Full text: St. Ingberter Anzeiger

mädchen des Wirtes. Die Thäter sind infolge dessen 
vcrhaftet worden. 
' Ars a. d. M, 29. Novbbr. Infolge des 
Unglücks, welches im vorigen Monat zu Bionville 
durch die Explosion einer Granate erfolgt ist, hat 
der Kreisdircktor“ von Metz Land das Verzeichnis 
aller Personen der in der Nähe der Schlachtfelder 
von Gravelotte und Rezonville liegenden Ortschaften 
aufnehmen lassen, welche sich im Besitze von alten 
Geschossen befinden, damit dieselben durch Vermittel⸗ 
ung der Militärbehörde entladen werden. Aus 
der hier aufgenommenen Untersuchung soll hervor— 
gegangen sein, daß gegen hundert. gefüllte Granaten 
sich noch im Besitze von Privampersonen befinden. 
Bei einem Metzger in einem der genannten Orte 
stand noch eine geladene Granate, unter dem Zahl⸗ 
üisch. Es hätte nur die geringste. Unvorsichtigkeit 
dazu gehört, das Geschoß zum Explodiren zu bringen. 
r Heidelberg, 30 Nop, Am Sonntag 
Morgen Ipraung. ein. Studixender der Philologie, 
samens Wagner aus Mannheim, von der alten 
Brücke in den Neckar und fand darin den gesuchten 
Todt., Ein Fräulein, welches in Beziehung.zu ihm 
gestanden haben soll, wollte sich an einer anderen 
Stelle ebenfalls erkränken, wurde aber durch ener⸗ 
gisches Dazwischentreien davon zurückgehalten. 
7Gine Schneiderechnung vor 200 
Jahren.) In einer Handschriften-Sammlung zu 
Heidel berg befindet sich nachfolgende, im Original 
vorhandene Schaeiderrechnung aus dem Jahre 1690 
welche den Unterschied der Umgangsformen von da— 
mals und jetzt so recht veranschaulicht. Das Schrift⸗ 
ftück lautet wörtlich: „Der Jungfer Albine Morn⸗ 
heim die Maß vor ein Kleid genommen 4 Groschen, 
die Stücke zu einem faltigen Unterrocke zusammen⸗ 
genäht, 6 Groschen; den Unterleib genau für die 
Brusft, die Achseln und Arme der Jungfer geformt 
7 Groschen; Baumwolle eingenäht, 8 Groschen. 
Dieses Kleid ordentlich abgegeben, bittet um Baar⸗ 
zahlung dieser ehrlich-christlichen Rechnung vor Vicht 
meß, Gotthelf Liebner, Schneider für den hohen Adel 
wie für Bürgersleute. Heidelberg.“ 
Nürnberg, 30. Novbr. Heute Morgen 
verlor ein Bote der hiesigen Reichsbankstelle, jeden— 
falls auf der Straße 15,000 Mark in Banknoten 
und Kassenscheinen, die in einen Briefumschlag ge⸗ 
hüllt waren. Obschon der Verlust seitens der Po⸗ 
lizei gleich in der ganzen Stadt ausgeschellt wurde, 
haͤt sich im Laufe des Tages ein Finder noch nicht 
gemeldet. 
. Bayreuth, 29. Nop. (Eine nächtliche 
Bärenjagd.)“ Ein harmloser, Bärentreiber zog vor 
einigen Tagen mit seinem noch harmloseren Bären 
in den Nachbaroct B., um dort Nachtquatier zu 
suchen; da ihm dies verweiger! wurde, wanderte er 
selbander mit Freund Petz weiter nach D., wo ihm 
die erwünschte Ruhe ward. Die Hartherzigkeit der 
Bewohner B., sollte sich bitter rächen, denn wenige 
Stunden später, als sich der Schleier der Nacht 
auf B. gesenkt, durchstreifte ein unheimliches Ge⸗ 
thier die Ortsstraßen und versetzte durch sein Ge⸗— 
brumm und Gebrüll Alt und Jung in Schrecken. 
