Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Inuberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 8 
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St. Ingberter Anzeiger 5 
aehmen alle Postanstalten, die Zeitungsträger, sowie 
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iitische Uebersitht. 
Der erste Tag der Specialberathung des Etats 
m preußischen Abgeordnetenhause, der 
Montag, gestaltete sich zu einer hochpolitischen De⸗ 
zatte und trat hierdurch in einen bemerkenswerthen 
Begensatz zu der ziemlich harmlos verlaufenen 
eintägigen Generaldebatte. Den äußeren Anlaß 
dazu, daß fich die Montagsverhandlung zu einer 
Debaite im großen Style gestaltete, gab das Kapitel 
„Gesandschaften“ beim Etat des Ministeriums des 
Auswärtigen. Der Reichskanzler ergriff hier das 
Wort, um unter Hinweis arf seine Reichstagsreden 
zas Festhalten der verbündeten Regierungen an dem 
Septennate aus inneren Verfassungsgründen wie 
aus Rücksichten auf die auswärtige Politik zu recht⸗ 
ertigen. Ganz entschieden trat hierbei der Kanzler 
her Anschauung entgegen, als ob die Regierung bei 
Auflösung des Reichstages an Monopole und Her⸗ 
wufbeschwörung einer Reaktionsperiode gedacht habe, 
damit habe die gedachte Maßregel nicht das Ge⸗ 
ringste zu thun gehabt und stünde die Regierung 
durchweg auf dem Boden der Verfassung. Dagegen 
ttellte Fürst Bismarck das Kommen der Monopole 
als eine Nothwendigkeit in Aussicht, wenn etwa 
ein unglücklicher Krieg die Finanzkräfte des Reiches 
erschöpfen sollte. Nochmals erklärte dann der Reichs⸗ 
anzler, daß in erster Linie das Mißtrauen gegen 
gie bisherige Reichstagsmehrheit die Regierung zur 
Aufloͤsung des Parlamentes veranlaßt habe, denn 
zu dieser gehörten die 70 Vertreter der Sozial⸗ 
)emokraten, Polen, Welfen und Protestler, also 
notorische Reichsfeinde. Diese 70 Intransigenten 
zaͤben den Ausschlag, solche Elemente bestimmten 
iber die Wehrkraft des Reiches und da solle der 
Kaiser zu einem solchen Reichstage noch Vertrauen 
haben? Diese eindringlichen Worte des leitenden 
Staatsmannes riefen bei der Rechten minutenlangen 
türmischen Beifall, im Centrum und bei der Linken 
Zischen hervor. Alsdann nahm Dr. Windthorst 
das Wort, um den Reichstagsbeschluß, betreffend 
zas Triennat, mit den bekannten Argumenten zu 
echtfertigen und im Uebrigen die Vermuthung aus⸗ 
usprechen, als ob möguͤcherweise das Wahlrecht 
zum Reichstage eine Aenderung erleiden könne. 
diese Aeußerung des Zentrumsführers veranlaßte 
ein nochmaliges Eingreifen des Reichskanzlers in 
die Debatte, wobei derselbe die bundige Erklärung ab⸗ 
Jab, daß im Schooße der verbündelen Regierungen 
ein Gedanke wegen Beschränkung oder gar Auf⸗ 
jebung des allgemeinen direkten Wahlrechtes laut 
geworden sei. Die weitere Rede des Fürsten Bis— 
marck bildete im Wesentlichen eine scharfe Charak⸗ 
eristik der oppositionellen Parteien, wobei er seiner 
Meinung unverhohlen Ausdruck verlieh, daß die 
Fortschruttler nichts als verkappte Republikaner seien. 
