Full text: St. Ingberter Anzeiger

bei Getreidearten, Hülsenfrüchten, Mais ꝛc. nicht 
inter 2 Kilogr. und bei Kleesamen und sonstigen 
—A 
—Kaiserslautern. Die Einweih⸗ 
ung der neuen Synagoge findet am Frei— 
jag den 26. Februar statt. Nachmittags um 2 Uhr 
Zewegt sich der Festzug von der alten Synagoge 
zum neuen Tempel, wo der erste Gottesdienst statt⸗ 
findet. Am Freitag Abend ist Reunion, am 
Samstag Ball in der Fruchthalle. 
— Ingenheim. Konkurs wurde eröffnet 
über das Vermögen von Markus Marx, Handels⸗ 
mann dahier. 
— Speyer, 29. Jan. In der gestrigen 
Sitzung des Schöffengerichts wurden nicht weniger 
als drei Milchhhändler wegen fortgesetzter 
Beimischung von Wasser zu der Milch in Strafen 
von 40, resp. 25 Mk. genommen. 
— Speier, 30. Januar. Gerüchtweise ver⸗ 
lautet, daß der kommandirende General des 2. Armee⸗ 
korps, General der Infanterie Ritter v. Orff, 
um seine Pensionirnng nachzusuchen gedenke; der⸗ 
selbe ist set dem Jahre 1875 Armeekorps-Kom⸗ 
mandant und seit 3. November 1880 General der 
Infanterie. Der rangälteste Generallieutenant und 
präsumtive Armeekorps⸗-Kommandeur wäre dann 
der Kommandeur der 1. Division, Prinz Leopold, 
seit 16. Juni 1881 in seiner Charge und Dienst⸗ 
stellung. 
Von Heinrich Hilgard (Villard.) 
* Der „Pfälz. Volkszeitung“ (Kaiserslautern) 
entnehmen wir das nachstehende vom 13. Januar 
aus New-NYork datirte Schreiben, welches den 
Stern Hilgards, unseres großmüthigen 
Landsmannes, im Wiederaufsteigen erscheinen 
läßt. Das Schreiben lautet: 
„Das Börsenquartier, genannt Wall ⸗Street, 
war am Montag ebenso erregt wie am 17. Dez. 
1883, an welchem Tage die große Oregon⸗Eisen- 
bahn⸗ und Schifffahrts⸗Gesellschaft und mit ihr 
Mr. Henry Villard fallirte. Am Montag über⸗ 
machte nämlich die Oregon⸗Gesellschaft för den 
nominellen Betrag von eiuem Dollar an Mrs. 
Villard, die Gattin des Herrn Heinrrch Hilgard, 
die glänzenden Paläste, welche an der Mathison⸗ 
Avenue stehen und von der 50. nnd 51. Straße 
begrenzt werden. Auf diesen Gebäuden lastete 
eine Hypothek im Betrage von 300,000 Dollars 
an Lieferanten für die Einrichtung und Ausstatt⸗ 
ung; auch diese Hypothek wurde am Montag 
getilgt. 
Als das wertbvolle Eigenthum wieder an Mrs. 
Villard zurückgegeben war, ließ sie sofort durch 
hren Rechtsbeistand, Mt. A. H. Holmes, zwei der 
häuser, jedes zu 68,750 Dollar, verkaufen und 
nahm eine Hypothek im Betrage von 800,000 
Doslar auf das Doppelhaus an der Ecke der Ma— 
hison ⸗Avenue und 50. Straße auf. 
Der bekannte Bankier Henry Clews, darüber 
befragt, wie es Mr. Villard ermöglicht habe, die 
Forderungen der Oregon⸗Eisenbahn- und Schiff- 
fahrtsgesellschaft zu zahlen, erklärte: „Selbstver- 
ttändlich kann ich nichts Definitives sagen, aber 
soviel steht fest, daß Villard keineswegs so sehr 
von Mitteln entblößt war, wie Viele glaubten; 
zudem find seit der Zeit des Kraches seine Werth⸗ 
papiere sehr bedeutend gestiegen; dadurch, sowie 
durch den Verkauf mehrerer Häuser war es Mr. 
