Full text: St. Ingberter Anzeiger

soeben aus den Schneiderschen Werken in Creuzot 
ein 24. Centimeter⸗Geschütz expedirt worden, welches 
mit einer Pulverladung von 65 Kilo ein Geschoß 
von 155 Kilo bei einer Anfangs⸗Geschwindigkeit von 
600 Metern wirft. Es wird von hinten geladen 
und ist mit Schraubenverschluß und einem „Obtu⸗ 
ratent, (Verschlußplatte) von Bange versehen. Das 
Geschütz ist acht Meter lang und wiegt 22,000 
Kilo. In Creuzot augestellte Versuche sollen in 
Ealais vor der Kommission fortgesetzt werden. 
Sofia, 29. Olt. Es sind Befehle ertheilt 
worden, daß in den öffentlichen Schulen künftig 
hin die deutsche Sprache an Stelle der rus⸗ 
sischen gelehrt werden soll. 
— Der Wiener Correspendenz der „Times“ er⸗ 
fährt, daß Herr von Nelidow der Pforte wieder⸗ 
holt amtlich versichert habe, daß Rußland die 
Besetzung Bulgariens nicht beabsichtige. 
Varna, 31. Okt. Hier sind bereits drei 
cusfische Kriegsschiffe eingetroffen. Die aufständischen 
Offiziere sind bereits freigelassen; das genügt, 
en nicht; er fordert noch die Vertagung der 
obtanje und bereitet Unruhen vor. 
Brindifi, 1. Nov. Der Prinz Friedrich 
Leopold von Preußen hat heute früh sich von hier 
nach Indien eingeschifft. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 2. Novbr. Das gestrige 
Namensfest S. KHoheit des Prinz⸗-Regenten Luit⸗ 
pold wurde in beiden Kirchen durch feierlichen 
Gottesdienst festlich begangen. Auch einige Ge⸗— 
bäude waren zu Ehren des Tages beflaggt. 
*St. Ingbert, 2 Nov. Zu Allerheiligen 
und Allerseelen waren auch heuer wieder auf dem 
Friedhofe die Ruheftätten der Verstorbenen aufs 
schönste und sinnigste geschmückt. Fast auf jedem 
Grabe erblickte man die Zeichen eines treu Ge— 
denkens, lieb Erinnerns. Und der sonst so stille 
Ort war an beiden Tagen belebt von zahlreichen 
Andächtigen, die an den Gräbern- ihrer theuern 
Verstorbenen dieser in stiller Erinnerung gedachten. 
90 Erfweiler, 1. Nov. Auf der Straße 
von Aßweiler nach Ehlingen ereignete sich am Frei⸗ 
tag Abend ein Unglücksfall. Der Wirth Braun⸗ 
berger Jakob von hier fuhr mit seinem char à banc 
nachhause, wobei das Pferd scheu wurde. Braun⸗ 
berger stieg herab und wurde so hart an Kopf 
und Brust vom Pferde getreten, daß er schwer 
krank darniederliegt. Eine Frauensperson, die sich 
auf dem Gefährt befand, fiel auf die Straße und 
lag an der Böschung die ganze Nacht bewußtlos. 
Vorbeifahrende Fuhrleute aus Ehlingen fanden fie 
morgens und trugen Sorge, daß fie nachhause ge⸗ 
bracht wurde. Bis jetzt ist ihr Bewußtsein nicht 
zurückgekehrt. Der Arzt konstatierte bei ihr einen 
Schädelbruch. Der Schrecken zuhause läßt sich 
leicht ermessen. 
— Auf der Kirchweihe in dem Dorfe D. bei 
Zweibrücken wurden ürzlich 4 Hammel her⸗ 
rausgetanzt, wobei sich Alt und Jung, Ledige und 
Verheirathete betheiligten. Die vier Thiere wurden 
dabei mit Hinzufügung von 2 Zübern Salat ver⸗ 
speist. Zur Zubereitung des Letzteren fehlte das 
Personal, allein man wußte sich zu helfen. Kurzer⸗ 
hand wurde die Häckselmaschine in Bewegung gesetzt 
und in einigen Minuten war der Noth geholfen. 
