Full text: St. Ingberter Anzeiger

Baters handwerkamäßig erlernt, ohne über die Gründe seines 
Thuns die richtige Aufllärung zu erhalten. Und Dasjenige, was 
gie Neuzeit in jeglichem Betriebe anstrebt und in der Industrie 
seit 30 Jahren so glänzend erreicht hat, nämlich einen höheren 
Zeinertrag durch andere als die gewohnten Mittel zu erjielen, 
dünkt ihm unmoͤglich, ja lächerlich. Die Folgen sind unschwer zu 
erkennen. Intelligenz und Kapital wenden sich mehr den industri⸗ 
ellen als Aderbauunternehmungen zu; der Reingewinn hat sich 
beim Gewerbe auf bedeutende Hoͤhe gehoben, in der Landwirth⸗ 
schaft ist er fast allgemein ein außerordentlich niedriger, und letztere 
zjeht in Gefahr von ihrem Schwesterbetrieb, dem Gewerbe, voll⸗ 
zändig überflügelt und zurückgelassen zu werden, was keinesfalls 
zur Verbesserung der Volkswohlfahrt beiträgt. 
Nicht klein sind daher die Anstrengungen unserer Zeit und 
der Regierungen aller Länder, den rationellen Fortschritt im Acker⸗ 
hau anzubahnen und zu foͤrdern, was anerkanntermaßen nachhaltig 
und ächt nur durch allgemeine Verbreitung einer gründlichen Be⸗ 
cufsbildung zu erreichen ist. 
Die landwirthichaftlichen Vereine suchen durch Ortiskränzchen 
und Lesezusammenkünfte u. s. w. Belehrung zu verbreiten; allein 
Bründlichkeit kann der Natur der Sache nach auf diesem Wege 
nicht erreicht werden. Auch Alkademien und Ackerbauschulen konnen 
der Kostspieligkeit wegen ihren Zweck nur in ganz beschränkten 
streisen erreichen. Das Bedürfniß hat in Folge davon das Feld 
des landw. Unterrichtes in der letzten Zeit bedeutend erweitert 
und möchten wir das Augenwerk der Landwirthe vorzüglich auf 
jene Anstalten lenken, welche die Bestimmung haben, junge Leute 
für diesen wichtigen Beruf entsprechend vorzubereiten, welche ferner 
durch die Einrichtung und Wohlfeilheit eine allgemeine Benüßung 
gestatten, und welche endlich in der Pfalz noch zu neuen Datums 
sind, um bezüglich ihres Wirkens und ihrer Aufgabe hinlänglich 
belannt zu sein. 
Dahin zählen wir die landwirthschaftlichen Abtheilungen an 
den Gewerbschulen und die landwirthschaftlichen 
Winterschulen. 
Was zunächst die erstgenannten Anstalten betrifft, deren Bayern 
zur Zeit vier besitzt, so laufen dieselben ganz parallel den eigent⸗ 
lichen Gewerbschulen; der Unkerricht erstreckt sich wie bei diesen 
in drei Jahreskursen über Religion, Realen, französische Sprache, 
Mathematik, Zeichnen, Raturwissenschaften und außerdem noch 
kber Landwirthschaftslehre auf naturwissenschaftlicher Grundlage. 
— Die Aufnahme in den untersten Kurs erfolgt gewöhnlich in 
einem Alter von 12-14 Jahren und das nach Absoldirung der 
drei Kurse erlangte Maturitätszeugniß berechtigt in Bayern nach 
Artikel 40 Abs. 4. des Wehrverfassungsgesetzes zum Eintritt als 
Kinjährig⸗Freiwilliger in die Armee. Für die Pfalz besteht eine 
landwirthschaftliche Abtheilung an der Gewerbschule zu Kaisers— 
jautern (seit 1864). 
Besonders wichtig dünken uns die neuestens gegründeten 
landwirthschaftl. Winterschulen, weil sie am meisten geeignet und 
derufen scheinen, gute Kenntuisse zu verallgemeinern, indem ihr 
Besuch nur sehr wenig Mittel erfordert und der Unterricht zu einer 
Zeit ertheilt wird, in welcher jeder Landwirth seinen herangewach⸗ 
senen Sohn entbehren kann. 
