Full text: St. Ingberter Anzeiger

25. Juni in Worms gelegentlich des Festzuges stattfand, 
lieben Rauch leider einige Unglücsfälle nicht aus. 
So zum Beispiel fiel ein zwölfjähriger Knabe zu Boden und 
vurde todt fortgetragen, eine Frau wurde im Gedraͤnge ohn⸗ 
nächtig, an verschiedenen Arm⸗ und Beinbrüchen fehlte es 
zuch nicht. 
f Vor einigen Tagen gab auf dem' Döhnhofsplatze in Berlin 
ine drollige Scene Veranlafsung zu einem Auflauf. Ein in der 
liederwallstraße 16 wohnender Schneidermeister Hatte für einen 
umgen, kürzlich bankerott gewordenen Cigarrenfabrikanten Feinen 
Anzug gefertigt, für den er keine Zahlung erlangen konnte. Der 
unge Mann hatte sein ganzes Besitzthum, mit Ausnahme dieses 
Anzuges, verschleudert und seine nicht unbemittelten Eltern hat⸗ 
een sich öffentlich von ihm losgesagt. Als der unglückliche Schnei⸗ 
ermeister dem „faulen Kunden“ in dem seinen Anzug eines Ta⸗ 
jes begegnete und um Zahlung dat, erklärte ihm dieser sehr un⸗ 
genirt, „wenn er seine Änzüge bezahlen wolle, könne er sie von 
ꝛouis Landsberger beziehen.“ Der beleidigte Schneider schwor 
m stillen schwere Rache, die er denn auch in folgender, allerdings 
igenmächtigen Weise ausübte. Es gelang ihm, die bescheidene 
Schlafftelle seines Schuldners zu ermittein, und im Laufe der 
jergangenen Woche begab er sich eines Morgens gegen 7 Uhr 
vorthin, ein Päckchen auf seinem Arme tragend. Nachdem er sich 
nit dem Wirth des Schuldners verständigt und demselben 18 
Zilbergroschen für die rückständige Miethe des Letzteren gezahlt 
jatte, betraten Beide das Zimmer. Der Cigarrenfabrikani, der 
noch im Bett lag, verfiel beim Anblik seines Gläubigers in tie 
en Schlaf, doch dieser war mit der augenscheinlichen Komödie sehr 
einverstanden. Ganz kaltblütig jnahm er die betreffenden Klei⸗ 
Vermischine zungstücke, die einzigen des Schuldners, von der Wand, pag g 
weibrücken 25. Juni. Gestern wurde ein hiesiger usammen und machte Miene, sich zu entferneu. Das Mitte 
dnIe vom Bezirks Commando zu 5 Tagen geschärften ibte eine gewaltige Wirkung auf den Schlafenden aus, im Nu 
Arrestes verurtheilt und sogleich zur Erstehung dieser Strafe in brang er auf und donnerte seinem Glaͤubiger ein: Herr was 
ie Kaserne abgeführt. Derselbe hatte im vorgestrigen Tagblatt hun Sie?! entgegen· „Ich bringe Ihnen einen neuen Anzug, 
inen angeblichen Vorgang im Landwehr-Adjutanten-Büreau be- er Ihrige muß aufgebügelt werden,“ sagte der Schneider artig, 
ichtet und seinem Inserale das Datum ‚Honolulu im Juli 1768* iberreichte dem derginien Schuldner das mitgebrachte Packet, und 
jegeben. Er wurde vom Bezirks-Commando als Verfasser er- erschwand. Voll böser Ahnung riß der Letztere das Papier aus- 
nittelt, vorgerufen und bald darauf zur Erkdehung einer fünftägi- mander, sank aber vernichtet zurück, als er einen Anzug erblidte, 
— nur von Oel, Syrup und Schmutz starrte und an al⸗ 
degen etwaigen disciplinwidrigen Betragens beim Verhör gestraft en Ecken ausgefranzt war. sondern auch außerdem mit unzähli 
vorden ist, weiß man im Publikum nicht; es wird aber vielfach jen rothen, gelben und weißen Flicken versehen war. Unter kei- 
die Frage gesteilt: wie weit in Friedenszeiten und außer der ien Umstanden durfte der Schneider mit seinem Anzug entkom⸗ 
dienstpräsenz die Strafe uund Disciptinar-Gewatt der Militärbe- nen, denn es war der einzige, den er besaß. Wohl oder übel 
sorden über die Ersatzmannschaflen Reservisten und Landwezrmänner Hlüpfte er in die ihm octroirenden Keleider, die außerdem viel 
