Full text: St. Ingberter Anzeiger

deht die underweilte Publikation einer Erklaärung bevor, daß die 
amer Vorbehalt erlassene Amnestie für die Hannoveraner am 1. 
Juli erlischt. 
Paris, 8. Jum. Der heutige Arlilel der Patrie gegen 
die Berliner Blätter, deren Recriminationen eine indirecte Ant 
wort auf den Bericht des Kriegsministers Marschall Niel sind, 
soll eine Antwort auf die Einheitsmanifestationen des Zollparla⸗ 
ments sein. Niels Bericht peweise, daß Frankreich keine Provo- 
ationen zu fürchten habe. Der deutsche Chauvinismus mache sich 
zaͤglich breiter der franzoͤsische schweige. ( Das konne nunheilvolle 
Folgen haben. 
Das neue Preßgesetz hat seine erste Anwendung gelunden 
Zwei Redacteure des Courier Français“ sind wegen Verletzung 
der offentlichen Sittlichleit zu 300 Franken Geldstrafe und einem 
Monai Gefängniß, der Drucker desselben Blattes zu 300 Fran⸗ 
len˖ Geldstrafe und einer Woche Gefängniß verurtheilt worden; 
der eine der beiden Redacteure hat außerdem eine Geldstrafe von 
1000 Franken und eine vierzehntägige Gefängnißstrafe, der Dru⸗ 
ker acht Tage Gefängniß und 500 Franken Geldstrafe wegen 
Aufreizung zum Hasse gegen die Regierung erhalten. — 
Rrarse il le, 3. Junj. Briefe aus Konstantinopel vom 20 
Mai melden, daß der Sulian angeordnet hat, seinen „Palast der 
Süßen Wasser“ an der afiatischen Küste zum Empfang des Prin 
jzen. Napoleon bereit zu halten. 
England. 
London, 4. Juni. In Liverpool hat gestern eine groß 
Bersammlung der Nationalreformpereinigung von Wales stattge⸗ 
funden. Bright beantragte, die Versammlung möge erklären, daf 
sie die Beschluͤsse des Unterhaufes betreffs der irischen Kirche bil⸗ 
lige und darauf hinwirken werde, freisinnige Mitglieder in das 
naͤchste Unterhaus zu senden, sowie, daß Wales stärker 
in demselben vertreten se. Die Anträge Brights wurder 
angenommen. 
ESc”chweizʒz. 
Bern, 3. Juni. Der Bundesrath dementirt officiell, daf 
in letzter Zeit viele Polen, mit österreichischen Pässen versehen 
aus der Schweiz nach Galizien gereist seien. 
Türkei. 
Auch der Sultan fühlt das Bedürfniß einer Armeeorganisa- 
sion. Der Kriegssection des neu gebildeten Staatsraths soll ein 
Fermans⸗Entwurf vorgelegt werden, der u. a. Veränder⸗ 
—E— 
lich die Nothwendigkeit betont, das türkische Heer gleichfalls mit 
Hiuterladungsgewehren bewaffnet zu sehen. 
Rußland. 
Petersburg, 4. Juni. Die „Russische Telegraphen⸗ 
agentur“ meldet aus Mittelasien, General Kaufmann sei mit 86 
Infanteriecompagnien und 1000 Kosaken nach Samarkand vor. 
gerüct, wo sich das bucharische Heer in der Stärke von 80.000 
Maun concentrire. 
— Wiederum hat die Polizei angefangen, Damen in den Stra⸗ 
zen Warschaus wegen schwarzer Kleidung zu attakiren; diejenigen 
bon ihnen, welche keine polizeiliche Erlaubniß zum Tragen von Trauer bei 
sich haben, werden in die Polizeibureaur abgeführt, wo sie entwe⸗ 
der ihr Recht zur Trauerkleidung nachweisen oder Strafe zahlen 
müssen. Auch eine neue Contribution für 1868 wird in den 
rhemals polnischen Landestheilen den roͤmisch⸗katholischen (polnischen) 
Gutsbesitzern auferlegt werden, jedoch soll sie 2 Millionen nicht 
Abersteigen. Die Bauerngemeinden und russischen Guts besitzer find 
uu dieien Leistungen nicht verpflichtet. 
