Full text: St. Ingberter Anzeiger

handlungen begonnen, um die Grundlagen des neuen Postvertra⸗ 
Jes festzustellen. Die süddeutschen Staaten sind eingeladen, an 
diesen Verhandlungen Theil zu nehmen. — — 
Der junge Menotti Garibaldi verheirathet sich mit Fräulein 
Bedischini Italia, geboren in Smyrna, wohnhaft in Padua. 
Der Obercommandant der päpstlichen Truppen, General 
Zappi, muß ein lustiger Kauz sein. Er hat einen Ta gesbefehl 
ꝛtlassen, worin es unter Anderem heißt: „Ihr lagert an der 
Stelle, von der aus Hannibal Rom zittern machte; ihr die Sol⸗ 
daten eines größeren Roms als das des Alterthums, werdet, wenn 
Gott will, die regularen und irregulären Truppen des abscheulichen 
und verächtlichen Königreichs Sardinien zerstreuen und in die 
Flucht treiben, welche ihr schon bei Mentana in einer denkwürdi⸗ 
geren Schlacht als die von Magenta und Sadowa besiegtet. Ich 
bin stolz darauf, euch zu rommandiren, denn da ihr dem 
deiligen Stuhle dient, so seid ihr die ersten 
—A 
Donaufürstenthümer. 
Beugriad, 2. Juli. Sämmiliche Consuln haben ihre 
Flaggen aufgehißt. Der Fürst nahm, nachdem er einen Ritt 
durch die Stadt gemacht haite, den Truppen den Eid ab. Morgen 
findet die feierliche Salbung des Fürsten statt. 
Belgerad, B. Juli. Eine heute erschienene Proclamativn 
der Regentschaft verheißßt Aufrechthaltung und Fortentwicklung 
der constitutionellen Institutionen, Sicherung der Rühe auf Grund⸗ 
lage der Ordnnng und zeitgemäße Entwickelung der Wehrkräfte 
des Volkes. 
Belgrad 53. Juli. Unter Kanonendonner und Glocken 
zeldute findet eben in der Kathedrallirche die Salbung des jungen 
Fürsten Milan stait. Dem feierlichen Ack wohnen die Minifter, 
die Verteter des Auslandes und die Mitglieder der Skupischina bei. 
Türkei. 
Konstantinopel, 2. Juli. Der Prinz Na— 
poleon hat gestern mit den Gesandten von Frankreich und 
Italien, dem Großvezier und anderen Nofabilitäten beim Sultan 
zu Mistag gegessen. 
Pre—oeeß Chorinsky. 
(Fortsetzung) 
München, 23. Juni. 
Präsident (zum Angellagten)!: Warum schenken Sie statt der 
Haare Nägel? 
—X 
zlück, übrigens ist es unwahr, daß ich Jemanden Wunden beige⸗ 
bracht habe, ich war nie närrisch. 
Hotovy: Aber sich selbst! 
Der Wertheidiger erklärt, daß Graf Chorinsky die Brustnar— 
zen als von zeinem Duelle herrührend bezeichne. 
Der Eisenmeister der hiesigen Frohnfeste, Keckenberger, depo⸗ 
nirt: Der Angeklagte, den er immer allein in den Hof geführt 
zabe, scheine ihm sehr leidenschaftlich und erregbar und nament— 
lich höchst empfindlich gegen die geringste Nachlässigkeit in Bezug 
auf Essen und Trinken. Bei einem ganz kleinen derartigen Ver— 
ehen sei er ganz wüthend geworden, sei mit geballten Fäusten 
zuf ihn losgegangen und habe geschrieen, er wolle nichts mehr 
essen. Auf ein ernstes Wort von seiner Seite sei er aber schnell 
wieder ruhig geworden und habe ihn bald darauf wegen seiner Un⸗ 
gebührlichteit um Verzeihung gebeten. Ueberhaupt scheine er sonst 
sehr guthmüthig zu sein; er habe einmal eine Wasserflaiche 
erbrochen, sei darüber in große Erregung gekommen und habe 
ihn rufen lussen; als er ihm nun sagte, die Flasche koste nur 
18 kr. habe er sich kindisch gefreut, so billig wegzukommen. Im 
Unfange der Gefangenschaft habe er den Grafen nie schlafend ge⸗— 
—DDV 
empfangen habe, sei er vor Freude außer sich und fünf Tage 
dolter Jubel gewesen, dann sei es wieder losgegangen. 
Auf die Frage Dr. Solbig's, ob das Benehmen des Grafen 
m Ganzen auf ihn den Eindruch geistiger Störnng oder bloß sehr 
zorumüthigen Characters gemacht habe, antwortete Keckenberger: 
Sein Urtheil sei so: er glaube, daß der Graf, wenn er einen 
Rurschen rufe, und derselbe komme nicht sogleich, denselben in sei 
ner Erregung niederschlagen könne. 
Hierauf wurde noch Agnes Meriot, welche wegen des von 
iür an Graf Chorinsky gegebenen Empfehlungsbriefes an dessen 
Gattin, womit sich die Ebergenyi bei derselben einführte, die Magd 
der Ebergenyi, Elise Kubesch, welche wegen der Ueberg abe des 
Paketes mit dem Cyankalium und mit Chorinskys Briefen zu de 
poniren hatte, und die Mitgefangene der Ebergenyi, Pauline Wie 
deumann, welche über die von der Ebergenyi im Gefängnisse unter 
dem Namen der Horvath geschriebenen Briefe u. s. w. auszusagen 
hatte, vernommen. Alle wiederho lten ihre in der Wiener Ver—⸗ 
zandlung gemachten Aus sagen. Die Meriot gab bezüglich des 
Fharacters Chorinsktys an, daß sie an ihm, der gewöhnlich lie— 
enswürdig, aber auch sehr reizbar und hestig gewesen sei, nie 
drämpfe oder Epilepsie bemerki habe, wohl aber Sonderbarkeiten 
o daß er ihr oft wie verrückt vorgekommen sei. 
