Full text: St. Ingberter Anzeiger

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xxqan des königl. Amsgerichts St. Ingbert. 
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Samstag, J. Dezember 1888. 
23. gahrg 
Politische Uebersicht. 
x Die diesmalige Woche brachte den Beginn 
rregelmäßigen Verhandlungen des Reichs- 
iges mit der üblichen Generaldebatte über 
en Etat, welche zwei Sitzungen, Dienstag und 
zitwoch beanspruchte. Auch diese wies mit gleichen 
rhandlungen früherer Sessionen als ihr hervor⸗ 
chendstes Charakteristilum den Umstand auf, daß 
om eigentlichen Gegenstand der Verhandlungen, 
eim Etat, am wenigsten, daß mehr aber von 
nderen Dingen, wie von Colonialpolitik 
ad der Marine Deutschlands, von der 
zecialpolitik und der socialistijschen Frage, den 
eetteidezöllen, der auswärtigen Politik u. s. w. 
prochen wurde, was jedoch ganz im Wesen einer 
allgemein gehaltenen Debatte liegt, wie es die 
ste Etatslesung zu sein pflegt. Betont muß wer⸗ 
n. daß die erste Budgetdebatte des Reichstages 
jetmal nirgends leidenschaftliche Töne anschlug, 
ndern sich allenthalben in sachlichen und ruhigen 
renzen bewegte und es ist somit weunigstens ein 
cht erfreulicher Anfang in den Reichstagsverhand⸗ 
mgen gemacht worden. Was nun die hervor⸗ 
gerdsten Momente der zweitägigen Discussion 
der den Etat anbelangt, so bildete am Dienstag 
fenbar die Rede des Abg. Eugen Richter den 
chwerpunkt der Verhandlungen, während dies am 
Jittwoch von den Reden der Abgeordneten Lieb⸗ 
iecht und v. Bennigsen zu gelten hatte. Die 
sueführungen des Herrn Richter cichteten sich na⸗ 
zentlich gegen die Zoll- und Steuerpolitik der 
degierung, dann aber besonders gegen unsere Marine 
ad gegen die Colonialpolitik, und die Erörterungen 
xr die Mehrforderungen mit der Marinedenkschrift 
Verbindung mit der Colonialfrage waren es 
yerhaupt, die sich wie ein rother Faden durch die 
veitägige Generaldebatte zogen. Nach Herrn 
lichter hal Deutschland von seinen Colonien und 
cchußgebieten nichts wie Aerger und Verdruß ge⸗ 
abt und auh in Zukunft nichts zu hoffen und 
nach es Herr Richter offen aus, daß für coloni 
crische Bestrebungen in Deutschland selbst noch 
nreichend Raum vorhanden sei. Der Marine⸗ 
enkschrift warf Herr Richter Unklarheiten und 
Widersprüche vor und bezeichnete im Uebrigen die 
derselben vorgeschlagene fernere Entwickelung der 
ꝛusschen Flotte als durch die bei uns bestehenden 
erhältnisse thatsächlich nicht gerechtfertigt. Mit 
en Ausführungen des freisinnigen Parteichefs über 
e Marine, die Colonialpolitik, die Zoll- und 
teuerpolitik dickten fich vielfach diejenigen des 
ten Hauptredners der Mittwochssitzung, des So⸗ 
aldemocroten Liebknecht, nur daß letzierer einen 
was schärferen, agitatorisch gefärbten Ton anschlug. 
berraschend war es, von dem socialdemocratischen 
idner die Versicherung zu hören, daß das deutsche 
olk einen neuen feindlichen Angriff wiederum 
ig zurückweisen würde, überraschend deshalb, weil 
ch nirmals die Einigkeit des deutschen Volkes 
Nothfalle derartig von socialdemocralischer Seite 
iont wurde. Im Weiteren verbreitete fich Herr 
abknecht über die gesammte politische Lage und 
itisirie namentlich abfällig die Verschiedenheit der 
utschen Politik gegenüber England und Rußland; 
er im Uebrigen unsere gesammten inneren Ver⸗ 
Umisse so schwarz wie möglich malte, kann bei 
nim Parteistandpunkte nicht sonderlich überraschen. 
n Seiten der Regierung trat Staatssccretär v. 