Schwurgerichtssitzung. 
II. Quartal 1868. 
Zweibrücken 30. Mai. Anklagesache gegen Bernhard 
Amberger, 33 Jahre alt, Hufschmied in Külzheim wohnhaft, wegen 
vorsätzlicher Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode. 
Der Angeklagte befand sich am 26. Januar 1868, einem 
Sonntage, in der Wirthschaft zum „Schwanen“ in Rülzheim, wo 
auch ein gewisser Johann Adam Hitschler und der ledige Franz 
Heubel von da anwesend waren. Letzterer war etwas angetrunken 
und disputirte viel, mischte sich auch in einen zwischen Hitschler 
und dem Wirth ausgebrochenen Streit, wobei er von dem Wirth 
und dessen Bruder Johann Georg Jochim zur Thüre hinausge— 
drängt wurde. Heubel kam bald wieder mit offenem Messer zu⸗ 
rück und ging auf Johann Georg Jochim los, wobei es einen 
starten Tumult gab, Heubel von Letzterm mit einem Bierschlägel 
einige Hiebe auf den Kopf erhielt und von diesem, dem Wirth 
und dem Polizeidiener Göckler, den der Wirth aus Vorsicht dazir 
bleiben gebeten hatte, in den Hausqang und von da in den Hof 
geschafft wurde, Heubel kam aber nachdem er die zugeriegelte 
Hausihilre eingedruͤkt hatte, wieder ins Wirthszimmer, immer noch 
mit dem gezückten Messer in der Hand. Der Angeklagte, der bis⸗ 
—A— 
herein zu kommen suchte, aufgestanden und hatte einen Stuhl er⸗ 
zriffen, um auf Heubel loszugehen, denselben jedoch wieder hinge⸗ 
fellt, weil, wie er sagt, ihn die Sache nichts angegangen. Als 
iber ein Theil der Gäste sich vor Heubel durchs Fensier flüchtete, 
Andere auf Tische und Bänle stiegen, und der zur Hilfe aufge⸗ 
'orderte Polizeidiener erklärte, er sei allein nicht im Stande, den 
Heubel zur Rtuhe zu bringen, ging der Angeklagte mit dem Po— 
szeidiener in den Hof und kam bald mit einem Selscheid zurüd, 
mit dem er dem Heubel zwei Hiebe auf den Kopf versetzte, daß 
dieser sogleich zu Voden siel. Der Verwundete, der in arztliche 
Behandlung genommen wurde, kam nicht mehr zum Bewußtsein 
und starb am 2. Februar, nach dem ärztlichen Gutachten in un⸗ 
mittelbarer Folge dieser gewaltthätigen Einwirlung und Verwun⸗ 
vung. Der Angeklagte, der als ein ruhiger, braver und fleißiger Mann 
geschildert wird, erklärt, der Polizeidiener habe ihn geheißen, den Heu⸗ 
el zusammenzuschlagen, um Ruhe zu schaffen, auch habe er dem 
elben nur auf den Arm schlagen wollen, damit er das Mosser 
jallen lasse, habe ihn aber zufällig auf den Kopf getroffen. Der 
Bertheidiber des Angeklagten, Herr Rechtscandidat Braun, machte 
nun geltend, da Amberger den tödttichen Erfolg nicht gewollt habe, 
so könne er ihm auch nicht zugerechnet werden; auch sei es moög 
sich, daß die Hirnschale des Getödteten schon durch die erhaltenen 
Schläge mit dem Bierschlägel verletzt worden; dann habe der An⸗ 
gekiagle im Stand der Noihwehr, um sich und die Mitgäste zu 
chützen, wenn auch vielleicht mit schuldhafter Ueberschreitung der 
Zrenzen derselben, und auf Befehl des Polizeidieners, also unter 
inem gewissen moralischen Zwang gehandelt, daher ihm auch in 
dieser Hinsicht die Tath nicht zuzurechnen sei, mindestens müsse 
man aber geminderte Zurechnungsfähigkeit annehmen. Der An—⸗ 
gellagte wurde für schuldig erllärt, die beiden Milderungsgründe 
edoch bejaht und hierauf eine Gefängnißstrafe von einem Jahr 
jegen ihn ausgesprochen. 
