Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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21. Jahrg. 
M24.. 
Donnerstag, 4. Februar 1886. 
Deutsjches Reich. 
München, 3. Febr. Die Kammer der Ab⸗ 
eordneten trat heute in die Berathung des Kultus 
cois ein. In der Generaldebatte referirte Abg. 
daller. Die Abgg. Stamminger und Kleitner 
ringen die klerikalen Beschwerden vor, Sittig be⸗ 
pcht die Ausbildung der Lehrer. v. Schauß und 
Rarquardsen widerlegen. Minister von Luß weist 
weingehender und entschiedener Weise die klerikalen 
zorwurfe zurück. 
Der Reichstag verwies heute den Gesetzentwurf 
heit. Unfall⸗ und Krankenversicherung der in land⸗ 
pirthschaftl ichen und forstwirthschaftlichen Betrieben 
beschäftigten Personen an die 6. Kommission. Dr. 
zuhl sprach in der Debatte die Geneigtheit seiner 
gteunde aus, am Zustandekommen des Gesetzes 
nitzuwirken. 
Berlinu, 1. Februar. Dem Reichskanzler 
ingen anläßlich seiner Reden am 28. und 29. 
M. bei der Polendebatte im preußischen Abge⸗ 
dnetenhause aus den verschiedensten Theilen des 
zeiches Zustimmungs⸗Erklärungen zu; auch aus 
deserreich, insbesondere Böhmen, beglückwünschten 
deutsche in Telegrammen und Zuschriften den 
keichskanzler zu seinem energischen Vorgehen im 
Interesse der deutschen Nationalität. 
Berlin, 2. Februar. Die Gesetzenmwürfe 
her Maßnahmen für die östlichen Grenzprovinzen 
zum Schutze des dortigen deutschen Elements gegen 
saß Polenthum sind sicherem Vernehmen nach so 
weit vorbereitet, daß sie dem Abgeordnetenhause in 
nicht zu ferner Zeit zugehen koͤnnen. 
Berlin, 1. Febr. Der Bischof von Fulda, 
R. Kopp, hat auf die Anzeige von seiner Beruf⸗ 
ing zum Mitgliede des preußischen Herrenhauses, 
in Antwortschreiben des Papstes erhalten, worin 
detselbe ihm seine Freude über diese Ernennung 
und seinen Glückwünsch dazu ausspricht. 
Fast noch größer, kann man sagen, als in 
deutschland ist das Interesse, welches die neulichen 
keden Bismard's in Oesterreich-Un—⸗ 
garn hervorgerufen haben; ihre Wirkung auf die 
Slaven ist eine geradezu niederschmetternde und 
umentlich in der polnischen und böhmischen Presse 
nacht sich eine hochgradige, aber begreifliche Erreg- 
ung bemerkbar, während die Deutschnationalen die 
luzlassungen des Kanzlers nicht gegen die preußi⸗ 
chen Polen allein, sondern auf die Slaven über⸗ 
haupt deziehen. Die deutschen Blätter kommen zu 
em Schlusse: „Die Reden gestatten nur eine 
llternative: entweder das deutsche Bündniß oder 
ie jetzige Majorität. Beides vereint ist dauernd 
o unmöglich wie Feuer und Wasser.“ Und in 
er That tritt es immer mehr hervor, daß die 
erreichische innere Politik auf die Dauer mit der 
ußeren unvereinbar sei, wenn Oesterreich nicht 
lein stehen soll. Bekanntlich wurde behauptet, 
aß Preußen die Ausweisungen im Einverständnisse 
it Rußland und Oesterreich vorgenommen habe; 
e Polen und Böhmen stellen sich noch an, als 
»i dies unglaublich und bereiten in ihren Clubs 
men Interpellationssturm vor. Diese Herren wer⸗ 
in die gute Gelegenheit, ihrem Groll über das 
erhaßte deutsche: Bündniß und über den Fürsten 
diemarck Ausdruck zu geben, nicht verabsaͤumen. 
hon jetzt führen die galizischen Blätter eine 
kprache, die es dem Grafen Taaffe räthlich er— 
heinen ließ, drei der ihm sonst so treu ergebenen 
Agane zu konfisziren — glaubt er dadurch die 
Aatastrophe, die eine ungausbleibliche Folge des 
Viderspruchs in seiner inneren und äͤußeren Politit 
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und durch die preußische Ausweisungsdebatte in; 
ꝛine für ihn gefahrvolle Nähe gerückt ist, aufzu⸗ 
jalten? „Fürst Bismarck“, bemerkt die „N. Fr. 