Am Schlusse seiner Ausführungen erklärte der 
danzler, wegen seiner Gesundheit abbrechen zu 
nüssen, griff aber trotzdem noch ein drittes Mal 
n die Diskussion ein, nachdem Abg. Richter sich 
n der ihm eigenthümlichen Weise uͤber die Ange⸗ 
egenheit des Septennats und die hiermit zusammen⸗ 
Donnerstag, 27. Januar 188153. 22. Jahrg. 
hJängenden Fragen verbreitet hakte. Der Kanzler Aus Osstafrika trifft die Kunde ein, daß die 
rat namentlich den verfassungsrechtlichen Arußer⸗ abyssinischen Truppen den Emir von Harrar voll⸗ 
ungen des Abg. Richter entgegen und kam dann fändig geschlagen haben, letzterer flüͤchtete nach 
nuch auf die kirchenpolitische Frage zu sprechen, Ogaden. Die Abyssinier besetzten Harrar, ohne 
vobei er erklärte, daß er nicht der Valier der Kir⸗ Ausschreitungen gegen die Einwohner zu begehen. 
hengesetze sei, obwohl er die Verantwortlichkeit Vielleicht ist aus diesem Vorgehen der Abyssinier 
siersur rragen müfse. Zum Schlusse charakierisirte gegen den räuberischen Emir das Gerücht entstan⸗ 
tismarck nochmals die Haltung der Fortschritts⸗ den, daß sie auch die italienschen Besitzungen am 
jartei vom Beginne der preußischen Militärreorgani- sothen Meere bedrohten. 
ation an und betonte, immer sei die Fortschritts · ·· J 
zartei gegen jeden militärischen Fortschritt gewesen 
und sprach er noch die Hoffnung aus, daß die 
MRilitär⸗Vorlage gerade deshalb angenommen wer⸗ 
»en würde, weil die Fortschritispartei dagegen sei. 
der Rest. der Montagssitzung war gegenüber diesen 
ochbedeutsamen Erörterungen und Auseinander⸗ 
etzungen unbedeutend. 
Nach den „Münchener N. N.“ sind mehrere 
Sozialisten, darunter der am letzten Sonnabend 
erst freigesprochene Günther, unter Verdacht, vor 
zrei Jahren das Dynamit⸗Atteniat gegen das 
Frankfurter Polizeigebäude begangen zu haben, ver⸗ 
jafet worden. .. 3 
Der kommandirende General des 1. bayerischen 
lrmeekorps, v. Horn, ist erkrankt und übernahm 
Brinz Leopold provisorisch dessen Geschäfte. 
Prinz Friedrich Leopold von Preußen 
raf auf seiner Reise in Indien am Sonnabend in 
Falcutta ein. Hier nahm der Prinz an einem ihm 
u Ehren gegebenen Banket beim deutschen General⸗ 
onsul Gerlich theil und reiste nach Beendigung der 
Festlichkeit mittels Dampfer nach Madras ab. 
Die Rede, welche Herr von Bennigsen 
im Sonntag in der Landesversammlung der natio⸗ 
ialliberalen Partei in Hannover gehalten hat, iss 
eine erste Kundgebung seit seinem politischen Wie⸗ 
erhervortreten. Bennigsen kennzeichnete den Wider⸗ 
pruch in der Haltung der entschiedenen Liberalen 
segenüber dem Septennate im Jahre 1874 und 
etzt und betonte die Nothwendigkeit des Septennates, 
vas uns allein vor einem verderblichen Kriege 
ielleicht bewahren könne. Der Redner billigte das 
Wahlbündniß mit den Konservativen und trat der 
Unnahme entgegen, als ob die Regierung eine 
ventuelle liberal- konserbative Reichstagsmehrheit 
twa zu Monopolzwecken benutzen wolle. Unter 
»em Beifalle der Versammlung endete Bennigsen 
nit der Mahnung, nur für Anhänger der unvder⸗ 
inderten Heeresvorlage zu stimmen. Die Versamm⸗ 
ung erklaärte ihre Zustimmung zum nationalliberalen 
Bahlaufruf und zu dem Wahlcartell mit den Kon⸗ 
ervativen. Herr v. Bennigsen wird im 18. Han⸗ 
noͤber'schen Wahlkreise (Stade) kandidiren. 
Die „Nordd. Allg. Zig.“ erklärt die Nachricht 
»er „Daily News“, daß Deutschland beschlossen 
jabe, von Frankreich eine Aufklärung wegen 
Truppenansammlungen zu fordern, für unwahr. 
Das „Journal de Debats“ und andere Pariser 
Blaͤtter tadeln die Aufreizungen Londoner Zeit⸗ 
angen zu einem deutsch⸗französischen 
driege. Die „Rep. Franc.“ meint hierbei, wenn 
England seine bulgarische Politik ändere, sei der 
Friede gefichert. Die oben erwähnte Sensations⸗ 
nachricht der ‚Daily News“ erhält durch diese Er⸗ 
viederung der Pariser gemaäßigten Pariser Presse 
hre beste Charakteristik. 
