Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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u St. Inaberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
su und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1M 60 — einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1 AM 75 , einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I35 , Neklamen 830 A. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
—B 220. Sonntag, 14. November 1886. 
21. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist 
Gemahlin am Mittwoch Abend wieder in 
erhin eingetroffen. Die Rückkehr des leitenden 
aatsmannes an den Centralpunkt der Geschäfte 
—D 
saufung des Reichstages zusammenhängen, doch 
aden wohl auch Fragen der auswärtigen Politik, 
prgiell die neuesten Ereignisse in Bulgarien, den 
achskanzler zur Rückkehr nach Berlin veranlaßt 
—5* dem Kaiser persönlich Vorträge hierüber 
u halten. 
trag des Vereins Ludwigshafen auf Trennung der 
Bewerbekammer von der Handelskammer. Dieser 
Antrag entspringt nicht einer Animosität gegen den 
Zandelsstand, sondern nur der Wahrung berechtigter 
Interessen. Was dem Handelsstand recht sei, sei 
ruch dem Gewerbestand billig. In Hamburg, Bremen, 
Lübeck, Leipzig ec. bestehenden bereits Gewerbekammern, 
zie sich bestens bewährten. Referent entwifft folgende 
Skizze einer Gewerbekammer: Dieselbe solle alle 
jelbstständigen Gewerbe umfassen, die mit der Hand 
)as Produkt verfertigen. Sodann Einführung von 
Schiedsgerichten, Gewerberäthen Vertretung bei 
Bericht als Richter, Reform des Lehrlings und 
Besellenwesens, Gewerbestatistik, Ausstellung, Ge⸗ 
etzgebung. Auf diese Weise möge eventuell eine 
Z2gliedrige Kommission sich bilden, welche eine 
Denkschrift zur Vorlage an die k. Kreisregierung 
uszuarbeiten hat. Die Frage wird auf dem nächsten 
LBerbandstag nochmals eingehend erörtert und unter⸗ 
dessen die Agitation in den Vereinen betrieben 
verden. 
F Aus der Oberpfalz, 10. Nob. Ein 
furchtbarer Sturm hat in der Staatswaldung bei 
Plößberg graͤßlich gehaust. So viel bis jeßt er—⸗ 
nittelt werden konnte. hat er 10,000 Ster Holz 
jeworfen. 
7 Neumarkt (Oberpfalz), 10. Non. Am 
Sonntag wurde beim Dorfe Pilsach ein Bauers⸗ 
nann auf der Jagd erschossen. Der Schuß ging 
dem Unglücklichen durch die Schläfe; trozß dieser 
geführlichen Wunde schleppte er sich noch einige 
Schritte, bis er seinen Geist aufgab. Eine Frau 
und 4 Kinder betrauern ihren Ernährer. 
F Aicha v. W. 6 Nov. Das einzige achtjährige 
Töchterchen des Gütlers Joh. Gsotiberger von Arbing 
ollte am vergangenen Mittwoch ihrer Base im be⸗ 
aachbarten Schilding Krapfen als übliches Seelen⸗ 
zeschenk überbringen. In der Nähe letzteren Ortes 
äͤberfielen zwei Halbhunde das arme Kind, brachten 
hm an Armen und Beinen gegen fünfzig Wunden 
hei und skalpirten es förmlich. Nur der Dazwischen⸗ 
kunft eines Zimmermanns ist es zu danken, daß es 
nicht ganz zerfleicht wurde. An dem Aufkommen 
des bedauernswerthen Mädchens wird gezweifelt. 
— Der behandelnde Arzt H. Dr. Graßl von Vils⸗ 
hofen sprach sich dahin aus, daß er so Gräßliches 
noch nie gesehen. Gestern noch fand man Stücke 
Haut sammt Haaren, welche dem Kind bis über 
die Ohren heruntergerissen wurde. 
