Full text: St. Ingberter Anzeiger

nach welchem sich der Handel! verkehr mit Europa in elf Jahren 
derdoppelt hat. 
Amerika. 
Der „Newyork Herald“ prophezeit, daß, falls der Sieg 
Seymour's oder Grant's bei der Präsidentenwahl nicht sehr eni— 
scheidend ausfallen würde, unbedingt der Bürgerkrieg ausbrechen 
werde. — In der Washington⸗Gruft im Capitol zu Washingion 
tstand vor Kurzem eine gewaltige Gaserrxplosion, welche großen 
Schaden an dem Gewölbe anrichtete und die Trauer; Parapher⸗ 
zalien des verstorbenen Prasidenten Lincoln theilweise ver— 
nichtet hat. 
—8R — ,ννν— 
Das liberale Oesterreich. 
Die „W. d. b. J.“ schreit: — 
Es wäre sehr verkehrt, dem jungen österreichischen Liberalis— 
mus die Huldigung, die ihm von den Theilnehmern des Schützen⸗ 
festes dargebracht wurde, deshalb zu mißgönnen, weil der bitlere 
Haß gegen die neue Ordnung der Dinge in Deutschland bei Vie 
len die Triebfeder der Begeisterung war. Daß die auswärtigt 
Politik der österreichischen Regierung nicht auf so erbärmlich schwa 
chen Füßen steht, um sich durch diese Kundgebungen des Hasses 
don dem eingeschlagenen Wege ablenten und in die Irre fuühren 
zu lassen, hat die Schlußrede des Frhrn. v. Beust bereits außer 
Zweifel gestellt. Wenn daher die Vorgänge des Schützenfestes 
überhaupt eine praktische Wirkung im Wien zurücklassen, so kann 
es nur sein, daß fie dazu beitragen,“die liberale Richtung der in 
aern Politik zu befestigen, und dies müßte von jeder liberalen 
Partei in Deutschland willkommen geheißen werden. 
Wir hätten schwerlich das moralische Recht, wir haben aber 
auch keinen politischen Grund, einen reaktionären Rüchschlag in 
Desterreich zu wünschen; es ist vielmehr einleuchtend, daß der 
dortige Zustand der Dinge uns selbst zum entschiedensten Vortheil 
zereicht zunächst für unsere einheimischen Angelegenheiten, und 
schließlich in Bezug auf die nationalen Interessen. 
In der Gesetzgebung und Verwaltung der Mittel und Kleim 
taaten muß dieser Zustand überall, je mehr der Glaube an seine 
Dauer Wurzel schlägt, einen wohlthätigen Einfluß üben. Das 
alte Oesterreich war zumal in Süddeutschland der stärkste Rückhalt 
des dureaukr itischen und des ultramontanen Elementes, die ͤch 
zlücklicherweise nicht. so gut wie dort zu verständigen wußten, son⸗ 
dern durch Zwietracht wechselseitig schwächten.“ Beiden ist jetz 
ziese Stütze entzogen und das Gegentheil ist eingekreten, daß der 
tampf gegen die Anmaßungen des Ultramontanismus und alle 
iberalen Bestrebungen in dem Beispiel Oesterreichs ihren Rückhall 
finden. Die veränderte Luftströmung in dem großen Nachbarstaate 
entmuthigt und entkräftet den reactionären Geist, der an den Hö— 
sen immer noch vorherrscht und so leicht das Ohr des Fürsten in 
Beschlag nimmt. Wo früher schon unabhängig von den jüngsten 
Ereignissen, eine Wendung zum Besseren eingetreten war, da wird 
miudestens ihr Bestand zuverlässiger gegen Rückfälle gesichert sein 
— vorausgejetzt freilich, daß in Oesterreich selbst die Reform Be— 
stand hat, wie es unter den obwaltenden Verhälmissen wahrschein 
lich ist. Aber auch in diesen Ländern, vor Allem in Bayern, wird 
tein der Verhältnisse Kundiger behaupten, daß es für den Gang der 
Gesetzgebung und des ganzen öffentlichen Lebens gleichgiltig sei 
ob der österreichische Kultusminister Thun oder Herbst, der Mini 
er des Innern Belcredi oder Giskra heißt. 
