Full text: St. Ingberter Anzeiger

Fürst Bismarck beantragte ursprünglich ein unbe⸗ 
dingtes Schutz- und Trutzbündnis mit parlamenta- 
rischer Sanktion. Nachdem Od?sterreich abgelehni 
hatie, wurde durch Graf Andrassy das Bundnis 
in der jetzigen Form formuliert. Bismarck gecep 
tierte dasselbe, und 1879 erfolgte der Abschluß, 
Darnach sind die Verbündeten zur gegenseitigen 
Hilfeleistung lediglich dann verpflichtet, wenn einer 
von ihnen gleichzeiig zwei Gegneru gegerüberfteht. 
Das Bündnis garantiertbeiden Teilnehmern den gegen— 
wartigen Besihstand. Daselbebe steht nur aus wenigen 
Bestimmungen, unter welchen eine die anarchistische 
Bewegung vetrifft. Ueber die Angliederung Ruß— 
lands an“ den Zweibund verlautet, Bismarck selbs 
habe die Notwendigkeit hiervon betont und unter 
Hymerle die Annäherung Rußlands bewirkt. 
Paris, 24. Nov. General Thibaudin, der 
frühere Kriegsminister und wortbrüchige Kriegsge⸗ 
fangene von 1870, wurde, wie versichert wird, 
zum Oberbefehlshaber der Truppen in Tonking 
ernannt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— In Trier kam eine Anklage wegen vorsätz⸗ 
licher Körperverletzung mit tödtlichem Erfolge zur 
Verhandlung. Angeklagt war der bereits vielfach 
bestrafte Carl Adolph Bauer, 20 Jahre alt, Sattler— 
geselle, geboren zu Kusel, zuletzt wohynhaft zu 
Hermeskeil. Der Gerichtshof verurtheilte den An— 
geklagten zu einer Zuchthausstrafe von 10 Jahren 
und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf 
gleichfalls 10 Jahre. 
3 —Dr. Isatk Stern, geprüfter Rechtsprakti⸗ 
kant von Obermoschel, ist zur Rechtsanwalt— 
schaft bei dem kgl. Landgerichte Zweibrücken zuge— 
lassen worden. 
— Kandel, 28. Nob. Zwei Männer, ein 
gewisser Scherer von Berg und ein Badenser, 
welche seit langen Jahren in Amerika sich aufhiel⸗ 
ten und kürzlich zum Besuch in ihrer alten Heimath 
eintrafen, wurden gestern in Berg, des jüngst in 
Ludwigshafen verüdten Uhrendiebstahls verdächtig 
verhaftet und dem hiesigen Amtsgerichte überliefert. 
Wie man hört, hat die Durchsuchung ihrer Effekten 
und die Vernehmung weitere Verdachtsmomente 
nicht ergeben und wurden dieselben heute Abend 
—V bei 
ihnen amerikanische Werthpapiere und nur wenig 
deutsches Geld, beides im Gesammtbetrage von einigen 
Tausend Mark Sollten die Leute unschuldig sein, 
so werden sie sich noch lange eines so liebenswür⸗ 
digen Empfanges in der Heimath erinnern, sind sie 
aber wirklich Gauner, so werden sie der verdienten 
Strafe nicht entgehen. 
Im Dialonissenhause zu Speh er befindet 
sich eine schwer erkrankte Schauspielerin der dort 
bis vor kurzem gastirenden Theatergesellschaft in 
Pflege. Dieselbe ist eine geborene b. Sternau; 
deren Bater Oberingenieur der österreichischen 
Staatsbahnen zu Klagenfurt, wurde von dem höchsf 
bedenklichen Zustand seiner Tochter pflichtgemäß 
alsbald benachrichtigt. Dessen Antwor auf jene 
Hiobsboischaft war jedoch eine sehr kurze, denn sie 
autete: Er habe keine Tochter, welche Schau⸗ 
spielerin sei!“ Die Beklagenswerthe ist infolge 
ihrer Berufswahl s. Z. aus dem Elternbause ver⸗ 
stoßen worden, 
Vermischtes. 
