Full text: St. Ingberter Anzeiger

nicht sehr angenehm; man fügt hinzu, daß die Beziehungen des 
Kaisers zur Kaiserin in der letzten Zeit nicht die besten ind. Es 
scheint, daß dem Kaiser endlich die Augen aufgegangen sind, und 
er die Uebelstande einsieht, die aus der clerical⸗reactionären Politif 
entsprungen sind, welche die Kaiserin so eifrig begünstigt. 
Nach der „Liberte“ hätte Hr. Rochefort gestern mit Marfori 
ein Duell gehabt und dieser soll jenem das Schlüsselbein entzwei 
geschossen haben. 
Schweiz. 
Zürich, 15. Oct. Von den deutschen Republilanern in 
der Schweiz erging nachstehende Zuschrift: Spanische Republikaner! 
Mit lebhafter Befriedigung haben wir den Sturz einer verrotteten 
Dynastie vernommen. Wir begrüßen die spanische Revolution um 
jo freudiger, als wir in ihr nicht allein das Heil Eures Vater⸗ 
sands, sondern auch einen kräftigen Anstoß für die Wiedergeburl 
des gebrechlichen Europas erblicken. Diese schoͤne Erwartung kann 
sich jedoch nur erfüllen, wenn Euer auf der Höhe der Zeit stehen⸗ 
des Programm zur Wahrheit wird. Wir fordern Euch daher aus 
und sagen Euch im Voraus unseren Dank dafür, daß Ihr mit 
aller Thatkraft für die Einführung der förderativen Republik wirkel 
und insbesondere für die nothwendige Bedingung derselben: Ersetz 
ung des stehenden Heeres durch eine Nationalmiliz. Möge die 
edle spanische Nation endlich in den Genuß der Freiheil und Wohl⸗ 
fahrt gelangen und mit ihrer Arbeit zugleich ein hohes Ver— 
dienst um Europa sich erwerben. Gruß und Handschlag ihr 
wackeren Männer! 
Die Freiburger Blätter beschäftigen sich viel mit den Pre⸗ 
digten, welche der Jesuit Pater Roh gegenwärtig in Freiburg 
hält. Es wird geklagt, daß Pater Roh die ausgesprochenste Po⸗ 
litik auf die Kanzel trage; so soll er vor einigen Tagen in einer 
Nede sich in Schmähungen gegen Garibaldi und in Lobsprüchen 
für die „tugendreiche“ Isabella ergangen und schließlich das Au— 
ditorium beschworen haben, nicht mit der „Canaille“ zu gehen 
sondern der Pariei der Freunde der Kirche treu zu bleiben. 
Italien. 
Florenz, 17. Oct. Der „Gazetia Piemontese“ zufolge 
wäre der Zweck der Reise des Prinzen Napoleon nach Turin der 
mit dem König Victor Emanuel über die Evdentualitäten der euro 
päischen Politik zu conferiren. 
Turin, 15. Oct. Der „N. Fr. Pr.“ schreibt man: Es 
ist nun sicher, daß zwischen Frankreich und Italien augenblicklich wich— 
tige politische Verhandlungen im Gange sind. Der Commis voyageur 
der Tuilerienpolitik, Prinz Napoleon, hat rasch nach Turin fahren 
muͤssen, um Victor Emanuel zu bewegen, in der spanischen Ange 
legenheit gewisse dynastische Velleitäten aufzugeben und sich mehr 
den Richtungen der französischen Politik anzuschließen. Dafür würde 
Frankreich in Rom nachgiebiger sein, und wenn das betreffende 
Protocoll über die Räumung des Kirchenstaates noch nicht unter 
zeichnet ist, so ist es jedenfalls Thatsache, daß ein solches vorbe 
reitei ist. Menabrea fühlt die Nothwendigkeit, sich dor der Kammer 
Einberufung möͤslichst zu beeilen, und seine sonst so phlegmatische 
Politik soll jetzt in Paris sogar einige Pression versuchen. Vor 
Wichtigkeit ist besonders die Nachricht, daß Benedetti, der franzö— 
sische Gesandte in Berlin, für eine besondere Mission nach Jloren; 
ausersehen ist, um wahrscheinlich die schwebenden Verhandlungen 
zum Abschlusse zu bringen. Wenn man in Paris fühlt, daß Herr 
v. Malaret in Florenz, wenigstens für wichtigere Dinge, nicht 
mehr verwendbar ist, so kann man daraus schließen, daß Frank 
reich den Gefühlen Italiens mehr Rechnung trägt als bisher. 