Läßt sich annehmen, daß der neuösterreichische Liberalismus 
auch auf die Verwaltung des preußischen Staates und auf die 
Berfassung des norddeutschen Bundes — denn dort liegt im einen, 
dier im anderen der Grundfehler — eine heilsame Einwirkung äußern 
werde? Es' unterliegt keinem Zweifel, daß die Mainlienie heute 
schon zu den Thatsachen der Vergangenheit zu zählen wäre, wenn 
eine freisinnige Bundes⸗ und Staatsordnung von Berlin aus ihren 
mächtigen Zauber geübt hütte, und es ist sehr wahrscheinlich, daß 
die Ueberwindung der Hindernisse, welche dem Eintritt Süddeutsch 
lands in den Bund entgegenstehen, erst dann gelingen wird, wenn 
der jetzt die Köpfe verwirrende Gegensatz der Einheits- und Frei— 
heitsinteressen seine Schärfe perloren hat. Ist es dem österreichi⸗ 
ichen Liberalismus beschieden, durch den moralischen Druck, den 
sein Beispiel ausübt, die Verfassungs⸗ und Verwaltungsreform im 
Norden und dadurch die Einigung Deutschlands zu fördern? 
Mit einem unbedingten Nein können auf diese Frage nur 
diejenigen antworten, die von der fixen Idee ergriffen sind, der 
preußische Staat sei von Haus aus unwiderruflich zum Adsolutis 
mus vderurtheilt. Siebt nian von dieser abergläubischen Vorstel 
lung ab, so läßt sich nicht verkennen, daß die freisinnigen Stauts- 
einrichtuugen des Kaisersstautes und die dadurch gestärkte liberale 
Tutwickung der süddentschen Lünder auch auf Preußen und den 
Horddeutschen Bund als ein beständiger Stachel wirken und den 
lijeßlichen Sien des liberalen Elementes begünstigen müssen. Al. 
lerdings ist in einem Großstaate, dessen innere Politik sich selbst⸗ 
ständig entwickelt hat, die Widerstandskraft der alten Traditionen 
zehnfach stärker als in kleineren Landern. Dazu kommt in Preu— 
ßen die Personlichkeit des leitenden Staatsmannes, dessen herrische 
und gewaltthätige Natur sich jeder constitutionellen Beschränkung 
mit Unwillen fügt. Die Verwaltungpolitik, die außerhalb seines 
unmittelbaren Wirkungskreises liegt, die kleinliche fiskalischepolizei⸗ 
liche Praxis, die so viel Erbitterung hervorruft und so wenig 
Achtung einflößt, hat Graf Bismardck ihrem herkömmlichen Lauf 
überlassen. Es wäre schwerlich ein Hinderniß der Reform auf 
diesem Gebiet, aber er hat anscheinend darauf verzichtet sie zu 
fordern und durchzusetzen und man ecwartet in Preußen keine 
wesentliche Aenderung, so lange nicht ein Thronwechsel frische 
Kräfte in Bewegung setzt.. 
Soweit aber die Rückwirkung, welche der Umschwung der 
Dinge in Oesterreich auf Norddeutschland, außern kann, sich über⸗ 
haupt erstreckt, wird sie doch nur eine wohlthätige sein. Das über— 
dies die Vortheile, welche dem Süden zu gut kommen, unzweifel⸗ 
haft sind, so haben wir Grundegenug, uns dieses Umschwungtz 
zu freuen und die Befestigung des neuen Zustandes zu wünschen. 
Manche speculiren lieber auf den Fall Oesterreichs; diese Politik 
wäre jedoch unter den gegebenen Verhaltnissen so leichtfertig 
und fantastisch, wie die Speculationen Anderer auf den Zerfali 
Preußens. , 
emiirchteccc. 
7 Die Villa Ludwigshohe bei Edenkoben,“zu der 80 Tag⸗ 
verk Wald und 8 Morgen Wingert gehören, und di Konig Lud⸗ 
wig J. einem seiner anderen Eniel vermacht hatte, ist durch Kauf 
um die Summe von 500,900 fl. in den Besitz des Koönigs Lud⸗ 
wig üÜbergegangen. 
