Full text: St. Ingberter Anzeiger

wird, soll es sich um einen Betrag von fünfhundert 
Millionen handein. Als Zweck der Anleihe wird 
die Vervollständigung der militärischen Ausrüstung, 
insbesondere auch die Ausftattung der russtschen 
Infauterie und die Ergänzung des Eisenbahmnuetzes 
angegeben werden. Hier war in jüngster Zeit der 
auffä lige Umschwung, der in neuester Zeit sich in 
cusischen Aeuterungen über die politische Lage, ins⸗ 
besondere über das freundschaftliche Verhalten zu 
Deutschland kundgegeben hat, lebhan desprochen 
worden; abgesthen von den jüngsten bekannten Er⸗ 
klärungen der russischen amtlichen Presse war hier 
aufgefallen, daß in den erkten Tagen dieses Monats 
der Temps“ ankündigie, der Zur beabsichtige, dem 
deutichen Kaiser zu dessen 90. Geburtssstage am 22. 
Mörz 1887 einen Besuch abzustatten; eine Nachricht, 
die bei den hekannten Anschauungen des Zaren über 
Reisen und bei der langen Frist bis zur Feier ebenso 
das Gepräge der Erfindung an sich trug, wie die 
neuliche Meldung des Londoner „Standard“, nach 
welcher der Zar auf Grund eines Briefes des 
Kaiser Wiltzelm auf die Kandidatur ds Dadian von 
Mingrelien verzichtet habe. Bisher hatte man hier 
angenommen, es handle sich in erster Reihe um 
einen Versuch, im russischen Sinne auf die deutsche 
Ptilitärkommijsion einzuwirken, die man durch un— 
auffällige Meldungen über die friedliche Lage zu 
—EV 
nis hervoriritt, neigt man freilich dazu, die Ausbrei⸗ 
tung jener falschen Nachrichten mehr darauf zurückzu⸗ 
führen, den internationalen Markt für die russischen 
Werte günstiger zu stimmen. 
Petersburg, 18. Dez. Die Mitteilung der 
Regierung über das Rerhältuis zu Deutschland hat 
hier das größte Aufsehen erregt und wird in der 
Gesellschaft gewissermaßen als ein Schlag gegen die 
öffentliche Meinung aufgefaßt. Die Bedeutung der 
Mitteilung wird um so höher crachtet, als man be— 
stimmt weiß, daß sie aus der eigensten Eingebung 
des Zaren und unmittelbar aus dessen Kabinet er— 
folgt ist. Man sagt, daß in den lezten Tagen dem 
Kaiser mittelbare Mitteilungen aus nichtamtlicher 
Quelle geworden seien über die ernste Auffossung, 
welche in Deutschland in maßgebenden Kreise wie 
im Volke über die jetzige russische Politik und deren 
Hinneigung zu dem republikanischen Frankreich, wie 
über die Deutschfeindlichkeit der russischen Presse 
herrsche. Diese Umstände, über welche der Kaiser 
nur ungenügend unterrichtet gewesen sei, hätten ihn 
bewogen, eine Aufklärnng in jener Form zu geben 
Die russische Peesse verbirgt nur müͤhsam ihre Un—⸗ 
zufriedenheit min d'e ee Mineilung, die sie der Mög⸗— 
lichkeit beraubt, sernerhen eine aufreizende Sprache 
gegen Deutschland zu führen. In der Geschafts— 
welt wird die Peineilung umsomehr mit Freuden 
begrüßt, als sie grade vor der Weihnachtszeit er—⸗ 
schienen ist. 
— — — — — —— 
LDokade undsche RNachrinteu. 
D St. Ingbert, 20. Dezbr. Die zweite 
heurige Versammlung des Bezirkslehrerbereins Blies— 
kastel-St. Ingdert findet am 29.1. MNts., Nach⸗ 
mittags 2 Uhr im kleinen Obrrhauser'schen Saale 
dahier statt. Die Themata der beiden angemeldeten 
Vorträge lauten: 1), Die pfälzischen und bayerischen 
Glaubensboren.“ (GRefereut Hert Leheer Dieden 
in Aßweiler.) 2) „Der h imatskundliche Unterricht 
in der Volksschule“. (Referent Herr Lehrer Schröck 
in Ballwe'ler). 
