Full text: St. Ingberter Anzeiger

ammler. Als nun besagte Damen gestern Vor—⸗ 
nittag das gänzlich abgemagerte und abgemattete 
Thier mühsam eine größere Karre ziehen sahen, 
„oten sie dem Eigenthumer 15 Mark dafür, und 
tießen den Hund, als er ihnen für diesen Preis 
überlassen wurde, todtschießen. 
Saarlouis, 3. Februar. Wie verlautet, 
roll der sogenannte Binshof, — jetzige Tabakfabrik 
bon Hammerschlag — bei Fraulautern, von Ge— 
brüder Röchling käuflich erworben worden 
sein. um dortseibst ein Eisen- und Stahlwerk zu 
errichten. 
F Merzig, 2. Februar. Auf der Losheimer 
Jagd des Herrn Oberförsters Steimer kamen am 
Samstag ca. 30 Hirsche vor, von denen 4 gestreckt 
wurden. Das Wild scheint sich von den beschnei⸗ 
ten Höhen nach dem schneefreien Losheimer Revier 
gezogen zu haben. Auch auf dem an eine andere 
Gesellschaft verpachteten Theile der Losheimer Jagd 
waren 14 Stück Rothwild, welche indessen nach der 
„S.- u. M.⸗Ztg.“ gefehlt wurden. 
F Köln, 31. Januar. Drei Jahre unschul- 
dig im Zuchthause gesessen! Ein Weib, welches 
ürzlich verstarb und in einem Prozesse wegen 
Straßenraubes die Hauptbelastungszeugin abgab, 
hat auf dem Sterbebette bekannt, daß sie einen 
Meineid geleistet habe. Das unglückliche Opfer 
ihrer Handlungsweise ist in Folge dessen am 22. 
d. Mts. aus dem Zuchthause nach dreijähriger Haft 
entlassen worden und wird demnächst die Wieder⸗ 
aufnahme des Verfahrens statifinden. 
f In Olden burg hat zwischen zwei Dra— 
Joner⸗Offizieren in der Reitbahn ein Söbel ⸗ Duell 
aattgefunden. Der eine der Duellanten soll schwer 
etzt sein. 
F Aus Darmstadt wird der „N. Fr. 
Pr.“ geschrieben: Es dürfe wohl kaum allgemein 
hbekannt sein, daß die Söhne des Prinzen Alexander 
don Hessen, Fürst Alexander von Bulgarien und 
dessen drei Brüder, in österreichischen Garnisons— 
tädten das Licht der Welt erblickten. Der älteste 
Bruder, Prinz Ludwig von Battenberg, Schwieger- 
sohn des jetzigen Grotzherzoges von Hessen, wurde 
im 24. Mai 1854 zu Graz geboren, wo sein 
Vater, Prinz Alexander von Hessen, damals ein 
Regimentskommando inne hatte. Der jetzige Fürst 
don Bulgarien wurde am 5. April 1857 in Ve— 
rona geboren. Seine Taufe fand in Mailand 
tatt, wohin Prinz Alexander von Hessen bald nach 
der Geburt seines zweiten Sohnes versetzt wurde, 
ind hob Feldmarschall Radetzky den kleinen Prinzen 
aus der Taufe. Fürst Alexander führt daher 
neben seinem Rufmann (Kaiser Alexander II. von 
Rußland war der andere Pathe) nach Radezzky 
noch den Namen Josephh. Der nächst jüngere 
Bruder der Fürsten, Prinz Heinrich von Battenberg, 
welcher mit Prinzessin Beatrix von England ver—⸗ 
mählt ist, wurde am 5. Oktober 1858 zu Mailand 
und der jüngere Bruder, Prinz Franz Joseph von 
Battenberg (der Kaiser von Oesterreich ist dessen 
Pathe) am 24. September 1861 zu Padua geboren. 
F Eine rothe Nase ist die unerfreuliche 
Zierde der Gattin eines Kaufmannes in Frank⸗ 
furta. M. Um die Röthe los zu werden, pin⸗ 
jelte sie die Nase allabendlich vor dem Schlafen⸗ 
gehen mit einer Tinktur ein, die auf dem Schreib⸗ 
tische ihres Mannes zu stehen pflegte. Neulich 
Abends vollzog sie diesen Verschönerungsakt in voll⸗ 
ommener Dunkelheit, und als sie des andern Mor⸗ 
gens erwachte, war ihr Gesichtserker nicht mehr 
roth, sondern vollkommen blau. Die unglückliche 
Frau schrie laut auf vor Entsetzen; ihr Mann 
sprang aus dem Beite und konstatierte unter un⸗ 
bändiger Heiterkeit, daß sein Frauchen ihr Näschen 
nit blauer Hektographentinte eingeschmiert hatte, 
zdie neben der Tinktur auf dem Schreibtische stand. 