Wie verlautet, werden demnächst die Abtheil⸗ 
ungen der in Me tz liegenden baher. Besatzungs⸗ Bri⸗ 
gade, nämlich die Infanterie⸗Regimenter Nr:. 4 und 
8, mit dem Mauser· Magazin⸗Gewehre bewaffnet 
werden; hierauf joll die Abgabe dieser Gewehre 
an die Infanterie⸗Bataillone des 2. bayer. Armee— 
korps, zunächst an die pfälzischen Garnisonen, dann 
an das 1. bayerische Armeekorps cerfolgen. 
. Aus dem Landkreise Mestz, 20. Nov. schreibt 
man der „Str. Post.“. Die durch verschiedene 
Zeitungen von jenseits des Rheines gebrachte 
Rachricht daß die Lothringer Eisenwerke in Ars an 
der Mosel gegen die Kaufsumme von 17 Millionen 
Mtk. in die Hände des Geh. Kommerzienrathes 
Krupp in Essen übergangen seien, hat in hiefiger 
Gegend und besonders in Ars begreifllicherweise 
ungeheueres Aufsehen erregt, aber man bezweifelt 
allgemein deren Richtigkeit. In Ars selbst ist bis 
zutr Stunde von einem derartigen Verkaufsackt nickt 
das Geringste bekannt.“ 
FEllbille, 28. Nob. Ein Riesenfaß wird 
in den nächsten Tagen in der hiesigen Champagner— 
7brat von Math. Müller eintreffen. welches von 
Wellhöfer u. Komp. in Frankfurt von Holz, das 
aus Ungarn stammt, für den Preis von 186000 Mk 
hergesteüt worden ist. Eltville wird alsdann das 
zrößte wirklich benutzte Faß Deutschlands, ja viel⸗ 
leicht Europas in seinen Mauern bergen. Den 
erstein Rang nimmt das Heidelberger Faß mit ca. 
190 Stück ein, als zweitgrößtes folgt dasjenige von 
M. Müller-Eltville mit 115 Stück (das Heidel⸗ 
berger Faß mißt im durchmesser 6.70 Meter, das 
M. Muͤller, sche 7 Meter, das letztere hat also 80 
CTentimeter mehr im Durchmesser, während ersteres 
bedeutend länger ist) Um ein Bild der ungeheuren 
Größe des hier aufzuͤstellenden Fasses zu geben, sei 
hemerkt, daß der ganze diesjährige in der Gemeinde 
Eltville erzielte Wein dasselbe annäherend füllen 
vürde. 
Mannheim, 25. Novp. (M. B. L.) Heute 
and zwischen dem Bankier Köster hier und dem 
zdieutenant Scheele vom hiesigen Dragoner⸗Regiment 
gebürtig aus Siettin, dessen Vater ein Eisen⸗ 
agros-Geschäft, Firma Rudolf Scheele und Comp 
in Stettin besitzth ein Duell mit ködtlichem Aus— 
jange statt. Herr Bankier Köster, dem wohl di⸗ 
Sympathien aller Gesitteten in dieser Affaire ge— 
Jöten, hat als Rächer seiner und seiner zwei 
dinder Ehre den VLieutenant Scheele heute früh 
Jegen acht Uhr im Käferthaler Walde im Duell 
erschossen. Lieutenant Scheele war sofort todt. 
(Schwarze Lockensind nicht so ohmel) 
Im Inseratentheil der „N. Bad. Loztg.“ sucht ein 
20,000 Mk. reiches, protest. Fräulein. 22 Jahre alt. 
einen Mann, natürlich zur Heirath, doch soll der⸗ 
cꝛelbe möglichst schwarzes Haar haben. Also auf, ihr 
chwarzlockigen Jünglinge, und sendet unter A8871 
edoch nicht anonym, Eure Offerten an die „N. Bad 
Loztg.“ in Mannheim ein! 
