g, 27. Juni. Zum Grafen Clam⸗Martinitz sagte der:
daiser bei seinem Aufenthalte in Prag: „Sie versichern mich
Ihrer Anhänglichkeit; ich will daran glauben, aber die Wege, die
Sie tehen, zeugen für das Gegentheil. Ich warne Sie, dieselben
veiter zu gehen, denn sie führen zur Revolution. Sie haben zu—
erst die Brandfackel der Steuerverweigerung ins Land zu werfen
dersucht. Sie und Ihre Standesgenossen werden die Folgen die—
ses gefährlichen Treibens zuerst empfinden.“ Die feudale Adels—
partei scheint in ihrer Opposition beharren zu wollen. — Zu der
Deputation der Obmänner deutscher Bezirksvertretungen sagte der
Kaiser in Leitmeritz: „Ich freue mich, in einer Gegend zu sein,
wo lauter gute Oesterreischer wohnen.“ — Für morgen doder
Abermorgen werden Demonstrationen befürchtet. — Ea heißt, daß
ꝛine Anzahl czechischer Beamten megen ihrer Theilnahme an der
derfassungsfeindlichen Agitation abgesetzt werden.
Frankreich..
Paxis, 27. Juni Als der witzige Deputirte von Paris,
Ernst Picard, sah, daß die 100 Millionen, welche den Gemeinden
für die Erbauung der Gemeindewege zugedacht sind, ohne feste
Regel über das Land vertheilt werden sollen, rief er aus: „Diese
100 Millionen sind das Wahltaschengeld der Regierung.“ Trotz
der frommen Entrüstung der Kammer über diesen Ausruf hatte
der boshafte Deputirte doch Recht. — Der Bürgermeister in
Thauffaisses schreibt an seine „Mitarbeiter“, daß diese ihren gan—
zen Einfluß aufbieten mögen dem Regierungscandidaten für die
Bezirksrathswahl ihre Stimmen zu geben: Dies könne die Regie⸗
rung wohl für die gewährte Wegausbesserung als ein Minimum
ihrer Dankbarkeit heanspruchen.
Wie man aus dem Lager von Chalons meldet, herrscht da⸗
felbst große Entrüstung unter den Truppen. Dieselben fürchten
eine Enttäuschung ihrer Kriegshoffnungen, und es ist dem Kaiser
nicht wenig zugesetzt worden, die Stimmen seiner treuesten An
hänger ja nicht ungehört zu lassen. — Dem „Etendard'“ wird aus
dem Lager geschrieben: „Nach dem großen Manöver, das am
Donnerstag stattgefunden. hat der Kaiser einen Anfall von Mi—⸗
zraine gehabt, und war dadurch verhindert, sich an die Tafel der
Beneräle zu setzen, die ex eingeladen hatte — er bat sie für den
folgenden Tag zu sich zum Frühstück. Am Freitag war er wie—
der vollständig hergestellt und stieg schon um 9 Uhr Morgens zu
Pferd, um neuen Manöverexperimenten beizuwohnen, die von ei⸗
nem Ausschusse von Generälen empfohlen worden sind. Nach dem
Frühstück begab er sich zu Wagen nach der Batterieartillerie, um
daselbst Versuchen beizuwohnen; später besichtigte er trotz der star⸗
en Hitze die Schießübungen der Infanterie und ging dann zu
Fuß den auf 6 Kilometer sich erstreckenden Rand des Lagers ent⸗
lang. Heute früh sollte die letzte Heeresmusterung stattfinden,
und im Lauf des Abends wird der Kaiser in Paris eintreffen.“
England.
Plymouth, 28. Juni. Gestern Abend ist die westindi—
sche Post mit folgenden Nachrichten eingetroffen: Es wird ver⸗
ichert, die Infurgenten in Merxico unter Rivero seien zersprengt
uind auch die Rebellion in Yucatan sei zu Ende. — Im Allge-
neinen ist in Westindien der Gesundheitszustand befriedigend. Auf
Jamaica sind große Regengüsse gefallen, die einige Verheerung
angerichtet haben. Am 8. Juni fand auf der Insel ein Erdbe
zen statt, das indessen ziemlich unschädlich vorüberging.
Italien.
man an solche. Es sollen nächstens einige Regimenter aus dem
Süden nach den Marken und nach Umbrien versetzt werden.
Donaufürstenthümer. —
Belgr a'd, 29. Juni. Die Verkündigung des Urtheils
in dem Attentatsprocesse ist wegen neuerer Entdeckungen und Ge—
ständnisse des Angeklagten Maric verschoben worden; die Unter.
uchung wird fortgeseßt und neue Verhaftungen erfolgen. Der
dauptmann Mirzailovic, welcher mit seiner Truppenabtheilung daz
dolizeigebäude hatte besetzen sollen, ist heute früh in Beisein einer
ungeheueren Vollsmenge erschossen worden. 7
Türkei.
KF*ünktantinopel, 29 Juni. Mehemed Ali Pascha in
gestorben. —DE—
Rußland.
