Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
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VW208. 
Dienstag, 26. Oktober 1886. 
Modahg 
Deutiches Reincc. 
Berlin, 24. Ott. Bei dem gestrigen Em— 
sange des französischen Botschafters durch den 
zaser hielt Herr Herbette folgende Ansprache: 
Sire, indeim ich zu der hohen Ehre berufen bin, die 
anzoͤsische Republik bei Ew. kaiserlichen und königlichen 
ntat zu vertreten, fasse ich mit einem tiefen Bewußtsein 
rmir obliegenden Pflichten den Gegenstand dieser hohen 
asfion ins Auge. Deutschland und Frankreich haben 
güireiche gemeinsame Interessen und werden, wie ich über⸗ 
igi bin, mehr und mehr den Boden fur eine beiden 
dern vortheilhafte Verständigung finden. Mit gutem 
zilen diese Elemente erhalten und fortentwickeln ist das 
einen Bemühungen vorgezeichnete Ziel. Ich werde das- 
de mit um so mehr Eifer und Vertrauen verfolgen, als 
tief durchdrungen bin von Ideen des Friedens, der 
sheit und der Stabilität, welche die französische Nation 
seelten und die Politik ihrer Regierung durchdringen. Ich 
age zu hoffen, daß Ew. Majestät geruhen wird, mir die 
mullung dieser Aufgabe zu erleichtern, indem mir fortge⸗ 
gi das Wohlwollen zu Theil wird, mit welchem Aller⸗ 
zehst dieselben meine Vorgänger beehrt haben und von 
velchem ich selbst in früheren Zeiten meiner dienstlichen 
ausbabn kost bare Beweise empfangen habe. Ich habe die 
jre, Ew. Majestät, meine Beglaubigungsschreiben als 
Hschafter der französischen Repudlik zu überreichen.“ 
Auf diese Ansprache autwortete der Kaisser: 
Herr Botschafter! Sie haben meinen Gedanken aus—⸗ 
sprochen, indem Sie sagen, daß Deutschland und Frank-⸗ 
h zahlre iche gemeinsame Interessen haben, und daß Sie 
udiesen den Boden für eine beiden benachbarten Nationen 
theilhafte Verständigung werden finden können. Dank 
rer großen Geschäftserfahrung und Ihrer tiefen Kennt⸗ 
ß der Interessen, welche Frankreich mit Deutschland ge⸗ 
einsam hat, vereinigen Sie in sich alle nothwendigen 
igenschaften, um mit meiner Regierung an der Aufrecht⸗ 
haltung der guten Beziehungen zwischen den beiden 
indern zusammen zu arbeiten. Ich beglückwünsche mich 
gfrichtig zu der Wahl, welche der Herr Präsident der 
epublit getroffen hat, indem er Ihnen die hohen Funk⸗ 
onen übertrug, welche Sie erfüllen werden. Seien Sie 
verzeugt, Herr Botschafter, daß meine Mitwirkung Ihnen 
iemals fehlen wird, um jede Maßregel zu unterstützen, 
velche das von Ihnen bezeichnete versöhnliche und friedliche 
ziel zu erreichen bezweckt.“ 
Der Kaiser hat sich heute um 1l Uhr 20 Min. 
uttels Extrazuges nach Blankenburg zur Jagd 
egeben. 
Berlin, 24 Oktiu. Die Ausgaben der Com⸗ 
nnon zur Ausarbeitung des Enwwurfs eines 
urgerlichen Gesetzbuches sind nach dem 
iat des Reichs ˖Justizamis für 188788, welcher 
em Bundesrathe zugegangen, um 25,000 Mark 
eringer veranschlagt, als im laufenden Etatsjahre. 
Rr Stand der Arbeiten der Commission welche, 
ir„Kreuzztg.“ zufolge, spätestens gegen Ende 
387 zum Abschluß gelangen werden, macht diese 
zumme entbehrlich. Bisher erforderten die Ausgaben 
er aus einem Vorsitzenden, neun Mitgliedern und 
chs Hilfsarbeitern bestehenden Commission auf 
as Jahr 250,000 Mark. Gegenwärtig beräth 
ie Commission mit großem Eifer den Theil⸗Ent⸗ 
durf über das Erbrecht, den das vor etwa zwei 
NRonaten zum Ober-Landesgerichts-Präfidenten in 
dürnberg ernannte bayerische Mitglied, der frühere 
andgerichts Präsident Dr. v. Schmitt, redigirt hat. 
