Full text: St. Ingberter Anzeiger

anzubinden und ihn zur Strafe für seinen Vorwitz 
dem Waidmesser des Jägers zu überliefern. 
— Biedesheim, 3. Nov. (N. B.) Heute 
hatten wir bei unserem Treibjagen schönes Wetter, 
aber nicht viel Hasen zu schießen. 70 Stück wur⸗ 
den niedergestrecki, dagegen noch vor einigen Jahren 
auf derselben Jagd 400 -500 Stück. 
— Speyer, 3. Nov. (Pf. 3.) Zu der 
heute dahier begonnenen Prüfung für die Erlang⸗ 
ung des Berechtigungsscheines zum einjährig,frei⸗ 
willigen Militärdienst hatten sich 11 junge Leute 
angemeldet, von denen 9 erschienen sind. Die für 
den deutschen Aufsatz gestellten Themata lauten: 
1. Uns Alle zieht, wie Schiller sagt, das Herz 
zum Vaterland. Welche Gründe bestehen hiefür: 
2. „Suche kein lautes Anerkennen! „Könne was, 
und man wird Dich kennen.“ P. Heyse. 3. Was 
lehrt uns das Sprichwort: „Wer sich nicht nach 
der Decke streckt, dem bleiben die Füße unbedeckt?“ 
— Speyer, 3. Nov. Die Versammlung des 
pfälzischen Apotheker-Gremiums wird am 
24. d. M. hier stattfinden. 
— Nach den Satzungen der Hilgard'schen 
Kreis-Stipendienstiftung für Studirende haben 
diejenigen Studirenden, welche sich für das Stu— 
dienjahr 1886,87 um Neuverleihung eines Sti— 
pendiums aus dieser Stiftung bewerben wollen, 
ihre bezüglichen Gesuche bis spätestens 15. Febr. 
1887 bei der kgl. Regierung der Pfalz in Vorlage 
zu bringen. Nach dem Willen des Stifters wird 
bei Verleihung des Stipendiums auf besonders 
talentirte Bewerber in erster Linie Rücksicht ge— 
nonimen. Diejenigen Studirenden, welche im 
vorigen Jahre mit einem Stipendium aus dieser 
Stiftung bedacht worden sind, und für das Stu— 
dienjahr 1886/,87 im Fortgenusse desselben bleiben 
wollen, haben ihre hierauf gerichteten Gesuche 
gleichfalls bis zum obengenannten Termine bei 
dieser Stelle einzureichen und den Nachweis darüber 
beizufügen, daß sie den gewählten Studien mit 
Ernst und Erfolg obliegen. 
— Am letzter Sonntag Nachmittag trat Herr 
Turnlehrer Bohlig aus Mutterstadt im Saale dei 
Fräul. Kohl in Weisenheim a. S. auf, gab seinen 
Anschauungen über das Turnen Ausdruck und be— 
währte seine stauneneregende Körperkraft durch ein— 
schlägige Productionen. Etwa 150 Personen von 
hier und Umgegend mögen anwesend gewesen sein, 
welche Herrn Bohlig für den gediegenen Vortrag 
und die unübertroffenen Leistungen durch rauschen— 
den Beifall und ein dreifaches „Gut Heil! ihren 
Dank ausdrückten. Dieses Auftreten war das letzte 
für die Pfalz. (F. 3) 
Vermtichtes. 
F Einen glücklichen Fang machte am 
Dienstag Nachmittag ein Angelfischer in der Saar 
bei Steinbach, indem er einen Hecht von 13 Pfd. 
ans Ufer zog. 
F Dem Vernehmen der „S.« u. Bl. ⸗Ztg.““* 
nach hat die Kgl. Eisenbahn-Direktion Köln (links— 
rhein.) verfügt, daß auf verschiedenen Bahn-Neben— 
strecken die J. Wagenklasse wegfallen soll. Auf 
den Haupistrecken Köln—Trier (Eifelbahn) und 
Bingerbrück-Saarbrücken bleibt die J. Wagenklasse 
nur noch für einige Züge bestehen. 
