Full text: St. Ingberter Anzeiger

»*t. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
u „St. Insberter Anzeiger“! erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag. Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2 mal wochentlich mit Unterhaltungs 
De d Eonntagt mit 8seitiger illustrirter Betiage. Das Slatt koftet viertelzahrlich TA 60 Z einschliebun Tragerlohn; durch die Post bezogen 1.4 75 4, einschließlich 
Zuftellungsgebnhr. Die Einrückungsgebůhr fur die Abespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Vfalz 10 5, bei außerpfalzischen und solchen 
auf welche die Erpedition Auckunft ertheilt 13 3, Reklamen 80 —. Bei 400liger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
—————— ——— — — —— 
21. Jahrg. 
·— 
v . 
Montag, 15. November 1e86. 
—— — 
itische U Ausland. 
Volit sch ebersicht — Wien, 14. Nobbr. Eine Petersburger Meld⸗ 
Der Schwerpunkt der europäischen Lage be⸗ ung der soeben erschienenen „Neuen Freien Presse“ 
ndet sich augenblicklich wieder einmal in Pest, befsireitet, daß Fürst Nikolaus von Mingrelien, Ruß 
in den dort versammelten Delegationen die lands offizieller Kandidat sei; denn da derselbe kein 
Agarische Frage fortdauernd an erster Stelle fleht. Slavde ist, würde seine Kandidatur den bisherigen 
in Sonnabend dürfte Graf Kalnoky im Ausschusse ostensiblen Grundsätzen der bulgarischen Politil 
ungarischen Delegation die von letzterer ge- Rußlands widersprechen. Auch koͤnnte der Fürst 
vünschten Erklärungen über die allgemeine Lage von Mingrelien nach einiger Zeit, gleich dem Fürsten 
egeben haben und ob sich dieselben mit den Aeuße⸗ Alexander von Battenberg, Selbstständigkeitsgelüste 
gen Lord Salisbury's beim Londoner Lord- hegen. Dagegen tauchte in Petersburg als erster 
nahot's⸗ Bankett decken, wird man umgehend er⸗ sandidat der montenegrinische Wojwode Bozo Pe⸗ 
chren. Der englische Premier hat in seiner jüng‘“ rovics, ein Verwandter des Fürsten Nikolaus von 
A Kundgebung üͤber die Ereignisse im Orient Montenegro, persona gratissima beim Czaren auf. 
ekanntlich betont, daß die Politik Oesterreichs die⸗ (NR. B. L.) 
mige Englands in hohem Grade beeinflussen werde Wien, 14. Nob. Die Neue freie Presse kon⸗ 
iud' aus der Antwori Kalnoky's in der ungarischen statirt aus der heutigen Rede Kalnokys im unga⸗ 
delegation wird man hoffentlich erfahren, was es rischen Delegationsausschuß, daß zwischen Oesterreich 
it dem in letzter Zeit so oft angekündigten öster· und England sich eine Annaherung vollzog, welche 
eichisch · englichen Ejnvernehmen im Orient eigentlich sih von einer Allianz kaum mehr unterscheidet und 
wf sich hat. daß Kalnoky die Identität der Interessen Italiens 
mit Oesterreich und England konstatirte. 
Budapest, 18. Rov. Der Minister Kalnoky 
‚etonte in der ungarischen Delegation die friedliche 
Bestaltung der Lage und erkannte die unvergäng⸗ 
ichen Verdienste Bismard's um die Erhaltung des 
Friedens an. Eine Okkupation Bulgariens sei aus⸗ 
Jeschlossen. Kalnoky hält fest an den Erklärungen 
Tisza's. 
Paris, 18. Nov. Der Botschafter Herbette 
in Berlin berichtet, daß die Aufnahme, die er beim 
Fürsten Bismarck gefunden, ihn sehr befriedigt habe. 
Petersburg, 14. Nov. Kiewer Blätter 
melden von Massenausweisungen der Juden aus Kiew 
unter rigoroser Anwendung längst außer Kraft ge⸗ 
setzter Gesetze. Die Zahl der Ausgewiesenen sei 
groß. J (F. 3.) 
Tirnowa, 13. Nowb. Die Anwort des 
ꝛönigs von Dänemark lautet, Prinz Waldemar 
tönne die bulgarische Krone angesichts der augen⸗ 
zlicklichen Lage der Dinge nicht annebmen. 