zeht, namentlich: ob eine Disciplinarübertredung bezüglich eines u klein für ihn waren. Von dem Jubel der Straßenjugend be⸗ 
Landwehrmannes ꝛc außer dem Dienst überhaupt denkbar ist? früßt, verließ die lebendige Vogelscheuche das Haus. Prin zen⸗ 
fSpeyer, 27. Juni. In dem Erdgeschoß eines Hauses traße 30) und eilte hinter dem Schueider her. Auf dem Dohn⸗ 
n der Lauergasse ereignele sich heute gegen Mittag ein beklagens- dofplatz trafen Beide wieder zusammen, der Cigarrenmacher bat, 
verthes Unglück. Der Glaser Otto, welcher dasselbe bewohnte, Himpite, drohte, aber der erbitterte Schneider blieb taub für 
veschäftigte sich nebenbei auch mit dein Anfertigen von Feuerwerlen. Alles und setzte den Weg nach seiner Wohnnung fort, hinter ihm 
dei einer solchen Beschäftigung entzündete sich heute Vormittag der Mann in dem seltsamen Costüme, und eine große Nen⸗ 
Bulver und das Feuer theilte sich auch den übrigen Feuerwerks- chenmenge, die den Letztern denn doch dals veronlaßte, als all 
zegenständen, so wie den Kleidern Otto's und seiner Frau mit, ein Bitten um die Kleider nichts half, sich unsichtbar zu 
velche so starke Brandwunden erhielten, daß beide heute Abend nachen. 
zaran starben. Er war 26, sie erst 19 Jahre alt. Die Theil— Wien, 24. Juni. Man wird sich einen Begriff von dem 
jame an dem Unglücksfall ist um so größer, als die Vernnglück- Fürstlich Esterhazy'schen Vermögen machen können, wenn man 
en sehr brave nnd fleißige Leute waren. Das Haus, worin die hört, daß die Erbsteuergebühr, welche die Nachkommen des ver⸗ 
xxplosion erfolgte, wurde durch dieselbe stark beschädigt. torbenen Fürsten Paul zu entrichten haben, die Summs von 
fFZellerthal 27. Juni. Gestern Nachmittag fand au „150,000 fl. beträgt. Der ganze Gütercomplex representirt die 
der hessischen Grenze unweit Harrheim ein gräßlicher Mord an rotalsumme von 71,820,260 Gulden österreichischer Währung. 
der 20jährigen Dienstmagd Maria Müller von Dalsheim (Hessen) Gerbesserte Telegraphie.) Eine Erfindung, welche in Fach⸗ 
tatt. Der Thäter Wilhelm Degünther aus Harrheim, reisen viel von sich sprechen macht, ist der Automat⸗Telegraph 
ein 19jähriger Dienstknecht, wurde aber sogleich von der braven des Wiener Telegraphen-Inspector Schneider. Man vermag jetzt 
and thätigen Gendarmeriemannschaft von Harrheim ausgemittelt, nit Benutzung des bestehenden Morseschen Apparats, blos duͤrch 
»erhaftet, und dem k. Landgerichte Göllheim eingeliefert. Eifer⸗ dinzufügung einiger wohlfeilen Nebenapparate zum Zweck der vor— 
ucht soll die Ursache der That sein, indem die Maria Müller ein jängigen Darstellung der abzusendenden Depeschen auf entspre⸗ 
Liebesderhältniß mit dem Thäter kurz vorher gelöst hatte. jendende Papierstreifen (mittelst den Morseschen Zeichen analoger 
F In Augsburg wurde die Allg. Ztg. durch Erkenntniß des lusschnitte) bis zu 200 Depeschen à 80 Worte Iin der bei 3 
»bersten Gerichtshofes zu 25 fl. Polizeistrafe derurtheilt, weil sie Millim. Eisendrahtstärke abzusenden. Gegenwärtig können nur 
eine Anzeige des Anatherin⸗Mundwaässers des Zahnarztes Dr. Poppp twa 46 Depeschen à 30 Worte befördert werden. Ohne Stei— 
n Wien zugelassen hat. Die Redaction der Allgem. Ztg. bewun⸗ jerung des Betriebsmaterials und bei geringer Vermehrung der 
zert die väterlich rührende Fürsorge für das Wohlbefinden des zeamten wird es dadurch möglich werden, die Telegraphenge 
Publikums, findet sie aber mit den Grundsätzen der Gewerbefrei⸗ »ühren ohne Rachtheil für den Staatssäckel auf s oder 24 he⸗ 
jeit nicht im Einklange und als eine Beeinträchtigung der bayer. ibzusetzen. 