F Die Köln-Düsseldorfer Dampfschiff⸗ 
fahrts-Gesellschaft hat in den 50, Jahren ihres Be⸗ 
stehens im Ganzen 19,213,733 Personen und 
21,131,829 Etr. Güter befördert. Der Versonen— 
verkehr brachte zusammen 31,190,545 Mtk. und 
der Güterverkehr 13,713,148 Mk. ein, während 
die Betriebsüberschüsse 8,026,629 Mk. und die 
den Aktionären gezahlten Dividenden 4.911.000 
Mark betrugen. 
FBielefeld. 1. Novbr. Vielleicht der älteste 
Bürgerr Deutschlands ist der hier ansässige Rentner 
Markus Jordan, der eben seinen 107. Geburts⸗ 
tag feierte. Trotz des hohen Alters erfreut sich der 
alte Herr noch verhältnismäßig guter Körpers und 
Geisteskräfte. — Die hiesige Kolonie für Epile p— 
tisscchhe beherbergt gegenwärttg nicht weniger als 800 
solcher Unglücklicher, von denen allein 192 aus 
Westfalen stammen. 
FFreudenstadt, 3. Nov. Die Kinzig— 
thalbahn wurde nach einer Meldung der „Fr. Z.“ 
heute eröffnet und eine Besichtigungsfahrt unter— 
nommen. Der Festzug ging von Stutigart aus 
um 848 Uhr heute Morgen ab. Etwa 70 Per— 
sonen betheiligten fich, darunter der Miuister Miti⸗ 
nacht, hohe Eisenboahnbeamte und Abgeordnete. 
Zwischen Freudenstadt und Wolfach war überall 
ein festlicher Empfang veranstaltet. In Schildach 
tiegen der badische Minister Elstätter und der 
Beneraldirektor Eisenlohr ein. In Hausach fand 
Festfrühstück statt. Minister Mittnacht feierte den 
vroßherzog von Baden durch einen Toast. Die 
Bahnfahrt gewährt einen herrlichen Ausblick auf 
die wechselreiche Schwarzwald Szenerie. Mittags 
um 3 Uhr begann das Festdiner in Freudenstadt. 
F Ein frecher Spatz war durch einen Zufall 
n einer Fabrik in Syremberg in das Abfluß⸗ 
sohr des Reservoirs gerathen, durch welches der 
dessel der Dampfmaschine gespeist wurde und ver— 
topfte dasselbe vollständig. So blieb denn die 
Naschine und damit das ganze Werk stehen und 
im des Sperlings wegen mußten über 100 Ar—⸗ 
eiter feiern. 
F(haberfeldtreiben) Dem „M. B.“ 
vird aus Holzkirchen geschrieben: In der Nacht 
vom 30./31. Oktober fand in Ditramszell, 
ßgutsbesitzung des Reichsrathes v. Schilcher und 
Sitz eines Salesianerinnenklosters, 2 Stunden von 
hotzkirchen, ein Haberfeldtreiben statt. Der Heiden⸗ 
ärm, welcher Nachts 11 Uhr begann, dauerte über 
wei Stunden und sollen bestimmt 300 Schüsse 
Jefallen sein. Es wird erzählt, daß der Spektakel 
zem dortigen Gutsverwalter und zwei ansässigen 
Bauern gegolten haben soll. 
F Berlin, 3. Nov. Die „N. A. Zig.“ 
meldet: Der Abgeordnete Dr. Löwe (Calbe) ist 
gjestern in Meran gestorben. 
F Der Minister der öffentlichen Arbeiten ir 
Preußen hat über das Verhalten des Eisenbahn— 
Dienstpersonals gegen das Publikum unterm 
24. v. Mts. folgende Verfügung erlassen: „Neben 
dielen anerkennenden Aeußerungen über freundliches 
uind entgegenkommendes Verhalten des mit dem 
reisenden Publikum dienstlich verkehrenden Staats- 
isenbahn⸗ Beamtenpersonals sind leider in neuerer 
zeit auch manche Klagen über absprechendes und 
inhöfliches Benehmen einzelner Beamten zu meiner 
denntniß gelangt. Ich nehme daraus Anlaß, 
achdrücklich daran zu erinnern, daß F 1 des Be— 
riebsreglements, nicht minder 8 69, Abs. 1u. 2 
»es Bahnpolizeireglements für die Eisenbahnen 
Deutschlands, wie die gemeinsamen Bestimmungen 
ur alle Beamten des Staatseisenbahndienstes ein 
jöfliches und rücksichtsvolles, wenn auch entschiedenes 
Zenehmen gegen das Publikum zur besonderen 
pflicht machen. Die königlichen Eisenbahndirek— 
ionen und Eisenbahn-Betriebsämter begauftrage ich, 
die Beobachtung der vordbezeichneten Vorschriften 
orgsam zu überwachen, Verstöße gegen dieselben 
iachdrücklich zu ahnden und solche Beamte, welche 
sich durch ihr Verhalten als ungeeignet für den 
Verkehr mit dem Publikum ecwiesen haben, aus 
den betreffenden Stellungen zu entfernen. 
