Aus Luxemburg schreibt man: Die Bewegung zu Gunsten
der Annexion an Frankreich ist im Wachsen; das Gouvernement
heabsichtigt, Maßregeln gegen die Hauptwühler zu ergreifen. Man
vernimmt, daß der hiesige französische Vice-Consul Herr Eugen
Manhon sich durch die von Seilen eines Deputirten in der Kam⸗
mer vorgebrachten Beschuldigungen gekränkt fühle; er hat ein an
den Staats⸗-Minister des Großherzogthums gerichtetes Schreiben
mit seiner Unterschrift publicirt, in welchem es u. A. heißt: „Ich
bin durchaus nicht betheiligt bei der Gründung des Journals
„l'Avenir,“ habe nichts mit demselben zu thun, noch es zu beach⸗
ten.“ Schließlich bemerkt der Herr Vice-Consul: „Mein Vater⸗
land ist groß genug und hochherzig genug, um im Auslande
Sympathien auf natürlichem Wege zu erwecken, ohne daß es der
Beihülfe seiner Agenten dabei bedürfe.“ J
Hamburg 12. Mai. Das „Nordische Telegraphenbureau“
meldet aus Berlin daß von Seiten des Tuilerien⸗Hofes über die
Dispositionen zu der diesjährigen Badereise Sr. Maj. des Königs
von Preußen angefragt worden sei, da der Kaiser und die Kaiserin
hiernach die Dispositionen betreffend den Besuch des preußischen
Hofes in Berlin oder an einem deutschen Badeorte zu treffen be—
absichtigeen.
Wien 12. Mai. In der heutigen Unterhaussitzung legte
der Justizminister den Gesetzentwurf über Einsührung der Frie—
densgerichte vor. Die Gesetzentwürfe über Einführung des
Schwurgerichtsverfahrens und die Bildung von Geschworenenge⸗
richten zur Aburtheilung. von Preßvergehen wurden in zweiter
und drilter Lesung nach den Ausschußanträgen angenommen.
Wien, 12. Mai. Der Budgetausschuß des Unterhauses be—
schloß zur Deckung des Deficits die Staatsgläubiger und die übrig⸗
steuerpflichtige Bevölkerung herbeizuziehen und über Unisication der
Staatsschuld sofort zu entscheiden.
prag, 11. Mai. Gestern beschloß eine in Krabschitz ab⸗
gehaltene, von beiläufig 10,000 Personen besuchte czechische Volks—
versammlung eine Resolution folgenden Inhalts: Krönung des
Naisers als König von Böhmen, Auflösung des nach „ungerech—
tem“ Modus zusammengesetzten Landtages, Neuwahl auf Grund
des allgemeinen Stimmrechtes und Ertheilung des Steuer⸗ und
Recrutenbewilligungsrechtes. Die Versammlung, an der auch
Frauen Theil nahmen und mitstimmten, war so stürmisch, daß
der Regierungscoömissär mit Auflösung drohen mußte. Die
Führer der czechischen Partei in Prag hatten sich fern gehalten.
Frankreich.
Paris, . Mai. Dem Polenblatt „Correspondance du
Nordest“ wird aus Bukarest unterm 2. Mai gemeldet, daß in
Bakeu eine Revolte ausgebrochen sei, die zu blutigen Zusammen-
stößen zwischen Volk und Truppen geführt habe, und deren Au⸗
stifler die ursprünglichen Rädelsführer der Judenverfolgung seien,
besonders der berüchtigte Negura, Schwager des Expräfecten
Lecca. Durch ganz Rumänien gehe die Aufregung, und man sehe
weiteren Aufstandsversuchen entgegen. Freilich haben die Minister
dem englischen Generalconsul, Hrn. Green, auf dessen Anfrage er—
klärt, daß fie des Heeres sicher sein; Hr. Green scheint aber da
ran nicht sehr zu glauben.
England.
London, 11. März. .Der LloydDampfer „Herrmann“
hringt folgende Nachrichten aus New-HYork vom 80. April; Die
New⸗Hork Times“ theilt bestätigend mit, daß Senator Grime,
und andere Senatoren Briefe erhalten hätten, worin ihnen, im'
Falle sie für die Freisprechung Johnson's stimmten, mit Ermor—
dung gedroht werde. — Aus Mexico wird gemeldet, daß der
Congreß verfügt habe, Fremde, welche ehrenvolle Geschäfte betrei⸗
ben, von der Verbannung auszuschließen.
Schweiz.
Bern, 11, Mai. Die Unterhandlungen über den Handels
verirag mit dem Zollverein, welche in Berlin stattfanden, sind
gescheilert und die schweizerischen Abgeordneten in Folge dessen
bon dort gestern abgereist.
Italien.
VUiin clericales Blatt bringt die neueste officielle Liste der
päpstlichen Zugven nach den Nationalitäten. Nach derselben dienen
in jener auserlesenen Legion gegenwärtig 1910 Holländer, 18301
Franzosen, 686 Belgier, 189 Italiener (worunter 157 Römer,
135 Nanadier, 109 Deutsche, (worunter 87 Preußen),
101 Irländer, 50 Englaͤnder, 32 Spanier, 19 Schweizer, 14
Nordamerikaner aus der Union. 12 Polen, 10 Schotten, 7 Oe⸗
sterreicher, & Portugiesen, 2 Russen, 1 Tscherkesse, 1 Afrikaner
JAusiralier, 1 Mexicaner, Peruaner und 1 Indianer. Der
große Eifer der Holländer für den päpstlichen Kriegsdienst erklär
ich wohl aus dem Umstande, daß der Ordensgeneral der Gesell⸗
daft Jesu aus den Niederlanden stammt; es verbindet sich hier
der Nationalstolz mit dem Glaubenseifer. Trotz aller Anstreng⸗
ungen der St. Michaelsbruderschaft sind nur J Oesterreicher dem
Rufe in's päpstliche Heerlager gefolgt, während 87 Preußen sich
der Aufgabe widmeten, die weltliche Herrschaft des „Stellvertreters
Christi“ gegen Garibaldi und seine Freischärler zu vertheidigen.