bresse. (Das bezügliche gesetzliche Verbot hat deßhalb keinen fParis, 25. Juni. Man liest in den deutschen Jeitun— 
Sinn, weil alle auswärtigen Blätter jolche Ankündigungen täglich jen von einem schrecklichen Drama, das sich in der Nacht vom 
ausendfältig in Bayern verbreiten dürfen.) t, 22. auf den 23. in einem Hause der Rile Nicheleu zu Paris 
xFriedrich Gerstäcer ist von seiner amerikanischen Reise reignet hatt Ein Seecapitän, der nach 10jähriger Abwesenheit 
aach Europa zurückgekehrt; er befindet sich gegenwärtig in Dres eimgekehrt. ist von seiner Frau und deren Geliebten ermordet 
»en. — Ju Graudenz hat das Schwurgericht am 20. d. 4 To- horden. Es ist etwas Wahres an der Geschichte. Das Haus in 
pesuttheile gefällt. · welchem die Schauerthat verübt wurde, ist das Théatre srangais 
*Bei dem ungeheuren Menschengedränge welches am der Sercavbitän ist ein gewisser Hr. Agaͤmemmon. die —XX 
Angeklagter: Hier. .* 
Pruͤsident: Warum haben Sie das Anfangs geleugnet? 
Angeklagter: Ich habe es nur Anfangs nicht gesagt, weil 
le mich gebeten, es Niemandem zu sagen. 
Präsident: Sie geben also zu, daß Julie mit Ihrer Ein⸗ 
villigung in München war rꝛẽ 
Angeklagter: Nein, mit meiner Einwilligung nicht. 
Praͤsident: Sie haben aber Zeugen verleiten wollen, auszu⸗ 
prechen, daß Julie damals in Szecsen war. Es liegen Tele⸗ 
zramme vor, worin Sie deren Familie auffordern, auszusagen, 
je habe jene Tage in der Familie zugebracht; Sie haben also 
neineidige Zeugen augeworben. 
Angeklagter: Ich habe dies nur gethan, weil sie mich da⸗ 
rum gebeten. 
Prasident: Was hat die Ebergenyi für eine Veranlassung 
jehabt nach München zu reisen? 7 
Angeklagter: Sie hat mir eine Dame vorgestellt, welche fie 
horvath nannte, mit deren Hülfe sie ihr Ziel erreichen wollte, 
adem sie die Papiere aus dem Kasten herausnehmen wollte, wäh⸗ 
end die andere sich mit Mathilde unterhielte. 
Praͤsident: Wer hat der Ebergenyi den Pas besorgt? 
Angeklagter: Ich habe sie besorgt, einen für die Horvath 
ind einen für sie. 
Präsident: Ich glaube, daß die Ebergenyi beide Passe ge⸗ 
jabt hat, denn diese Horvath ist eine Person, die in ganz Un—⸗ 
jarn nicht aufgefunden werden konnte. 
Angeklagter: Dieselbe wurde mir vorgestellt. 
(Fortsetzung folgt.)