Berlin. (Das Handgepäck einer Athletin.) 
Miß Victorina, die Herkulesdame aus dem 
Loncordia-Theater, hat sich von hier nach Paris 
»egeben, um dort in ihr neues Engagement zu treten. 
—DDD0 
die Dame auf dem Perron des Bahnhofes Fried— 
richsraße mit einem zierlichen Kästchen in jeder Hand. 
Auf Befragen eines ihr bekannten Herrn, ob diese 
dästchen vieleicht iht Toiletten-Necessaire enthielten. 
jab Miß Victorina eines derselben dem Frager lachend 
n die Hand, und dieser wäcre von der Last beinahe 
usammengebrochen; denn das Kästchen enthielt eine 
)er hundertpfüündigen Eisenkugeln, mit denen die 
dame zu „spielen“ pflegt. Die beiden Kästchen 
ind einen wie einen Violinkasten geformten Behälter, 
der eine 200 Pfund schwere Kugelstange barg, nannte 
ie Miß ganz ernsthaft ihr „kleines Handgepäck“. Ihr 
Impresario, der ebenfalls mit Bärenkraft ausgestat— 
et ist, schob ähnliche „Nippes“ in ein Kupee des 
nzwischen eingefahrenen Zuges, und dabei thaten 
niese beiden „Spezialitäten“ so, als ob sich das ganz 
»on selbst verstände. 
F In Preßburg explodirte eine Dynamit— 
abrik, wobei vier Arbeiter todt, fünf schwer verletzt 
wurden. 
F Aus Maria-Thersiopel wird unterm 
30. Oktober gemeldet: Gestern nachts wurde die 
Wohnung des Grundbesitzers Geigr erbrochen und 
ine Viertel Million Gulden aus der eisernen Kasse 
zektohlen. Ein Preis von 5000 Gulden ist auf 
)en Thäter gesetzt. 
f Ein praktisches Mittel gegen die Cholera 
inpfiehlt ein Fiumaner Arzt Dr. Giacich; er be— 
jauptet, daß der tödtliche Ausgang der Cholera 
yom Herzschlag herrührt, weshalb in Fällen von 
*s5holera hauptsächtich auf die unausgesetzte Thätig— 
leit des Herzens und den Blutumlauf üßße 
zu sehen ist. Dr. Giacich verordnet — 
dung von Amoniak im Munde und Bnene— 
unter der Haut. Dieses Verfahren wurd, * 
der Cholera in Fiume mit groß 
egt d aroßem Erfolg ang 
FGayerisch Bier in Paris) di 
hariser entwicheln sich immer mehr zu Biechinte 
rotzdem übereifrige Patrioten und conturrenzunen. 
