ꝛinem Holzplatze im 9. Bezirke eine Sprengflasche
zefunden. Um die Verdächtigen zu überführen,
vartete die Polizei, indem sie dieselben unausgesetzt
beobachtete, bis zum letzten Augenblick und schritt
am Sonntag Nachmittag ein. Drei Mitglieder
wurden auf dem Wege zur geheimen Werkstätte,
die übrigen in gleicher Stunde in ihren Wohnungen
verhaftet. Die gleichzeitig vorgenommenen Haus—
purchsuchungen förderten mehrere Kilogramm Dy—
riamit, 2 Dolche, 6 Flaschen Salpetersüure, 2 un⸗
zefüllte Bomben mit angesetzten Pistons, diverse
Flugschriften und Schmähschriften zu Tage. Fünf
dilogramm Dynamit wurden unter der die Pen—
zinger Straße übersetzenden Eisenbahnbrücke gefun—
den. Im Laufe der Woche fanden weitere Ver—
haftungen statt. Einer der Rädeisführer, ein anar—
histischer Umtriebe halber 1884 ausgewiesenes
Individuum, entfernte sich, ehe die Polizei zur
——
Deutsches Reich.
Mannheim, 10. Okibr. Wie die „Neue
gadische Landeszeitung“ mittheilt, ist der Parteitag
ꝛer Volkspartei auf den 24. Oktober nach Fürth
inberufen und die Eintracht in der süddeutschen
Volkspartei wiederhergestellt.
Koln, 10. Oktober. Unter dem Vorsitze des
dircklors Dr. Jäger⸗Mühlheim a. Rh. fand hier
seute Mittag der nhationalliberale Par—
eitag von Rheinland Westfalen im großen
Zaale der Lesegesellschaft statt. Anwesend waren
ünf⸗ bis sechshundert Personen. Direktor Jäger
röffnete die Versammlung; er kennzeichnete die
„tellung der National⸗Liberalen zu den anderen
harteien, wobei er die Freisinnigen als radikal und
infruchtbar, die Konfervativen als reaktionär, die
Aliramontanen als staatsfeindlich, die Sozialdemo⸗
raten als Umstürzler schildert; der National-Libe—
alismus sei dagegen eine Partei des freudigen
Schaffens, welcher ein Zusammengehen mit den
Frai⸗Konservativen oftmals möglich sei, ohne daß
nan sich zu einer Verschmelzung hergebe. Darnach
pricht Dr. Sattler⸗Hannover. Er skizziert die
Stellung der National-Liberalen zu den politischen
Tagesfragen mit der ausgesprochenen Absicht, den
steichstags· Mitgliedern ihre Verantwortlichkeit zu
Hhemülhe zu führen und ihnen das Gewissen zu
chärfen. EynernBarmen verbreitet sich über die
zefolge der National⸗Liberalen seit dem Parteitag