— In Landstuhl, wird die Errichtung einer 
Wasserleitung ins Auge gefaßt: Ingenieur Kölwel 
in Zweibrücken ist mit Ausarbeitung des Plan⸗ und 
Kostenanschlags beauftragt. 
Vermischtes. 
FGalsches Geld) 100 Mtk.«Scheine sehr 
geschickt nachgebildet, gelangten zur Verausgabung. 
Das Falsifikat ist daran zu erkennen, daß die auf 
den Scheinen in Rothdruck ausgeführte Nummer 
auf den echten Scheinen nicht abfärbt. „während 
es hier genügt, mit dem befeuchteten Finger über 
die Nummer zu fahren, um die Farbe zu verwischen. 
— Falsche Zehnmarstücke. Die Fälschung ist 
eine sehr grobe. Die Münze ist aus Messinglegir⸗ 
ung hergestellt und trägt die Jahreszahl 1880 und 
das Bildniß des deutschen Kaisers. — Falsche 
Fünfmark-Goldstücke mit dem Münzzeichen 
B und der Jahreszahl 1877. — Falsche Zwan— 
zig⸗Pfennigstücke mit der Jahreszahl 1875 
dieselben sind gut geprägt und haben eine weiß— 
gelbliche Farbe. 
fMetz, 30. Okt. Gestern kamen im Haupt⸗ 
zollamt im öffentlichen Verfahren 347 neue silberne 
Remontoir-Taschenuhren zur Versteigerung. 
Diese Uhren waren mit vielen anderen bei dem 
Versuche, aus der Schweiz (Basel) nach Deutschland 
ingeschmuggelt zu werden, im Kreise Altkirch mit 
Beschlag belegt worden. Zuerst in einem einzigen 
ungetrennten Lose ausgeboten, erzielten die 317 
ihren ein Meistgebot von 3171 M. also 1 M 
mehr als 10 M. Durchschnittspreis für jede Uhr. 
Der Zuschlag wurde nicht ertheilt, sondern die 
Versteigerung Nachmittags 2 Uhr wieder eröffnet, 
vobei die Uhren, in Lose von je 10 Stück getheilt 
zur Auktion gelangten. In weniger als einer 
Stunde war das ganze Versteigerungsojekt ver— 
griffen, indem füc je 10 Stück ein Durchschnitts⸗ 
preis von 1152. 185 M. erreicht wurde. Einzelne 
Lose, besonders solche, bei denen sich eine oder 
zar zwei Damenuhren befanden, brachten bis zu 
160 M. pro 10 Stüd ein, so daß sich, im vor⸗ 
heilhaftesten Gegensatz zu den Vormittagsangeboten, 
ür sämmtliche 317 Uhren ein Gesammterlös von 
4279 M. ergab. Die Uhren sind durchaus schön 
jearbeitet und mit aller Zierlichkeit ausgestattet 
In Mülhausen lagern der Metz. Ztg. zufolge noch 
iber 3000 ähnliche konfiszirte UÜhren, welche in 
Lutterbach saisirt worden sind. 
F Die Lothringer Eisenwerke schließen 
nit 541,970 Mark Verlust, wovon 108,056 Mt. 
auf Abschreibungen, 306.111 Mark auf Betriebs— 
derlust kommen. 
F Vionville, 29. Okt. Heute zwischen 1 
und 2 Uhr Nachmittags ereignete sich hierselbst ein 
techt bdedauernswerther Unfall. Im Hofe des vor 
einigen Tagen über die Grenze geflüchteten Pfarrers 
—A 
Anhöhe, auf welcher ein Muttergottesbild steht; an 
den vier Ecken befindet sich je eine aus dem letzten 
Feldzug stammende Granate. Heute nun drangen 
einige Knaben in den Hof und holten sich eine 
Branate, um dieselbe in det Wohnung des einen 
stnaben auzuzünden. Die Granate krepierte und 
die Sprengstücke richteten entsetzliches Unheil an. 
Der eine Knabe wurde schwer am Kopf und Brust 
verletzt; dem zweiten wurde das eine Bein unter 
dem Knie weggerissen und das andere dermaßen 
beschädigt, daß es auch abgenommen werden muß; 
dem dritten wurde ein Knöchel durch einen Granat— 
plitter entzwei geschlagen, und nur der vierte kam 
mit heiler Haut und mit dem bloßen Schrecken 
dabon. Nach Aussage der hecbeigerufenen Aerzte 
soll wenig Hoffnung auf Erhaltung, des Lebens 
der beiden ersten Knaben vorhanden sein. Die 
dnaben befinden sich im Alter von10. und 13 
Jahren. cothr. Zig.) 