„Ein Bär ist los“, rief es in allen Straßen und 
bald war Jedermann, der sich des Besitzes einer 
Schußwaffe erfreut, auf dem Plan, um dem Bären 
den Garaus, zu machen. Die schreckliche Jagd 
dauerte mehrere Stunden, bis in der Nähe des 
Kirchhofes ein Schuß dem Unthier den Garaus 
machte. Unbeschreiblicher Jubel herrschte, doch er 
nahm ein. jähes Ende, als sich der Bär als eine 
— Kuh entuppte, die aus ihrem Stalle entkommen, 
auf dem Wege durch's Dorf rinen zum Trocknen 
aufgehängten Weiberrock auf die Hörner genommen 
und so Angst und Schrecken verbreitet hatte. 
r Eine Ehescheidung aus „gewichtigen“ 
Gründen. Die „Frankf. Nachr.“ nmelden: RIm 
Laufe dieser Woche wurde nach 20jähriger Dauer 
durch das Gericht eine Ehe geschieden. Der Mann 
woq 230 und die Frau 180 Pfund.“ 
München. Die „Corr. Hoffmann“ demen⸗ 
tirt die von einem Berliner Blatt gebrachte sensationelle 
Nachchticht von der abermaligen Ehescheidung Ernst 
Possart's nund seiner Frau Possart Deinet durch ein 
Berliner Gericht; dies sei unmöglich, da Possart 
als kal. bayer. Hof⸗ und Staatsbeamter seinen Ge⸗ 
richtsstand beim Landgericht München J hat und 
die Ehefrau dem Gerichtsstand des Ehemannes folgt. 
Dresden. Eif Skandalmacher, welche sich 
in Dresden an dem Skandale gegen den berühmten 
Hans v. Bülow durch Gebrauch von Pfeifen bethei— 
Hat haben, sind wegen groben Unfuges polizeilich zu 
e 5 Mark Geldstrafe verurtheilt worden. Die 
Hetzer waren dem Gesetze unerreichbar. J 
Berlhin. Zum bevorstehenden 90. Geburis⸗ 
tage des Kai sers ist von der hiesigen Künstler⸗ 
Benossenschaft bekanntlich ein großartiger Huldig 
aungszug geplant, für welchen jetzt schon Vorbereit⸗ 
ungen getroffen werden. Hierzu wird bexichtet, in 
höchsten Kreisen sei der Wunsch geäußert worden, 
zu dem nächsten Geburtstage des Kaisers, dem 
aeunzigsten, möchten Vorbereitungen nicht etwa 
chon getroffen werden. Es entspräche wohl mehr 
der Stirmung des Monarchen, diesen Tag in 
zroßer Stille zu erwarten und wenn ihm beschieden 
vare, ihn zu erleben, die Feier desselben eing mehr 
exnste als lärmende und äußerlich glanzvolle sein zu 
assen. Der Gedanke, gerade den naͤchsten 22. März 
nußerordentlich zu hbeachten, liege ja nahe, und 
3. würde sich auch gewiß eiue Form finden lassen. 
im seine ganze Wichligkeit Allen nahe zu legen; 
illein hierüber schon jetzt Bestimmungen zit treffen 
und namentlich eine nach Außen gerichtete Feier zu 
zeranstalten, möchte sich wenig empfehlen. Es giebt 
m Leben des Menschen Tage, die, eben weil sie 
inen ungewöhnlichen Werth haben, diesen Werth 
ntsptechend beachtet werden müssen, und wem ver 
zönnt sei, sein neunzigstes Lebensjahr zu erleben, 
er habe mehr das Bedürfniß zu stiller Sammlung 
und ernster Rückschau. als zu noch so gutgemeinten 
ind großartigen Zerstreuungen. Es werde dem 
staiser wohl selbst gefallen, in Betreff jeines nächsten 
Beburtstages Bestimmungen zu treffen, die dann 
genau innegehalten werden; nur verechtige Nichts 
in der Annahme, das Programm für den 22. März 
werde nach Autzen hin irgendwie Ungewöhnliches 
enthatten, das auch nur entfernt mit Schaugepränge 
in Berbindung werde zu bringen sein. Es bteibe 
vichtig, die Feier so zu gestatten, daß sie den Kaiser 
persönlich so wenig wie irgend möglich in Anspruch 
uimimt. Es ist übrigens bemerkenswerth, daß der 
)0. Geburtstag des Kaisers dadurch ein Unitum ist, 
weil noch kein Oberhaupt des deutschen Reiches dieses 
Alter ereicht hat. 