Speyer, 22, Aug. Die durch das Fest der Einweih— 
ung des Lutherdenkmales in Worms wieder von Neuem wachge— 
rufene Idee, ein größeres monumentales Wertk zur Erinnerung 
m den berühmten Protest auf dem Reichstage zu Speyer im Jahre 
1529 in der Nihe der Reischelruine oder angrenzend an diese 
zu errichten, hat auch wieder erneutes Interesse diesen Ueberresten 
zugewendet, was sich vorerst durch gründlich vorgenommene Rei⸗ 
nigung des Innenraumes in erfreulichet · Weise kundgibt. Bei 
dem Auftaumen wurde nun gefiern ein Uberaus merkwürdiger 
Fund gemacht, indem man naqh Beseitigung einer starken Schuit⸗ 
und Gerällschichte auf einen Plattenbeleg und schließlich auf kels 
lerartige Raumlichkeiten stieß. Hier wurde beim Freilegen dieser 
Raume eine noch fast völlig wohlerhaltene und auf den ersten Blick 
erkennbare Lulherbüste in Gypé, deren Sodel abgeschlagen 
war und sich ebenfalls noch vorfand, zu Tage gefördert. Es ist 
anzunehmen, daß diese Buste jedenfolls vor dem großen Brand 
—1689 irgendwie als Schmuck oder Erinnerungszeichen an den be— 
rühmten Reformatav gedient Und in einem Saale, Schulzimmer 
oder dgl. ihre Aufstellung gehabt, von wo sie vielleicht vor herein⸗ 
rechender Katastrophe in diesen feuerfesten Raum gefiüchtet 
wurde. Auch fanden sich ein Menschenschädel und abgesägte Kno— 
chentheile im Schutte vor, welch' Letztere mit einiger Sicherheit 
wohl als amputirte Körpertheile zu bezeichnen sein dürften, indem 
bekanntlich nebenan das St. Georgen ẽ* Hospital (das jetzige prot. 
Diakonisienhaus mit dem anliegenden fruüͤheren Kantonsgefängnifse) 
sich befand. 
Die Anstellungsprüfung der 1864 aus dem Seminar ent⸗ 
lassenen Schuldiensterspectant en beider Confessionen 
beginnt in Speyher am 1. OÖccober. Zulassungsgesuche sind mit 
den vorgeschriebenen Zeugnissen längstens bis zum 10. Sept. bei 
der k. Regierung K. d. J. einzureichen. 3 
F Zu dem im Vehtember d. Jr in München abzuhaltenden 
Turnlehrerbildungscsn ps sind aus der Pfalz 
7 Lehrer —* 
7 Das PKreisblait bringt die Verordnung des Staͤatsministe— 
riums, betreffend die Prüfungen für das höhere Lehramt im Jahre 
1868. Darnach beginnen die Prüfungen, für. das Lehramm ver 
Philologie und dee Mathematik am I2. Dckobet die für den 
iranzöfischen Sprachunterricht am 22 October und die für den 
englischen Sprachunterricht am 20. October.. 
f In Waldbüttelbrunn bei Würzburg brach ain 17. ds. 
Rachmittags Feuer aus, und zwar an derfelben Stelle, wie schon 
einmal zur gleichen Zeit vor ächt Tagen. Diesesmal aber nahm 
der Brand eine schreckliche Ausdehnung an und äscherte 60 Hauser 
fast das ganze Dorf) ein. Bei dem Wassermangel war an 
Rettung, trotz der rasch von allen Seilen herbeigeeilten Hilse, 
kaum zu denken. Der Jammer und das Elend de diclen obdach⸗ 
los Gewordenen ist nicht zu beschreiben. Brandstiftung wird nicht 
ohne Grund vermuthet. 
Wiesbaden, 21. dug. Der Pfarrer Frehr. Dr. 
b. Linde von Oberursel wurde heute zu' 30 Thlr. Strafe neriamn