Pr.“, ist ein zu großer Meister in der Berechnung 
der Wirkungen, als daß er nicht wissen sollte, 
velche Befriedigung seine Rede in Rußland und 
velche Verstimmung sie bei vielen maßgebenden 
Elementen Oesterreichs hervorrufen mußte. Jedes 
Wort, welches im preußischen Landtage gefallen 
fst, zwingt zur Erwägung. ob nicht die jetzige 
Richtung in unserem Staate von einem unseligen 
Irrthum ausgegangen ist. Wenn Fürst Bismarck 
Recht hat, muß Graf Taaffe Unrecht haben; wenn 
er die Ideale der Polen richtig geschildert, wenn 
er ihr Wollen treu beleuchtet hat, dann ist das 
System der Versöhnung auch in Oefsterreich nicht 
zu halten, ohne die letzten, die äußersten Probleme 
zu wecken. Die mechanische Trennung zwischen 
der inneren und der äußeren Politik ist nicht zu 
erhalten, so lange der Staat ein lebendiger Orga- 
nismus ist; die innere Frage gestaltet sich zur 
üußeren, die Stellung der Polen wird zum Keil, 
welcher die mächtigste Allianz zu sprengen droht.“ 
getreten worden sei, ein Mittel zu finden, um dem 
Lehrerwaisenstifte eine gleichmäßigere Abgabe von 
Tantiemen zu sichern. Es folgte sodann die Ver⸗ 
lesung der Erklärungen der Schreibwaarenhändler 
auf die desfallsige Anregung des Lehrerwaisenstiftes, 
infolge dessen der Ausschuß das Projelt des Marken⸗ 
berlaufs aufgegeben habe und der Ansicht sei, daß 
ein anderer Modus gefunden werden müsse. 
Schließlich versicherte Herr Börzler, daß der Aus⸗ 
chuß gegen jede Einrichtung sei, welches als Mo—⸗ 
nopol betrachtet werden könnte. Nachdem die 
Versammlung sich dafür ausgesprochen hatte, in 
irgend einer Form dem Lehrerwaisenstifte eine 
Abgabe zuzuwenden, trat sie dem vorher gestellten 
Antrag des Herrn J. Schäffer-Grünstadt bei, nach 
wvelchem das Lehrerwaisenstift die Schilder zu den 
Heften mit einer entsprechenden Schutzmarke an⸗ 
fertigen und an die Buchbinder resp. Verfertiger 
der Schreibhefte verkaufen solle. Im Weiteren 
wurde gewünscht, daß der Verwaltungsrath die 
pfälzischen Lehrer veranlassen möge, die in der Ver⸗ 
sammlung vorgebrachten Austände und Wünsche in 
Bezug auf gleichheitliche Ausstattung der Schuihefte 
zu berücksichtigen und den Verkauf den Interessenten 
bollstündig zu überlassen. (Pf. Pr.) 
— Speyer, 1. Febr. Von den 99 Schul⸗ 
dienst-Exspektanten, welche sich im Oktober v. J. 
der Anstellungsprüfung dahier unterzogen, sollen 
24, also circa 28 pCt. die Prüfung nicht bestanden 
haben. 
— Ludwigshafen, 1. Febr. Wie sehr 
die Stadt Ludwigshafen bemüht ist, das Volksschul— 
wesen zu heben, davon zeugen wieder die Budget⸗ 
derathungen für's Jahr 1886. Zuverlässiger Mit⸗ 
heilung zufolge soll der Finanzausschuß anf warme 
Befürwortung durch den neuen Lokalschulinspektor 
aicht allein den nöthigen Kredit für die Errichtung 
von acht neuen Schulklassen, resp. Lehrerstellen ein— 
zestellt, sondern auch eine namhafte Summe für 
Erhöhung der Lehrergehalte vorgesehen haben. 
Hiernach soll der Anfangsgehalt eines städtischen 
Volksschullehrers neben der seither schon bezogenen 
Wohnungsentschädigung 15800 Mark betragen und 
jich nach 20 zurückgelegten Dienstjahren (des Leh⸗ 
cers) bis zur Höhe von 2500 Mark steigern. 