F Mainz, 23. Nov. Eine tragi⸗komische 
Geschichte ist vorgestern zwei ehrsamen Bäuerlein 
mus der Umgebung dahier begegnet. Dieselben 
hatten die Herrlichkeiten der Stadt besichtigt und 
Faber etwas viel von dem „Neuen“ verkostet, so 
daß sie ihre heimathlichen Gefilde an diesem Abend 
nicht mehr erreichen konnten. Man wollte daher 
in einem Gasthause Xten Ranges die müden 
Häupter niederlegen, fand aber das geforderte Schlaf⸗ 
Jeld von 50 Pfg. pro Person etwas hoch. Noch 
m Zweifel, was zu thun, bot ein in der Wirth⸗ 
chaft wohnender Mainzer, welchem der Schalk im 
sacken saß, gelant den biederen Pfäl zern ein 
reies Nachtquartier bei sich an. Der Vocschlag 
euchtete sofort ein und nachdem man noch einen 
Zchoppen auf die neue Freundschaft geleert, brachte 
der Mainzer die sparsamen Männer vom Lande nach 
der engen, finsteren Sch'ossergasse, nach der Woh—⸗ 
aung feiner gerade abw.senden Logisgeber und schloß 
hinter ihnen die Thüre ab. Im Dunklen in den 
fremden Räumen herumtappend, fing es den etwas 
hdenebelten Gästen an, nicht ganz geheuer zu werden 
Schreckengespenster aus der Mordstätte im Fürsten⸗ 
»etgerhof stiegen in ihnen auf und angstvoll begann 
es zu stöhnen: „Hannes, mach' Licht! „(Ei ich 
hun jo kan Feierzeig“): „Hannes, die wolle uns 
uimbrenge undverschneide! Haunes, ich spring 
um Fenster enaus!“ Man schlug Lärm, brach die 
Thüre aus den Angeln, es eilten Leute herbei und 
in dem Glauben, es sei eingebrochen worden, wur—⸗ 
den die Männer vom Lande jämmerlich verprügelt 
der Polizei übergeben. Als „Einbrecher“ musten 
sie jetzt die Nacht in Haft verbringen, gegen Mittag 
ein hoͤchpeinliches Verhör bestehen, um dann endlich 
nach Erlegung eines ansehnlichen Sümmchens für 
die eingeschlagene Thür und zerbrochenen Fenster 
reigelassen zu werden. So endigte das „billige“ 
Nachtquartier. Der Eine der beiden Leidensgefährten 
aber meinte bei dem Abschird: „Hannes, wann nor 
nix vun der Affair erauskimmt, sunst sin mer deham 
vor unser Lebtag blamirt.“ 
Ger Battenberger auf dem Ca— 
roussel,) das ist sicher ein unerwartetes Schau⸗ 
piel. Den Mainzer Wohlthätigkeisjahrmarkt beehrte 
die großherzoglich hessische Fürstenfamilie mit ihrem 
Besuch. Neben dem sich in bekannter Liebeneswür— 
digkeit gebenden Landesderrn absorbirte namentlich 
der tapfere Held von Slivnitza, Fürst Alexander 
bon Bulgarien, das allgemeine Interesse. Nach Ueber— 
reichung von Boutquets begannen die hohen Gäste 
geführt von Herrn des Comitees, einen Rundgang 
durch den Saal, an jeder Bude Halt machend und 
in jeder Wirthschaft eintretend und das Gebotene 
zuldvollst eutgegennehmend; mit den amtirenden 
Damen verkehrten die hohen Herrschaften auf das 
Zticliaste. veraaßen aber auch nicht. sich mit manchem 
Goldfüchslein zu revanchiren. Großen Jubel erregt 
e e ene shietüch aug dm Drnnte 
Damen nachgaben und das Caroussel bestiegen un 
in Gemeinschaft mit denselben eine Rundfahn 
machten. Waͤhrend der Großherzog im Kreise der 
Damen in einem Wagen Plaß nahm und mit ihnen 
schäkerte, ritt der tapfere Bulgarienfürst einen höl— 
zernen Rappen edelstet Abkunft. 
Ansbach, 19. Nop. Während jüngst ein 
hiesiger Gerichtsvollzieher in einer Wohnung pfänden 
wollle, erschien ein Loos-Agent und bot Edenkobener 
Loose an. Die gepfändete Frau und der Gerichts- 
bollzieher nahmen zusammen ein Loos und siehe 
da, bei der Ziehung kam die Nummer mit 1000 M. 
heraus. Das heist gewiß Glück im Unglück! 
Aachen, 23. November. Gestern früh 
wollie der in der Spinnerei von Gebrüder Knops 
angestellte Hüpgens die Maschinen von der Intrieb⸗ 
setzung noch einmal genauer besichtigen. Plözzlich 
begann das große Schwungrad sich zu drehen, eu 
faßte den Unglücklichen und zerquetschte ihm den 
Kopf, sodaß der Tod sofort tintrat. 
