Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Apotheker Schuhmacher aus Kirchheim— 
bolanden schoß einen jungen Steinadler mit 
einer Flügelweite von 1. 25 Meter. 
— Pforz, 12. Okt. Heute Vormittag gegen 
10 Uhr verunglückte zu Mamrimiliansau am Bahn⸗ 
hofe der Rangirer Salomon Pfalzgraf von 
Wörth beim Rangiren, indem er, als er zwei 
Wagen aneinandergekuppelt hatte und das Geleis 
verlassen wollte, mit einem Fuß an der Maschint 
hängen blieb, wobei ihm der Fuß überfahren wurde. 
Heute Abend ist er seinen Schmerzen erlegen; er 
hinterläßt Frau und 2 Kinder. 
— Nach der Neustadter “Bgz.“ hat der 
berühmte Cithervirtuos Chr. Martin Hammer aus 
Neusiadt eine Art Cither erfunden und auf diese 
Ersindung bereits ein Patent erhalten. Die neut 
Ciiher des erwähnten Herrn führt den Namen 
„Orchester Cither“, ist eine Art Harfen-Cither mit 
einem Resonnanzkasten in Form eines Violincellos 
und besitzt gegenüber den bisherigen Cithern eine 
viel größere Klangfülle. Die Saiten werden, wie 
auf jedem Streichinstrument, über einen Steg 
(zwischen den sog. FLöchern) gespannt und durch 
einen starken Saitenhalter zusanmengefaßt. Das 
Instrument ruht nicht, wie die bisher gebräuchlichen 
FTithern, auf einem Tische, sondern auf 8 prakti⸗ 
kablen Tischfüßen. Auf diese Weise unterscheidet 
sich diese neue „Orchester-ither“ von den bisherigen 
durch eine größere Fülle und Sonorität des Tones, 
namentlich ist der etwas näselnde bezw. schreiende 
Klang der bisherigen Instrumente in qlücklicher 
Weise vermieden. 
— Speyer. In der Anstellungsprüfung der 
Schuldienst-Erspektanten wurde im 
deutschen Aufsatz folgendes Thema gegeben: „Halb⸗ 
bildung ist ein enges Kleid; es reißt, macht Einer 
drin sich breit.“ 
— Speier, 12. Okt. Der ständige Aus- 
schuß der Generalsynode ist zu seiner regel— 
mäßigen Jahresversammlung auf Dienstag den 2. 
November cer., Vormittags 10 Uhr, an den Sitz 
des kqgl. Konsistoriums einberufen. 
Vermischtes. 
F Wie die „St. Johanuner Ztg.“ mit Bestimmt⸗ 
heit wissen will, soll die Platzfrage zur Anlage des 
neuen Röhrenwalzwerk?es der Actien-Gesellschaft 
Saarbrücken jetzt endgültig entschieden sein. Darnach 
wird dasselbe weder nach Malstatt, noch nach 
Burbach kommen, sondern nach Bous.-Die Kauf— 
verträge sollen bereits mit den verschiedenen Grund— 
eigenthümern zum vorläufigen Abschluß gelangt 
sein. Das ganze Terrain welches zwischen dem 
Bahnhofe resp. Bahngeleise und der Saar liegt, 
umfaßt ca. 35 Morgen. Mit dem Bau dieser 
großen Anlage soll, sobald die noch erforderlichen 
Verhandlungen erledigt find, begonnen werden. 
FForbach, 13. Okt. Auf den Höhen 
von Spichern werden augenblicklich Bohrversuche 
angestellt behufs Auffindung der Quellen, welche 
unsere zukünftige Wasserleitung speisen werden. Im 
Monat Juli wurden die betreffenden Stellen von 
dem berühmten Quellensucher J. Beraz aus Mün—⸗ 
chen bezeichnet. Nach seiner Angabe befinden sich 
die Quellen in einer Tiefe von 40 Meter. 
FOttweiler, 18. Okt. Es hat, nach der 
„S. u. Bl.Ztg.“, den Anschein, als ob die St. 
Wendeler Brandstifter hier Nachahmer ge—⸗ 
funden hätten. Vorgestern wurde in einer hiesigen 
Scheune bei Gelegenheit des Dreschens in einer 
Garbe Korn ein mit Petroleum gedrängtes Werg⸗ 
bündel, eine große Menge Streichhoͤlzer und ein 
angebranntes Stück Feuerschwamm gefunden. 
