Full text: St. Ingberter Anzeiger

Proceß Chorins ky. 
t München, 28. Juni. 
Heute begann vor dem boberbayerischen Schwurgerichte die 
gerhandlung gegen den k. k. Oberlieutenant Gustav Graf v, Cho— 
insky, 36 Jahre alt, wegen Vexbrechens, der Theilnahme aͤm 
Berbrechen des Mordes, begangen an seiner, Gemahlin Mathilde 
Chotinzty⸗Ledske durch Julie Ebergenih h. Teleies. 
J er Beginn der Verhandlung war auf 8 Uhr früh anbe— 
aumt·· J D 
Die Zuschauerräume waren gedrängt voll und Hunderte muß 
cen wieder forigehen, nachdem sie sich überzeugt halten, daß es 
zergeblich sel, noch ein Plätzchen zu gewinnen, b 
Der Angeklagie erschien in einfacher, schwarzer Kleidung, seine 
Besichtszüge sind regelmäßig. übrigens ohne irgend besonderen Aus- 
oxuck, lassen auch beim Eintritt kleine Erregung wahrnehmen. Auf 
Befragen des Präsidenten gibt ex zuvörderst seine bereits zuͤr Genüge 
zetannten Generalien (Rame, Siand, Abkunft zc.) an, sowie ein 
urzes curriculum vitae; er war zu drei verschiedenen Malen in 
ʒsterr eichischischen Kriegsbiensten, inzwischen einmal auch in päpst 
lichen, was Ihren Lesern auch schon längst bekannt ist. 
Aus dem sodann verlesenen Verweisungserkenntnisse, und 
der niegen laßl sich henfallg wesenttich Reues: nicht mit⸗ 
heilen. Was bon Juͤteresse list, wurde im Proceß gegen die Julie 
. —— ziemlich zur shenuͤge ann diern Oeffentlichleit? ge— 
zracht. 
Bei der Verlesuag der Anklageschrift bkieb Chorinsky Anfangẽ 
euhig, bald aber kounte er sich nicht mehr bemeistern; bei einer 
Ztelle, wo das leichtfertige Wesen der Ebergenyi geschildert war— 
suhr er mit den Worten auf Vs gicht vahr )]) Vom Präsident 
eßhalb zur Ruhe berwiesen nahin er sich zwar zujsammen und 
schwieg ferner, aberx das Zucen der Lippen, dage unausgesetzte 
Spiel der Finger ꝛc. verrieth seine heftige Erregung wahrend des 
Anhörens der ihn beschwerendeun Inzichten.47 3 6 
Während der Verlesung der Anktageschrift Z erschien Herzog 
starl Theodor in Bayern und der Justizmninister“ v. Lußz im reser⸗ 
ditten Zuhörerraum. 
Da der Staatsanwalt ( Wülfert) die Verlesung eines Passus 
in Wiener Fremdenblatt“ sowie ein Schreiben eines Chemikers 
Schäfer in Bezug auf die Vergiftung don Früchten, endlich auch 
die verschiedenen Stellen aus dem Tagebuch der Gräfin beantragt 
hatte, so proteftirte der Vertheidiger (Advocat Dr. v. Schauß) da⸗ 
zegen, daß Zeitungsartikel als Thatumstands⸗Urkuuden producirt 
puͤrden, wie auch, daß dDas Schreiben jenes Che.nikers, das unr 
Hypothesen enthaite, verlesen würde; man solle ihn, weun es nö— 
hig sei, ordnungsmäßig gals Zeugen laden. Bezüglich der Ta— 
zebuchstellen ermahnte er die Geschworeuen, sich nicht durch Sen⸗ 
menlalität bestimmen zu lassen und den Zusammenhanz im Gan— 
en zu prüfen. Nachdem das Urtheil, welches im Proceß Eber⸗ 
jenyi in zweiter Instanz gefällt wurde, sich nicht bei den Acten 
‚efinde, so stelle er den Antrag, daß der amiliche Originalbericht 
aber dieses Erkenniniß, in welchem das Urtheil erster Instanz be⸗ 
üglich der Motivirung aufgehoben wird, zur Mittheilung komme. 