Aus angeblich guter Quelle will die, National⸗ 
zeuuung“ wifssen, daß England, um Frankreichs 
Käne zu kreuzen, den Schritt gethan hade, sich mit 
lußland zu verständigen, indem es diesem in Bul⸗ 
arien seinerseits keine Hinderniss. zu dbereiten sich 
etpflichtete, wogegen Rußland sich bereit erklärte, 
nglands administrative und finanzielle Pläne hin— 
bilich Egyptens gewähren zu lassen. 
Braunschweig, 24. Okttbr. In Braun⸗ 
owesg erhält sich das Gerücht, wonach die Ver— 
unnang des Dr. Dedekind auf Grund des „Gesetzes 
den verbrecherischen und gemeingefährlichen 
Gebrauch von Sprengstoffen“ vom 9. —X 
sei. Ein Unterbeamter des Bergbaues in Klaus— 
hal a. H. soll ebenfalls verhaftet worden sein, 
ind diese Verhastung, so herichtet die unkontrolir⸗ 
hare Fama, stände mit derjenigen des Dr. Dede— 
tind in Verbindung. Eine ständige Ueberwachung 
des Hauses eines höheren Staatsbeamten (man 
pricht von dem Staaisminister Graf GörtzWris⸗ 
verg) war neuerdings durch die Polizei angeordnet 
vorden, weil, wie man versichern hoͤrt, ein Attentat 
gegen diesen Beamten geplant gewesen sein soll. 
Alles das ist natürlich nicht zu verbürgen — aber 
s scheint als Symptom für die Stimmung in 
Braunschweig und die Gerüchte, welche derselben 
»ntĩpringen, immerhin beachtenswerth. 
Militärattache in Petersburg, Major v. Lignitz. sei 
zum Nachfolger General v. Werders hierselbst be⸗ 
stimmt. 
Petersburg, 24. Ott. Hartnäckig kursirt 
das Gerücht, Rußland werde gegen die Verpflich— 
ung. die Integrität der Türkei aufrecht zu erhalten, 
eine Insel im Marmara-Meer erhalten. 
Sosa, 24. Oktbr. Italien, England und 
vahrscheinlich auch Oesterreich werden ihre Vice⸗ 
confuln nach Tirnowa schicken. Die Zankowisten 
»erbreiten das Gerücht, drei russische Panzerfregatten 
ieien nach Varna eutsandt, doch schenkt man der 
Angabe keinen Glauben. 
Konstantinopel, 28. Otlt. Russische 
Agenten sind in Bulgarien eifrig thätig, um 
für die Wahl des Herzogs von Oldenburg zu 
wirken. An verschiedenen Orten Ostrumeliens kam 
es zu Ausschreitungen, wobei Militäc requiriert 
werden mußte. — Es herrscht große Aufregung 
in Albanien, infolge der Ansammlung türkischer 
Truppen. — Nachrichten aus Odessa und Ssewa— 
stopel erwähnen neuerdings umfassende türkische 
Rüstunqgen. 
Ausland. 
Wien, 23. Okt. In hiesigen diplomatischen 
Zreisen wird versichert, daß Czar Alexander seinen 
Flügeladjutanten, den Grafen Reutern, in einem 
Noment geistiger Gestörtheit mit dem Säbel 
rstochen habe. 
Wien, 23. Okltober. Heute Morgens wurde 
zier der Metallarbeiter Julius Esinger wegen anar⸗ 
histischer Umtriebe verhaftet; bei ihm wurden vier 
—„prengflaschen mit entsprechender Flüssigkeit und 
anderes Sprengmaterial vorgefunden. 
Wien, 25. Olt. Prinz Heinrich von 
Breußen befindet sich auf Einladung des Königs 
dumbert in Monza, wo in den nächsten 
Tagen auch das deutsche Kronprinzenpaar erwartet 
wird. 
Paris, 24. Okt. Man polemisirt hier heftig 
zegen einen Entschluß des Marineministers Aube, 
zer vier der großen Truppen-Transport- 
chiffe, deren der Staat acht besitzt, verkaufen und 
n Zukunft den Truppentransport ganz der Privat⸗ 
narine überlassen will. Die Schiffe haben im 
Durchschnitt 4.800,000 Francs gekostet und sollen 
ür eine Million überlassen werden, so daß der 
5taat 15 Millionen veilieren würde. Man isit 
um Theil in Marine- und Miilitärkreisen der Au⸗ 
icht, daß es im Falle einer Mobilmachung nicht 
nöglich sein wird, eine hinreichende Zahl Privat⸗ 
Transportdampfer aufzutreiben, um die Vermitt⸗ 
ung zwischen Frankteich und den Kolonien zu be⸗ 
orgen. — Der „Gaulois“ sagt, der Preis des 
reuen Gewehrs (Modell „Lebel“) würde sich 
auf 65 Francs stellen. 