F In Ni ederingelheim werden eben di 
letzten Mauerreste von dem Schlosse Karls des 
Großen abgetragen, um Neubauten Plaß zu machen. 
7 Staatsminister a. D. Herr Camphausen 
hat der evangelischen Gemeinde seines Geburtsortes 
Hunshoven bei Geilenkirchen die Summe von 30000 
Mark. geschenkt. 
pBerlin, 11. Nob. Afrikareisender G. A. 
Fischer ist heute Mittag am Gallenfieber nach 
eintägigem Krankenlager gestorben. (Fr. Ztg.) 
Einem Spitzbuben im Dorfe R. bei Seehausen 
erging es sehr übel. Er hatte 16 Brode aus dem 
im Garten eines Hof⸗ Besihßers dehenden Backofen 
zeworfen und wollie nun selbst aus dem Ofen 
heraussteigen als die schwere eiserne Thür in Folge 
cines Windstoßes dröhnend zuschlug und einklinkte. 
Wohl oder übel mußte der Langfinger mörderisch 
um Hülfe rufen, wenn er nicht in dem noch ziem⸗ 
lich warmen Raume geröstet werden wollte. Erst 
in der Frühdämmerung eilten Leute herbei, die den 
Burschen tüchtig durchbläuten und dann laufen ließen. 
F'Paris, 183. Nor. Die Rhone fällt lang⸗ 
sam. Bei Embrun an der Durance sfind 8 Ver⸗ 
sonen durch Einsturz verschüttet. 
F Eine Luftdynamiteuse hat der franzöfische 
Lduftschiffer Godard erfunden und dieser Tage im 
Tuilerienhofe zu Paris steigen lassen. Dieselbe 
st mit geheizter Luft gefüllt und trägt die Heizvor⸗ 
richtung; mittels eines Ventils läßt man das Fahr⸗ 
zeug nach Belieben steigen oder sinken, um günstige 
dufiströmmungen aufzusuchen. Godard fuhr mit 
zroßer Sicherheit mehrmals auf und nieder. 
In der Parifser Alademie wurde vor einigen 
Tagen eine interessante chirurgische Operation aus⸗ 
geführt. Ein zwoölfjähriges Mädchen litt an einem 
Absceß, der sich an der Lunge gebildet hatte. Zwei 
Aerzte entschlossen sich zu einem operativen Eingriff. 
In den Körper der Kranken wurde unter dem 
Schulterblatt ein Einschnitt gemacht, welcher die 
unfte und sechste Rippe bloßlegte: ein weiterer 
Schnitt führte zu dem Absceß, der von der 
dunge vollständig abgelbst wurde. Hierauf 
wurde alles wieder vernäht und die Kranke geht 
ihrer baldigen Genesung entgegen. 
4 Eine neue Sitte.) Eine neuer Brauch 
hat fich in Frankreich eingebürgert, der vielleicht 
auch für deuilsche Gesellschaften sich anwenden ließe. 
Hier wie jenseils der Vogesen hat man gewiß schon 
die Schwierigkeit empfunden, Gaste bei Tisch zu 
reihen, ohne bei dem einen oder anderen Mißfallen 
zu erwecken. Um hier die Willkür auszuschließen. 
laßt man den Zufall des Looses walten. Wenige 
Minuten, ehe man sich in den Speisesaal begibt, 
fommt ein Diener in den Salon, eine Schale 
lragend, welche auf kleinen Rollen die Namen der 
Tischgäste enthält. Mon greift hinein und bestimmt 
auf diese Weise seinen Nachbar. 
Rom, 11. Nov. Der Po und dessen Zu⸗ 
flüsse sowie die Etsch steigen. Einer Meldung aus 
Genua zufolge stürzie die Brücke bei Albenge ein, 
wodurch ein Lastzug ins Wasser stürzte; fünf Per⸗ 
sonen wurden getödtet. In Folge des Austretens 
des Barmideflusses ist die Gegend zwischen Marengo 
und Alessandria überschwemmt. 
In Rom verschied die Fürstin Gaetani, 
welche seit 1836 als Nonne im Kloster gelebt hatte. 
Sie hinterließ dem Kloster ihr ganzes Vermögen 
im Werthe von 600,000 Vire. 