Ferner beantrage er die Verlesung zweier Briefe des Grafen Cho⸗ 
aͤnsty an eine gewisse Frau Bath in Heidelberg, eines Briefes 
der Julie von Ebergenyi und einer Gebetsabschrift, welche der 
Ungellagte äuf dem Herzen getragen habe, wofselbst sie der Eisen⸗ 
meister fand. Nachdem der Vertheidiger noch um Constatirung 
es Umstandes gebeten hatte, daß die Gräfin Mathilde Chorinsky 
u der Zeit, als sie das Chorinsky'sche Haus in Wien verlassen 
zatte, embunden habe, schloß er mit folgenden Worten: „Es wird mir 
eder der Geschwoͤrenen, Richter, Zeugen und übrigen Zuhörer 
zas Zeugniß geben, daß etwas für meinen Mandanten Güuftiges 
zurch die Presse bisher nicht zur Veröffentlichung gelangt ist.“ 
Der Pröfident theilt mun mit, daß er heute früh den t.“t. 
Feldmarschaͤll⸗Lieuten nt Giuliani, dem Antrage des Vertheidi- 
jers entsprechend, telegraphisch als Zeugen geladen habe. Hier⸗ 
juf wurde die Anwesenheit der Zeugen — 34 an der Zahl — 
onstatirt und dann der für den Dr. Aug, Benott Morel in 
Rouen, welcher der deutschen Sprache nicht voslkommen mächtig 
st, berufene Dolmetscher, Professor Dr. Bedall von hier, 
Feeidigt. 
Es beginnt nun das Verhör des Ang ellagten ; 
Präsident: Sie sind der Theilnahme an einem Morde, 
velchet an Ihrer Gattin Mathilde Chorinskth am 21. November 
1867 dahier verübt wurde, beschuldigt, und zwar mittelst Theil⸗ 
nahme durch Anftiftung und Hilfeleistung? et, ꝑ 
Chotisky: Was ich früher gesagt habe, bitte ich nicht 
o zu nehmen, als wenn ich es nur aus Bosheit gesagt hätte, 
»der daß ich nicht Alles gesagt habe, was zur Erklarung in die⸗ 
er Sache dient; denn so lange ich die Ebergengi in Wien vor 
Zeendiguͤng des Processes in dieser schrecklichen Lage gewußt habe, 
a. 14 vr dak irgend ein Ausbruck don mir ihr ischaden 
roͤnnte und deßhalb habe ich immer zurücgehalten und nichts ge⸗ 
agt; aber jetzt werde ich die Wahrheit sagen, von dem Momente 
in, wo ich die verstorbene Mathilde Ruef kennen gelernt habe. 
Ich. bin um. Jahre 1858 von. Agram nach. Linz in Garnison- ge⸗ 
ommen und bemerkte dort nach einiger Zeit im Theater von der 
doge aus, daß mich eine Dame immer besonders ansah. Ich 
chaute auch hin, sie gefiel mir sa ziemlich;— kurz und gut, man 
jat mir gesagt, daß dirfe Dame mit mir bekannt werden wolle. 
Ich machte deren Bekanntschaft auch bei einer dortigen Schauspie— 
erin, bei welcher wir uns öfter trafen, weil mein dermaliger 
Oberst es streng verboten hatte, sich öffentlich zu zeigen. Bei einer 
olchen Gelegenheit war ein kieines Gelage mit Maitrank — wel⸗ 
hes Getränkeich nicht kannte, und da war eg. wo ich in beidere 
eitigem etwas starkem Rausche sie überredete, in einem Extrazim— 
ner ... Ahier murmelt der üherhaupta etwas schwer zu ver⸗ 
tehende Chorinsky einige Worte, welche; der Journalistenloge und 
em Saale unverständlich hlieben.) Nur das ist mirerinnexlich, 
zaß sie nicht Jungfer war. Sie serzählte mix allo Familieng eheim⸗ 
nisse, sie wäre, eine pon Rueff, die Familie sejn in Würlitemberg 
ind eine ausgezeichneie Familie; die Mutter sei eine Gräfin; ich 
jabe das Alles geglaubt, auch meinen Eltern hat sie diese Angae 
zen gemacht. Sie sagte ferner. ie hube Vermögen, das sie einem 
Freunde, einem gewissen Moritz Hirsch in ee der über⸗ 
jaupt Alles von ihr in habe, gegeben; sie hat mich 
erner igebeten ihr Vorschüsse zu leisten; atürlich würde sie Alles 
vieder bezahlen. Ich habe ihr versprochen, fje zuu heira then,al⸗ 
ein dies hätte in Oesterreich schwer gehaͤlten, wie in Oesterreich 
in Officier keine Dame die beim Theater sel, heirathen durfe. 