4Grause, wat dohn winud9y Alte 
Mecklen burger wissen viel von der altmecklenburgi— 
schen Gemüthlichkeit zu erzählen, die noch heute 
nicht ganz verloren gegangen ist. Als noch in 
Dodberan die Spielbank existirte, erschien auch häufig 
an derselben der alte Geoßherzog Friedrich Franz. 
rines Tages verlor er tüchtig, ebenso wie ein 
—VV 
der Großherzog an seinen Leidensgefährten mit der 
Frage: „Krause, wat dohn wi nu ?“ „Ick“, ant⸗ 
vortete der Rostoker Töpfer, „för to Hus un mak 
vieder Pötte, und Se schrieben niee Stüern ut!“ 
—A 
iür ungut. 
„Die fliegende Miß“ Aus Praäg weiß 
die „Politik“ folgende pikante Studentengeschichte 
u erzählen: „An einer hiesigen Mittelschule stu— 
irt seit Jahren ein junger Mensch, der mit seinen 
chönen, mädchenhaften Zügen nicht selten den Ver— 
acht erweckte, ein Mädchen zu sein. Der junge 
iberaus bescheidene Mensch war schon vaterlos und 
eine Mutter — eine Pragerbürgersfrau — lebte 
n überaus bescheidenen Verhältnissen. Umsomehr 
nußte es also auffallen, daß dex junge Mann eine 
ehr sorgfältige Toilette machte und in seinem Auf⸗ 
reten keineswegs den Eindruck eines armen Stu⸗ 
)euten machte. Ja noch mehr, alljährlich in den 
Ferien nach gut absolvirtem Studienjahr unternahm 
inser junger Held eine größere Reise jns Ausland, 
im dann um so freudiger das neue Studienjahr 
anzutreten. Diese Umstände weben um den fchönen 
Ztudenten ein förmliches Geheimniß — Vor einigen 
Wochen fanden an der bezeichneten Prager Mittel⸗ 
schule die Maturitäts-Prüfungen statt und unter 
den Abiturienten, welche das Examen besonders 
zünstig bestanden haben, befand sich auch unser 
athielhafter Student. Nachdem er das Zeugniß 
der Reife in den Händen hatte, begab er sich zu 
einem Klassenlehrer und sagte demselben beiläufig 
Folgendes: „Ich weiß, daß man mich än unserer 
Ansialt, sowohl Lehrer als auch Kollegen, mit 
weideutigen Blicken angesehen, und daß man sich 
angesichts der Mittellosigkeit meiner Mutter über 
meinen verhältnißmäßig großen Aufwand wunderte. 
Ich fühle mich nun gedzängt, Ihnen beim Scheiden 
von der Anstalt eine Aufklärung zu geben. Ich 
bin nicht vermögend, sondern ich besitze in Paris 
ein Haus. Wie ich dasselbe erworben, obgleich 
nein Vater ein armer Bürger war? — Mein 
Dheim ist Besitzer eines Zirkus in Paris, ich selbst 
sJabe bei ihm equilibristische Studien gemacht 
da mein Aussehen ein mädchenhaftes ist, so n 
mich mein unternehmender Oheim alliähriich r 
Paris kommen und als „fliegende Dame“ —8 
und als solche hatte ich derartige Erfolge —* 
geichnen, daß ich bald der Star der dehuseß 
vurde. Nicht genug daran; in Paris, —8 
Lyon, Genua, Mailand und Rom war die *— 
neiner Bewunderer und — Andbeter Legion. 
vurde von den Liehesbewerbern förmlich verfoig 
erhielt die reizendsten und kostbarsten au 
urd war ob meiner Standhaftig und Kalteé r 
benso berühmt. wie als „fliegende Miß“. Die pi. 
ente machte, ich zu Geld und für dieses, sowi— suͤr 
neine bedeutende Gage kaufte ich mir schlietlichin 
Paris ein Haus und behielt nur soviel Geld zuͤrug 
uim meinen Studien in bescheidener Weise obüiegen 
zu können. Ich hätte Ihnen, Herr Prosessar, scho 
rüher mein Geheimniß gebeichtet, allein die Furcht 
daß die „fliegende Dume“ aus der Anstalt —* 
chieden werden könnte, hielt meinen Mund verschlossen 
Run kennen Sie das Geheimniß meines Lebeng 
uind ich hoffe, daß Sie mich nicht verurtheilen 
verden.“ —-Die z„fliegende Dame“ wird an de 
Brager Upidersität Medizin studiren; ob sie aher 
ia den Ferien wieder im Zirkus herumfliegen 
und ihre Anbeter und Liebhaber neuerdings derüden 
und vestriken wird, darüber verräth die erwähnb 
Quelle nichts. 
