Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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Nro. 30 Dienstag, den 10. März 1868. U 1868 
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Deutschlaud. 
München, 5, März. Ueber die am Montag Nachmit⸗ 
ags 2 Uhr beginnende Leichenfeier Königs Ludwig J. ist 
hon königl. Oberst-Ceremonienmeister ein Programm erschienen 
dem wir Folgendes entnehmen: 
„Der Leichenzug geht unter dem Geläute der Glocken und 
anter Abfeurung von 101 Kanonenschüsse von der k. Hofcapelle 
nach der Briennerstraße, über den Koönigsplatz, durch das rechte 
Portal der Propylaͤen. die Louisen⸗ und Karlsstraße an den 
daupteingang der St. Bonifaciuskirche. Hier empfängt die gesammte 
Geistlichkeit die Hülle des Königs, und wird der dieselbe um⸗ 
schließende Sarg auf, eige vor dem Katafalke errichtete Estrade 
zesetzt, von der anwesenden Geistlichkeit die Vesper abgebetet und 
on' dem Erzbischofe die Einsegnung verrichtet. Nachdem hierauf 
die allerhöchsten und höchsten Herrichaften, sowie die anwesenden 
herren und Damen die Kirche verlassen haben, wird der Sarg 
Inter Voriritt der benöthigten Geistlichkeit und gefolgt von dem 
Oberhofmeister, dem Staatsminister des k. Hauses und des Aeu⸗ 
zern und dem Hofmarschall Baron v. Laroche nach dem Sarko— 
oͤhage getragen, in denselben gesenkt, und wird von demk, Ober⸗ 
hofmeister doppeltes Siegel angelegt. Der Zug selbst ist im All⸗ 
zemeinen in ähnlicher Weise geordnet wie bei der Leichenfeier der 
önige Max U. und Otio U. Leider wird sich an dem Leichen⸗ 
—o— derfelbe noch 
mmer unwohl und nicht einmal noch in den Stand der Recon 
oalescenz eingetreten ist. 
Münchenn, 5. März. Im Einlauf der Kammer befinden 
sich u. A. Petitionen der Bäcker aus verschiedenen diesseitigen 
Sladien um Freigebung der Brod⸗ und Mehltare; solche vieler Lehrer 
ind dann des Nürnberger Bolksvereins in Betreff des Schulgesetzes; 
rine Vorstellung des Landgerichtsschreibers Pfirmann in Homburg, 
die Gehaltsaufbesserung der spfälzischen Landgerichtsschreiber betr. 
München, 5. März. In der gestrigen Sitzung des. Fi⸗ 
nanzausschusses wurde die Aufstellung von 36 neuen Landgerichts⸗ 
Assessoren nicht begutachtet; die Assessorengehalte sollen von 800 fl 
anf 900 fl. in Form einer Theurungszulage erhöht werden. 
Aus München, berichtet der „N. K.“ vom G6. März: 
In der Abgeordnetenkammer fand die Ausdehnung des Malzauf⸗ 
schlags auf die Pfalz statt. Anfangs stellte Kolb den Antrag 
den Malzaufschlag einzuführen, sobald die Pfalz mit den rechts— 
rheinischen Kreisen bezüglich der Taxen und des Stempels gleich— 
gestellt sei, zog ihn aber später zurück zu Gunsten des Umbschei—⸗ 
den'schen Antrags, daß das Malzaufschlaggesetz in der Pfalz an 
dem Tage in Wirksamkeit trete, an welchem ein für das ganze 
Königreich giltiges Gesetz über die Tare der freiwilligen Gerichts⸗ 
harkeit in's Leben triti. Letzterer Antrag wurde mit 76 gegen 
35 Stimmen verworfen und die Abgeordnetenkammer beschloß 
nach vierstündiger Debatte die sofortige Einführung des Malzauf⸗ 
schlags in der Pfalz. 
Der Finanzausschuß der Abgeordnetenkammer hat gestern 
6. März, den Etat des Finanzministeriums ohne wesentliche Ab 
striche genehmigt. 
Mnchen, 7. März. In der heutigen Sitzung der Abge⸗ 
ordnetenkammer wurde der Antrag der pfalzischen Abgeordneten 
auf Befreiung der landwirthschaftlichen Branntweinbrennerei 
bom Malzaufschlag nebst mehreren anderen von pfälzischer 
Seite eingebrachten Modificationsanträgen verworfen und 
hierauf das ganze Malzaufschlagsgesetz mit allen gegen 19 Stim—⸗ 
nen angenommen. Dagegen stimmten außer dem Abg. v. Hoff⸗ 
mann saͤmmtliche anwesenden Deputirten der Pfalz. (Abg, Adt isi 
wegen Krantheit beurlaubt.) 
Berlin, 6. März. Gutem Vernehmen nach steht jetzt die 
Berufung des Reichstages zum 23. März fest, während das Zoll⸗ 
barlament erst nach der Beendigung der Reichstagssession zusam⸗ 
mentreten wird. 
