Full text: St. Ingberter Anzeiger

zenthumlichen sesselnden Weise von der nationalen Bedeutung des 
Jollparlaments, die in der berühmten durchschlagenden Rede 
Bölcks am 18. Mai ihren edelsten Ausdruck gefunden, von ven 
Leistungen desselben auf handelspolitischem Gebiete, von der Stel— 
lung, welche die Bertreter der bayerischen Fortschrittspartei in der 
jo viele Fractionen geschiedenen Versammlung eingenommen, und 
don seinem persönlichen Antheil an den Verhandlungen, nament⸗ 
lich in der Tabaksteuerfrage und bei der Ablehnung der vorgeschla⸗ 
genen Herabsetzung des Zolles auf Baumwollengespinnste. Er 
zeigte, wie die anfänglich ungünstige Position der kleinen Anzahf 
der zur Fortschrittspartei gehörenden baherischen Abgeordneten duͤrch 
das Nähertreten ihrer zur Mittelpartei zählenden Landsleute im 
Hause wesentlich verbessert worden sei, und schloß mit der ein⸗ 
dringlichen Mahnung, daß die Forischrittsparlei in Bayern ohne 
Verleugnung ihrer Prinzipien auch fernerhin mit allen liberal und 
national gesinnten Männern im Lande gegenüber den Feinden der 
nationalen und freiheitlichen Entwicksung De ischlands auf der 
durch die Ereignisse des Jahres 18660geschaffenen Grundlage 
treulich zusammenstehen uund zusammenwirken möge. Der höchs 
interessante Vortrag, der über eine Stunde dauerle, wurde von 
Anfang bis zu Ende mit der größten Spannung angehoͤrt und 
erwarb dem Redner allgemein berdienten Beifall. 
Dienstes⸗Nachrichten. 
Der Schulverweser Jacob Flidinger in Eßweiler ist zum 
Schulverweser an der unteren prot. Schule zu Eindd, der Sqhul⸗ 
dienftexspectant Ludwig Ecarius von Oitersheim zum Schulder⸗ 
weser an der protest. Schule zu Offenbach, der Schuldienstexspec⸗ 
jant Isaak Reber von Mutterstadt zum Schuülverweser an der 
protest. Schule zu Freckenfeld, der Schuͤldiensterspectant Jakob 
Baumann von Dietrichingen zum Schulverweser an der protest. 
Schule in Lemberg und der bisherige Lehrer Peter Born zu Rinn— 
thal zum Lehrer an der protest. druten Schuie in Bergzabern er⸗ 
nannt worden. Ferner wurde genehmigt, daß der Priesier Jacot 
Diebold die katholische Pfarrei Hauenstein refignire. 
Frankfurt, 8. Nov. Nach hiesigem Tageblatt hat 
der König zur Restauration unseres Domes ein Geschen! 
von zwanzigtausend Gulden jährlich auf 10 Jahre von 1869 ab 
hewilligt. 
Berhin, 4. Nov. Die Eröoͤffnung des Landiags durch 
So. Majestät den König hat soeben fattgefunden. Die Thronrede 
zgedenkt zunächst des Slaatshaushalts, in welchem zur vollstandi 
gen Deckung der Staatsausgaben außerordentliche Einnahmen an 
zusezen waren, spricht die Hoffnung aus, daß eine Vermehrung 
der Einnahmen des Bundes nicht ferner versagt wird und 
ein lebendigerer Aufschwung des Handels und Verkehrs die Slaaib 
einnahmen erhöhen wird. 
