in Besturzung dersetzt hat. Die Kaiserin soll von der unerwarte⸗
ten Lecture sehr ergriffen gewesen sein und fragte welchen Ursa⸗
hen oder Fehlern oder Ungeschicklichleiten es zuzuschreiben sei, daß
noch so viel Haß „gegen uns“ bestehe Sie wurde von dieser
Entdeckung schmerzlich überrascht. Der Kaiser hingegen, der auch
der „Lanierne“ viel Aufmerksamkeit zuwendet, rechnet mit einem
literarischen Polizeicommissar darauf: Herrn Rochefort werde die
witzige geistreiche unverschaͤmte Pariser Blague gegen das Personal
des Kaherthums desto schneller ausgehen, je mehr man ihn laufen
lasse. Er gab Befehl, Herrn Rochefort nicht gerichtlich zu ver⸗
hindern, die Napoleoniden und Genossen wochentlich einmal zu
laniernisiren, und ihm sogar die Erlaubniß des Straßenverkaufs
zurückzugeben. Wie die Sachen stehen, wird dieses tiefstudirte
Hhlegmna den Pariser Blagueur weder entwaffnen noch unschad—
lich machen.
Belgien.
Brüfsel, 11. Juli. Die „Espiegle“ und „Cigale, sind
in Anklagezustand versetzt wegen Aufforderung zur Ermordung aus⸗
wartiger Fürsten, die durch die Veröffentlichung des Manifestes
derubi sein sollte, welches von Felix Poat in Folge des in London
zur Erinnerung an die Junitage von 1848 abgehaltenen Meeting⸗
erlassen worden ist.
Schweiz.
Zürich, 9. Juli. Die züricherische Verfassungscommission
hat in den letzten 14 Tagen eine Reihe von Grundsätzen ange⸗
aommen, welche das zuͤricherische Staatsleben total umgestalten.
Abgesehen von dem Haupisatz der directen Volksgesetzgebung— ist
. B. das gesammte Steuerwesen total unigestaltet, die indirecten
Steuern, wo nicht ganz, doch groöͤßtentheils abgeschafft, dagegen
die directen Sieuern den weniger Bemittelten bis auf 300 Fr
Fintommen ganz abgenommen und den Reichen eine Progressiv
und Erbschaftssteuer aufgelegt. Das ganze Militär joll vom
Staat unentgeltlich ausgerüstet werden, auch die Officiere und die
Volksschulen sollen ganz frei sein. Die Lebenslänglichkeit der
Geistlichen und Lehrer soll abgeschafft und periodische Wahl von
6 zu 6 Jahren eingeführt werden. Hievon ausgenommen sind
nut die Lehrer der Hochschule. Ueber die Entschädigung der bis⸗
her lebenslaͤnglich Augeftellten soll das Gesetz entscheiden. Von
einer reformirten Landeskirche wird nicht mehr gesprochen, dieselbe
wird nicht mehr garantirt, also deren Abschaffung möglich gemacht
und auch hier die volle Souberänetät der Gemeinden durchgeführt
derden. AÄuch die-Namen der Behoͤrden werden verändert, der
große Rath soll Kamonsrath, der Bezirksstatthalter Bezirkgamman
heißen. Die Bezirksräthe werden abgeschafft.
Bern, 11. Juli. Der Nationalrath hat die facultatibe
Einführung des meirischen Systems und die Postverträge mit
Deutschland und den Riederlanden, de Ständerath die
Aufnahme einer Statistik der schweizerischen Eisenbahnen ge—
nehmigt.
—
— —
—
Ehorineky. 4—
(Fortsetzung.)
München, 26. Juni.
Ehe bei Beginn der heutigen Vormittagssitzung der Präsiden
zur Vernehmung der Sachverstaͤndigen schritt, stellte der Verthei⸗
diger den Antrag, während der Abgabe der Gutachten den Grafen
us dem Saale ju entfernen, wozu das Gesetz die Erlaubniß gebe,
welcher Antrag auch von Professor Dr. Marlin und Dr. Mayer
gestellt wird.