Man schaffte Salzsäure herbei, rieb das Näslein 
nit einer verdünnten Lösung derselben ein, und 
vald erhielt es seine hübsche rothe Farbe wieder. 
Eine rothe Nase“, meinte die unglückliche Frau 
unter Thränen, „ist schon nicht schön, eine blaue 
wäre aber fürchterlich.“ 
F Zwischen Berlin und Mailand via 
Frankfurt soll ein beschleunigter Eilzug mit 
um 6 Stunden abgekürzter Fahrzeit eingerichtet 
werden. Der Zug soll Mittags 1 Uhr Berlin ver⸗ 
lassen, um 11 Uhr 40 Min. nachts in Frankfurt 
eintreffen, um 12 Uhr nach Basel weiterfahren und 
um 5.10 Min. nachmittags in Mailand sein. Der 
Antrag liegt schon der Fahrplan⸗Konferenz vor. 
Die Rückfahrt soll ab Mailand 9.50 Min. morgens 
stattfinden und am nächsten Nachmittag 3 Uhr 
Berlin erreicht werden. 
(Weibliches Uebergewicht.) Durd 
zie letzte Volkszählung wurde in Niebourg (Kr. 
Ahaus) ein solch nummerisches Uebergewicht der 
veiblichen über die männliche Bevölkerung festge⸗ 
tellt, daß auf jeden Junggesellen sieben heiraths- 
ähige Evastöchter kommen und alsdann noch ein 
derfuügbarer Rest von 14 Jungfrauen verbleibt. 
Die Verantwortung für diese ungeheuerliche Angabe 
müssen wir freilich dem „Münsterländer“ überlassen. 
fLeipzig, 1. Februar. Die Anklage in 
dem Landesverrathsprozeß, der gegenwärtig bekannt⸗ 
tich vor dem Reichsgericht spielt, entwirft ein merk⸗ 
vürdiges Bild gewisser dunklen Existenzen. Der 
dauptangeklagte; Kapitän a. D. v. Sarauw, war 
is 1872 dänischer Offizier, nahm dann feine 
eẽntlafsung und that sich bald als militärischer 
xchriftsteller derart hervor, daß er auch Mitarbeiter 
es in Berlin erscheinenden amtlichen „Militär⸗ 
vochenblattes“ wurde. Die Anklage behauptet nun, 
zaß er für das dem französischen Kriegsministerium 
interstehende Nachrichten-Vermittlungsbureau Nach—⸗ 
ichten über deutsche Milifärverhältnisse, Festungs- 
ind Mobilmachungspläne, Waffenkonstruktionen u. 
.w. geliefert habe, die geheim zu halten im In—⸗ 
eresse des deutschen Reiches liege. Diese Nach— 
ichten habe er durch den Verkehr mit deutschen 
Iffizieren, Unteroffizieren, Feuerwerkern u. s. w. 
zu erhalten gewußt. Für diese Nachrichten erhielt 
er von dem französischen Bureau, an dessen Spitze 
der Däne Hansen steht, außer ganz bedeutenden 
esonderen Vergütungen ein festes Gehalt von mo— 
natlich 5- bis 6000 Franks. Der Schriftstellen 
Roettger ist angeklagt, einen Theil der Nachrichten 
dem ersten Angeklagten geliefert zu haben. Gegen 
». Sarauw sind 14 Fälle des vollendeten und ein 
Fall des versuchten Landesberraths anhängig. Als 
zeugin erschien u. a. die Wittwe des im vorigen 
zdahre im Zuchthause zu Halle a. S. verstorbenen 
dauptmannes a. D. Hensch, der wegen ähnlichen 
derbrechens verurtheilt worden war. In Unter⸗ 
uchungshaft befand sich v. Sarauw seit dem 
März v. J. 