Sierhat sclbst vom Theuter! weggehen wollen; sie sprach aüch von 
iner Verlobung, die ich !mit ihr geschlossen haͤtte, aber eine Ver⸗ 
obung ist das nicht gewesen; ich habe ihr wie vielen anderen 
Frauenzimmern, gesagt, ich wilh fie heixathen, es ist mir aber 
sinterher nicht eingefallen. Sie brach dann ihren Contract, ver⸗ 
ieß das Theater, und ging nach München und Augsburg, was 
nir eine vierwöchentliche Arreststrafe von Seiten meines —2* 
uzog. Ihr Bruder prasentirie sich mir später!“ als 2 Württember 
zischer Officier. Später ging Mathilde Rueff nach Brünn nud 
Troppau; ich habe immer mit ihr correspondirt. Unter Anderen 
chrieb sie mir, die Sache gehe ganz gut; ich habe ihr immer 
held geschickt und bin so in Schulden gekommen, daß mir schließ— 
ich mein Oberst rieth zu quittiren. Auch mein Vater gab, wmir 
iesen Rath und meinte, ich solle nach Olmütz gehen, in's Kapi— 
el eiutreten, ünd Domherr werden. Ich habe dieß auch verspro— 
hen. Bis zum Jahre 1858 hatte ich eine ausgezeichnete Con— 
uite, aber fie fuhr fort leichtsinnig Schulden zu machen, so daß 
h mich furchtbar geärgert habe. Endlich schrieb mir Mathilde, 
ch solle nach Salzburg kommen, und wie sch dorthin kam, hatte 
ie wirklich tausend Gulden. Sie redete mir zu, wieder Soldat 
uu werden.Dieß, fährt der Angeklagte fort, habe sein Vater er— 
ahren, habe die Ausweisung der Rueff aus Oesterreich bewirkt 
ind versprochen, falls er wieder in das Heer träte, seine Schul⸗ 
en zu bezahlen. Vor seiner Abreise habe er ihr aber noch heim— 
ich telegraphirt, sie solle ihn in Verona treffen, und dort habe 
revon ihr Abschied genommen. Sie habe da heflig geweint und 
ejammert; er habe ihr aber damals gesagt, jetzt sei es mit dem 
Zeirathen nichts. Dann sei er Officier in Piemont, und bei 
Solforino Oberlieutenant geworden. Aus dem Felde zurückge⸗ 
ommen, habe er gefragt, ob seine Schulden bezählt seien, was 
ziber nicht der Fall war; ferner habe er in Erfahrung gebracht, 
aß Mathilde eine Fehlgeburt gemacht habe; Sicherheit hierüber 
jabe er nicht erlangen köͤnnen. Ju Verona sei er am Thyphus 
rank gelegen, wo sie ihn besucht habe; von da aus habe er sie 
ach MNünchen und Augsburg begleitet und am ersteren Orte 
300 fl. von einem Adeligen aufgenoinmen, die er ihr einhändigte, 
a sie die weitere Reise nach Heidelberg allein machen wollte. Sie 
ei aber, da sie außerordentlich abergläubisch war, nicht nach Hei⸗ 
‚elberg, sondern nach Honiburg gereist und habe das Geld ver— 
pielt. Er habe nun dem Kaiser seine Aufwartung gemacht und 
ei dann nach Graz versetzt worden“ Dort hätten ihn seine Gläu— 
iiger von früher her schwer bedrängt und er sei dann, da er 
iemlich gut italienisch könne, zu einem italienischen Regiment ver⸗ 
etzt worden. JIu Wien habe er zu damaliger Zeit ein Verhält- 
uiß mit der Tochter eines pensionirten Artillerieobersten angefan⸗ 
jen, mit der er sich sehr gut unterhalten hube, dadurch uber in 
ieue Schulden gekommen sei. Da schrieb nir auf einmal ein Ge⸗ 
ieral, er wüßte für mich eine famose Stelle, fährt der Angeklagte 
'ort, es würden Officiere gesucht, die schon einen Feldzug mitge⸗ 
nacht und die eine Dibision oder ein Bataillon als Hauptleute 
ommandiren koönnten. 
Ich bin auch gleich als ällester Hauptmann eingetreten, be⸗ 
itten worden, und der General hat mir versichert, daß ich spä⸗s 
er in Oesterreich wieder in meine frühere Charge eintrete. Spä⸗ 
er kam ich nach Laibach, um 400 päpstliche Truppen zu werben