Villard nach meiner Ansicht möglich, die Forder⸗ 
ungen der Oregon⸗Gesellschaft zu tilgen.“ 
Auf die weitere Frage, ob er (Bankier Clews) 
glaube, daß Mr. Villard als Unternehmer wieder 
an die Oberfläche kommen würde, lautete die Ant⸗ 
wort: es gehöre keineswegs zu den Unmöglichkeiten, 
daß Mr. Villard von neuem an die Spitze der 
Nord · Pacific-⸗Bahn träte; doch sei dies noch unge⸗ 
wiß. Mr. Villard befinde sich zur Zeit in Paris 
und werde wohl noch einige Zeit dort verweilen, 
obgleich verschiedene Zeitungen behaupten, er werde 
demnächst nach Newe York kommen. 
Der Rechtsanwalt Mr. Holmes, ein warmer 
Freund des Herrn Villard, erklärt, die Gesund⸗ 
heit desselben sei zwar vollständig wieder hergestellt, 
doch wisse er nicht genau, ob derselbe wieder an 
die Spitze einer Eisenbahn⸗Unternehmung treten 
werde. 
Auch Mr. Holmes wurde befragt, auf welche 
Weise sich Mr. Villard mit der Oregon⸗Gesellschaft 
abgefunden habe, und die Antwort ging dahin, 
daß Mr. Villard jeden Dollar seiner Schulden be— 
zahlt habe. Das Haus an der Ecke der 50. Straße 
n welchem Mr. Villard wohnte, befindet sich unter 
»er Obhut eines Aufsehers und dessen Frau 
ind ist noch in genau demselben Zustande, 
vie es war, als sich Mr. und Mrs. Billard 
iach Europa einschifften. — 
Mr. Villard beabsichtigte, 2,000,000 Dollars 
uuf seine Häuser an der Mathison⸗Avenue zu ver⸗ 
venden. Für die Herstellung der Halle seines 
Zauses lies Mr. Villard italienische Künstler kom⸗ 
nen. und das Material der Halle besteht aus 
selbem Marmor. Die Zeichnungen dazu sind von 
5t. Gaudens entworfen und das Ganze kostete 
0.,000 Dollars. 
„Goldnagel-Heinrich,“ wie Mr. Villard im 
holksmunde häufig genannt wurde, von der Ver— 
odendung eines goldenen Nagels bei der Befestig- 
ing der letzten Schiene an der „Northern Pacific⸗ 
stailroad“, ist ein großer Musikfreund, und es lag 
m seiner Absicht, am Ende des Korridors in seinem 
zalaste eine eigene Musikhalle mit einem Theater 
rbauen zu lassen. Auch eine große Orgel war 
ür die Mufikhalle bestimmt und weitere Pracht⸗ 
jemälde und Statuen sollten das Heim des Kunst⸗ 
näcens außer den bereits vorhandenen Kunstschätzen 
chmücken, die einen Werth von 85.000 Doll. re⸗ 
yräsentiren.“ 
Vermischtes. 
Das Polizeipräsidium von Aachen ist mit 
zankenswerthem Eifer bemüht, aus den bei dem 
Zrande der Kaysec u. Biesing'schen Spinnerei ge⸗ 
ogenen Lehren die Nutzanwendung zu ziehen. Eine 
im 25. d. erlassene Bekanntmachung behandelt die 
Fabrikfenster, die zumeift aus eisernen Rahmen be⸗ 
tehen, in denen nur eine Scheibe sich öffnen läßt 
und die daher bei einem Brande die Rettung von 
Personen durch die Fenster unmöglich machen. Es 
muß bei den Fabrikgebäuden in allen über dem 
ẽrdgeschoß befindlichen Stockwerken immer abwech⸗ 
And wenigstens das zweite Fenster dergestallt zum 
Deffnen eingerichtet werden, daß es sich um seine 
Achse drehen läßt, oder in sonstiger Weise nach 
rußen zum Oeffnen eingerichtet und mit einer 
Sperrstange zur beliehigen Stellung versehen wer⸗ 
»en. Jene Sperrstangen können auch dazu dienen, 
im die für den Fall der Noth in jeder Etage be⸗ 
eitzuhaltenden Rettungstaue daran zu befestigen. 
lußerdem sind zur Verminderung der Feuersgefahr 
n den Fabriken die Gasflammen, bezw. jedes Licht 
nit einer Umhüllung, z. B. mit einem Drahtkorbe, 
u versehen, wie dies im Theater bereits der Fall ist. 