F Die vermißte Gräfin Arnim soll 
in Wanzenau und Hördt (Elsaß ˖ Lothringen) gesehen 
worden sein. In beiden Dörfern wurde eine ele⸗ 
gant gekleidete Dame, die aber barfuß ging, gesehen. 
Graf Arnim ist nach Wanzenau gereist, um die 
Spur der Vermißten aufzunehmen. — Anderseits 
setzt man aber auch die Nachforschungen in der 
Umgegend von Plättig fort. So soll der kleine 
Bergsee bei dem Forsthaus Herrenwies abqegraben 
werden. 
FSt. Wendel, 10. Okt. Untersuchungs⸗ 
richter Dr. Schneider aus Saarbrücken vernahm 
hier in diesen Tagen verschiedene Personen inbetreff 
der in den letzten Wochen hier stattgehabten zahl⸗ 
reichen Brände. Insbesondere handelte es darum, 
festzustellen, inwieweit die Familie Lyon, welche 
bekanntlich hier hinter Schloß und Riegel sitzt, bei 
den Brandstiftungen betheiligt in. Der 11jährige 
Geyra Lyon hat nun yor dem Untersuchungsrichter 
eingestanden, drei jener Brände angelegt zu haben 
und von seiner Mutter hierzu veranlaßt worden zu 
sein, ebenso hat derselbe die in der Kockler'schen 
Scheune gefundene Strohpuppe dorthin gelegt und 
die Schwefelhölzchen angezündet. Der Junge wurde 
sofort nuch St. Joseph in die Zwangserziehungs⸗ 
anstalt verbracht, wozu er wegen anderer Vergehen 
bereits verurtheilt war. Die Mutter wird fich dem⸗ 
nächst mit ihrem anderen Sprößling vor dem 
Schwurgericht zu Saarbrücken zu verantworien haben. 
Außer der Polizei versieht noch eine Bürgerwehr 
den Wachtdienst, da wan noch weitere Brandstif⸗ 
tungen befürchtet; sind doch in letzter Zeit wiederholt 
angebrannte Strohbündel mit den zum Anzünden 
gebrauchten Streichhölzern gefunden worden. An 
rinem der letzten Abende wurde ein Mensch verfolgt, 
aber nicht eingeholt, der unter verdächtigen Um⸗ 
zänden auf Strümpfen aus einer Scheune ge 
chlichen kam. Der Mann war vorher mit fün 
anderen verdächtigen Leuten gesehen worden. 
Elberfeld, 11. Ott. Die Strafkamme 
„erurtheilte gestern einen Wirth und Fischhändler 
aus Lennep jzn 4 Monaten Gefängniß und 800 
Mark Geldbuße, weil er innerhalb der drei letzten 
Jahre in mindestens sechs nachgewiesenen Fällen 
derdorbene faule Fische verkauft hatte. — Der 
Biedermann hatte die Gepflogenheit, seine faulen 
Fische mit — Harn zu behandeln, und sich nichs 
gescheut, seinen eigenen Gästen solche Fische vor— 
zusetzen. 
F Dortmund, 11. Okibr. Der Direktor 
des hiesigen Gymnasiums, Herr Prof. Dr. Weidner 
trüher in Darmstadt, hat dem ihm unterstellter 
Lehrerkollegium erklärt, er finde es unanständig 
wenn Jemand auf offener Straße rauche, weßhall 
er auch wünsche. die Lehrer möchten das Rauchen 
auf öffentlichen Straßen einstellen. Da ein Wunsck 
eines Direktors den Lehrern Befehl zu sein pflegt, 
so haben sämmtliche Lehrer des Gymnasiums das 
Rauchen auf öffentlicher Straße eingestellt, während 
ihre Collegen vom Realgymnasium seelenruhig wei— 
terqualmen. 