FBingen, 27. Okt. Die Aßmannshäußer 
und Ingelheimer Rothweine sind so schön gerathen 
wie noch selten zuvor. Der 1886er aus Bingen 
und den Nachbar-Gemarkungen vergährt rasch und 
hat bei lieblicher Süße einen feurigen Charakter. 
Auch hier wird der Heurige idem 1884er wenigstens 
»ebenbürtig; ein billiger Wenn wird er aber nicht. 
f Von der Nahe, 26. Okt. Fast überall 
hat die Weinlese einen besseren Ertrag geliefert als 
man erwartet hatte. Wäre alles das zur Reife 
zelangt, was im Keime vorhanden war und später 
während der Blüthezeit der Trauben durch ungün⸗ 
tiges Wetter, zum nicht geringen Theil durch 
Hagelschlag, zerstört wurde, es hätte so viel Most 
gegeben, daß die Bütten und Keller zur Aufuahme 
desselben nicht ausgereicht hätten. Jetzt ist aber in 
den meisten Orten wenigstens noch ein halber Herbst 
zu verzeichnen, was aber finanziell gegen frühere 
gute Jahre keinen Unterschied bedeutet, da in diesem 
Jahre für den Most mehr als das Doppelte des 
früheren Preises gezahlt wird. 
FMainz, 31. Olt. Der Chemiker Prof. 
Dr. Fresenius in Wiesbaden soll aus dem Darm— 
inhalt der beiden in Finthen secirten Leichen 
Cholerabacillen gezüchtet haben, ob es die Koch'schen 
sind, erscheint fraglich. Gleichzeitig fordert ein in 
der amtlichen „Darmstädter Zeitung“ erschienener 
Artikel die Bevölkerung von Gonsenbheim und 
Finthen dringend auf, in vorkommenden Krankheits⸗ 
ällen sofort ärztlichen Rath einzuholen. Neue Er⸗ 
krankungen sind n icht vorgekommen. 
F Mainz. 25. Oktober. Ein schrecklicher Vor⸗ 
fall hat sich hier in der verflossenen Nacht gegen 1 
Uhr abgespielt. Mehrere junge Leute im Alter von 
17 bis 20 Jahren waren in Gesellschaft eines Mäd⸗ 
hens in einer Wirthschaft auf dem Brand, wo unter 
hnen ein kleiner Streit entstand. Um 12 Uhr 
zing die Gesellschaft auseinander. Das Mädchen 
vurde von mehreren, die sich um seine Gunst stritten, 
nach Hause begleitet. Der 17jährige Barbier Otto 
Bechter aus Kreuznach gerieth dort mit dem 1 
ährigen Schuhmachen F. Blitz hart amitn 
vobei Blitz den Bechter mit seinem Stod über 
dopf hieb. Bechter zog einen Revolver und feu 
ier Schüsse ab, don denen drei in die Luft aun ertt 
vährend der vierte Blitz ins Herz drang. — 
inem Aufschrei stürtzte der Getroffene todt zur —* 
Verschiedene Leute fielen über den Mörder her uñ 
jieben denselben so erbarmungslos durch, daß n 
die Dazwischenkunft der Polizei weitere ernste Foh ir 
derhütete. Der Getödtete und sein Mörder 
beide ins Hospital gebracht, wo der letztere ins * 
angniß abgeführt wurde. 
F.Ein vertrauenswürdiger Diener 
„Jakob, eilen Sie, es sind noch 20 Minuten d 
inm Abgang des Schnellzuges, ich habe mein 
Banknoten-⸗-Mappe zu Hause auf meinem Schreib 
tische liegen lassen, sehen Sie zu, daß Sie s 
noch bis zum Abgang des Zuges bringen können 
wenn nicht, dann senden Sie mir das Geld sosoc 
per Brief nach Paris nach!“ sagte jüngst ein 
Frankfurtert Millionar zu seinem sehr treu— 
herzig aussehenden Diener am Neckar-Bahnhof. 
