Full text: St. Ingberter Anzeiger

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ʒi. Jugberter Itzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. J 
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21. Jahrg. 
Montag, 25. Oktober 1886. J 
Volitische Uebersicht. 
* Kaiser Wilhelm ist in vollster körper⸗ 
icher und geistiger Frische von seinem Herbstauf⸗ 
mhalte in Baden-Baden wieder nach der Reichs— 
auptstadt zurückgekehrt und von dieser hocherfreu⸗ 
schen Wahrnehmung zeigten gleich die ersten Hand⸗ 
mgen, welche der Kaiser nach seinem Wiederein⸗ 
resen in Berlin vornahm. Trotz der Strapazen 
jner fast fünfzehnstündigen Eiser bahnfahrt empfing 
xr greise Herrscher noch am Donnerstag Vormit⸗ 
age verschiedene offizielle Persönlichkeiten. wie den 
zuegsminister Bronsart von Schellendorf, den 
euen Gouverneur von Berlin, General v. Werder 
ind den Oberhof ⸗ und Hausmarschall Grafen Per⸗ 
oncher und nahm Nachmittags noch einen längeren 
gortrag des Staatssecretairs im Auswärtigen Amte, 
zrafen Herbert Bismarck, entgegen. Sogar noch 
n später Abendstunde arbeitete der Kaiser einige 
zeit im Audienzsaale des Parterregeschosses des 
zniglichen Palais und mit Staunen und Bewun⸗ 
rung kann man daher nur auf den fast neunzig 
ihrigen Monarchen blicken, der in solcher Weise 
inen Regentenpflichten genügt. Auch im Laufe des 
reitag nahm der Kaiser verschiedene Vorträge 
ud Meldungen entgegen; am Sonnabend Nach ⸗ 
nittag empfing er in feierlicher Audienz den neuen 
zotschafter der französischen Republik, Herrn Her⸗ 
tte. Am Soantag dürfte der Kaiser zu den braun⸗ 
hweigischen Hofjagden nach Blankenburg am Harz 
oͤgereist sein, falls etma nicht die ungewisse Wit- 
erung noch in der letztenn Stunde eine Veränder⸗ 
ma in den Reisedispositionen veranlaßt hat. 
zange zu machen, wie aus einem bezüglichen Artikel j zum J. Januar eingeführt werden kann. Das 
»es „Journal des Débats“ hervorgeht; vorläufig bom Prinzen Arnulph vorgeschlagene Muster soll 
cheint man in London das drohende Auftreten sich als zu kostspielig erwiesen haben. — Das 
Frankreichs sehr kaltblütig zu nehmen. Deutsche Vaterland'“ wurde gestern wegen eines 
önig Ludwig II. und den russischen Zaren dar⸗ 
ellenden Bildes beschlaanahmt. 
* Das Garantie-Comite für die internationale 
Pariser Ausstellung im Jahre 1889 hat sich 
im Freitag constituirt. Das Garantie-Kapital 
eträgt gegenwärtig mehr als 22 Millionen Fres. 
ind jprach der Handelsminister Lockroy den Zeich— 
nern desseilben für ihr energisches Eintreten seinen 
Ddank aus.. 
Auslanud. 
Paris, 28. Olt. Der junge bayerische Ge⸗ 
lehrte Dr. Sandher“ der so ungerechtfertigt am 
4. Oktober in Lannilis (Finistere) wegen des 
Verdachts der Spionage verhaftet worden war, ist 
jetzt endlich auf Grund der nachdrücklichsten deut⸗ 
chen Vorstellungen von der französischen Regierung 
reigegeben worden. Wie sehr diese sich übrigens 
zegen diese Maßregel gesträubt hat, folgt am besten 
daraus, daß der bahyerische Geschäftsträger v. 
Reither, an den sich Dr. Sandler um die 
Wahrnehmung seiner Rechte gewandt hatte, sowohl 
am 6. wie am 12. Oktober dem französischen 
Ministerium dringende, aber erfolglose Vorstellungen 
unterbreitet hatte. Erst als Herr v. Reither sich am 
20. Oktober an den deutschen Botschafter Grafen 
Münster um Unterstützung gewandt hatte und 
dieser sofort eingeschritten war, erfolgte am 22. 