Nach einer Meldung aus Krakau werden alle 
veiteren Transporte von Proviant, Muniton und 
Soldaten zur russischen Sudarmee unter⸗ 
ag aufgehalten und haben weitere Befehle abzu⸗ 
garten. 
DerAches dteich. 
Muünchen, 24. Jan. Wie dem llerikalen 
Pariser „Gaulois, telegraphirt wird, soll der hie— 
fige Nuntius vom Papste die Instruktion bekommen 
haben, dahin zu wirken, daß diejenigen Geisilichen, 
welche bisher Abgeordnete waren, kein Mandat 
mehr annehmen. Die meisten seien entschlossen, 
diesem Anfinnen nachzukommen. 
Muanchen, 25. Jan. Nach einer Meldung 
des „Pester Lloyd“ ware die Thronbesteigung des 
haierischen Prinzregnten angeblich nahe bevorstehende. 
Muͤnchen, 285. Jan. Se. kgl. Hoheit der 
Prinz⸗sRegent giebt am Donnerstag, den 27. ds. 
zine Militärtafel in dem Festsaalbau der koͤnigl. 
Residenz, zu welcher nicht allein alle hiesfigen kom⸗ 
mandirenden Generäle, Divisionäre und Brigadiers, 
sondern auch die auswärts stationirten der königl. 
bayherischen Armee geladen fiinid. 
Muͤnchen, 26. Jan. Die Neuesten Nach— 
richten“ erfahren aus unantastbarer Quelle, der 
Reichskanzler besitze eine sehr entschiedene Aeuße— 
rung des Papstes über die Stellung des Zentrums 
in den gegenwärtigen Fragen, welche für die Stel⸗ 
lung der Katholiken im Wahlkampfe entscheidend 
sein, den Clerus von der Wahlagitation fernhalten 
und denselben aus den Reihen der Oppofition 
draͤngen werde. Das Zentrum werde sich ent⸗ 
icheiden müssen, ob es fernerhin dem Papst oder 
Windthorst folgen wolle. Die päpstliche Kund⸗ 
gebung sei so deutlich, daß ein Ungehorsam eine 
direkte Unbotmäßigkeit gegen den Papst bedeuten 
würde. Fürst Bismarck werde die Kundgebung im 
geeigneten Moment veröffentlichen. 
Berlin, 25. Jan. Prinz Wilhelm feiert 
am Donnerstag seinen 28. Geburtsstag. — Zum 
demnachstigen Geburtstage des Kaisers werden auch 
diesmal wieder der Kronprinz und die Kron⸗ 
prinzessin von Schweden sowie die Frau Groß—⸗ 
herzogin von Baden hier eintreffen. Die Gerüchte 
über die Hierherkunft des Zaren zu dieser Feier 
entbehren bisher der Unterlage. — Der Stati⸗ 
halter von Elsaß⸗Lothringen, Fürst zu Hohenlohe, 
hal nach mehrtägigem Besuche heute Berlin wieder 
verlassen, um nach Straßburg zurückzukehren. 
Berlin. 25. Jan. Der bisherige deutsch⸗ 
reisinnige Reichsstagsabgeordnete Dr. E. Barth ist 
als veraniwortlicher Redakteur der von Eugen 
Richter gegründeten „Freisinnigen Zeitung,“ die 
vekanntlich die lügenhafte Nachricht von der Er⸗ 
mordung des deutschen Militärbevollmächtigten 
Oberstlieutenant v. Villeaume durch den Zaren zu⸗ 
erst durch Extrablatt verbreitet und dadurch Ver⸗ 
anlassung gegeben hat, dieselbe in die gesamte 
deutsche und auswärtige Presse übergegangen ist, 
durch Urteil des Schöffengerichts wegen dieser als 
grober Unfug charakterisierten Handlung zu einer 
daftstrafe von 6 Wochen verurteilt worden. 
Berlin, 26. Jan. Der hegutige 
Reichsanzeiger“ veröffentlicht eine Kaiserliche Ver⸗ 
rdnung vom 25. Januar, welche die Ausfuhr von 
Pferden über sämtliche Grenzen gegen das Aus⸗