* Die Aufsehen erregende Verhaftung von einer 
ndheren Anzahl von Arbeitern in Buckau bei 
Nagdeburg soll nicht wegen hochverrätherischer 
slänc, sondern wegen Verbreitung sozialistischer 
zIristen und ähnlicher Vergehen erfolgt sein. Die 
inze Angelegenheit ist offenbar sehr ausgebauscht 
srden, was schon daraus hervorgeht, daß mehrere 
vr Verhafteten wieder entlassen worden sind. 
*Die württem bergischen Kammern 
auf den 25. November, also denselben Tag 
ger Reichstag, einberufen worden. 
Vermischtes. 
F Metz 11. Nod. Im Schwurgerichtssaale wurde 
seute Vormittag der Handlungskommis Georg 
Tschunky aus Scheidt derhaftet welcher wegen im 
Monat Junisc. hierselbst verübter Betrügereien, 
Fälschungen und Unterschlagungen steckbrieflich ver⸗ 
olgt wird. 
FIn Worms hatte sich kürzlich Abends ein 
Müllerbursche die Rheinbrücke zur Ruhestätte aus⸗ 
ersehen und fiel im Schlafe in den Rhein, wo 
eine Müdigkeit rasch verschwand. Sein Hülferufen 
vurde zum Glück von der Bemannung des Tra⸗ 
ectbootes noch rechtzeitig vernommen und seine 
Rettung bewirkt. 
F Iserlohn, 10. Nov. GBestialität). In 
einer der letzten Nächte wurde hier ein Fabrikar⸗ 
heiter mit sehr starken Brandwunden am Arme 
nufgefunden, die eine Amputation nothwendig 
machten. Wse man hört, sollen Bergleute dem 
hetrunken auf der Straße Liegenden eine Zünd⸗ 
chnur an den Arm gebunden und dann angezün⸗ 
det haben. 
GeoßAufsehen erregt in ganz Baden ein 
Akt des Justizministers Nokk, welcher, wie badische 
ZBlätter jetzt schon ankündigen, ein Nachspiel im 
steichßtage und Landtage haben wird. Der Graf 
S„chönburg Glauchau, welcher sich mit einer adeligen 
Dame verehelichen wollte, weigerte sich, mit seiner 
Braut vor dem Standesbeamten in Karlsruhe 
ur Ziviltrauung zu erscheinen, sondern verlangte, 
»aß der Standesbeamte in der Wohnung des 
Brafen erscheine. Der Standesbeamte erklärte, 
)aß er die Trauung nur in dem vaem Gesetze be⸗ 
timmten Raume im Stadthause vornehmen werd⸗ 
ind blieb auch dabei trotz langer Unterhandlungen 
ind trotz der Intervention des Staatsministers 
Turban. Da mischte sich, wie die „N. B. L.“ 
zerichtet, derjenige Beamte, der in erster Linie zur 
Aufrechterhaltung der Gesetze berufen ist, der Ju⸗ 
tizminister Nolk in die Sache, und ertheilte dem 
Standesbeamten die Ordre, die Trauung in der 
Wohnung des Brautpaares vorzunehmen. Uabe—⸗ 
greiflicherweise gab der Karlsruher Stadtrath nach 
und der Standesbeamte nahm die Trauung in der 
Wohnung des gräflichen Brautpaares vor und zwar 
n einem mit altem Gerümpel gefüllten Raume des 
hauses! Der Bräutigam wollte den Standesbe—⸗ 
amten später durch Uebersendung eines silbernen 
Servdices ablohnen, das der Beamte jedoch zurücksandte 
»Ju Frankreich werden gegenwärtig, wie 
mwuns in Deutschland, die Aussichten für Bild— 
ig einer Mittelpartei erörtert, wozu die von dem 
maßigten Republikaner Duval in der Deputirten⸗ 
mmer gehaltene Rede den Anlaß gegeben hat. 
dhal plaidirte für ein ehrliches Zusammenarbeiten 
— 
zublikanischen oder dem monarchistischen Lager 
gehören. Vorläufig scheint aber die Mittelpartei 
uch in Frankreich noch haltlos in der Luft zu 
wohen. 
Fur die Redaktion veranwortlich: F. X Demme ß. 