DOktober die Freilassung selbst. — 
Sofia, 23. Oklt. Die Regentschaft und die 
Minister sind heute nach Tirnowa abgereist. 
In Wien und Lemberg waren gestern unwahre 
Berichte über die Reise des Fürsten Alexander von 
Battenberg nach Bulgarien enthalten. 
* In London schweben gegenwärtig Ver⸗ 
jandlungen zwischen England und Deutischland 
vegen einer abermaligen Abgrenzung des beider⸗ 
eitigen überseeischen Machtgebietes und handelt es 
ich in erster Linie um Osiafrika. Der deutsche 
zotschafter in London, Graf Hatzfeldt, hat deshalb 
einen Urlaub abgekürzt und pflog bereits vor 
einigen Tagen mit dem englischen Staatssekretair 
)es Auswärtigen, Lord Iddesleigh, eine längere 
Unterredung über diesen Gegenstand. Graf Haztz 
eldt steht Geh. Rath Dr. Krauel vom Berliner 
luswärtigen Amte zur Seite, der schon an den 
rüheren Verhandlungen über die Fidschi-VInseln, 
Vestafrika und Neu⸗Guinea wirksamen Antheil ge⸗ 
ommen hatte. Es steht um so eher eine Ver⸗ 
ländigung über die Abgrenzung der englischen und 
zeutschen Machtsphäre auch in Ostafrika zu erwar⸗ 
en. als ja inzwischen in England das Cabinet 
hladstone vom Schauplatze abgetreten ist, welches 
jestrebt war, seiner kleinlichen Eifersuchtspolitik 
zegenüber Deutschland auch auf dem Gebiete der 
olonialen Angelegenheiten Nachdruck zu verschaffen, 
venngleich Mr. Gladstone sich freilich auch in dieser 
Beziehung nichts weniger als Lorbern geholt hat 
Lotale und pfälzische Nachrichten. 
S Blieskastel, 24. Oktober. Das an der 
Schloßbergstraße gelegene Wohnhaus der Erben 
Syffert ging durch Kauf um den Preis von 
15,500 Mark an den Bezirksarzt Dr. Wittenmeier 
über. 
— Dahn, 22. Ott. Ueber das Vermögen 
des Bierbrauer⸗ Karl Schäfer in Hinterweidenthal 
ward das Konkursverfahren eröffnet. 
*Das Oberlandesgericht in Breslau hat 
ie wichtige Entscheidung getroffen, daß dem Fis⸗ 
us das Confiscationsrecht hinsichtlich auswärtiger 
otteriegewinne zustehe. Für Personen, welche 
mauswärtigen Lotterien spielen. ist diese Entscheid⸗ 
na von schwerwiegender Bedeutung. 
Zu den Kolonialberhandlungen in London 
über Ostafrika, denen man hier mit großer Span⸗ 
nung entgegenfieht, ist auch Dr. Peters von der 
ostafrikanischen Gesellschaft gereist. 
Die schweizerische Bundes versamm⸗ 
ung tritit laut Erlaß des Bundesrathes am 29. 
dopember zu ihrer ordentlichen Wintersession zu⸗ 
mmmen. Die Verhandlungen derselben werden 
uch für uns in Deutschland Interesse haben, da 
B. auch die Frage der Branntweinmondpolisir⸗ 
nng in den Debatten eine herborragende Rolle 
pielen wird. 