Im Einverständniß mit, dem Staatsanwalte wurde vom Prä—
sidenten diesem Antrage stattgegeben.
Prof. Dr. Martin holt zur Beantwortung der ihm vorgeleg⸗
ten Frage, ob die geistigen Kräfte des Grafen zur Zeit der ihm
zur Last gelegten That entweder gänzlich aufgehoben oder doch
wesentlich gemindert gewesen seien, etwas weiler aus. Er habe im
Laufe der Voruntersuchung eine Reihe von Zeugenaussagen vom
Untersuchungsrichter erhalten, um sich darüber gutachtlich zu äußern,
und dies habe er auch schriftlich gethan. Auf dieses Gutachten dürft
er sich hier nicht beziehen, sondern nur auf die Ergebnisse der Ver⸗
handlung, und er recapitulire deßhalb die betreffenden Zeugenaus
sagen. Die körperliche Unlersuchung des Angeklagten berechtigt nicht
zu einem Zweifel an seiner Zurechnungsfähigteit. In der Frohn
feste habe er keine Erkrankung und keinen epileptischen Anfall wäh—
end der 7 Monate beobachtet; nur jene Aufregung war bemerk⸗
har, die jeder Mensch unter solchen Umständen hat. Dies war na
mentlich so lange der Fall, als er uüber Ebergenyi's und sein Schick
al nicht im Klaren war. Auch beobachtete ich diese Aufregun(
Amer, wenn ihm der Untersuchungsrichter eine Frage vorlegte
ne icht die vassende Aniwort wußte. Hier suchte er sic
wort im Reinen war. Was sein Abspringen von einem Gegen
stand zum andern betrifft, so habe ich dies nicht gefunden; dod
demerke ich, daß ich das Gespräch mit ihm geleitet habe. Gegen
mich war er stets sehr freundlich, küßte und umarmte mich bei
edem Besuche. Nach allen diesen Beobachtungen gehe sein Gut⸗
achten dahin, daß er weder in der Voruntersuchung, noch in
der Verhandlung irgendwelche Anhaltspunkte zu der Annahme
gefunden habe, daß die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten
jur Zeit der That, insbesondere aber am 19. 20. bis 23. No⸗
dember 1867, irgendwie alterirt und seine Urtheilskraft beschränkt
gewesen sei.
Unibersitätsprofessor und Director des hiesigen Irrenhauses
Hofrath Dr. Solbrig, erklärt, als psychischer Arzt habe er alles
Retedante würdigen müssen und deßhalb alle Symptome einer wij⸗
enschaftlichen Prüfung unterstellt. Er bemerke, daß der Angeklagte
nicht immer gleichmaßig spreche und hie und da mit der Zungt
anstoße, was jedoch weder ein Lallen noch ein eigentliches Anstoßen
jenannt werden könne; es sei als ob ihm das Wort im Gaumen
stecken bliebe. Es geschehe dies namentlich, wenn er rasch und in
Aufregung spreche. Nuch auf örtliche Reizbarkeit habe derselbe rea⸗
ziri. Er habe erzählt, daß er öfter an der Lunge, am Typhus
in seinen Verwundungen lange krank gewesen sei, aber alle diese
Zustände hätten keinen weiteren Einfluß auf sein persönliches Ge⸗
sundheitsgefühl gehabt, nur habe er hie und da Ohnmachtsanfälle.
Er bekomme Zucdungen und eine ganz eigenthümliche Empfindung.