Der Londoner Gexrichtshof erkannte vor 
einigen Tagen einer deutschen Gouvernante Namens 
Pape gegen einen ältlichen Deutschen Namens 
Die Bestrebungen zur Herstellung eines 
nernationalen Eisenbahnfrachtrechts haben auf 
hweizerischem Boden soeben eine neue Förderung 
qfahren. In Bern tagte in voriger Woche die 
ritie Konferenz in der ecrwähnten Angelegenheit 
ind ist, nachdem auch die Delegirten Deutschlands 
as Schlußprotokoll unterzeichnet haben, von der 
chweizerischen Regierung das Ersuchen an die auf der 
donferenz vertreten gewesenen Regierungen gerichtet 
vorden, die Delegirien zur Festsetzung eines defini⸗ 
iven Uebereinkommens auf der Grund der verein⸗ 
narten Entwürfe zu ernennen. 
In Spanien herrscht wieder eine bedrohliche 
Adufregung. Die Regierung trifft militärische Vor⸗ 
ichtsmaßregeln. Aus der Provinz, namentlich aus 
datalonien laufen beunruhigende Nachrichten ein. 
In Kadix weigerten sich 700 nach Kuba bestimmte 
Soldaten, sich einzuschiffen. Das Ministerium Sa⸗ 
asta steht auf sehe unsicheren Füßen, da es von 
ints wie von rechts bekämpft wird. Von links 
nacht man dem liberalen Ministerpräsidenten den 
horwurf, er habe die versprochenen Reformenhnicht 
zurchgeführt, und wariet dabei nicht ab, ob er nicht 
en am 18. d. M. zusammentretenden Kortes ent ⸗ 
prechende Entwürfe vorlegen wird; kurz, man ist 
mzufrieden, und erhofft von dem Sturze Sagastas 
as eigene Aufsteigen. Darin indessen durfte man 
ich gruͤndlich täuschen. Fällt Sagasta, so wird 
oraussichtlich ein konservatives Ministerium Lopez 
Hominquez sein Erhe sein. 
Vermischtes. 
f Die neuen Briefmarken für die afrika— 
nischen Kolonien und Neuguinea sollen am 
1. Januar 1887 in Verkehr gegeben werden. Die— 
jelben sind in der gleichen Farbe und Werthbe⸗ 
Feichnung wie die deutschen Marken hergestellt und 
ragen nur oben den Vermerk: „Kolonien des 
deuischen Reiches“, unten .Afrika“ oder .Neu— 
guinea r. 
Pfarkirchen, 10. Nov. Der Gütler 
Franz Mackel von Hoch holz wurde seit 8. Sept 
Irs. vermißt, und es ging in der Nachbarschaft 
das Gerücht, derselbe sei ermordet worden. Dieses 
Gerücht hat nun seine Bestätigung gefunden: Ges⸗ 
tern fand ein Gendarm etwa hundert Schritte won 
dem Hause des Vermißten entfernt dessen Leiche ir 
einer Wiese vergraben. Die Frau des Mackel, zur 
Rede gestellt, gab an, ‚der eigene Stiefsohn habe 
seinen Vater erschossen und dann hätten sie gemein⸗ 
schaftlich die Leiche vergraben. Die Frau wurde 
sofort in Haft genommen und gegen den Sohn, 
der unterdessen zum Militär eingerückt ist, Haftbe⸗ 
fehl erlassen. 
f Mainz, 12. Nov. Hier ist man einem 
omplott auf die Spur gelangt, das schon seit 
Jahren die Plünderung der auf der hessischen Lud⸗ 
wigsbahn zur Beförderung gelangenden Güter sys⸗ 
tematisch betreibt. Nicht weniger als 6 Bremser 
sind bis jeßt verhaftet worden. 
DEches Reich. 
München, 12. Nov. Der Vorstand der 
Inwalustammer für den Oberlandesgerichtbe— 
itk München hat auf morgen Nachmittag eine 
Sitzung anberaumt, in welcher Berathung gepflogen 
vird über die neue Novelle zur Gebührenordnung 
der Rechtsanwälte. Der Anwalisverein München 
zält zu gleichem Zweck heute Abend eine Versammlung. 
Berlin, 18 Nov. Einem hiesigen Tele— 
graphenbureau wird aus Tirnowa gemeldet: Die 
Kegentschaft demissionirte, weil der König von 
Danemark telegraphisch die Ablehnung des Prinzen 
Waldemars mitibeilte.