* Die bulgarische Regierung hat die 
Forderungen, unter denen sich Rußland zu einer 
Berständigung mit Bualgarien herbeilassen will — 
ein Cabinetswechsel in Sofia im russischen Sinne 
und Auflösung der kürzlich gewählten Sobranje — 
nit einer antirussischen Maßregel beantwortet, indem 
ie in Philippopel zahlreiche Verhaftungen 
rufsischer Parteigänger vornehmen ließ. Es deute 
zies darauf hin, daß das Cabinet enischlossen ist 
ich von Rußland nicht einschüchtern zu lassen, 
rotzdem, daß das letztere nunmehr die Pforte auf 
eine Seite zu ziehen gewußt hat. Uebrigens werden 
iber die Mission Gadban Paschas, des Mandatars 
der Pforte in Sofia, mancherlei widersprechende 
Meldungen verbreitet und man wird daher guft 
hun, alle über die Sendung des türkischen außer⸗ 
xdentlichen Commissars im Umlauf befindlichen 
Berüchte mit Vorsicht aufzunehmen. Doch tritt die 
Annahme mit einer gewissen Bestimmtheit auf, daß 
hadban Pascha vornehmlich die Aufgabe habe, die 
istrumelischen Wahlen zur Sobranje wieder rück 
zängig zu machen, da dieselben den Bestimmungen 
zes Berliner Vertrages widersprechen. 
WBermischtes. 
Kehl, 28. Oktt. Zwei Dienstboten eines 
hiesigen Restauranis geriethen mit einander in 
Woriwechsel, wobei das Küchenmädchen mit gezoge⸗ 
aem Tranchirmesser auf ihre Gegnerin losging und 
derselben im Kampfe drei Finger abhieb. Die arme 
Unglückliche wurde sogleich in das Svitol nach 
Straßburg verbracht. 
F.Sobernhieim. Das ehrliche Dienstmäd⸗ 
hen, welches vor einigen Tagen 1127 Mark in 
einem Stiefel fand und dem Eigenthümer zurück⸗ 
erstattete, erhielt von dem Herrn eine Belohnung 
bon 30 Pfg., sage dreißig Pfennigen. 
. Das Vermögen des am 16. d. M. in 
Frankfurt a. Mverstorbenen Freiherrn Mayer 
Karl von Rothschild wird nach einer Notiz 
der Wiener ‚Presse“ auf 500 Millionen Mark 
geschätzt. 
F'Brand in einer Bettfedernfabrik. 
Aus Canstatt wird unterm 23. Okt. berichtet: 
Hestern Abend 4*4 Uhr brach in dem großen Eta⸗ 
olissement Strauß u. Co. Beitfederngeschäft) ein 
Brand aus; das Fabrikgebäude mit sämmtlichen 
Maschinen, das Versandlokal und Comptoir sind 
Jänzlich ausgebrannt; 140 Arheiter der Fabrik 
konnten sich bei dem raschen Umsichgreifen des 
Feuers, welches Treppe und Aufzug sofort ergriff, 
sur mit Mühe über die Nothtreppe retten. Das 
Gerücht. wonach 4 bis 6 Personen im Feuer um— 
»Die französische Politik in Bezug auf 
gypten beginnt sich durch die Erklärungen, welche 
rankreich vom Londoner Cabinet; über die Zeit⸗ 
auer der englischen Occupation in Egypten verlangt 
at oder noch fordern willt, schärfer zu accentuiren. 
nteressant ist hierbei der Umstand, daß die fran⸗ 
osischen Forderungen durch Rußland und die 
Rorte unterstützt werden, was darauf hindeutet, 
aß die französische Diplomatie in letzter Zeit in 
donstantinopel nicht ersolglos gearbeitet hat. Ob 
idessen diese Unterstützung mehr einen „moralischen 
derth“ haben wird, steht noch sehr dahin; Ruß⸗ 
ind wird zufrieden sein, wenn das französische 
zorgehen in der egyptischen Frage die Aufmerk⸗ 
amkeit der englischen Politiker von den bulgarischen 
ingelegenheiten abwendet und mehr den Dingen 
im Nil zulenkt und die Türkei dürfte es sich zwei⸗ 
nal überlegen, ehe sie für Frankreich die egyptischen 
äastanien aus dem Feuer holt. Franzöfischerseits 
emüht man sich auch, den Engländern hinsichtlich 
drer internationalen Verpflichtungen in Eqypten 
——— 
Deutiches Reich. 
Müuͤnchen, 23. Okt. Wie es heißt, ist es 
weifelhaft geworden, ob die Pickelhaube schon