Thatsachlich stand Ludwigshafen in Beziehung auf 
jeine Leistungen der Schule gegenüber unter allen 
pfälzischen Städten bisher schon obenan und be— 
tätigt sich obige Mittheilung, so können sich diese 
pon neuem an Ludwigshafen ein Muster nehmen. 
Wer möchte unter diesen Umständen nicht Lehrer 
in Ludwigshafen sein! 
Ausland. 
London, 3. Febr. Lord Roseberry 
(ein spezieller Freund des ältesten Sohnes Bis— 
marcks) ist heute Nachmittag zum Minister des 
Auswärtigen ernannt worden. 
Konstantinopel, 8. Febr. Soeben wird 
ein Kaiserliches Irade veröffentlicht, welches das 
Abkommen der hohen Pforte mit dem Fürsten von 
Bulgarien zur Beilegung der zwischen beiden 
Staaten entstandenen Schwierigkeiten genehmigt. 
Ein Rundschreiben der Pforte benachrichtigt die 
Berliner Vertragsmächte hiervon. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Blieskastel, 3. Febr. Ein erwachsener 
Bursche von Lautzkirchen gab gestern einem Kinde 
don 7 Jahren Branntwein und Salmiakgeist zu 
trinken. Man zweiselt an dem Aufkommen des 
stleinen. Der Bursche ist bereits verhaftet. 
-· Ehlingen. Konkurs wurde vomnk. 
Umtsgericht Blieskastel eröffnet über das Vermögen 
des Ackersmannes Franz Kosch dahier. Konkurs- 
berwalter ist der Geschäftsmann Franz Schütz in 
Blieskastel. 
— Edenkoben, 2. Februar. Von einem 
plötzlichen Todesfall, den der davon Betroffene sich 
jelbst durch einen Streich jugendlichen Leichtsinns 
zugezogen, ist heute leider zu berichten. In ver⸗ 
gjangener Nacht auf dem Heimwege in der Helmes⸗ 
resp. Watzengasse bestieg der 21jährige Webergeselle 
Wilhelm Satter von hier eine Mauer vor dem 
Wagner'schen Anwesen, um das dort angebrachte 
Schild „Bade⸗Anstalt“ zu demoliren oder herabzu⸗ 
nehmen und fiel dabei so unglücklich zu Boden, 
daß er nur mit Mühe in seine Schlafstätte ver— 
zracht werden konnte, wo er nach wenigen Minuten 
tarb. 
— Neustadt, 31. Jan. Heute fand dahier 
eine Versammlung pfälzischer Buchbinder 
ttatt, an welcher sich auch zwei Vertreter des pfäl- 
zischen Lehrerwaisenstiftes betheiligten. Herr Haupt⸗ 
lehrer Börzler aus Kaiserslautern erläuterte den 
Standpunkt des Verwaltungsrathes des Lehrer⸗ 
waisenstiftes in der angeregten Frage des Verkaufs 
der Schulhefte. Er bemerkte, daß einzelne Herren 
either Tantiemen gegeben hätten, andere nicht und 
»eßhalb von Seite des Ausschusses der Frage näher 
Vermischtes. 
Mannheim, 1. Februar. Heute Nacht 
wurde in dem Herrenkleidergeschaft Gebr. Kahn in 
der Marktstraße eingebrochen, der Kassenschrank 
durch Herausbohren des Schlosses gewaltsam er— 
offnet und aus drei gleichfalls erbrochenen Kassetten 
die Summe von circa 18,000 Mtk. entwendet. 
Der Hausbursche des Geschäfts fehlt und fällt auf 
ihn zunächst der Verdacht der Thäterschaft, doch 
glaubt man an Mithelfer. Die Diebe wandten 
alle Vorsichtsmaßregeln an, um ungestört arbeiten 
zu können, sie verhängten die Fenster und belegten 
den Fußboden mit Tuch. Eine Stearinkerze blieb 
zurück, sowie einige Gegenstände, die als Brechwerk⸗ 
zeuge benützt wurden. An Geld wurde auch nicht 
ein Pfennig mehr vorgefunden. 
FAugsburg, 1. Februar. Der Raub⸗ 
nörder Alodis Mayer von Karres wird Ende