Die Rede hebt alsdann hervor, die Regierung betrachte eine 
Erhöhung provincieller und communaler Selbstständigkeit als ihre 
Aufgabe, ohne jedoch die betreffenden bisherigen Einrichtungen auf⸗ 
jzulösen, ehe anderweite lebensfähige Inslitutsone n geschaffen. Alẽ 
Borlagen werden angekündigt: eine Kreisordnung, Vorschriften 
über Erwerbung und Verlust preußischer Unterthaneneigenschaft, 
Regelung det Communalverhälinisse in den Elbherzogthümern 
Schulgesetz. Anstellung im höheren Justizdienst, Expropriations⸗ 
zesetz, Aenderung der Concursordnung. Reform der Hypotheken 
und Subhastationsordnung, einheitliche Regelung der Jagdpolizei 
sowie die revidirte Rheinschifffäahrtzacte. Die Rede hebt ferner 
herbor, daß der ostpreußische Rethsand überwunden und bei dem 
ziesjährigen günstigen Ernteertrage eine Wiederkehr desselben nicht 
zu besorgen sei. Schließlich betont die Rede die allseitig befrie— 
digenden und freundschaftlichen Beziehungen zum Auslande und 
jpricht die Hoffnung aus, es werde Spanien gelingen, durch eine 
unabhängige Gestaltung seiner Verhältnisse die Bürgschaft des 
Zedeihens seiner Macht zu finden. Der Schlußpassus lautet: 
Die Gesinnungen der Souveräne sowie die Friedensbedürfnisse des 
Volkes begründen die Zuversicht, daß die fortschreitende Wohl⸗ 
tandsentwidlung keine materielie Stoͤrung erleiden und don Läh 
mungen befreit werde, welche grundlose Befürchtungen und deren 
Ausbeutung durch Friedensfeinde ihr bereiten. 
Wien, 1. Vov. Das Leibblatt des Cardinals Rauscher 
hatte vor einigen Tagen die im Abgeordnetenhause gethane Aeu⸗ 
zrrung des Justiz: Ministers Dr. Herbst, daß einzelne Bischöfe die 
Ehegerichts⸗Acten freiwillig an die Staats-Behörden ausgeliefert 
hätten, als „vollständig unwahr“ bezeichnet. Heute kommt es auf 
die Angelegenheit zurück, indem es constatirt, daß die Bischöfe ohne 
Ausnahme die reclamirten Acten nur unter Protest ausgefolgt 
haben. Der Erzbischof von Olmütz ist der hartnäckigste von Allen; 
selbst die Anferlegung einer Geldbuße von 23.000 fl. hat seinen! 
Troß noch nicht zu brechen vermocht. In das Archiv des Fürstbi⸗ 
schofs von Brixen konnte die weltliche Justiz nur mit Hülfe eine 
Schlossers eindringen. Von Dr. Foͤrster, dem Erzbischof von 
Breslau wird erzählt, er habe der Geiftlichkeit seines österreichi⸗ 
chen Sprengels die Erklärung zugehen lassen, daß sie einzig und 
illein von ihm Befehle anzunetzinen habe, nicht aber von dem 
Ministerium in Wien. Der Minister des Innern Dr. Giskra 
jat nämlich neuerdirgs an den cisleitanischen Kerus die Auffor 
derung gerichtet, die Matrikelbücher genau nach den staatsgesetzlichen 
Vorschriften zu führen. Ein preußischer Bijschof. welcher oͤsterrei⸗ 
hischen Pfarrern vervietet, der öterreichischen Regierunj zu gehor⸗ 
hen, wäre wirklich eine interessante Erscheinung im Jahre 1868. 
Dr. Förster kinn wirklich froh sein, daß die schöne bischösliche 
Sommer⸗Residenz Johanesberg in Oesterreich Schlesien uad nicht 
in Rufnisch-Polen liegt; sonst würde er beim Beireten derselben 
anzweifelhaft nach Sibirien spedirt. 
Wien 4. Nov. Die „N. Fe. Pr.“ veröffentlicht ein 
Schreiben des Chefs der jungtürkischen Partei, Zia Bey, woring 
das Programm der Jungtürken stizz rt und diese Pariei gegen 
die Anschuldigung von Hochverrathstendenzen verwahrt. Da 
Schreiben macht die Umgehung des Sultans für den Verfall de 
Reiches verantwortlich und sagt, die jungtürkische Partei strebe 
Reformen auf gesetzlichem Wege an. 