F Köln, 13. Okt. Die Strafkammer ver— 
urtheilte gestern einen hiesigen Rechtsanwalt wegen 
Unterschlagung in 21 Fällen zu einem Jahr und 
3 Monaten Gefängniß. Die unterschlagene Summe 
heziffert sich auf zusammen 4700 Mk. Der An— 
geklagte, welcher seit 1870 nicht weniger als sechs 
Mal seinen Wohnsitz wechselte, entwarf von seinem 
zisherigen Dasein ein Bild, welches den Herrn 
Staatsanwalt überzeugte, daß hier dringende Noth 
u den Unterschlagungen beigetragen habe. Der 
Strafantrag lautete bei Annahme mildernder Um— 
tände auf zwei Jahre Gefängniß. 
7 Darmstadt, 12. Okt. Gestern Vormittag 
amen über Aschaffenburg 11 dem Fürsten Aler⸗ 
under gehörige Pferde aus So fia hier an. 
das Pferd, welches der Fürst in der Schlacht von 
Sliwnitza ritt, mußie dem Vernehmen nach in Wien 
urückgelassen werden. 
FIm Maischbottich verunglückt. 
Der einstige württembergische Ordonnanzreiter G. 
—XVVD 
zerühmten ersten Rekognoszirungsritt 1870 in den 
dagenauer Wald unternommen hatte, hat als 
Zraumeister in Mosbach (Baden) das Leben ver— 
loren, indem er vorigen Mittwoch in den Maisch 
bottich stürzte und total verbrüht wurde. 
Wie das „M. T.“ berichtet, wurde Herr 
dofopernsänger Plank in Karlsruhe für die New— 
HYorker deutsche Oper, gegen eine Gage von 70 000 
Mark auf 4 Monate gewonnen. Der Großherzog 
bewilligte den Utlaub. 
F Nürnberg, 11. Okt. Der Handlungs⸗ 
kommis Gauccklher, welcher vor mehreren Wochen 
etwa 70 000 Mark an Werthpapieren stahl und 
in Paris verhaftet wurde, ist heute hierher trans⸗ 
portirt worden. 
fNürnberg, 13. Oktbr. Die in einem 
soffer aufgefundene Leiche ist erkannt worden. Die 
Ermordete ist die Händlerin Marg. Kreth, die auch 
vielfach Geldgeschäfte machte. Am Sonntag hatte 
sie sich entfernt, um Schulden einzukassiren. Der 
Kopf der Ermordeten ist stark verstümmelt. 
(euersbrunst. In Fürth (bei 
Nürnberg) ist die große Scheuer'sche Cichorien⸗ 
fabrik niederbraunt. 
fPassau, 11. Okt. Eine Zaubergeschichte 
zrachte die Dienstmagd Julie Groß von Götzenreurth 
uuf die Anklagebank. Die Einwohnerin Annod 
Auberger wünschte sich einen von ihr mit Namen 
dezeichneten ledigen Mann als „Bräutigam“: diesern 
aber wollte von ihr nichts wissen. Die Groß erbo 
sich deshalb, den Bräutigam „herzuzaubern“, wig 
sie eine Pränumerandozahlung von 45 Mt. eun 
Der Bräutigam kam nicht und die Groß gab a 
Ursache an, ihre und der Auberger Seele srien 
durch einen noch größeren Zauber, als sie felbs 
sei, dem Teufel verschrieben. Zur Bekräftigun 
ließ die Angeklagte in der Wohnung der —* 
auch „umgehen“, so daß diese sich herbeiließ, noq 
weitere 300 Mark zu zahlen, damit der groͤßer 
Zauber den Bann löse. Schließlich sah die Au— 
berger doch ein, daß sie das Opfer eines raffinirten 
Betruges geworden. Die Groß wurde zu J Jahr 
Gefängniß verurtheilt. 
rAlterthumskunde. Ein Acherer in 
Haardt, Kreis Waldbröl, fand auf seinem Grund— 
stück vergrahen eiwa 300 Silbermünzen mit latei⸗ 
nischen Inschriften. Eine der am besten erhaltenen 
trägt die Jahreszahl 1570. Sie dürften vielleich 
in den Zeiten des dreißigjährigen Krieges dort ein— 
gegraben worden sein. Sie waren in Leinwandstüch 
eingewickelt und in einen irdenen Topf gelegt, der 
aber dei dem Ausgraben gänzlich zerbrochen ist. 
f Ein Witzwort über die Lage legt der Ber— 
liner Korrespondent der „N. Zürich. Ztg.“ einem 
englischen Diplomaten in den Mund. Er erhielf 
im Verlaufe einer Unterredung auf die Frage, ob 
an den baldigen Ausbruch eines großen Krieges 
wohl zu glauben sei, die sarkastisch trockene Ant- 
wort: „Wenn man das Verrückteste annimmt, ja! 