Vetersburg, 28. Juni. Das „Journal“ sagt gegen⸗
Uber den Auslassungen verschiedener Bläner,Der Vorwurf,
die russische Presse habe irgendeeiner fürstlichen Candidatur für
Serdien das Wort geredet, sei völlig unbegründet; sie habe
im Gegentheil von voruͤherein volle Wahlfreihen für das serbisch⸗
Volk verlangt. J
In dem, dem Statthalter von Polen noch gelassenen geheimen Ca⸗
binet ist man jetzt vollauf mit Durchsicht der Listen der nach Si—
birien Verbannten beschäftigt, behufs Anwendung der jüngsten so⸗
genannten Amnestie. Man erfährt zuverlässig, daß die Zahl die⸗
jer politischen Verbannten blos aus dem Konigreiche Polen noch
jetzt 40000, sage Vierzigtausend beträgt. Erwägen wir, daß
aus Lithauen mindestens fünfmat so viel nach Sibirien verschickt
worden, und rechnen wir noch die Tausende während detz unglüdc⸗
seligen Aufstandes getbdteten Kriegsgefangenen hinzu, so finn wir
wohl zu fragen berechtigt, ob die Platzkugeln, für deren Abschaf⸗
fung zu wirken man in Petersburg mit einem Male gar human
Zeworden ist, so viel Unheil anzurichten im Stande sind, als diese
Massenverbannungen. I
Amerika. F — —— ——
—New-eYork, 18.“Juni. Der Präsident Johnson befür⸗
vortet dem Vernehmen nach die Prasidentschaftscandidatur de⸗
Oberrichters Chase.
Proceß Eberiusk. —
—— Gortsetzung.) æ
Muünchen, 22. Jun.
Graf Chorinsky leugnet, daß die Ebergenyi Visitenkarten auf
den Namen einer Varonin Vay habe machen laffen, und flellt
auch in Abrede, ihr das Reisegeld verschafft zu haben; sie habe
dasselbe selbst besessen. Er gesieht, daß die Ebergenyi durch ihn
einen Empfehlungsbrief an Nathilde von einer gewissen Anna
Meriot bekommen habe, weiß aber auch hier den Gebrauch des
salschen Namens Baronin Vay nicht zu rechtfertigen, und wider
pricht ebenso seiner von der Meriot beurkundelen Aeußerung: Ma⸗
thilde sei an einem Halsleiden schwer erkrantt, wodurch er, wie
der Präsident ihm vorhält, nur auf den Tod derselben, so scheine
nes, habe vorbereiten wollen.
Präsident: Sie haben aus München zwei Briefe don der
Ebergenyi bekommen; durch wen und wessen Inhalts?
Angeklagter: Durch Rampacher, unter dessen Adresse ich die⸗
Bei dem am 8. Dez. zu eröffnenden allgemeinen Kirchen selben schicken ließ, da dies für mich bequemer war. Sie schrieb
roncil soll, wie man hört, die weltliche Herrschaft des Papsithuͤms mir, daß Mathilde krank sei.
sum Dogma erhoben, sowie strenge Maßregeln in Bezug auf das Präfident: Was hat die Ebergenyi nach ihrer Ankunft don
latholifche Schul- und Erziehungswesen im Allgemeinen und auf München gethan?
die katholische Erziehung des weiblichen Geschlechts insbesonder⸗ Angeklagter: Sie hat mich durch einen Dienstmann rufen
beschlossen werden. lassen, und auf meine Frage, ob sie etwas bekommen habe, ge⸗
Rom, 24. Juni. Die Desertionen in der päpstlichen Ar— jagt: „Nein, Nein! Ich werde es Dir später erzäͤhlen!“ Spa⸗
mee dauern noch immer fork. Seit dem 17. v. Mis sind 42 er machte sie mir Andenlunmgen, die Horvath möchte der Mathilde
Dtann, darunter 36 Legionäre, verschwunden. Anderseits sind in Iwas gethan haben, und hierüber erschrocken, schickte ich den Ram—
der letzten Woche wieder 45 Recruten eingetreten, darunter 26 pacher nach München, um sich zu erkundigen, wie es mit Mie
Tanadier. Das amtliche „Militärhandbuch“ für 1868. das so⸗ ihilde stehe.
eben erschienen ist, führt in der päpstlichen Arme 704 Officiere Prasident: So etwas thut nur, wer seine Frau liebt; dieß
o»der im Officiersrang stehende Militärbeamte auf; von denselben war aber nach Ihrem eigenen Zugeständnisse nicht der Fah
zehören der Geburt nach 462 der italienischen Halbinsei an, Angeklagter: Ich habe eben geglaubi, es sei der Mathilde
129 Frankreichs, 59 der Schweiz, 19 Deutschland, 20 Velgien l etwas geschehen.
D Holland und 4 Großbritannien. Es befinden sich daruunter Hierauf fragt der Präsident den Angeklagten, wie es sich mil
8 Generale und 24 Almoseniere (Feldgeiftliche). der Uebersendung kandirter Früchte von Wien niach Reichenhal
Florenz, 27. Juni. Wie der „Pungolo“ aus Neapel im Jahre 1866, während seine Frau sich dort aufhielt
meldet. sind sehr gemessene Instructionen in Bezug auf strenge verhaute?
leberwachung der Küste und der päpstlichen Grenze ertheilt wor⸗ Der Angeklagte antwortkete im Widerspruche mit der Angabe
den. Man scheint die Existenz gewisser bourbonistischer Kriegs- der Ebergenyi, daß er die Schachtel nicht versiegelt und fie der
pläne im Palast Farnese (dem Sitz des Erkönigs von Neapel) vor— Rampacher erst in Brünn habe aufgeben lassen, nachdem er er
auszusetzen, oder giebt sich wenigsteus den Anschein, als glaub⸗ ahren habe, die Horvath schicke diese Schachtel, welche etwas