„Zu Befehl, gnädiger Herr“, sagte der Diener und 
ttürzte in rasender Eile davon, findet das Geld 
wo man ihm gesagt, steckt es zu sich, vetlaßt 
chleunigst das herrschaftliche Haus und bringt den 
derrn nicht allein das Geld — nicht an die Bahn 
sondern vergißt auch noch das Nachsenden un 
schließlich das Zurückkehren mit dem Gelde nach 
der herrschaftlichn Wohnung. Das Verschwinden 
des Dieners wurde zwar demerkt, jedoch der Grum 
erst nach einigen Tagen, als der Herr ia Pari 
vergebens auf die Ankunft des Geldes gewartel 
hatte und darum schrieb. Der Dieb ist verschwunden 
und hat so viel Vorsprung, daß er bequem Deutsch 
land verlassen konnte. Außer dem Gelde hateg 
auch noch verschiedene goldene Münzen und Gegen— 
stände aus Gold und Silber mitgenommen. 
F Eiserne Haäuser. Nicht mit Unreqt 
hat man unsere Zeit die „Zeit des Eisens“ genanni: 
wird doch in unseren Tagen das Eisen zu allen 
möglichen, früher nicht einmahl geahnten Zwecken 
derwendet, so jetzt gar zum Bau von ganzen 
däusern, und nicht bloß für die Faktoreien in 
stamerun, nein, auch Wiesbaden besitzt jetzt 
solch ein eisernes Haus. An der Ecke der Häfnei— 
und Kleinen Webergasse, wo noch vor Wochen zwei 
kleine unansehnliche Häuschen standen, erhebt sich 
jetzt ein stattlicher dreistöciiger Bau von etwa 12 
Meter Höhe, den Herren Gebrüdern Conradi ge 
yjörig, welcher in seinen sämmitlichen Außen⸗ und 
Innenwänden als Eisenfachwerk mit Hohlziegelaus- 
nauerung ausgeführt ist. Bestimmend für diese 
onstruktion war der dort sehr beschränkte Bauplat, 
welcher nur auf diese Weise rationell ausgenuß 
werden konnte. Was die Temperaturverhältnisse 
in diesem Hause anbelangt, so werden sie dieselben 
sein, wie in jedem Holzfachwerkbau, da das Eisen 
die Mauern nur in sehr dünnen Rippen durch- 
chneidet. 
FAus Bayern. In Waldthurn hat fich 
ein schreckliches Drama abgewickelt. Ein Bursche 
von 17. Jahren erstach ohne Absicht einen älteren 
Jugendfreund. Beide kamen in einen heftigen 
Streit wegen eines Mädchens; der jüngere zog 
sein Messer und stach den älteren Burschen in das 
Kinn; das Messer prallte ab und verletzte. den 
Armen am Halse dergestalt, daß der herbeigerufene 
Arzt nichts mehr zu dessen Rettung thun konnte. 
Der Tod trat bald darauf ein. Der Thäter und 
sein Opfer sind beide rechtschaffener braber Eltern 
Zinder und der Jammer über dieses Unglück ist groß. 
Dem Ermordeten wäre in den nächsten Tagen das 
Anwesen zugeschrieben worden. 
F In Süddeuischland zirkuliren falsche Fünf— 
markscheine. Sie sind 24 Zentmetr. schmäler 
als die echten, nicht aus Pflanzenfaserpapier, son 
dern aus gewöhnlichem starken Papier hergestellt, 
in welchem die dem ersteren eigenthümlichen Rippen 
zänzlich fehlen, die Pflanzenfasern jedoch durch 
ireuz und quer gezeichnete kleine Striche nachgeahmt 
sind. Das Waßserzeichen 5 an der rechten Seite 
des Scheines fehlt. Die Farbe des durch Lithe⸗ 
graphie (bei den echten Scheinen in Kupferstich 
hergeftellien Aufdrucks ist nicht bläulich⸗ schwarz, 
sondern bläulich-grün und blaß. Die vorgekommenen 
Falschstücke tragen alle die Nummer 609, 467. 
'Mäünchen, 29. Ott. Die „N. N. 
chreiben: Für die ersten Wochen des Novembei 
erwartet man einen großen Armeebefehl. 
Zahlreiche Pensionirungen stehen in Aussicht;