Das hiesige Blatt „Post“ will wissen, daß die Anwesen— 
heit des Prinzen Rapoleon lediglich den Zweck hat, den im Früb— 
jahr bevorstehenden Besuch des Kaisers, seines Vetters, bei hie— 
sigem Hofe einzuleiten. Er wird etwa acht Tage hier bleiben 
und sich dann zunächst nach Dresden begeben. Später reist er noch 
nach Wien, München und Stuttgart. 
Birkenfeld, 4. Febr. Hier gibt man sich allgemein der 
Doffnung hin, daß die Bahn Landstuhl-Kusel von letzterem 
Orte über die Stadt Birkenfeld weiter nach Trier und 
'o fort bis Antwerpen geführt würde. Preußische Ingenieure ha-⸗ 
»en die Ausführung in nahe Aussicht gestellt. Wenn 'es Frieden 
»leibe, sagt man bei uns allgemein, daß die bayerische Staats- 
regierung diesem Bahnproject gar nicht ungünstig gestimmt sei 
ind waͤre eine Verbindung Süddeutschlands mit Belgien auf 
diesem Wege von hoher Wichtigkeit und die Handels-Interessen 
oͤrderdernd. Die Stadt Birkenfeld hat dadurch, daß sie eine. 
Stunde von der Rhein-Nahebahn abliegt, viel verloren, und 
önnte dieses auf diesem Wege wieder ausgeglichen werden — 
In unserem Industriebezirk Oberstein, krankt das Geschäft gewal— 
tig und ist unter der Arbeiterbevölterung stellenweise große Noth 
zorhanden, selbst vermöglichere Leute leiden unter dem Drucke det 
nomentanen Verhältnisse sehr. 
Hamburg, 6. März. Die Hamburger Nachrichten mel⸗ 
den aus Wien, daß eine Conferenz der Gesandten der fremden 
Biächte in Konstantinopel über einen friedlichen Austrag der can-⸗ 
diotischen Angelegenheit verhandle. 
(Wien und Pesth.) Welch ein hochmüthiges Lächeln ent⸗ 
ockte es einerseitz, welcher Schrei der Entrüstung war anderer— 
eits zu hören, als Bismarck vor ein paar Jahren Oesterreich an— 
rieth, seinen Schwerpunkt nach Pesth-⸗Ofen zu verlegen! Und nun 
eitartikelt bereits die „N, fr. Pr.“ über die Thathsache, daß 
Bien aufgehört hat Hauptstadt des Reichs, ständige Residenz des 
daisers zu sein, daß „politische Rücksichten es seit zwei Jahren 
gefügt haben, daß der Kaiser und die Kaiserin weit länger in 
Afen als in Wien verweilten und daß eben jetzt ein freudiges, 
dynastisches Ereigniß nicht in Wien, sondern in Ofen, dem zwei⸗ 
en gleichberechtigten königlichen Hoflager, in Erfüllung geht.“ 
Wir begrüßen dieses Factum! Es wird mehr als alles Andere 
beitragen,? die Wiener aus ihrem Phäakenleben zu erwecken! Mehr 
und mehr durch eigene Anstrengungen wird die alte Kaiserstadt 
sich auf der Höhe zu erhalten suchen müssen, damit ihr nicht in 
der von überall her protegirten ungarischen Hauptstadi ein gefähr⸗ 
icher Rival nicht blos in Sachen der Residenz entsteht; es wird 
einen Stützpunkt in Deutschland suchen und so aus dem gewiß 
chließlich für Gesammtdeutschland so wichtigen Dualismus Oe⸗ 
terreichs das Beste gewinnen, was es gewinnen kann, nämlich aus 
einer sittlich angefaulten Residenz eine blühende Stätte deutfchen, 
kernigen Bürgerthumes werden. 
Franukreich. 
Paris, 6. März. Zu der Reise des Prinzen Napoleon 
macht das „Journal de Paris“ einen guten Witz, indem es be—⸗ 
nerkt: „Zuerst sühlte man sich ob der Nachricht erschreckt, daß der 
Prinz seinen Besuch am Hofe in Generals-Uniform gemacht habe. 
Allein nach einiger Ueberlegung beruhigte man sich bei dem Ge— 
danken, daß, wo der Prinz Napoleon in Uniform erscheint, eine 
Schlacht nicht nahe bevorsteht. „Gestern wollte man wissen, 
der Prinz sei nach Berlin gesandt, um die Wiederherstellung Po— 
lens zu betreiben; heute wird versichert, er habe dem Grafen 
Bismarck zu eröffnen, daß Frankreich aus purer Liebe pour le 
Roi de Prusse zu allen weiteren preußischen Schritten in Deusch⸗ 
sand ein Auge zudrücken, keinenfalls aber etwaigen Widerstand 
dagegen begünstigen werde; was morgen und übermorgen auf das 
Tapet kommen wird, steht abzuwart en. 
Paris, 7. März. Heute Abend findet im Chatelet⸗Theatre 
die exste Aufführung des „Vengeur statt, jenes Dramas. in wel⸗ 
hem am Schluß (mit Erlaubniß des Kaisers, ‚Vive la Répu- 
blike* gerufen wird. Man erwartet eine große Demonstration; 
die Polizei hat deshalb vierzig Plätze mehr als gewöhnlich 
zorlangt, natürlich für ihre Mouchards.