24. Jun. 
Heute Vormittag wurde die Vernehmung der Zeugen fori— 
gesetzt. 
—— Aussagen der Zeugen Wiedermann, Drechsler, Mela—⸗ 
notti, Wilhelm und Hoffmann können wir als unwesentlich füg⸗ 
ich übergehen. 
Der Präsident will nun zur Verlesung der Aussagen des 
Obersten Döpfner, des Rittmeisters Priwister und Grafen Wilc; 
jeck schreiten, wogegen der Vertheidiger eimvendet, nach Art. 166 
des Strafprocesses vürften nur die Aussagen von in der Vorun⸗ 
erfuchung vernommenen Zeugen verlesen werden; diese Zeugen 
eien aber erst noch später vernommen worden. . 
Staatsanwalt Wülfert entgegnet: Der Präsident habe dis⸗ 
rretionäre Gewalt, in der öffentlichen Verhandlung Alles zu thun 
vas zur Erforschung der Wahrheit dienen könne, es stehe ihm 
ilso auch zu, diese Zeugenaussagen verlesen zu lassen. Man soll 
soweit man nicht gesetzlich gezwungen sei, nicht auf Formalien zu⸗ 
rückgreifen sondecn sich mit dem materiellen Rechte begnügen, sonst 
hekomme man englische Zustände, wo ein Bauer freigesporchen wurde, 
weil man ihn den Schimmel aus der Schwemme blos heraus⸗ 
aber nicht hineinreiten sah. Das möge originell, barock, englisch 
sein, wir würden es albern nennen. 
Der Vertheidiger meint, der Schut der Gesetze sei wohl Allen 
m Saale nöthig und jede Form sei ein Palladium der eigenen 
Freiheit. 27 
Präsident erklärt, er halte die schwebende Frage für so wich— 
sig und solcher Tragweite, um einen Gerichtsbeschluß darüber 
zu fassen. 
Nach einer Berathung von Na Stunden publicirte der Ge— 
cichtshof den Beschluß, daß auf den Prolest des Vertheidigers 
zegen die Verlesung dieser Zeugenaussagen nicht eingegangen wer⸗ 
den koͤnne. 
Diese drei Zeugenaussagen beziehen sich sämmtlich auf den 
Beisteszustand des Grafen Chorinsky. Döpfner, Chef des topo— 
zraphischen Bureaus für Eisenbahn-, Dampfschiff- und Telegra— 
henwesen, sagt: Graf Chorinskh war vom Dec. 1866 bis zu 
einer Verhaftung in meinem Bureau, ist seiner dienstlichen Aus— 
Jabe immer fleißig und pünktlich nachgekommen; Anlaß zu be— 
'onderer oder längerer Conversation mit demselben hatte ich keine, 
ruch war derselbe meiner genaueren Beobachtung entzogen, da er 
ich in einem von dem meinen getrennten Zimmer befand. Sein 
Auftreten war steis unstet und unsicher; sein sonstiges Betragen 
war ernst, und er schien ganz von irgend einer Richtung im Geiste 
eingenommen; von geistiger Störung habe er an Chorinsky nie 
die geringste Spur bemerkt. 
v. Priwitzer, Rittmeister im Generalstabsbureau des Reichs- 
triegsministeriums, sagt: Chorinsky war in meinem Bureau, doch 
bin ich nicht in nähere Berührung mit ihm gekommen; während 
der Dauer seiner Dienstleistungen habe ich niemals, auch nicht am 
Ende. irgend eine Geiste störung wahrgenommen. In seinem 
Tharacter ließ zeitenweise ein heftiges Aufbrausen wegen gering⸗ 
ügiger Ursachen fich bemerken, doch war er schnell wieder besänf⸗ 
igt, und ich schrieb dieß seinem lebhaften Temperament zu. Für 
zeistig gesund hielt ich ihn immer. 
Graf Wilczeck, ertfernter Verwandter des Angeklagten, äͤrißerte sich 
iber dessen geistigen Zustand in folgender Weise: Er kenne ent⸗ 
ernt den Grafen Chorinsky seit 1848, näher erst seit dem vori⸗ 
jen Jahre; während, wie er gehört habe, Chorinsky früher viele 
Zchulden gemacht habe, habe er von da an eingeschräukter gelebt. 
kr habe nie eine Spur von Aufregung und noch weniger von 
Beistesstörung an demselben bemerlkt; derselbe sei bei seinen Ka— 
neraden beliebt gewesen, habe sehr feine Begriffe von militärischer 
Ehre, und iei deswegen viel als Vermitiler verwendet worden; 
ein Character zeige Herzensgüte, Anhänglichkeit an die Familie, 
ind er halte ihn für einen ganz ehrenhaften Mann. 
Der Untersuchungsrichter, Bezirks -Assessor Geiger deponirt 
'olgendermaßen: Ich habe den Grafen Chorinsky während der 
Dauer der Untersuchung ziemlich oft besucht, und zwar nicht bhos 
in meiner amtlichen Eigenschaft, soudern auch wegen Rücksichten 
auf seine Private und Familienberhältnisse, besonders wohnte ich 
ruch den Unterredungen bei, wenn sein Bruder Karl ihn besuchte. 
Ich glaube, daß er sich mir gegenüber, zu dem er einiges Zu— 
rauen gefaßt zu haben scheint, gauz so gegeben hat, wie er wirk— 
ich ist. Aus seinem Benehmen, seiner ganzen Vertheidigungsweise