In Bologna haben die spanischen Ereignifse die mazzi 
nistische Jugend im hoͤchsten Grade exaltirt. Mehrere Abende hin⸗ 
tereinander wurden in der Oper republikanische Manifestationen 
gemacht. Man rief: Es lebe die spanische Republik! Es lebe 
die Republik von San Marino! Es lebe Mazzini und Garibaldil 
Rieder Gnaff! (Victor Emanuel wegen seiner aufgestalpten Nase. 
Das Publikum im Parterre applaudirte ꝛc. — Der Agent der 
offentl. Sicherheit wurde vom Ministerium entseßzt, weil er das 
Besetz nicht zur Geltung brachte. 
Spanien. 
Der Herzog und die Herzogin von Montpensier haben nad 
Madrid, Cordoda, in Santander, bedeutende Summen zur Unter⸗ 
zützung der in den letzten Kämpfen Verwundeten geschictt. — 
Die in Madrid wohnenden Protestanten stehen im Begriff, sich 
eine Kirche zu bauen. Die Juden gehen mit der Absicht um, sich 
eine Synagoge zu errichten. 
»Madrid, 18. Oct. Der von der amtlichen Zeitung ver⸗ 
zffenllichte Beschlußz der revolutionären Junta in Betreff der künf. 
tigen Regierungsform lautet folgendermaßen: In Vetracht, daß 
die Form der Regierung eine Frage von höchster Wichtigkeit und 
eine Regierung um so geachteter ist, je mehr sie als der Ausdrud dee 
naiivnalen Willens erscheint; in Betracht, daß die Form der Re 
gietrung erst einer eingehenden Discussion unterporfen werden soscl 
da sie anderenfalls, wenn die öffeniliche Meinung nicht durch die 
Discussion der Regierungtform aufgeklärt würde, nicht der wirk— 
liche Ausdruck des nationalen Willens wäret; in Betracht ferner, 
daß Angesichts der der Revolution vorbergehenden Umstände das 
Volk nicht im Stande ist, sich ein Urtheil über die geeignete 
Regierunggfforn und die an die Spitze des Staates zu 
stellende Persönlichleit zu bilden, schlägt die Junta der prodisori⸗ 
schen Regierung vor, zu erklären, daß, in Uebereinstimmung mit 
dem Programm von Cadirx, es der conslituirenden Versamm- 
lung allein zukommt, die zukünftige Form der Regierung zu 
destimmen. 
Wer entnehmen einer Correspondenz des „Constitutionnel“ 
aus Madrid folgende Stelle: „Die Maßregeln gegen die religiosen 
Körperschaften dauern fort und verallgemeinern sich. Die Junta 
von Sevilla hat soeben 9 Frauenklöster geschlossen und den Non- 
nen drei Tage Frist gegeben, um ein Asyl zu suchen. Dieselbi 
Junta hat 17 Pfarreien abgeschafft und so den Klerus diese 
Pfarreien ohne Anstellung gelassen. In RXeres hat die Zerstörun 
von drei Frauenklöstern begonnen. Die Jesuiten haben alle ihr 
Institute verlassen, ihr Colleg von Carrion de los Condes, di 
erste öffentliche Bildungsanstalt, welche Spanien besaß, ist ge 
schlossen. Man spricht auch von der nahe bevorstehenden Schlie 
zung des Klostes der Damen vom Heiligen Herzen in Chamartin 
in welchem die Moͤbel aufbewahrt sind, welche Napoleon J. wäh 
rend des spanischen Krieges gedient haben.“ 
Madrid, 19. Oct. Die demokratische Versammlung ha 
die Förderative Republik als die einzig richtige demokratische Re 
gierungsform erklärt. — Hreute ist ein Decret erschienen, welche 
viele Kloͤster aufhebt und deren Güter zum Vortheil des Staate 
confiseirt. 