— Speier, 17. Dez. Ein in einer hiesigen 
Ofsiziersfamilie bedienstetes Mädchen, Namens 
Justine Walletner, aus Augsburg gebürtig, wird 
seit Montag morgens 6 Uhr vermißt. In einem 
Briefe, den sie an den Burschen ihres Dienstherru 
hinterlassen hat, theilt sie jenem mit, daß sie den 
Tod in den Wellen des Rheines suchen wolle und 
ihm zum Andenken einen beiliegenden goldenen Ring 
hinterlasse. 
FAus Weisenheim a. S. 17. Dez., 
wird dem „Ludw. General⸗Anzeiger“ geschrieben;: 
Gestern Nachmittag geriethen die Frauen von Georg 
Neckerauer V. und Johcennes Hartkorn in Wortwechsel. 
Infolgedessen rief die letztere ihren Ehemann Hart⸗ 
korn herbei, welcher der Ehefran Neckerauer ma der 
Mistgabel eine Vorwundung am linken Auge, einen 
Stich in die Herzgegend beibrachte, an deren Folgen 
sie heute Nacht gestorben ist. Der Mörder, welcher 
qaus Freinsheim ist, wurde noch in der Nacht von 
der hiesigen Polizti derhaftet, um der kgl. Gens⸗ 
damerie überliefert werden zu können. Die Ehr— 
ieute Hartkorn und Neckerauer wohnten beisammen 
in einem Hause. Sie hatten öfters Zwist mit einander 
und so nahmen diese Verhältnifse einen so tragischen 
Abschluß. Hartkorn hat 4 Kinder und die Ermordete 
hinterläßt ebenfalls 4 Kindee, welche jezzt beiderseits 
den beiden Gemeinden zur Last fallen werden. 
Vermischtes. 
Die Zeit, wo der schmackhafte Gamsbraten 
eine Rolle spielst, ist da. Da viele Frauen die 
Bänse nicht selbst mästen. sondern ubend oder 
entfiedert auf dem. betr. Markte kaufen, so mögen 
Unerfahrene sich solgende Kennzeichen junger 
Bänse zur Unterscheidung von alten. zähen merken 
Weißer Ring um die Pupille des Auges (während 
er bei der alten blau oder gelb aussiehl), blaßgetber 
Schnabel, spitze Nägel, leicht zerquetschbare Fliegel 
und Gurgel (während diese bei den alten sehr haärt 
st); die dicken Federn sind bei jungen Gänjen viel 
deicher, wie bei den alten, die Zehen leicht zerreißbar. 
Da nicht selten alte Brutganse zu Markt gebracht 
verden, so haben namentlich junge Hausfrauen sich 
in der Hand dieser Kennzeichen vorzusehen. 
F Frankfurt, 17. Dez. Eine junge Frau, die 
‚or wenigen Monagten sich derheirathete, kehrte zu 
hren Eitern zurück und reichte gegen ihren Mann 
Scheidungeklage ein, weil derjelbe ihr erzählt hatte, 
er sei Sozialdemokrat 
F München, 16. Dez. (Der Kanzler und 
Ldudwig IL) Der Direktor der hiesigen k. Hof— 
und Nationalbiblioihek hatte den Fuͤrsten Bismarck 
um die Uebersendung eines Autogramnis gebeten. 
Der Reichskanzler hat diese Bitte erfüllt, iudem er 
iachfolgendee Zeilen sandte: „Mit Vergnügen 
rfülle ich Ihren Wunsch und freue mich, daß mir 
»erselhe Gelegenheit gibt, nechmals der Dankbarkeit 
Ausdruck zu geben, welche Deutschland, in Erinner—⸗ 
uing an die Wiederherstellung seiner Einheit und 
Macht, Ihrem hochherzigen Könige und der bayer— 
schen Tapferkeit durch alle Zeiten bewa' ren wird.“ 
F München, 18. Dez. Vor einigen Tagen 
Abends geriethen hier die drei Kinder eines in 
der Reichenbachstraße wohnhaften Assekuranzbeamten 
„eim Anfertigen ihrer Haus Aufgaben in einen 
kleinen Streit und zerrten sich hin und her. Bei 
dieser Gelegenheit stieß sich eines derselben, ein elf⸗ 
ähriger Knabe, die Feder seiner Schwester ins 
inke Auge. In Folge des furchtbaren Schmerzes 
türzte der Knahe ohnmächtig zu Boden. Der rasch 
herbeigerufene Arzt constatirte sofort, daß das ver— 
etzte Auge rettungslos verloren und mögßlicher 
Weise nech schlimmere Folgen eintreten können. 