Bermnn 
Die Schwurgerichtsverhandlungen für das III. Quartal 
868 werden am 17. August in Zweibrücken eröffnet. Präsident 
st Hr. Apellrath Duy. 
4 Der älteste Officier der bayerischen Armee, der pensionirte 
Benerallieutenant v. Haren, ist im 93. Lebensjahre am Morgen 
des 28. Mai in München gestorben. Er hatte an fast allen 
Feldzügen in den ersten Jahrzehnten dieses Jabrhunderts den ehren⸗ 
vollsten Antheil genommen. 
.München. 2. Juni. Bei einer dieser Tage vollzogenen 
stevision der Bücher unserer magistratischen Schuldencommission 
ergab sich, daß städtische 4procentige Obligationen im Betrage von 
10,000 fl. fehlen; sofort wurde von einem Beamten das Ge⸗ 
tändniß abgelegt, daß er diese Obligationen entwendet und bei 
der bayherischen Hypothen- und Wechselbank um die Summe von 
7050 fl. verpfändet habe. 
f'Würzburg. 1. Juni. Die schönste Kirche unserer 
Ztadt, die Stifthauger, wurde gestern Nacht gegen 11 Uhr von 
einem Blitzstrahl getroffen, der in dem einen Thurme zündete und 
yn, soweil das Holzwerk ging, ausbrannte. Die Bemühungen 
der Feuerwehr waren fruchtlos, donnernd fiel das eiserne Kreuz, 
dann die Thirrmkuppel mit ihrem riesigen Eichengebält, das heute 
den ganzen Plaß bedechtte, herunter, weithin flogen Myriaden 
euchtender Schiefer, was einen fürchterlicheschönen Anblick gewährte. 
Zum Glück wurden keine weiteren Gebaude entzündet, auch sind 
eine Menschenleben zu Verlust gegangen. 
7 Frankfurt 1. Juni. Der Humorist Siolze will, wie 
es heißt, der hiesigen Preßverhältnisse wegen mit seinem „Wahren 
Jakob“ nach Stuttgart übersiedeln. 
fIn Heilbronn wird am Dienstag den 80 Juni 
und die darauf folgenden drei Tage der diesjährige Wollmarkt 
in der aufs zwecmäßigste eingerichteten Wollhalle abgehalten. 
Jede weitere Auskunft ertheilt bereitwilligst die Wollmarkt⸗ 
Inspection. 
Den nächsten Monat werden die Abgesandten der bömischen 
Nation nach Constanz kommen, um am 6. Juli d. J. den Todes— 
tag des Johannes Huß, welcher am 6. Juli 1415 in Constanz 
verbrannt ist, auf dem Platze selbst zu feiern. 
—Ein Hagelwetter der gräßlichsten Art hat die Stadt Ol⸗ 
mütz und Umgebung am Pfingstmontag heimgesucht und einen Scha⸗ 
den angerichtet, der manche Bewohner der Umgegend zu Bettlern 
Jemacht hat. Unter gräßlichen Getose und fürchterlichem Sturm 
entlud sich nach 2 Uhr ein Hagelwetter, welches —wie die Presse“ 
chreibt — wohl selbst mit dem Namen „Eistegen nicht richtig ge⸗ 
nuͤg bezeichnet sein dürfte. So dicht wie Schneeflocken bei dem 
sefliaftein Schneegestöber flogen die Hagelkörner, aber es waren