Nürnberg, 2. Febr. Heute Vormittag 
jat sich eine aus den Spitzen der hiesigen Bahn⸗ 
zehörden bestehende Kommission mit dem Schnell⸗ 
uge nach Crailsheim begeben, um während der 
Fahrt einen neuen als Geschwindigkeitsmesser an 
der Lokomotive fungirenden Apparat zu erproben. 
Es handelt sich hierbei angeblich um eine Verbesse⸗ 
rung an dem bei Rangirlokomotiven schon seit 
einiger Zeit gebräulichen Centralapparate nach dem 
S„ystem des bayerischen Generaldirektionsrathes Petri 
Der Apparat liefert nämlich Aufzeichnungen, welche 
aachträglich eine genaue Kontrole der Fahrt in 
Bezug auf die stattgehabten Aufenthalte und die 
vechselnden Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen. 
F Der Kaiser hat der Stadt Kulhm ein 
Bnadengeschenk von 6000 Mk. gemacht, als Bei⸗ 
teuer zu den Kosten, welche die Erneuerung der 
atholischen Pfarrkirche, deren Patron die Stadt⸗ 
jsemeinde Kulm ist, verursachte. 
F Ein Haus von Eisen, leicht versand⸗ 
ähig und aufstellbar, mit fünf trockenen Zimmern, 
düche, Keller und Zubehör, nach einem neuen von 
deilmann erfundenen Systeme, wird gegenwärtig 
jon der Hüttenverwaltung in Königshütte, O.Schl., 
zufgeführt und bereits im Januar bewohnbar sein. 
Die Vortheile dieser neuen Bauart bestehen nament⸗ 
lich in der enormen Billigkeit, da das erwähnte, 
ils Villa ausgeführte Haus nur etwa 6000 Mk. 
'osten soll, und in der leichten Versendbarkeit seiner 
einzelnen Bestandtheile. Falls das System, bei 
)em im Innern Holzwände und schlechte Wärme⸗ 
eiter zur Verwendung kommen, sich bewährt, dürfte 
die Fabrikation solcher Heilmannschen Häuser ein 
vichtiger Geschäftszweig werden. 
F F. G. Schade in Holzkirch bei Lau— 
»an (Preußen), hat nach „Ack. Ill. W. G.⸗Ztg.“ 
einen Apparat erfunden, welcher die beim Schleifen 
des Holzes entstehenden Abfälle, die bisher ein 
verthloses Material bildeten, in Holzwolle um⸗ 
wandelt, die sich ihrer Feinheit wegen als Verband⸗ 
material eignet. Die Holzabfälle werden mittelst 
eines mit Kratzen versehenen Cylinders, der nach 
inander gegen ein Gitter und einen Kratzen be⸗ 
chlagenen Mantel arbeitet, direkt ohne vorheriges 
Schleifen in feine Holzwolle umgewandelt. 
F Ein seltener Fischfang wurde in Berlin 
im Sonntag Abend in der Spree gemacht: ein 
mächtiger Karpfen, der am unteren Theile de 
Maules einen Ring trug, auf dem sich einige En 
gravirungen befanden, die kaum mehr zu entziffen 
ind. Nur so viel geht daraus hervor daß dis 
tarpfen im Jahre 1618 zu Haselhorst ins Wasß 
gesetzt wurde, der Fisch demnach ein Alier du 
uͤber 268 Jahren erreicht hat. Dieser Riesenkarp 
wiegt 86 Pfd., ist 100 Em. lang und hat ein 
Umfang von 78 CEm. Der Ring, den der Kardfe 
trug, wird dem Märlischen Musenm übergeh— 
werden. 