Nordhausen, 17. Dez. Eine Mil— 
lionenErbschaft ist nach hier gefallen. Herr Dr. 
med. Walter Richards hierselbst und dessen Schwe— 
ster, beide bereits sehr vermögend, haben von einem 
Verwandten in England 6 Million Mark ererbt. 
F (Eine Ohrfeige), die durch das ganze Ge— 
ichtsgebäude schallte, versetzte der Dachdecker Gustar 
Hermann Julius Schmidt aus Nauen unmittelbar 
nach einer Gerichtsverhandlung der in dem Zeugen— 
immer des Nauener Amtsgerichts befindlichen Frau 
Tischlermeister Elsner, die als Hauptbelastungszeugin 
n einem Verfahren wegen Eriregung öffenilichen 
Aergernisses gedient hatte, das ihm eine Gefängniß— 
trafe von 8 Tagen eintrug. Das Nauener Schöffen⸗ 
Jericht verurteilte Schmidt wegen dieser Brutalität 
zu der verhälinismäßig hohen Strafe von 4 Mo— 
naten Gefänanis. Dec Verurteilte legte Becufung 
in und machte in der Hauptverhandlung, welche 
am Donnerstag vor der Strafkammer in Berlin 
tattfand, als Milderungsgrund geltend, daß Frau 
Elsnec in dem Augenblicke als er nach se ner Ver 
urteilung den Sitzungssaal verließ, höhnisch gerufen 
jabe: „Acht Tage hat er gekriegt!‘ und daß er 
dadurch gereizt worden sei. Die erneute Beweis-— 
u snahyme ergab aber, daß jene Worte gar nich 
n Anwesenheit des Angeklagien gefallen waten, daß 
derselbe vielmehr bereits auf dem Heimwege war, 
aber plötzlich umkehrte und der Frau Elsner, indem 
er sie mit der einen Hand am Halse faßte, mit der 
anderen einen Schlag ins Gesicht versetzte, so daß 
alle fünf Finger im Gesicht zu sehen waren. Der 
Staatsanwalt hielt die Strafe zwar hart, aber in 
)»en Umständen begründet, der Gerichtshof war aber 
der Memung, daß die Strafe gar nicht einmal zu 
jart, sondern lediglich gerecht und die Berufung da 
jer zu verwerfen sei. 
F Dieser Tage wurde einer Klatschbase 
in hübscher Streich gespielt. Die böse Zunge dieser 
Dame haite schon die Einigkeit mancher Ehe gestört 
ind so manches Brautpaar getrennt. Da beschloß 
eines ihrer Opfen dessen zuten Ru e i 
Weije bearbeitet zatte, Rach an —A 
zu nehmen. Tie Dame saß kürzlich mit ihm in 
Gesellschaft am. Kaffeetisch, ais das Dienstmädchen 
mit einer großen Schachteb eintrat, die wie die 
Ueberbringerinsagte, soebem mit der Postongekommen 
vpar. „Ach,“ ricf die Dame entzückt aus, gewiß 
nein Hut aus Stuttgart?“ Sodanm war die Ge. 
xslschaft in vollkem Aufrrhr. Mit Ungeduld riß die 
dausfrau die Hüllen deg und bald emrosst, sich 
den neugiernegen Blicken eine riesige Ochsenzunge 
dabei lag ein ziertich geschriebener Zettel. wadet 
vörtlich Folgendes enttzelt: „Da ducch den allzu⸗ 
äufigen Gebrauch Ders Lunge und Zunge zu be— 
fürchten Feht, daß dirselben nach, so langer Dienst— 
eit dertits Schaden gelitien haben dürften, und dem 
diatsch und Schwaz Verein dadurch ein allzugtoßer 
Lerlusß erwüchse, so ummmt man sich die Fretheit, 
Ihnen hiemit zum Beweise der Aerkennung dieses 
PBrachtexemplar eines Klatsch-SZustrumeutes zu üder⸗ 
enden.“ 
Einen Bock, der 25 Millio nen 
do st et, hat der französische Minister Corchery ge— 
chossfen. Es ist der neue Posthof in Paris, welcher 
aach den Angaben Corchery's grbaut wurde, der 
als Fachmann galt und deßha!b in mehreren Minsterin 
hinter einauder steis die Post inne hatte. Das 
Bebäude dürfte mit der ih u reu Banftelle und deg 
Straßendurchlegungen 25 Mill onen Franken kosten 
und ist unbrauchbar. Nur mit groß in Zeitverlust 
und mit Schwierigkeiten konnte in dem Reuen G 
Ȋude der Postdienst von Statten gehen. Durch 
einen kostipieligen inneren Umbau, wäre dem Uebel 
einigermaßen abzuhelfen, aber mehrere Fachmänner 
vom Bau⸗ und Postwesen rathen entschieden davon 
ib, da doch nichts Ordentliches dabei heraus kommen 
önnte. 