Die „Opinion Nationale“ schreibt in Bezug auf die Sclaven 
frage in Cuba: Auf den Inseln Cuba und Potorico find 800,00 
Sclaven und 250,000 Mulatten oder freie Schwarze, welche m 
ieberhafter Ungeduld darauf warten, was die in der Metropo 
triumphirende Freiheit für sie decretiren wird. Noch mehr, die 
Weißen selbst, in der Stärke von 600,000, wünschen und verlanm 
zen in der Mehrzahl die Abschaffung der Sclaverei, welche übn 
hren Häuptern fortwährende Gefahren schweben läßt.“ 
Das genannte Blatt ist der Ansicht, daß, wenn die Jun' 
sich nicht beeilt, den Wünschen der Bevölkerung von Cuba gerede 
zu werden, die Cubaner veranlaßt sein könnten, ihre Unabhängig 
keit zu erklären. Die spanische Regierung zog bis jetzt aus Cuba 
zjaäͤhrlict 1650 Millionen Steuerun und 15 Miillionen aus 
Zöollen. 
**3St. Ingbert, 21. Oct. GWerspätei). Vorigen 
Sonntag und 8 Tage früher gab der in dem preußischen Rach⸗ 
harorte Neunkirchen bestehende Gesellenverein hier eine theatralische 
Borstellung, am ersteren Sonntage mit einem Nachmittags-Conceri 
yon Seiten des dortigen Gesangs-Vereins „Concordia“ verbunden 
— und glauben wir nicht unterlassen zu dürfen, die Leistungen, 
owohl des Gesellenvereins als auch der Concordia, hiermit öffend⸗ 
lich anzuerlennen. Wenn wir in Betracht ziehen, daß die Dar⸗ 
teller keine Schauspieler, sondern schlichte Handwerker sind, die 
im Laufe des Tages oft schweren Arbeiten obliegen, oft auf hoheu 
Berüsten herumzukleitern haben, so müssen wir lobenswerth den 
ꝛegen Eifer und die Tzätigkeit im Streben nach Gemeinsinn, 
Bildung und Geselligkeit der jungen Leute begrüßen — wie denn 
nuch diese Zeilen für die betr. Mitgieder nur ein Sporn zur 
veiteren Vervollkommnung sein möchten. — Nächsten Sonntag 
den 25. d. M. soll, wie wir hören (eine Brillant⸗Vorstellun 
„Der Elsterwitz“ (im Oberhauser'schen Saale) Statt finden, und 
war mit gut besetztem Musikchor. Nach Schluß der Vorstellung 
wird unter bengalischer Beleuchtung ein lebendes Bild „Da* 
Abendglöcklein“ vorgeführt, und machen wir alle Freunde ge 
elliger Abend⸗Unterhaltung auf diese letzte Vorstellung ganz be 
onders aufmerksam, da, wie verlautet, auch drei Preiräths 
nufgegeben werden sollen, deren eine Auflösung mit kin 
ilbernen Cylinderuhr, die beiden anderen mit geringeren Preisen 
praͤmiirt werden. 
ermischtes. 
fKaiserslautern, 19. Oct. Die Nothwendigke 
ꝛeiner bessern, allgemeinen und fachlichen Bildung der Jugend trꝛil 
gegenwärtig mit jedem Tage mehr hervor. Während im Gewer‘ 
betrieb überall die Gewerbe⸗, Industrie- und Fortbildungsschule⸗ 
längst den Uebergang von der Volksschule zur Praxis vermitteln, 
und hier auch eine ausgedehnte Benützung dieser Anstalten statt⸗ 
findet, läßt sich letzteres von den landwirthschaftlichen Lehranstalten 
im Allgemeinen nicht sagen, obgleich diese im Verhältniß zur Land⸗ 
bevölkerung noch dünn gesäet sind. In welchen Umständen dies 
auch begründet sein mag, so kommt es eben deßhalb noch allzu— 
hanfig vor, daß der angebende Landwirtih das Handwerk seines