PBαͥ¶ä MutlcettlaceäÄαÑc Mecectthtbt 
Landwirthschaftliches. 
J Die St. Ingberter Kirchweihe hat in diesem 
Jahre verschiedene recht guten Bluten getrieben 
und sogar die Localnuß — wie wir durch Ihren 
A Correspondenten erfahren — zur Reife gebracht, 
was bisher hier noch nicht der Fall gewesen war. 
Aus der späten Reife dieser Frucht dürften manche 
Obstliebhaber, deren es hier bekanntlich viele giebt, 
auf die Idee verfallen, diese Nuß als für hiesige 
Gegend besonders geeignet anzupflanzen; es mag 
daher eine nähere Beschreibung der Pflanze von 
Interesse sein: 
Die Localnuß gehört nach dem Linnoö'schen Sy⸗ 
stem in die zwölfte Classe, die sogenannten zwei- 
häusigen Pflanzen, bei denen männliche und weib- 
liche Blüten auf zwei getrennten Pflanzen vor⸗ 
kommen. Die Vermehrung der Pflanze hat bis 
etzt nur durch Samen erfolgen können und sind 
unseres Wissens Versuche, die Localnuß auf andere 
Weise fortzupflanzen bis jetzt nicht gemacht worden, 
dieselben dürften aber auch von wenig Erfolg be⸗ 
Ieitet sein. 
Dem Habilus nach gehoͤrt die Pflanze zu den 
Bäumen und nähert sich der Zwergbaumclasse. 
Was ihren Standort betrifft sei erwähnt, daß 
sie Gesellschaft liebt aber doch auch vereinzeli vor⸗ 
kommt. 
Die Anpflanzung der Localnuß ist sehr leicht 
und gedeiht dieselbe fast in jedem Boden im Freien 
owohl wie in akustischen Räumen. In den ersten 
Wochen nach dem Versetzen fängt sie an fich zu 
mntwickeln und treibt massenhaft Wurzeln. deren 
Umsichgreifen den umstehenden Pflanzen häusig 
schon nach wenigen Wochen sehr schädlich wird in⸗ 
dem sie die Wurzeln derselben umschlingt und ofl 
zanz verdreht. 
Aus obigem geht klar hervor, daß man die 
Localnuß für allgemeine Anpflanzung nicht empfehlen 
kann, denn sie ist in der Pflanzenweit dasselbe, 
was der Krakebler in der Gesellschaft. 
Ausland. 
Wien, 11. Nob. Es verlautet thatsäch—⸗ 
d, das Petersburger Kabinet habe vor einigen 
ugen der Fürsten von Mingrelien als 
uftigen bulgarischen Fürsten vorgeschlagen, zugleich 
anntgebend, daß es keinen von der gegenwärtigen 
branje gewählten Fürsten, auch Prinz Waldemar 
tht, aceptiren werde. Ueber den Fürsten Nikolaus 
m Mingrelien schweben nach der Fr. Ztg. Vers 
endlungen mit den Mächten. 
Sofsta, 11. Nop. In Ostrumelien herrscht 
nit. Nach Adrianopel geflüchtete Notable haben 
mä Einmarsch trükischer Truppen erbeten. — In 
oum wird das Eintreffen von 3000 Mann 
sischer Truppen erwartet. An dem Ausbau der 
gestigungen und an der Herstellung der Eisenbahn 
um⸗ Batum wird mit fieberhafter Eile ge— 
Hoitoaf 
Lokale und pfälziiche Nachricht eu. 
Dem Polizeidiener Hüge in Walsheim, 
itkzgamt Zweibrücken, wurde am 9. Nov. der 
nte Knabe geboren. Beim siebenten hatte König 
dwig Pathenstelle übernommen, beim zehnten soü 
Vrinzregent um Uebernahme der Pathenstelle 
gangen werden. 
— Speyer 9. Nob. Der Stadtrath hat nach 
n Vorgang anderer Städte den Namen „Polizei- 
mere in „Schutzmänner“ umgeändert. 
— Im Delegirtentag des pflalzische Gewerbever⸗ 
wu Spenyeer referirte Genaler über den An—