Rußland. Trotz der friedlichen Aussichten 
ieht Rußland sich doch „für alle Fälle“ vor. 
Von gut unterrichteter Seite wird dem „Beriiner 
Tagebl.“ aus Moskau telegraphisch gemeldet: „Daß 
wei russische Divisionen aus Kriegsstärke bei Odessa. 
„Zebastopel und Nikalojeff bereit stehen, um in jedem 
Noment auf 20 Transporischiffen, geleitet von 
danonenbooten. nach Varna eingeschifft werden zu 
önnen, wird hier auf das Bestimmteste behauptet; 
desgleichen, daß die Militärbezirke Warschau, Kiew 
ind Odessa den Befehl erhielten, für eventuelle 
Fälle, bereit zu sein. In der Marine soll keine 
Jeur laubung, weder von Mannschaften, noch von 
Iffizieren genehmigt werden. Trsbtzdem heißt es, 
nuch nach dem Bekanntwerden der fürkischen Note 
volle man von einer russischen Okkupation abstehen. 
Des General Kaulbars „statistische“ Reise nennt 
zetzt sogar die panslawistische „No woje Wremja“ 
eine blamierende Reise.“ 
Petersburg, 283. Ottober. Ein unver⸗ 
ürgtes Gerücht behauptet, nicht der Flügeladjutant 
Iberstlieutenant v. Villaume, sondern der ehemalige 
— 
Eorale und pfälzische Nachricteu. 
* St. Ingbert, 25. Okt. Eine für die 
Hemeinden in Bezug auf die Verpflichtung zur 
Beschaffung von Löschgeräthen wichtige Entscheidung 
hat am Freitag der Verwaltungsgerichtshof getroffen. 
Die Gemeinde Simten, kgl. Bezirts-Amtes Pir⸗ 
masens erhielt von diesem Bezirksamt die Auffor- 
derung zur Anschaffung von Löschgeräthschaften, 
wogegen sie bei der k. Regierung der Pfalz Be⸗ 
rufung einlegte, die jedoch abgewiesen wurde. — 
der Gemeinderath Simten betrachtete aber diese 
Aufforderung als einen Eingriff in seine Selbstver⸗ 
valtungsrechte, welche durch die Regierungsent⸗ 
chließung beschränkt würden; deshalb erhob der 
Gemeinderath Beschwerde zum Verwaltungsgerichts 
hof, zwelcher dieselbe aber kostenfällig verwarf in 
der Erwägung, daß sowohl das Bezirksamt als 
auch die Regierung als vorgesetzte Verwaltungsbe⸗ 
sörde berechtigt sind, zum Zwecke der ösfentlichen 
Ordnung und Sicherheit innerhalb des Rahmens 
der GemeindesVerwaltung Befehle zu ertheilen. 
— Laut Verfügung der Direktion der Pfäl⸗ 
zischen Bahnen sind sammtliche Wagenladungen 
hne Rücksicht auf die Güter innerhalb 6 Tages⸗ 
tunden zu entladen. 
— Bezüglich der Landwehr-Kontrol⸗ 
versammlungen wird darauf aufmerksam ge⸗ 
macht, daß die zur Kontrolversammlung Erscheinen⸗ 
)en nicht, wie bisher, nur während der Dauer der 
Versammlung, sondern gemäß Kriegsministerial- 
restripts vom 26. Juni 1886 Nr. 10093 nun— 
mehr während des ganzen Kontrolversammlungs⸗ 
tages, d. h. von Mitternacht zu Mitternacht als 
sum altiven Heere gehoͤrig zu betrachten und dem⸗ 
nach den Miutärgesetzen unterworfen sind. 
— Zweibrücken, 23. Olt. Vor der Straf⸗ 
tammer des hiesigen k. Landgerichts kam kürzlich 
ein kurioser Foll zur Verhandlung. Ein Cigarren⸗ 
tabrikant aus der Vorderpfalz hatte einem hiesigen 
Bewerbetreibenden, mit welchem er wie es scheint 
nicht ganz glatt auseinandergekommen war, einen 
Brief übersandt, auf welchem das Wort „Herr“ 
hor dem Namen weggelassen war. Der Adressat 
jatte sich dadurch in seiner Ehre gekranket gefühlt 
ind Klage hoben; der sparsame Briefschreiber wurde 
uuch wirklich vom Schöffengericht zu 3 Mk Geld— 
trafe verurtheilt. Auf eingelegte Berufung erfolgte