haher den Ausfül rungen des socialdemocratischen 
uets mit Nochdruck entgegen, in noch weit um⸗ 
seuoetec,nachdrücklechererund überzeugenderer Weis, 
hat dies aber Herr v. Bennigsen, der Führer der 
dationalliberalen, welcher sich zugleich gegen ver⸗ 
hiedene Ausführungen in der Dienstagsrede des 
lbg. Richter wandte. In wahrhaft bedeutender 
ind staatsmännischer Weise wies Herr v. Bennig- 
en die Liebknecht'schen Angriffe gegen unsere wirth- 
haftlichen, socialen und politischen Verhältnisse 
arück, namentlich betonend, daß die Durchführung 
es socialdemocratischen Programmes nur durch ein 
Neer von Blut geschehen könne. Hieran an- 
nüpfend, sprach der nationalliberale Redner die 
hoffnung aus, daß es dem jetzigen Reichstage ver⸗ 
zönnt sein werde, die Alters- und Invaliditäts⸗ 
ersorgung der Arbeiter wie die Arbeiterschutzfrage 
u einem gedeihlichen Ausgange zu bringen. Ueber 
»en Etat und die hiermit zusammenhängenden 
rragen äußerte sich v. Bennigsen im Allgemeinen 
ustimmend und meinte endlich hinfichtlich des Ma⸗ 
ine⸗Etats, daß dessen bedeutsamen Vorschläge ein— 
jehende Prüfung in der Budgetcommission noth⸗ 
vendig machten. Zum Schlusse gab der Redner 
zoch seiner Hoffnung auf eine befriedigende Lösung 
inserer coloniaien Schwierigkeiten Ausdruck. Nach— 
em noch der Chef der Admiralität, Graf Monts, 
ingehendste Begründung der für die Marine ge— 
ordetrten Summen in der Commission zugesagt, 
ndigte die Generalberathung des Etats mit der 
iblichen Ueberweisung der wichtigsten Etatstheile 
in die Budgelcommission, und genehmigte der Reichs⸗ 
ag noch die mit dem Etat zusammenhängenden 
lcbersichten und Rechnungen, sowie das Anleihege- 
etz. Am Donnerstag beschäftigte sich das Haus 
nit den Anträgen der freisinnigen Partei, betr. die 
Arbeiterschutzgesetzgebung, die Wahlfreiheit und die 
Bewerbegerichte. 
* Sie parlamentarischen Disposi⸗ 
ionen des Reichstages sind zunächst dahin ge— 
roffen worden, daß der Mittwoch für gewoöhnlich 
ls „Schwerinstag“ reservirt bleidt. An diesem 
Sonnabend und am folgenden Montag sollen keine 
Zlenarsitzungen abgehalten werden, um der Budget⸗ 
ommission einen Vorsprung für ihre Arbeiten zu 
öonnen, und am nächsten Dienstag soll die erste 
desung der Alters- und Invaliditätsversorgungs⸗ 
—XV— 
velcher dem in der bisherigen Friedensgarnison für 
ie Benutzung der Dienstwohnung einbehaltenen 
Wohnungsgeldzuschusse gleichhommt. 2) Auf Be— 
inte mit unbedingtem Anspruch auf Dienstwohn- 
ing, welche in mobilen Kriegsstellen verwendet wer- 
zen, findet die Bestimmung zu 1 mit der Maßgabe 
Inwendung, daß der Abzug von der Kriegsbesold⸗ 
ing die Höhe des Wohnungsgeldzuschusses nach Kl. 
7. des Tarifs vom 24. August 1873 zu bemessen 
st. 3) Vorstehende Anordnungen finden keine 
Unwendung auf diejenigen Offiziere, für welche 
in verordnungsmäßiger Wohnungsgeldzuschuß über⸗ 
zaupt nicht normiert ist. 
Die zur Legung der zweiten Geleise bei 
en Hauptstrecken der bayerischen Staatsbahnen er⸗ 
orderlichen Mittel werden auf 20 Millionen Mark 
ingegeben. Es ist dabei zu beachten, daß die Hoch⸗ 
zauten sämmtlich auf zwei Geleise eingerichtet sind, 
aß auch das Gelände zum weitaus größten Theil 
ereits vom Staate erworben und daß sogar die 
dämme zum Theil schon auf zwei Geleise berech— 
get find. 