In Florenz wurden der Postofficial Ranuzzi und der
Priester Russi von unbekannten Mördern auf offener Straße
erdolcht.
Florenz 12. Mai. Man versichert, daß zwei Fahrzeuge
von Italien nach Tunis gesandt werden würden, wenn Frankreich
darauf bestehe, seine Flotte dorthin zu schicken. Ein russisches Ge⸗
schwader wird im adriatischen Meer erwartet. — Die Zahlung
des Coupons der inneren Schuld wird ain 22. d. M. beginnen.
— Man bestätigt die pachtweise Abtretung der Tabaksregie an
eine italienische Gesellschaft. — Italienische Rente 34. 10. Na⸗
poleons 22. 17.
Der „A. Z.“ schreißt man: Nicht ganz ohne Bedeutung
lin Betreff der Zukunft der Bourbonen erscheint die Nachricht von
der Verlobung des Grafen von Girgenli, Bruder des Koönigs von
Neapel (geb. am 12. Jan. 1846 und gegenwärtig Lanciercapitän
in österreichischem Dienst), mit der erstgebornen Tochter der Kö—
nigin von Spanien, Infantin Maria Isabella (geb. am 20. De⸗
jember 1851). Die Prinzessin ist sehr reich, da sie nach spani—
schem Gebrauch bis zur Geburt des Kronprinzen sechs. Jahre lang
die reiche Apanage als Kronprinzessin bezog. Der Graf von
Girgenti, der nicht viel Vermögen- besitzi, wird den österreichischen
Dienst verlassen und sich in Spanien ansiedeln.
In Neapel greift der „Liberta Cattolica“ zufolge der bösar⸗
tige Fleckentyphus, namentlich unter den Arbeitern, immer weiter
um sich. Die Spitäler sind so überfüllt, daß man keine neuen
Kranken mehr aufnehmen kann.
Spanien. 2*
Madrid, 10. Mai. Gestern hat der Senat den Handels-
vertrag mit dem Zollverein angenommen.
Türkei.
Konstantinopel 11. Mai. Die sehr freisinnige Rede
des Sultans bei Eröffnung des Staatsraths hat durch die darin
ausgesprochene energische Erklärung, daß der Bruch mit dem Alt—
hergebrachten und eine aufrichtige Annäherung an die europäische
TFivilisation nothwendig sei, Sensation gemacht.
Nußland.
Petersburg, 10. Mai. Das „Journal“ bringt die
officielle Ernennung des Grafen v. Stackelberg zum Botschafter in
Paris. Hr. v. Budberg ist hier eingetroffen. — Aus Peking
kommt die officielle Bestätigung der Herabsetzung des Ausfuhrzolles
ür gesiebten Thee auf die Hälfte.
Vermischtes.
Speyer, 11. Mai. Heute haben hier die juristischen
Staatsprüfungen begonnen, an welchem 10 Candidaten Theil neh—
men. Prüfungscommissäre sind die H.H. Appellationsgerichtsdi—
rector v. Kärner und die Apellräthe Serini und Hecht. Prüfungs-
commissäre für die Verwaltung sind die HH. Regierungsdi—
rector Delamotte und die Regierungsräthe Scharnberger und
Schwarz.
Pirmasens 11. Mai. Um die gestrigen Mittags—
stunde zogen schwere Gewitter über unsere Stadt und Gegend und
hatten großartige Verheerungen im Gefolge. Der Blitz schlug in
die unmittelbar vor der Stadt auf einem Acker lagernde Schaf—
heerde und tödtete 64 Schafe und eine Ziege. Glücklicherweise
hatte sich der Schäfer kaum 2 Minuten zuvor etwas von seiner
Heerde entfernt und entging so dem sicheren Tode. — Auch in
das Haus des Kaufmannes Carl Harteneck hat der Blitz einge—
schlagen, ohne jedoch besonders erheblichen Schaden anzurichten.-—
Am furchtbarsten hausten die Wetter im Trulber Thal. Haupt-
und Seitenthäler glichen nach wenigen Minuten einem förmlichen
See und sind nun mit Steinen, Sand und Geröll förmlich über⸗
deckt. Die Distriktsstraße ist stellenweise total ruinirt, die neue Brücke
interhalb Trulben mit ihren schweren Quaderwänden ist weg—
gerissen und fortgeflößt; die Tochter und ein Dienstknecht des
Müllers Steff von der Trulber Mühle wurden von den Fluthen
veit fortgeschwemmt und konnten nur mit vieler Mühe vom ficheren
Tode gerettet werden; ein Füllen und ein Kalb sind aus den
Ställen fortgerissen worden und kamen in den Fluthen um; in
einem Pferdestall lagern noch heute mehrere Wagen voll Hagelkörner.
Die Communication zwischen Trulben und Eppenbrunn ist gänz⸗-
lich unterbrochen.
München, 10 Mai. Der „Kemptner Ztg.“ schreibt
man: Daß in reichen Familien, welche sich mit bisonderem Selbst⸗
dewußtsein und Schaugepränge als Hort reactionärer kirchlicher
Kichtungen hinstellen und ausposaunen lassen, auch stark mensch⸗