Denn Rußland hat kein Geld, Oesterreich kein 
schlagfertiges Heer, Eagland kein populäres Kabinet, 
der Sultan keinen Entschluß, Frankreich krinen 
Kaiser und Bismarck keine Lust. Außerdem geht's 
zum Winter, und das Weihnachts- und Neujahrs— 
Geschäft würde leiden!“ 
F Das Handwerk regt sich überall. 
Die in F. A. Günthers Zeitungsverlag in Berlin 
erscheinende „Deutsche Schuhmacherzeitung“ (drei⸗ 
zehnter Jahrgang) stellt nachfolgende Preisaufgabe— 
„Wie muß eine moderne Schuhmacherwerkstatt, in 
welcher ein Meister mit 6 Gesellen und 2 bis 8 
Lehrjungen arbeitet, ausgerüstet sein, um den Namen 
einer Musterwerkstatt zu verdienen? Derjenige, 
welcher die beste Arbeit einsendet, erhält den Preis 
hon 40 Mark.“ Schlußtermin der Einsendung ist 
der 31. Dezember d. J. Hierzu bemerkt das er⸗ 
wähnte Fachblatt: „Wir hielten diese Aufgabe für 
zeitgemäß, weil unsere Schuhmacherwerkstätten oft 
roch sehr viel zu wünschen übrig lassen, ferner weil 
⸗s noch so viele Schuhmacher giebt, welche sich 
nicht entschließen können, ja oftmals eine gewisse 
Scheu davor haben, zweckmäßige Hilfsmaschinen 
und Werkzeuge zur Erleichterung der Arbeit anzu—⸗ 
schaffen. 
4 (2000) Vor Kurzem erließ ein reichbe⸗ 
güterter Fabrikbesitzet durch Vermittelung einer 
Annoncen⸗Expedition in verschiedenen Zeitungen 
ein Ausschreiben nach einer Lebensgefährtin christ⸗ 
licher Konfession, von welcher kein Vermögen, da 
gegen angenehme Erscheinung, liebenswürdiges 
Wesen, heiteres Naturell, Sinn für Häuslichkeit. 
gesunde Konstitution, gute Erziehung und Bildung, 
sowie geachtete Familie verlangt wurde. Auf diesen 
Heiraths⸗Antrag find im Verlaufe von nicht ganz 
‚wei Wochen beiläufig 2000 () Offerten, zumeis 
mit Photographien begleitet, eingegangen. Die 
armen Mädchen, von welchen mindestens 1999 um 
ihre schöne Hoffnung gekommen sind! Da sage 
aber noch Einer, das Geld für Annoncen sei keine 
fruchtbare Anlage! 
. Eine bdekannte Wiener Personlichkeit, 
der frühere General⸗Direktor der Lemberg⸗Czerno⸗ 
witzer Eisenbahn, Baron Ofenheim, ist am 
Moͤntag gestorben. Ofenheim, „Ritter von Pon⸗ 
teuxin“, hat in dem österreichischen Eisenbahnschwin 
del der 70er Jahre eine hervorragende Rolle ge⸗ 
spielt und durch seine unsauberen Manipulationen 
ein großes Vermögen erworben. 
F Brüssel, 18. Oktbr. Die große Säge— 
fabrik Verfspigl in Gent ist durch eine Kesseler⸗ 
plofion gestern zerstört worden. Viele Arbeiter 
find getödtet, die Nachbarhäuser beschädigt worden. 
'Amflerdam, 10. Okt. Der „Maas- uad 
Schelde ⸗Bote“ hatte dieser Tage an den Sozialisten⸗ 
führer Domela Nieuwenhuis, der kürzlich durch 
Erbschaft in den Besitz eines sehr großen Vermögens 
gekommen war, die Frage gerichtet, wie er dasselbe 
angewandt und ob er es in die allgemeine Kasse 
abgeführt habe. Das Blatt glaubte sich zu dieser 
Frage um so mehr berechtigt, als ja der Grund⸗ 
dedanke aller Reden von Rieuwenhuis die Verur—