Zroduzenten sich dagegen empören, und der ne 
bariser Chauvinist Gustave Claudin in Paris ate 
jar behauptet, daß die „Verdummung“ der I 
heneration hauptsächlich aus dem Gersten safte ig rrn 
Mit der Weltausstellung 1867 zog in Pari 
Biener Bier ein, seit dem Jahre 1878 — 
ich das Bayerische zum Lieblingsgetränk des —* 
uuf. Aus Bayern kommendes hat in Paris 9 
uur der Güte wegen, sondern auch wegen 
holitischer Illusionen einen besseren Klang als —e 
eutsches. Berliner Bier — fi done und * 
vird „Moabiter“ recht gern in Paris —B 
Freilich eahnt wohl kein Franzose, daß 8 
Zier aus Berlin stammt, ebenfowenig wie 
zlaubt, daß das westfälische aus Preußen stamm— 
Zagt doch sogar ein Wirthshausschitd in der rue 
le Montmartre„Biöre de Westtalie (Buviore 
Allerdings macht das aus Berlin und dern ubrige 
Norddeutschland bezogene Bier den geringeren Theil 
des Pariser Consums aus. Muünchen fällt der 
Löwenantheil zu. Von dort trifft an jedem Somma 
norgen früh, bevor die Sonne aufgeht, ein —E 
nit Bierwagen in Paris ein, der Tagsbedarf da 
ranzösischen Hauptstadt. In den Schenken ist Alla 
is auf den lietzten Platz desetzt, so sehr hat s 
zas deutsche Bier dort eingebürgert. Man liestn 
»er „France“ die wüthenden Ausfälle gegen das 
erdummende deutsche Bier, die Trinker an den 
Tischen reichen das Zeitungsbtatt herum und 
assen sich lächelnd ein Viertel um das andere schäumend 
risch und mit überzeugender Schmackhaftigtkeit woh 
etommen. Auch den Ruf „Garçon, un demi höt 
nan nicht mehr selten, ein Beweis, daß auch die 
Franzosen eine tüchtige „Halbe“ mit der Zeit z— 
vürdigen verstehen. 
FAus Frankreich. Einen gräßlichen Selhst— 
nord beging kürzlich der Kappellmeister des Theaters 
n Beaubais, Namens Josephe Sachelle. Derselbe 
itt an einer unheilbaren Krankheit, die ihm das 
Leben zur Last machte, welches er nun auf eine 
ebenso originelle, als gräßliche Weise von fich zu 
werfen beschloß. Er verriegelte sich in seinem Zim— 
ner, setzte sich auf's Sopha und steckte sich eint 
leine mit Pulver gefüllte Bombe in den Mund die 
r darauf mittelst einer Lunte eatzüudete. Miteinem 
umpfen Knall zersplitterte der Kopf des Unglück 
ichen in tausend Theile und, die entsetzt in's Zim— 
mer Eindringenden fanden den Körper ohne Kopf 
auf dem Sopha sitzen, während die Wände und 
»ie Dielen mit Blut, Fleisch und Knochentheilchen 
ibersäet waren. Sachelle hinterläßt eine Frau mi 
)rei Kindern. 
F Die Pariser Wintermoden sollen 
nehrere tiefreifende Aenderung een bringen. 
Ddie betreffenden Künstler haben es so in ihren 
ersammlungen beschlossen. Haarkünstler, Kleider— 
nacher und Putzmacherinnen haben im Frühjahr und 
Zerbst ihre Versammlungen, um eine Verständigung 
iber die vorzunehmenden Neuerungen herbeizuführen. 
Die Haarkünstler haben beschlossen, daß von muin 
in die Haare in flachen Zöpfen und gerollten Locken 
iber den Nacken hinabgleiten sollen. Auf dem 
Kopfe selbst legen sich die Haare flach an und lassen 
oloß einige Löckchen seitwärts unter dem Hut her⸗ 
»orquellen. Die Hunde und Stirnlöckchen erhalten 
endlich den Abschied. Die Aenderung des Haar— 
aufputzes bedingt natürlich auch die Aenderung der 
Zutform. Der herausfordernd hohe Zuckerhut komml 
n die Rumpelkammer, wie jede gefallene Größe, 
oder geht zu den zurückgebliebenen Völkern, welch⸗ 
mit dem Abhub der Moden zufrieden sind. De 
niedrige Filzhut, das Barett, kommt oben auf. Al⸗ 
Zierde behalten ausgestopfte Thiere den Vorzug, 
aber da Vögel im Winter nicht lustig zu flattern 
pflegen, kommt hauptsächlich die Katze zu den längs 
enthehrten Ehren. Das Schmeichelkätzchen wird 
daher diesen Winter seine Berechtigung haben und 
nicht bloß zur Bildersprache gehören, denn natürlich 
werden junge und nette Kätzchen auf den Häuptern 
unserer Schönen ihr Heim aufschlagen. Endlich— 
und das ist die Hauptsache, soll mit der Besen 
tigung des Hinterhöckers Ernst gemach 
verden. Auch das seitlich angebrachte, Volapüd