F Voneinemschrecklichen Schiffs— 
AUngläck wird aus New Vork brrichtet: Das 
zroße Pensionat in Vickzburg, in dem die Kinder der 
ceichsten amerikanischen Familien untergebracht sind, 
purde in Folge der dort grassirenden Mafern— 
Fpidemie geschlossen, und da die Weibnachtszeit 
nicht mehr ferne ist, sollten die gsunden Kinder, 
etwa vierzig an der Zahl, nach New-Orleans ge— 
dracht werden, um sich von hier zu den Eltern zu 
degeben. Der Dampfer „White“ wurde von der 
Direktion des Pensionats gemiethet, um die Kinder 
und zehn Begleiterinnen derselben nach Oew-Orleans 
zu bringen. Auf der Fahrt entstand durch die auf 
amerikanischen Dampfern übliche unvorsichtige 
dantirung mit dem Feuer ein Brand, das Holz⸗ 
chiff stand im ächsten Augenblick in Flammen 
ind säramtliche Passagiere, die vierzig Kinder und 
hre zehn Begleiterinnen kamen um. Von der 
Mannschaft sind ebenfalls mehrere Personen ge⸗ 
ödtet worden 
— verantwortlic: FJ. X. Demesß. 
Das rege Juteresse, wesches mimme 
söherem Maße alle dürgerlichen Keeise für die wirt— 
chaftlichen Fragen erfaßt hat, veraalaßt den Verlag 
»es „Brerliner Tageblatt“, den volkswirtschaftlichen 
Theil der Zeitung entsprechend zu erweitern und 
vemselben durch Einrichtung einer besonderen voll⸗ 
fändigen Handelszeitung eine sorgfältige und umfas— 
ende Pflege zu widmen. Um dies räumlich zu 
rmöglichen, erscheint fortan die Abendnummer in 
inem Doppelbogen von 8 Folioseiten, wobon die 
dälfte für die „Handelszeitung“ bestimmt ist, welche 
ille wichtigen Nachrichten über Börse, Waarenhandel 
und Industrie, die Produkten- und Waarenberichte 
der bedeutenden Handelsplätze des In- und Aus— 
andes, einen sehr vollständigen Kurszettel der Ber— 
iner Börse, sowie die Ziehungslisten der wichtigen 
Loospap ere enthaltea wird. Die einzelnen Hadels⸗ 
und Industrie-Zweige sollen periodisch von aner— 
'annten Fachautoritäten durch selbststäudige Artikel 
achgemäße Beurtheilung finden. Ohne den Abon⸗ 
nementsbetrag zu erhöhen, wird somit der redaktio—; 
nelle Text des B. T. um ca. 500 bis 600 Seiten 
jährlich vermehrt werden, und wenn die Neuein— 
richtungen der letzten Zeit. als die Parlaments- 
Ausgabe, die Montagsnummer mit dem Feuilleton— 
beiblatt „Der Zeitgeist“ sowie die Vergrößerung 
des illustr. Witzblattes „Uik“, hier noch eiwähnen. 
so soll damit nur kundgegeben werden, wie sehr 
das B. T. dem gesteigerten Lesebedürfniß seiner 
Ahonnenten Rechnung zu tragen bestrebt ist. Da 
nuch die sonstigen Leistungen des „Berliner Tage— 
»lattes“ auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, 
eine frische und unabhängige politische Haliung, 
eine Anstrengungen in Bezug auf rascheste Be—