Bei der Aufnahme werden die in der Volksschule erworbenen 
Nenntnisse und ein gereiftes Alter vorausgesetzt; auch sollen die 
Zoͤglinge in der landwirihschaftlichen Praxis bewandert sein. 
Beide letzte Bedingungen sind nämlich erfahrungsgemäß vom 
gunstigsten Einfluß auf den Erfolg des Unterrichtes, welcher mit 
—X 
jahlreichen Exkursionen zu verbinden ist. Er erstreckt sich über 
deutjche Sprache, Geographie nebst Geschichte, Rechnen, Buchfüh⸗ 
rung, Landwirthschaft und das nöthigste aus der Thierheilkunde, 
den Naturwissenschaften und der Geometrie. Die Daner des 
Unterrichts fällt in die 5 Wintermonate November bis März und 
da Zöglinge an dem Sitze der Schule in bürgerlichen Familien 
mohnen und für vollständige Verpflegung täglich 36 bis 48 kr. 
zezahlen, ferner an Schulgeld 5 fl. zu erlegen haben, so stelll sich 
der Gesammtaufwand für den Schüler po Winter auf 95 — 128 fl. 
und mit Hinzurechnung von 25-40 fl. Reise- und andere 
Kesten auf 120 - 166 fl. 
Schon mehrere Jahre bestanden in Baden Winterschulen, und 
da sie gute Resultate erzielten, so hat man ihre Zahl im vorigen 
Jahre auf 7 vermehrt. 
Auch in Bayern ist man mit deren Gründungebeschäftigt und 
vurde für die Pfalz im Laufe der 2 letzten Winter“ein derartiger 
Bersuch in Kaiserslautern gemacht. Die Prüfungen dortselbst ha⸗ 
den die Ueberzeugung hervorgerufen, daß diese Art landwirthschaft⸗ 
icher Unterrichtsanstalten unseren pfälzischen Verhältnissen vollkommen 
entsprechen. 
Wir stehen daher nicht an, allen Landwirthen, welche ihren 
Sohnen die Segnungen eines gulen Unterrichtes angedeihen lassen 
wollen, unsere pfälzischen landwirihschaftlichen Lehranstalten auf'ß 
wärmste zu empfehlen, darauf zurüdkommend, daß nur gründliche 
hgerufsbildung bei allgemeiner Verbreitung den rationellen Fort⸗ 
chritt im Ackerhau zu unterstützen vernaig. 
Speyer, 16. Oct. Das kgl. Oberpostamt hat die Ein⸗ 
cichtung getroffen, daß die k. Poßanstalten des Kreises die für 
zie k. Rentämter vohh Privaten mittels Postanweisungen ankom⸗ 
nenden Geldbeträge, zugleich mit den abzuquittirenden Anweisun⸗ 
jen durch den Postbosten überbringen lassen, gegen eine an den⸗ 
elben zu vergütende Bestellgebühr von drei Kreuzer. Wer also 
an ein Rentamt mittelst Postanweisung bezahlen will, hat außer 
dem Betrag der für das Rentamt bestimmten Summe, noch drei 
sereuzer mehr, für Bestellgebühr durch den Postboten zu entrich⸗ 
en. Bei aller Anerkennung dieser Naßregel ist dieselbe doch als 
nicht völlig genügend zu bezeichnen, wenn sie nicht, statt blos für 
Rentämter gegeben zu sein, auf andere öffentliche Kassen, nament⸗ 
lich auf Eixnehmereien und Kirchschaffneien, ausg edehnt wird, denn 
das Publikum hat auch mit solchen Kassen vielfachen Verkehr und 
diele Zahlungen zu leisten, für welche ihm wohl ohne allen An— 
stand dieselbe Begünstigung zugewendet werden könnte. 
7Speyer, 17. Oct. Der hiesige Arbeiterfortbildungs⸗ 
berein feiert am 22. kommenden Monats sein erstes Stiftungsfest, 
uind da hiezu sämmtliche Arbeitervereine der Pfalz und angrenzen⸗ 
den Städte eingeladen werden, so sollen der Festlichkeit voraus- 
gehend auch ernste Berathungen gepflogen und besonders die Grün⸗ 
dung eines pfälzischen Arbeiterverbandes in Erwägung gezogen 
verden. Einige bekannte Persönlichkeiten wie Sonnemann, Or. 
dirchner, Stuttmann, Eichelsdörfer u. A. haben ihre Betheilung 
bereits zugesagt. Hiesige Frauen und Jungfrauen sind mit der 
Anfertigung einer Fahne beschäftigt, welche dem Verein am glei⸗— 
hen Tage übergeben werden soll. Es wäre sonach ein seltenes 
Fest der Arbeiter zu erwarten. 
fLandau, 19. Oci. Gestern Nacht zwischen 9-10 Uhr 
wurde der Soldat Gansl aus Plattling in Niederbayern vom 8. 