sowie bei heftigeren Affecten Herzllopfen, und bei sehr hohen Affee⸗
ten oder großen körperlichen Anstrengungen stellten sich, aber nichi
häufig, die Ohnmachten ein; Ohne Veranlassung kämen solche Zu⸗
alle nie. Alle diese Abnormitäten seien aber als Zeichen einer
Seelenstörung nicht zu betrachten, denn wollte man aus denselben
einen solchen Schiuß ziehen, so würde man sich, wie Erfahrung
und Wissenschaft nachweisen, arg täuschen. Die Ohnmachts fälle seien
ber überdies von keinem Arzie, sondern nur von Zeugen gesehen
vorden, welche nicht als competent gälten. Wenn der Angeklagi⸗
sehr geneigt zu solchen Anfällen sei, so erscheine es sehr auffallend,
zaß die seit vier Tagen gegen ihn dauernde Procedur bei ihrer
Finwirkung auf sein Gemüth, die Hitze, das große Publilum, be
onders geeignet zur Hervorrufung solcher Fälle, keinen hervorge—
rufen habe. Die psychischen Momente seien vorzüglich aus den
Zeugenaussagen zu suchen. Collega Martin habe sie sämmilich ge⸗
ammelt, er könne dieselben nur beslätigen und den daraus gezo⸗
genen Schlüssen beistimmen. Vorzüglich interessant sei ihm, daß
zus allen Lebensperioden des Angeklagten Zeugnisse über dessen
ättliches Verhalten vorlägen. In allen findet sich Einstimmigkeit
darüber, daß Chorinsky eine nervöse, reizbare, launenhafte, zorn⸗
müthige, zu hefligen Reactionen geneigte Natur sei; anderseits seien
aber aͤuch Belege da für dessen Gutmüthigkeit und Humor und für
sein phantastisches, excentrisches und etwas comödienhaftes Beneh⸗
men. In der Liebe besonders sei er zu Abenteuern der verschie⸗
densten Art aufgelegt gewesen — eine Neigung, die er übrigens
mit vielen Offizieren seines Allers und Standes theile —, er habe
auch den Spott der Kameraden nicht gescheut, um seine wirkiich
oder affectirte Liebe zu irgend Jemand auffallend kund zu geben.
An dieser Sache ist psychologisch nicht viel. Für junge Offiziere
sei es nichts Besonderes, wenn sie von einer geliebten Dame gele⸗
gentlich einen Strumpf, Schuh oder Handschuh oder ein Stüd
ẽleid mitnehmen, an die Brust drücken, oder tragen, oder in einer
chönen Sommernacht an das Fenster der Geliebten werfen, oder
hei vermutheter Sprödigkeit mit einem geladenen Revolver vor
dem Fenster drohend aus⸗ und abgehen, der aber niemals losge⸗
schossen wird. Es handle sich darum, den Geschwornen auseinan⸗
derzusetzen, ob es ein Zeichen von Geistesstoͤrung sei, wenn der
Mensch einen launischen Wechsel in seiner äußeren Darstellungs
weise liebe. Das sei nicht der Fall. Kein Mensch sei dem andern
gleich, was höchst langweilig wäre; jeder Mensch habe sein eignes
Raturell, was die Geschwornen wohl aus eigner Erfahrung wüß⸗
fen. Ein zornmüthiger, z. B. sei kein Narr, man nenne ihn aber
so, und solche Ausdrücke seien conventionell geworden, und aͤhnlich
n den Fällen, wo Jemand nicht handelt, wie die meisten Men⸗
schen. Rampacher allein habe den Angeklagten für einen completien
Rarren erklärt, die übrigen Zeugen hätten ihre Ansicht mehr be⸗
schräukt. Es konne daher weder aus den körperlichen Abnormitäten,
noch von den Zeugen eine Geistesstoörung constatirt werden, noch
sei aus psychologischen Momenten eine solche abzuleiten. Noch ein
weiteres pfhchologisches Moment böten die Briefe für ihn, denn sie
ersetzten die personlichen Beobachtungen. Sie seien meist aus der kri⸗
ischen Zeit; ihre Form immer lebhaft, aber siets logisch geglie⸗
deri; der Inhält immer der Sachlage angepaßt, nichts confus.
Die Liebesbriefe seien alle gleich, überschwänglich, wie es auch die
ebesbriefe Anderer seien. Die Ebergenyi sei sicher keine phan—
astische Person, sie schreibe aber eben so phantastisch, also habe
nes nichts zu bedeuten. Bei ernten Sachen schreibt Chorinskr
4 *