F Köoln, 24. Jan. Vorgestern wurde aus 
»em Zuchthause ein Mann entlassen, welcher 18883 
vegen Straßenraubs zu 6 Jahren Zuchthaus ver⸗ 
irtheilt war. Eine Frau, die damaligen Haupt⸗ 
elastungszeugin hatte auf dem Sterbebelte bekannt, 
aß sie bei der Verhandlung gegen den armen Mann 
in falsches Zeugniß abgelegt habe. 
F Koln, 1. Februar. Der Haupt⸗ und Glanz⸗ 
punkt des diesjährigen Karnevals wird selbstredend 
vieder der Rosenmontagszug sein. Wir sind 
chon jetzt in der Lage, den vom Vorsitzenden 
er Großen Karnevals ⸗- Gesellschaft, Herrn Em. 
Nosler entworsenen Plan vollständig mitzu⸗ 
heilen. Das Gesammibild, in welches sich 
ie einzelnen Ideen einreihen werden, soll die vier 
Jahreszeiten darstellen. Diesen voraus gehen fol⸗ 
jende Nummern: 1) die Vorreiter, 2) ein Musik⸗ 
orps, neu ausgestattet (Renaissance), 8) die An- 
soncen Uhren, 4) Heiligenmägde und Knechte, 5) 
Frommler und Pfeifer, 8) Musikkorps der Funken, 
) Funkenlommandant nebst Stab, 8) Korps der 
Funken⸗Infanterie, 9) Funkenzelt, 10) Funken⸗ 
Irtillerie, 11) die Geschütze, 12) Schützenliesel, 18) 
hohenstaufenbad mit Schwimmvorrichtungen, 14) 
Nusikkorps der Köche, 15) eine Fußgruppe, die 
rischen Gemüse darstellend: Erbsen, Möhren, 
S„pargel, Kohlköpfe, Zwiebel u. s. w, 16) ein 
chef, welcher die Küche dirigiert, 17) ein Aufsatz 
von vorsündfluthlichem Gethier, 18) eine mächtige 
Bastete mit allerlei pikanten Zuthaten, 19) wan⸗ 
zernde Käse in Gold⸗, Silber⸗, Papierpackung und 
m puris naturalibus, 20) eine Preisjury in der 
dölner Weckschnapp. Nun entwickelt sich das Bild 
er vier Jahreszeiten. 21) Libellen - Musikkorps, 
32) Erdbeeren, Kirschen und sonstige Gaben des 
zrühlings, 23) Blumenkörbe, 24) die Poller mit 
rischen Maifischen. Die Nummern 24 bis 29, 
inschließlich Waldmeisters Brautfahrt in Pracht⸗ 
dagen, Gruppen, Musikkorps (Kölnische Karnevals⸗ 
esellschaft), 30) dicke Bohnen mit Speck, 31) ein 
esiger Kartoffelaufsatz mit allem, was aus der 
dartoffel gemacht werden kann, 32) Fußgänger 
welche Aehrengarben tragen, 83) Musitkorps de 
Schnitter (Gesellschaft Ossian), 34) Vorreiter, als 
Schnitter getleidet. 35) Wagen der Ceres, 36) 
Weinrebenträger, 37) prämiirte Weine, 38) eine 
Jagdmeute, 39) Vorreiter (Jäger), 40) eine Jagd 
uuf Geflügel, 41) farcierter Schweinskopf, 45) 
Vorreiter zun Jagdwagen, 43) Jagdwagen der 
Diana, 44) eine Deputation der Tiroler Kappus— 
chaber. 45) Musikkorps (Kappus und Wirsing, 
16) Kölner Bauer und Jungfrau, 47) Winter- 
andschaft mit Schneemann, 48) Nikolausgabe 
ür große und kleine böse Kinder, 49) der heilige 
Mann und die heilige Frau. ihre Gaben austhei. 
end, 50) eine Reitergrupppe, 51) das Präsidium, 
32) die hanswurstliche Hofkapelle, 53) die Ehren. 
