Full text: St. Ingberter Anzeiger

des Art. V des Prager Friedens annehmen.“ Auch das 
französische Cabinet soll von den Absichten der preußischen Regie⸗ 
rung unterrichtet werden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß 
Preußen ernstlich in der Annährung an Oesterreich eine Garantie 
des Friedens sucht. 
Aus Wien liegen bezüglich des in Ofen zwischen dem 
ungarischen und dem nicht ungarischen Ministerium vereinbarten 
Wehrgesetzesentwurf, der demnächst dem Pesther Reichstag wie 
dem Wiener Reichsrath vorgelegt werden wird, Mittheilungen 
vor, die eine Vorstellung von der beabfichtigten Organisation er⸗ 
möglichen. Die Principien der künftigen Wehrverfassung sollen 
amlich sein: allgemeine Wehrpflicht und zehnjährige Dienstzeit, 
edoch ohne Ausschluß der Stellvertretung. Diejenigen, die in 
das stehende Heer eintreten, haben ihrer zehnjährige Dienstpflicht 
in der Weise zu genügen, daß sie drei Jahre der Linie, fünf 
Jahre der Reserve und zwei Jahre der Landwehr angehoren. 
Diejenigen dagegen, die durch Loskauf oder Ausloosung vom Ein—⸗ 
rritt in die Linie befreit werden, treten sofort in die Landwehr, 
der sie alsdann ganze zehn Jahre angehören, Das stehende 
Heer soll im Ganzen etwa 300,000, die Reserve 500,000 
Mann zahlen. 
Die Landwehr würde bei einer jährlichen Recrutenbewillig⸗ 
ung von etwas über 100,000 Mann etwa 20,000 Mann ge— 
dienter Solden zählen, ungerechnet diejenige Mannschaft, die 
nach dem Obigen ihre ganze zehnjährige Dienstzeit in der Land⸗ 
wehr zurückzulegen hat. Dieser letztere Theil der Mannschaft 
wird nach und nach für einige Zeit zu den Fahnen einberufen 
uind kriegstüchtig gemacht, und zwar soll zur Ausbildung dieser 
Mannschaft von jedem Bataillon Landwehr stets eine Compagnie 
unter Waffen stehen. 
Die stehende Armee bleibt eine einheitliche, sie untersteht dem 
gemeinsamen Kriegsminister. Die Mittel zum Unterhalt derselben 
werden von den Delegationen bewilligt und nach Maßgabe des 
für die gemeinsamen Ausgaben geltenden Procentsatzes von 30 
und 70 Procent auf die beiden Reichshälften repartirt. Die Land⸗ 
wehr dagegen bildet in jeder Reichshälfte einen gesonderten Trup⸗ 
penkörper und untersteht dem Landesvertheidigungsminister; die 
Mittel zu ihrem Unterhalt werden von jedem Reichstage selbst⸗ 
ftändig bewilligt; sie hat im Frieden den inneren Dienst, wie 
ihn jetzt die Gendarmerie besorgt, zu versehen und erhält in Un— 
zarn nationales Commando. Die Größe des stehenden Heeres 
sst im Allgemeinen zwar auf 300,000 Mann veranschlagt, doch 
wird sie thatsächlich von der Geldverwilligung der Delegationen 
abhängen. 
Fraukreich. 31 
Paris, 8. Mai. Die Angelegenheit bezüglich des Exequa⸗ 
lur der nordeutschen Bundesconsuln ist vollständig geregelt. Pa— 
trie,“ „France“ und „Constitutionel“ fassen den Beschluß des 
deutschen Zollparlaments in der Adreßfrage als eine Bürgschaft 
der Fortdauer guter Beziehungen zwischen Frankreich und Deutsch— 
land auf, während der „Moniteur“ denselben ohne weitere Be— 
merkung registrirt. „Constitutionel“ und „Etendard“ erklären 
zie Gerüchte über Mainz für Schwindel. Die hannover'sche Le— 
zion ist von Rheims nach Amiens verlegt worden und besteht nur 
noch aus 2—2300 Mann. Der Kaiser wird in Orleans keine 
Rede halten. Der Bey von Tunis hat den General Ruffo zur 
Beiligung des schwebenden Streites hierher gesandt. 
Eugland. 
London, 9. Mai. Es heißt, der Ministerrath habe be— 
schlossen, auf ein etwaiges Mißtrauensvotum mit Parlamentsauf⸗ 
lösung zu antworten. — In Cannes im südlichen, Frankreich 
starb dieser Tage einer der größten Staatsmänner und Schrift- 
steller Englands, Lord Broughom, im Alter von 90 Jahren. 
Schweiz. 
Genf 9. Mai. Der Kronprinz von Preußen traf gestern 
Ubend hier ein, nachdem er gestern früh den Tunnel des Mont⸗ 
Cenis besichtigt hatte. Morgen reist er nach Baden ab. 
Italien. 
Aus Rom schreibt man dem Pariser Univers: „Wir leben 
hier in der Erwartung großer Ereignisse; Niemand glaubt an den 
Frieden. Priuz Napolcon will dies auf seiner Erkundigungsreise 
in Italien wohl in Erfahrusig gebracht haben.“ Dann heißt es 
weiter: „In der Romagna bereitet sich Alles zu einer demokra— 
tischen Erhebung vor. Bis in den letzten Flecken dieser Provinz 
ebenso wie in den Marken und in Umbrien sind überall die Clubs 
u Thätigkeit und schmieden die feindseligsten Pläne gegen die 
Monarchie.“ 
Der älteste Sohn Garibaldies, Oberst Menotti, wird nächstens 
eine schoͤne Livornerin von griechischer Abkuuft heirathen. — Der 
Heneral ist noch immer auf Cabrera, wo er — nach der Gazette 
di Torino. — sehr an rheumatischen Schmerzen leidet.“ Er kann 
nicht selbst an seine Freunde schreiben. Wenn das nicht nachläßt, 
so wird er Caprera verlassen, um wieder die Bäder von Mon—⸗ 
summano zu brauchen, welche ihm im vergangenen Jahre so 
zut thaten. 