FKoöln. 23 Nov. Gestern Abend gegen9 
Uhr trat ein Schiffer aus Berutastel in eine Waffen⸗ 
handlung an der Hochstraste, um einen Revolber 
zu daufen. Der Verkäufer zeigte dem Manne die 
Handhabung der Waffe, plötzlich entiud sich dieselbe 
und traf die Kugel den Schiffer in den Uaterleid. 
Schon nach einer halden Stunde war der Unglück 
liche tot. — Von den Opfern des Hauseinst urzes 
an der Roonstraße find vier tot. Die andere n dra 
Verletzten befinden fich noch im Hospital, sind. aber 
außer Gefuhr. 
4 GVerhaftungeines Bankiers.) In 
Breslau wurde am Sonntag der Bankier Theodor 
Brieger auf dem Wege zur Böcfe wegen Unterschlag⸗ 
ung von Depots verhaftet. In der Kasse befanden 
sich nur 900 Mk. Die Uaterbilanz ergab bishe 
500,000 Mtk. Brieger legte ein Geständnis ab 
Viele kleine Leute und die Börse werden in Nitteideu 
schaft gezogen, Als Ursache wird Baissespekuiation 
in Laura⸗Aktien bezeichnet. 
F Doppelt hält besser. Am Dienetac 
der dergangenen Woche fand auf dem Berline; 
Stadtagericht die zweite frierliche Ehescheidung Ernsl 
Possaris von Frau Anna Possart Deinet, der ehe 
mauigen wohlrenommirten Koloratursängerin, statt 
BZekauntlich hatte sich das Possart'sche Ehepaar vor 
einigen Jahren, gleichzeitig mit Frau Ramlo⸗Schnee⸗ 
gans und deren Gatten, scheiden lassen und dann, 
hach den berüchtigten Münchener Skandalen, wieder 
in Liebe und Güle vereinigt. Nunmehr war Hert 
Possart mit seiner zweiten, ersten Frau, um in 
Munchen jedes weitere unliebsame Aufsehen zu der. 
meiden, in aller Stille nach Berlin gekommen, und 
dier ijt nun, die zweite (diesmal voraussichtlich 
endgiltige) Scheidung vorgenommen worden. Was 
dieser, an Seltsamkeiten so reichen Ehestandsgeschicht 
noch einen ebenfalls seltsamen, fast rührenden Ab— 
schluß gab, ist die verbürgte Thaisache, daß Hert 
Possart seiner geliebten Ex⸗Gattin unmittelbar nach 
der Scheidung ein prachtvolles, kosthares — Blu⸗ 
menbouquet als Huldigung übersandte. 
F Hamburg, 24. Nod. Durch ein soeben ab⸗ 
geschlossenes Cartell englischer und deutscher Dampfer 
linien steigen die Auswanderer⸗Passagepreise in 
Bremen auf 110, hier auf 90-100 Mart. Da 
Abkommen ist für alle Linien sehr günstig. 
Oedenburg, 22. Novp. Der „W. 9 
Z.“ telegraphirt man: „Ein entsetzliches Familien 
drama spielte sich gestern in Raiding, dem Geburts 
orte Liszt's ab: „Einer der wohlhabendsten Baueri 
des Ortes, der b3jährige Franz Bauer überfiel seit 
von ihm in eine Kammer gelocktes Weib und er 
schlug es meuchlings mit einer Hacke. Hierau 
stürzie der Mörder in die Küche, versetzte seint 
berheiratheten Tochter, Johanna Kinzl, deren Gatt 
gerade abwesend war, mittelst derselben Hacke dre 
wuchtige Hiebe, die ihr die Hirnschale zerschmetter 
ten. Seine ledige Tochter Theresa, die Zeugin de 
Bluͤtthat war und dem Vater die Mordwaffe em 
reißen wollte, entrann noch rechtzeitig der Ermord 
ung. Nachdem Bauer noch seinen vier Mona 
alten, in der Wiege schlafenden Enkel erschlagen 
flüchtete er aus dem Hause und konnte bisher nich 
ruct werden. Der Untersuchungsrichter Dr. Schmid 
hat noch gestern den Thatbestand aufgenommen R 
die Inhaftirung Bauer's angeordnet. Als Mosi 
der grausamen That wird Rachsucht angenommer 
(Vitriol Attentat in Paris.) Ci⸗ 
Frauenzimmer schüttete ihrem ungetreuen Liebhabe 
Ane Flasche mit Vitriol mit solcher Vehemenz in