—E 
Sieg des Frühlings), 55) eine Volksküche, in 
velcher jeder „sein Deilchen“ ausgeschöpft erhält. 
der Humor wird bei dem ganzen in bevorzugtem 
Naße seine Rechnung finden, und besonders den 
vesellschaften, welche den Zug mitmachen, wird 
selegenheit genug geboten sein, dem Bilde seint 
jeitern Lichter aufzusetzen. Maler Toni Avenarius 
st mit der Zeichnung des Zuges beschäftigt. 
fFDarmstadt, 30. Jan. Wie wir erfahren, 
st jetzt endlich — gestern Nachmittag — der als 
kheilnehmer am Fach'schen Raubmord gesuchte 
Netzgerbursche Wilhelm Oldendorf — der 
dame wurde bisher von den Blättern immer 
älschlich Ollendorf geschrieben — in Aschaffenburg 
yerhaftet worden und bereits hierher überführt 
vorden. Er hat seine Theilnahme an dem Raub⸗ 
norde schon eingestanden. Der andere Verhaftete 
dagegen, Traugott Ferdinand Kern aus Kittlizz, 
eugnet noch immer, ist aber nach den vorhandenen 
Indizien der Mitthäterschaft an dem Verbrechen 
oll standig überführt. 
F Franksurt, 30. Jan. Einen Menschen- 
uflauf auf der Zeil und vor der Hauptwache ver⸗ 
rrsachte heute Abend 6 Uhr der Transport eines 
Interoffiziers des 81. Regiments auf der Haupt⸗ 
vache. Derselbe soll im Meirner'schen Cigarren- 
jeschäft, Ecke Zeil und Schäfergasse, bei Einkauf 
einer Cigarrenspitze von Herrn Meixner jun. dabei 
extappt worden sein, wie er eine Meerschaumspitze 
ꝛskamotirte, und wurde von einem schnell herbeige⸗ 
cufenen Schutzmann einer Patrouille von der Kon⸗ 
tablerwache übergeben, welche den Dieb in die 
Mitte nahm und auf die Hauptwache führte. Der 
Anteroffizier versuchte sich der Verhaftung zu wider⸗ 
setzen. indem er blank zog, was ihm aber nichts 
genützt hat. 
F Ein schwäbischer Bauer kritt in einen 
Materialladen, um dort Einkäufe zu machen. 
Während der Lehrling ihm seine Waaren zuwägt, 
ann ersterer der Versuchung nicht widerstehen und 
äßt ein Stückchen Zucker, das zufällig auf dem 
dadentisch liegt, in sinem Munde verschwinden. 
Der Lehrling hat es bemerkt und fragt bald darauf, 
vie erschrocken, in den Laden hinein: „Wo ist das 
5tück Arsenik geblieben, das hier auf dem Tische 
ag?“ Dem Bauer geht's heiß und kalt über den 
kücken, und angsterfüllt bekennt er sich als den 
Thäter. „Mann Sie sind des Todes.“ erwiederte 
der Lehrling; „aber ich habe hier ein Gegengift. 
Rehmen Sie rasch, so viel Sie davon lassen 
vnnen!“ Und er füllte ihm aus der Heringstonne 
in Bierglas mit Salzlake. Willig stürzte der 
irme Bauer den scheußlichen Trank hinunter, um 
vomöglich sein Leben zu bergen. Damit eilte er 
jinaus, um ein Gegengift am nahen Brunnen zu 
inden. Er hat seitdem keinen fremden Zucker mehr 
genascht! 
F Sonneberg. Ein entsetzliches Geschic 
raf vor einigen Tagen einen Lehrer. Derselbe 
hatte die Weihnachtsferien bei seinen Angehörigen 
in Lauscha verbracht und befand sich zur angedeu⸗ 
eten Zeit im Eisenbahnwagen auf dem Heimwege 
aach Köpenick bei Berlin, wo er angestellt ist. Das 
Toupe war gut geheizt und dem jungen Manne 
vurde es zu heiß, weßhalb er das Wagenfenster 
gIffnete und sich, um sich abzukühlen, zu demselben 
zinausbog. Aber nach wenigen Augenblicken fuhr 
er entsetzt zurück; denn er hatte plötzlich durch den 
raschen Uebergang von der Wärme in die Kälte 
ind durch die Zugluft auf beiden Augen die Seh⸗ 
raft verloren. Mitreisende geleiteten den Bedauerns⸗ 
verthen nach Berlin, und ein dortiger Arzt sandte 
hn nach der berühmten Klinik in Halle, wo der 
Unglückliche Heilung erhofft. Dieser Fall dürfte für 
Biele eine ernste Lehre sein!