Genua, 9. Mai. Gestern Nachmittag ist der Kronprinz 
von Preußen hier eingetroffen und von Behörden und Volk be— 
geistert empfangen worden. Er hielt eine Revue über die Na— 
tionalgarde ab. 
Donaufürftenthümer. 
Bukarest, 9, Mai., Fürst Karl hat nachdem er auf feiner 
Reise durch die Moldau die Ueberzeugung gewonnen, daß im Di— 
tricte von Baken Judenverfolgungen wirklich stattgefunden haben, 
'ofort nach seiner Ankunft hier die strengsten Maßregeln gegen 
die Schuldigen anbefohlen. Der Präfect Lecca ist seines Amtes 
entsetzt, eine große Anzahl Beamter und Einwohner des Districte 
Baken sind in Anklagestand versetzt, die Rationalgarde von Bakeu 
st aufgelöst. Auch sind sonst alle Maßregeln ergriffen, um den 
Israeliten die vollste Garantie für die Zukunft zu geben. 
Amerika. 
New⸗-York, 23. April. Im Repräsentantenhause passirte 
am 22. April eine Bill, welche 10,000 Dollars für die Kosten 
des Anklagverfahrens wider Andrew Johnson, 40,000 Dollars 
für verschiedenartige Ausgaben, und 17,000 Doll. für Verstärk⸗ 
ung der Polizeimacht -— in andern Worten, 67,000 Doll. für 
die Unkosten des Senats während des Processes gegen den Prä⸗ 
sidenten, bewilligt. 
— In New-York ist unter dem Namen „Blaustrumpf⸗ 
Tlub“ eine Societät ins Leben getreten, welche ausschließlich aus 
Damen von literarischer und künstlicher Befähigung und Beschäf⸗ 
tigung zusammengesetzt ist. 
— Washington, 7. Mai. Der Senal als Gerichtshof 
wird seine Cntscheidung in dem Präsidentenprocesse am Dienstag 
den 12. d. Mts fällen. 
Vermischtes. 
F 3weibrücken, 10. Mai. Heute früh stürzte bei einer 
lebung der Steigerabtheilung der hiesigenFFeuerwehr ein Sieiger, 
Familienvater und geachteier Viürger, von einer Leiter und ver— 
etzte sich derart, duß er besinnungslos nach Hause gebracht wer⸗ 
den mußte. 
7 Wie man hört soll am Sonntag Nachmittag ein sehr 
schweres Gewitter in und um Pirmasens Schaden angerichtet ha⸗ 
ben; der Blitz soll auch in eine Schuhfabrik und in einen Schafs⸗ 
pferch eingeschlagen haben, in welchem eine große Anzahl der 
Thiere getödtet wurden. (Man spricht von sechzig Stück. 
—pMünchen. 6. Mai. Der König wohnte gestern im 
Residenztheater einem Concert bei, das auf seinen Befehl von 
dem koͤniglichen Hoforchester unter Bülow's Direction veranstaltet 
vurde. Im ganzen Hause war außer dem König Niemand 
ugegen. — Der Vater der ermordeten Gräfin Chorinsky hat 
iich gemeldet, um deren Hinterlassenschaft in Empfang zu neh⸗ 
men. Er ist Maler nnd Schriftsteller und kehtrte eben aus Ame⸗ 
rika zurück. — 
In Landshut hatte ein Korporal des Jägerbataillons das 
Unglück, beim Rekruten-Unterricht mit seinem scharf geladenen Ge⸗ 
vehr einen Mann zu tödten. Dem hinter demselben Stehenden 
'uhr die Kugel in die Brust. Am Aufkommen des Letztern wird 
auch gezweifelt. 
— Nach einem amtlichen Ausschreiben wure am 19. April 
. J., des Nachmittags, zu St. Martin, einer Gemeinde des 
tantons Vlamont in Frankreich, ein Kind in der Nahe der Woh⸗ 
nung seiner Eltern geraubt. Dieser That sind Seiltänzer 
oder Zigeuner verdächtig, welche mit einem Wagen reis- 
ten, der mit Leinwand gedeckt und an welchem ein 
Brauschimmel angespannt war. Das geraubte Kind ist 392 Jahre 
alt, männlichen Geschlechts, sehr stark, wohlgebaut, blond, hat 
graue Augen, einen kleinen Mund und frischen Teint und war 
»ekleidet mit einem lilafarbenen Jäckchen und Rock und weißen 
dosen. Es spricht ziemlich leicht französisch und gibt auf den 
Ramen „Victor Urbain“ Antwort. Es wird um genaue Nach⸗ 
orschung ersucht. 
F Berlin, 7. Mai. Heute früh um halb 10 Uhr explodirte 
in der Kurstraße Nr. 19. im Keller ein Petroleum-Lager mit sol⸗ 
her Gewalt, daß sämmtliche über dem KHeller gelegene Räume, 
Parterre und zwei Etagen des Hauses, demolirt wurden. Leider 
ind dabei auch Menschen zum Opfer gefallen; die Zahl der Tod⸗ 
en wurde auf 5 bis 8 angegeben, die Zahl der sonst Verun⸗ 
jlückten war, nicht bekannt. Ueber die Entstehung der Explosion 
irculirten verschiedene Versionen, es hieß Gas sei im Keller aus— 
jeströmt und habe in dem Augenblidke explodirt, in welchem der 
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