Inf.“Reg. erstochen auf der Chaussee zwischen Landau und Queich⸗ 
heim von andern Soldaten aufgefunden. Der Leichnam wurde 
ins Militärspital transportirt; die Untersuchung zeigte einen Messer⸗ 
dich von der rechten zur linken Seite durch das Herz. Der 
Thater soll ein Bursche aus Queichheim sein; aber der ködtliche 
Stich hatte einem Andern gegolten, einem Sanitätssoldaten, welchet 
unangefochten nach Hause kan. 
In Kirchheimbolanden fielen bei den Controlbersammlungen 
am 16. October rohe Excesse vor, in Folge deren die Haupt ⸗ 
rädelsführer, Reservisten aus Kirchheim, mit. 14 und 8 Tagen 
bestraft wurden. 
F. In Abendsberg Miederbahern) kam es am 14. d. M. 
bei der Controlversammlung der Landwehrmänner zu argen Un⸗ 
ordnungen. Schon während der von 10 Uhr Vormittags bis 
2 Uhr Nachmittags dauernden Controlbersammlung ließen sich ver⸗ 
schiedene angetrunkene Burschen gegen die Officiere allerhand Roh⸗ 
Jeiten zu Schuld kommen. Kaum hatten die Officiere den Saal 
nerlassen, so entspann sich zwischen einigen Burschen eine Schlä⸗ 
zerei, welche sich bis auf den Hauptplatz herunter forisetzte, und 
da der Scandal eine immer größere Ausdehnung gewann, so wurde 
durch Trommelschlag jene Abtheilung der Bürgerwehr zusammen⸗ 
gerufen, welche schon vorher zur Bereitschaft commandirt war. 
Nun trieben es aber die zügellosen Burschen noch ärger, verhöhn⸗ 
ten und beschimpften die zum Sammelplazß eilenden Bürger, und 
hließlich kam es bei einem Wirthshaus wieder zu einer großen 
Schlägerei unter den Burschen, wobei einer derselben durch einen 
Messerstich so getroffen wurde, daß er todt auf dem Platze blieb. 
Als die Bürger mit der Gendarmerie vorrückten, um die Exceden⸗ 
sen zu zerstreuen, begannen mehrere Hauptraufer ein heftiges Hand⸗ 
zemenge mit den Buͤrgern, wobei jedoch die Gewehrkolben und 
dachen Säbelklingen ausgezeichnete Wirkung übten. Als endlich 
alle Gafihäuser abgesperrt, die Straßen mit Patrouillen durchzogen 
vurden, zerstreuten sich allmählich die Rotten und war bis 6 Uhr 
Abends die Ruhe wieder hergestellt. 
Frankfurt, 18. Oct. Mrs. Lincoln, die Witiwe 
des ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln, kam heute mit ihrem 
üngsten Sohne Tadd. Lincoln durch unsere Stadt, um sich nach 
Wiesbaden zu begeben, ihren Sohn in einer deutschen Pensions- 
anstalt unterzubringen und alsdann Karlsbad, Nizza und Neapel 
zu besuchen. 
In Rirdorf (GHolstein) kam am 53. d. in einer Arbeiter⸗ 
familie ein Vergiftungsfall durch einen neusilbernen Löffel vor, 
der während des Kochhens und der Zubereitung von Kartoffeln 
mit saurer Sauce in derselben gestet hatte; der Mann starb, 
die übrigen Personen wurden wiederhergestellt. 
f In der Grafschaft Pike, Ohio, hat man den Hirnschädel 
eines Mastodon's (Vierfüßler der Urwelh) gefunden, der 3 Fuß 
in der Länge mißt, 2 Fuß 8 Zoll in der Breite, 2 Fuß zwischen 
den Rüftern, und ein Gewicht von 109 Pfund besißt.