Berlin, 29. Nov. Die Froctionen des Reichs⸗ 
ages beschäftigen sich lebhaft mit dem Gesetzent⸗ 
vurf, betreffend die Altersund Invalidens 
»ersicherung. Abgesehen von den Social⸗ 
emokraten und den „Deutsch-Freisinnigen“, welchen, 
vie in einer der letzten Nummern der „Freis. 
Zig.“ noch bewiesen wurde, an der Verschleppung 
er Sache gelegen ist find die Fractionen der An⸗ 
icht, daß das Gesetz noch in dieser Sesfion zu 
ZStande gebracht werden müsse, obgleich zahlreiche 
Abanderungen beantragt werden duürften. » 
Nach den dem Bundesrate zugegangenen abge⸗ 
inderten Bestimmungen über die Statistik der 
Zrantweinbrennereien und Brannt— 
veinbesteuerung soll die alljährlich zu 
Jebende Denkfchrift üuber das Ergebniß des Brannt⸗ 
veinbetriebes und der Branntweinbesteuerung sich 
tünftig auch auf die Angabe der Haupttrinkbrannt⸗ 
veinsorten, deren Beschaffenheit und Preise erstre⸗ 
ken; ferner soll der Betriebsumfang der Brennereien 
nicht nach Maßgabe der von ihnen entrichteten 
Steuerbettäge, sondern nach der Höhe ihrer Pro⸗ 
zuction abgestuft und, um ein zuverläsfiges Urtheil 
aͤber die Wirkung des neuen Gesetzes namentlich 
in steuerlicher Beziehung zu gewinnen, eine Ueber- 
icht über die erhobenen Branntweinsteuerbeträge 
roch den verschiedenen zur Erhebung gelangten 
Zätzen aufgestellt werden. Schließlich ist die An⸗ 
ertigung einer ganz neuen Nachweisung über di 
Ausbeute der den verschiedenen Maischsteuersätzen 
interliegenden Brennereien nach den einzelnen? 
Steuerklassen in Vorschlag gebeacht. 
Die Intessentenbeiträge zum Bau des Dort⸗ 
nunder Canals, welcher bereits seit 1886 
zenehmigt ist, sind trotz der den Betheiliglen durch Ge⸗ 
etz vom 6. Juni d. J. gewährten sehr weitgehen⸗ 
en Erleichterungen noch nicht völlig gefichert. Auch 
ezüglich der Vorbedingungen für einen Teil der 
seguilierung der Oder scheinen noch Weite⸗ 
ungen zu befürchten zu sein. Besser läuft die 
Zache bezuͤglich der Regulierung der Weich sle l⸗ 
nundung. Die JInangriffnahme dieses 
Zgaues istbekanntlich davon abhängig gemacht 
vorden, daß ein durch einen Deichverband aufzu⸗ 
ringender Kostenbeitrag von 7 230 000 M. ge⸗ 
ichert ist. Der betreffende Deichverband dürfte 
oraussichtlich zum Beginn der nächstjährigen Bau⸗ 
it die landesherrliche Genehmigung erhalten 
oͤnnen. 
Deutsches Reich. 
Stuttgart, 80. Nov. In der nächsten Woche 
vird der Landtag mit einer Thronrede durch 
ꝛen Prinzen Wilhelm feierlich geschlossen 
verden. Die Neuwahlen finden Mitte Januar 
latt. 
Muünchen, 29. Nop. Vom Kriegsmini— 
derium wurde unter Aufhebung des Erlasses 
om 17. Juli 1881 bestimmt: 1) Für die mit 
nobilen Kriegsstellen beliehenen Offiziere, 
Zanitats· Offiziere und Beamten der Militärver 
paltung ruht während der Dauec des mobilen 
gerhälimisses der Anspruch auf Benutzung der ihnen 
ur ihre Friedensstellen üderwiesenen Dienst⸗ 
vohnungen. Sie erhalten während dieser Zeit 
n der Kriegsbesoldung zugleich den verordnungs⸗ 
näßigen Wohnungsgeldzuschuß. Gleichwohl können 
Henjenigen Offizieren, Aerzten und Beamten, welche 
sch beim Eintritt einer Mobilmachung im 
henusse einer Dienstwohnung befinden, soferne fie 
8 wünschen und soweit nicht dringende dienstliche 
c. Rüdsichten eine anderweitige Verwendung der 
Pohnungen durchaus erforderlich machen, diese auch 
ährend des mobilen Verhältnisses gegen einen 
ibzug von der Kriegsbesoldung belassen werden,