— F GBerdächtige Gäste.) Am 24. Nop. 
»etraten, wie ein Wiener Blatt meldet, zwei ele— 
zaute Herren ein vornehmes Pariser Restaurant 
ind bestellten ein copiöses Dejeuner. Als es zum 
Zahlen kam, entwickelte sich zwischen den Hetren 
ein liebenswürdiger Streit. wer als Gastgeber zu 
zelten habe; endlich zog Einer die mit italienischen 
Banknoten gefüllte Brieftasche hervor und defriedigte 
den Garçon. Diesem war die Menge Banknolen 
aufgefallen, umsomehr als in den letzten Tagen 
Ronzen von faljchen italienischen Banknoten durch 
oie Blatter giugen und er beorderte heimlich einen 
Kellnerjungen, den beiden Herren, welche er für 
„verdächtige Gäste“ halte, unauffällig zu folgen 
ind eventuell der Polizei seine Beobachtungen min 
utheilen. Im Hotel der Herren erfuhr der Junge, 
daß die „verdächtigen Gäste“ Großfürst« Alexis 
don Rußlaud und der Herzog von Aosta seien. 
Paris. Infolge des Geschreies der Hezz 
dlätter haben fast alle Pariser Spielwaarenhändler 
ür die diesjährigen Weihnachten und den Neu— 
ahrstag keine Bestellungen im Auslande gemacht, 
ondern sich an die französischen Fabrikanten gewandt. 
Die Spielzeuge werden infolge dessen bedeutend im 
Preise steigen. 
r Paris. Die Pariser Gemeinderäthe unter 
zeichneten vorige Woche nach Schluß der Rathssiz— 
ang eine Adresse an den hiesigen Generalkonsul der 
Bereinigten Staaten, Mac Lane, worin sie die 
Hoffnung aussprechen, die nordamerikanische Repu— 
alik werde in Bezug auf die sieben zum Tode ver 
irtheilten Anarchisten von Chicago ihren Ueber⸗ 
ieferungen der Milde und Großmuth gegen poli— 
uische Verbrecher nicht untreu werden und das 
Todesurtheil unvollstreckt lassen. 
F CEin junges Ungeheuer.) Dieser Tage sollte 
das Schwurgericht des Departements Loireset-Cher 
in Frankreich über einen 12jährigen Knaben urtheilen 
er ein djähriges, seiner Odhut anvertrautes Kind 
rmordet und ihm mit einem Pantoffel den Schädel 
öllig zertrümmert hatte. „Warum hast Du da— 
dind gelödtet?“ fragteman ihn. „Ich weiß nicht, 
autete die Antwort. „Wie hast Du es gethan!“ 
— IIch ließ es sich auf den Bauch legen und 
ichlug ihm auf den Kopf, bis mein Pantoffel zer— 
»rach.“ — Vecrgeblich forschte man nach einem 
Brunde für die Unthat. Der Kopf des Ungeheuer— 
st unförmlich groß. Während der Verhandlung 
zeigte sich der Angeklagte völlig theilnahmslos. Die 
Irrenärzie gaben nach langer Prüfung ihr Gut— 
ichten dahin ab, daß nichts auf eine geistige Un— 
urechnungsfähigkeit schließen lasse. Die Geschworenen 
erneinten gleichwohl das Unterscheidungsvermögen, 
der Gerichtshof aber befahl die Eiuschtießung des 
Burschen in eine Besserungsanstalt bis zum zwan⸗ 
igsten Lebensjahre. 
(Der tausendste Alfonso.) Am?9 
Novemder ist in Madrid, wie ein Wiener Bialt 
neldet. der tausendste Knabe gehoren worden, welchet 
den Namen des Monarchen erhalten hat, und zwwai 
var diese Rechnung seit dem Hinscheiden des König 
Jeführt worden. Die Rgentin war von diesem Be 
deise der Sympathien des Volkes tief gerührt und