f Die Einfalt der Menschen ist un— 
sterblich und daher finden diejenigen, welche au 
sie spekulieren, jederzeit ein dankbares Feld si 
hre Thätigkeit. Ein Charlatan kann in seing 
Zumuthungen an den gesunden Menschenverston 
noch so weit gehen — er wird sich sehr bald d 
zrößten Erfolge rühmen dürfen, wenn er nur eip 
auerläßliche Eigenschaft besitzt: die Unberfrorenhes 
Die unglaublichtten Wunder darf er dann der ep 
»fänglichen Menge auftischen: er darf die Lahme 
gehend, die Blinden sehend, die Aussätzigen rei 
ind die Glatzköpsigen beharrt machen wollen. F 
verden sich in allen Weltgegenden gutmüthg 
Tröpfe finden, die ihm in freudiger Erwartung gi 
eine Wunderthaten ihre Geldbeutel freigiebig oh 
ien. Diese Erfahrung hat der Quacksalber Willich 
Becker zu Moabit gemacht. Er praktiziert seit eine 
angen Reihe von Jahren in Deutschland als Kur 
yfuscher und hat seit drei Jahren sein Domizil i 
Berlin aufgeschlagen. Ein ganzes Bureau sich 
dem Wundermann zur Verfügung, seine Leu 
hsaben von früh bis Abend vollauf zu thun, un 
ihre Arbeiten zu bewältigen; denn der Herr ,Doh 
or“ behandelt nur brieflich und hat seine Patien 
ten in allen Gauen unseres Vaterlandes. Du 
Mittel, welches er den leichtgläubigen Thoren vot 
chreiben läßt, ist stets dasselbe, er preist es ir 
inzähligen Broschüren, mit denen er Deutschlam 
aͤberschwemmt, als unfehlbares Allheilmittel an— 
welches allen Krankheiten den Garaus machen kann— 
Wer also Herrn William Beckeers Naturheilmethod 
nicht befolgt, hat sich die Folgen selbst zuzuschreiben 
And wie bequem es der gefällige Mann den Leute 
macht! Ob sie sein Mittelchen, als Pillen, Pulbe 
oder Thee einnehmen, ist ihm gleichgiltig, wenn si 
s nur — bezahlen. Und die Leute zahlen m'i 
einer merkwürdigen Willigkeit, natürlich im vorauß 
Als er sich in Berlin niederließ, hatte der Aller 
veltsdottor, wie die polizeiliche Revision seine 
Bücher ergab, in einem halben Jahre zwar 18.000 
Mark Ausgaben gehabt, dafür erreichten aber die 
Einnahmen das ansehnliche Sümmchen von 45,000 
Mark.“ Das Geld ist ihm aus allen Gegenden 
und allen Ständen zugeflossen. Ein Schulmeiste 
litt an einem hartnäckigen Rachenkatarrh, wußt 
nichts Eiligeres zu thun, als an den Messie 
William Becker zu schreiben und erhielt sofort di 
gewünschten Pillen. Der Patient zeigte das Wun 
dermittel einem Arzt und dieser konstatierte 
daß sich das Uebel nach Gebrauch des Mittels ver 
schlimmert habe. Ein zweiter Gimbel, welcher schor 
lange gegen seine ach! nur zu schnell überhand 
nehmende Erweiterung seiner Glatze erfolglos an 
gekämpft hatte, ließ sich ebenfalls die Becker'schen 
Pillen schicken. Gewissenhaft solgte er der Ge— 
hrauchs · Anweisung, aber o wehl die Pillen schlugen 
sich ihm ins Gedärm. Die Haare fielen natürlihh 
ruhig weiter aus. In anderen Fällen wollte det 
„Doktor“ sogar den grauen Staar und einen un— 
deilbaren Krebs brieflich mit seinem „unfehlbaren“ 
Mittel kurrieren. Leider haben sich in Deuischland 
approbierte, in Berlin ansässige Aerzte nicht fürz 
gut gehalten, dem Quacsalber bei seiner Kur⸗ 
ofuscherei Assisterz zu leisten. William Bede 
pricht stets von „seinen Doktoren“, deren Verord 
aungen er revidiert. Und das ist nicht etwa ein 
xrahierische Aufschneiderei, sondern eine erwiesen 
Thatsache. — Herrn Beckers Unter⸗Doktoren — 
wie sie der Vorsihende nennt — sind der Ober 
tabsarzt a. D. vr. Hahn, Dr. Hertwig und Di 
dagen. Sie bekommen von ihrem Kurpfuscher 
Thef ein jährliches Gehalt von je 6000 Marh 
Ihrem Chef dürft? aber sehr vald ein Handwer 
zelegt werden, denn es ist gegen ihn eine Anklag 
wegen Betruges erhoben worden. Vor einigen 
Tagen stand in dieser Sache vor dem Schöffen 
gericht beim Berliner Amtsgericht J. Termin an 
derseibe mußte aber vertagt werden, um das Be— 
weismaterial gegen den Angeklagten, dem de 
Rechtsanwalt Dr. Sello als Vertheidiger zur Seit⸗ 
tand, zu verbollständigen. Der Vorsitßzende, Amts⸗