Aus Graz wird berichtet, daß der dortigen freien Ge meinde 
die Gründung einer Schule von der Regierung nicht bewi lligt 
worden sei, weil diefse Religionsgenossenschaft die gesezliche An— 
erlennung (von heiden Häusern des Reichsraths und dem Kaiser) 
noch nicht erlangt habe. — Fur das Schillerdenkmal in Wien 
sind bis jetzt 11,102 fl. eingelaufen; für das Maximiliansdenb- 
mal in Triest über 56,000 fl. 
Frankreich. 
Paris, 3. Rov. Im lezten Augenblick geht der Corre⸗ 
pondenz Havas folgendes Kabel⸗Telegramm aus New-York zu: 
General Grant ist zum Präsidenten der Vereinigten Stnaten et⸗ 
wählt worden und Herr Colfax zum Vicepräsidenten. Die repu⸗ 
Iikanische Partei hat in fast allen Nord-Staaten mit großer Pe- 
jorität den Sieg davon getragen. 
Paris, 8. Nov. Prinz Napoleon wird acht bis zehn Tage 
in England verweilen, hat aber keine politische Mission. In Tor 
quay hat er der Königin von Holland, mit der er seit lange be⸗ 
freundet ist, einen Besuch gemacht. Dem Grafen v. d. Goltzt 
geht es eiwas besser; er lustwandelt jeden Tag in den Tuillerien. 
Die Königin Isabel wird den Pavillon Rohan beziehen und Mar⸗ 
fori über ihren Gemächern seine Wohnung nehmen. Der Jüng 
ling Don Carlos hat einstweilen ein „Cabinet“ ge⸗ 
bildet. 
Gegenwärtig macht ie Paris eine Brochure Le spoectro noir 
(. Das schwarze Gespenst“), welche den Chef⸗Redacteur des Pahs“ 
zum Verfasser hat, viel Aufsehen. Nach dieser Brochure trägt 
allein Preußen die Schuld des Uebermaßes der Ausgaben für das 
Militärwesen, und eben so ist Preußen der Grund der socialen 
Propaganda. Damit Frankreich entwaffnen konne, muß Preußen 
mit gutem Beispiele vorangehen. Aber Preußen würde nur nach 
einer Niederlage entwaffuen oder eniwaffnet werden. Also muß 
es befiegt werden. Auch der Socialismus wird durch den ranzösischen 
Sieg am Rheine vernichtel. Mithin muß Frankreich seine Armeen 
nach dem Rheine führen. „Pays“, „Presse“ und „Liberte“ bilden 
die Trias in diesen Vorschlägen. Sie sind gern gesehen in den 
Kreisen der vornehmften Chauvinisten. 
Die neneste „Lanterne“ schreibt: „Die gute Presse dat 
eigentlich nur wenig von dem Besuch gesprochen, den der Kaiser 
und die Kaiserin in diesen Tajen der Königin Christine, der 
Mutter Ex⸗Isabella's gemacht haben. Wenn Napoleon verrufene 
däuser besucht — nun, er ist ein Mann, das ist nicht so 
chlimm, aber daß er seine Frau dahin mitnimmt, das übersteigt 
alle Begriffe.“ 
Hollaud. 
Haag, 1. Nov. Schon seit einigen Tagen finden in 
Rotterdam Abends Volksaufläufe Statt. die hauptsächlich ihren 
Brund in der Unzufriedenheit eines Theiles der niederen Volks— 
klassen mit verschiedenen Moßregeln der Polizei haben. Gestern 
Abend nahmen diese Unruhen einen ernsteren Character an; 
es lam zu einem Kampfe zwischen der Polizei und dem Pobel 
und es wird von Verwundelen und sogar von Todten erzählt. 
Im Polizeibureau und im Stadthause wurden die Polizeibeamten 
förmlich belagert, die Fenster und Thüren eingeschlagen, in vielen 
Straßen die Laternen eingeworfen, das Pflaster aufgerissen und 
sonstiger Unfug verübt. In der Nacht noch wurden Trupben bon 
bier nach Rotterdam gesandt. 
Spanien. 
Die Demecraten in Barcelona haben, wie die Liberle“ wis⸗ 
sen will, die Absicht, Espartero unter dem Namen Baldomero J. 
zum Köntg zu wählen, wenn die conftitnirenden Cortes sich für 
die Monarchie aussprechen.