Full text: St. Ingberter Anzeiger

gouverneur Kretas die Nachricht erhalten, daß die Einwohner des 
Districts Sphakia ihm - eine Petition an den Sultan überreicht 
saben. worin sie über ihr früheres Verhalten Reue an den Tag 
jegen und ihre Unterwerfung anbieten.“) 
Vermischtes. 
Zweibrücken, 11. Dec. Die Schwurgerichtssession 
für das 1. Quartal 1869 wird am 15. März nächsten Jahres 
eröffnet, und Herr Appellationsrath Theodor Foöll ist ernannt, um 
solche zu präsidiren. Ohne Zweifel ist diese Fixation geschehen, 
um ganz sicher zu sein, daß bis dorthin die Schwurgerichts-Loka⸗ 
fitäten im Justizgebäude vollendet sind und benützt werden können. 
Dauert aber die Session lange — was nicht unwahrscheinlich ist, 
schon deßwegen, weil eine lange Zwischenzeit zwischen der letzten 
Session von 1868 und der ersten von 1869 liegt. — so reich! 
sie dis Ostern und bis zum Ende des Monats März, also gerade 
n eine Zet, wo die Oekonomen regelmäßig stark beschäftigt sind 
es wäre dies aber für den größten Theil der einzuberufenden Ge⸗ 
schworenen höchst unangenehm. 
. Im Bahnhofe zu Landstuhl hat sich am 11. Dec. ein 
schweres Unglück ereignet. Einige Leute drückten einen beladenen 
ohlenwagen auf den Eisenbahnschienen hin. Der Ackerer Daniel 
Reiber von Kottweiler, der dorten Kohlen lud, half unaufgefor⸗ 
dert und ohne daß er von den Andern gesehen wurde, fortschie⸗ 
ben, wobei er untluger Weise hinten am Wagen drückte. Plötzlich 
kam ein Kohlenwagen, durch den furchtbaren Sturm in Bewegung 
gesetzt, und da an der kritischen Stelle die Bahn abwärts geht 
in schnellen Lauf gerathen, von rückwärts her gebrausst und zer⸗ 
—ä 
zeladenen Kohlenwägen eingellemmten Mann. Erst auf dessen 
Angstgeschrei hin sahen die anderen Arbeiter zu ihrem Entsetzen 
was vorgefallen. Der Verunglückte, ein Mann in den vierzige 
Jahren, starb einige Stunden nachher. 
F In Niederlahnstein sind am 7. ds. 9 Häuser 
abgebrannt. 
Aus Trier wird uns unterm 11. Dec. gemeldet, daß Hr. 
Stalter vom Ernstweilerhof mit seinen Pferden dort angekommen 
ist und letztere durch ihre anerkannte Schönheit schon bei der An⸗ 
kunft dort allgemeines Aufsehen erregten. Herr Regierungsrath 
Beck, der bekannte Förderer des landwirthschaftlichen Fortschritts 
sowie das ganze Regierungspersonal haben sich über die Aufmerk 
jamkeit des Herrn Stalter, seine Pferde auch dorthin zu bringeu, 
jehr gefreut und ihn sehr freundlich aufgenommen. Heute Nach⸗ 
mitiag halb 1 Uhr wurden auf Regierungsbefehl die Pferde auf 
dem Paradeplatze vorgeführt. Bei dieser Gelegenheit hat, da 
gerade Parade war, auch Se. Excellenz Herr General v. Barnekow 
mit sämmtlichen Offizieren der Garnison sich die Pferde vorzeigen 
lassen und auch hier erregten dieselben wie allerwärts, allgemeine 
Bewunderung und wurde Herrn Stalter die schmeichelhafteste An⸗ 
erkennung für seine Verdienste um die Pferdezucht zu Theil. — 
Dieselbe Aufmerksamkeit und Anerkennung wurde Herrn Stalter 
in Saarbtücken und St. Johann, wo derselbe ebenfalls seine 
Pferde vorgeführt hatte. 
4 Die „Koͤln. Blätter“ verwandeln sich vom 1. Januar an 
in eine Koͤlnische Volkszeitung“, die in 2 Tagesausgaben 
erscheinen soll. 
4Die Wiener „Neue freie Presse“ theilt folgendes an den 
Hofschauspieler Lewinsty adressirtes Telegramm mit: 
) Se. Majestat der König haben auf die Bitte der k. k. Hof⸗ 
burgschauspieler angeordnet, daß dem Dichter Schaufert, in An— 
erkeunung seiner poetischen Leistungen, der Urlaub ausnahmsweise 
zis Weihnachten verlängert werde. Im Auftrage Sr. Majestät 
‚eehre ich mich, von dieser a. h. Verfügung Kenntniß zu geben. 
dipowsky, Sr. Majestät des Königs Secretär.“ 
Ein zweites Telegramm jetzt Herru Schaufert von der Ur⸗ 
aubsderlängerung in Kenntniß. Herr Schaufert vollendet soeben 
in neues Lustspiel: „Ein seltsamer Prinz“. 
Wien, 10. Dec. Geftern Abend wurde hier das histo⸗ 
rische Lustspiel Ihres pfälzischen Landsmannes Hyppolyt August 
Schaufert: „Schach dem König“, für welches er den vom Burg⸗ 
theater ausgeschriebenen Preis erhielt, bei überfülltem Hause ge— 
geben. Der Beifall war durchgehend lebhaft und ungetheilt, und 
der Dichter wurde nach jedem Akte gerufen. Das Stück verdient 
aber auch die gute Aufnahme, denn, trotz mancherlei Mängeln. 
ist es mehr als ein gewöhnlich gutes Lustspiel, voll Geist und 
Talent, und ohne irgend einen Anklang von Trivialität. Heute 
wird das Stuck wieder gegeben und sind schon am frühen Morgen 
alle Plätze besetzt. 
4 Ein practischer Postillon. Der unerwartet große Schnee⸗ 
fall hatte kürzlich im sjächsischen Erzgebirge Stege und Wege ver— 
schütiet und so dem nach Marienberg fahrenden Postillon plötzlich 
Halt geboten. Er kann nicht weiter, er hat sich festgefahren — 
und Marienberg verlangt doch Pacete und Briefe. Unser vyeid 
ist jedoch resolut, Briefbeutel, Packete, Kistchen und Schachteln 
packt er zusammen in einen Tragkorb, nimmt solchen auf seinen 
breilen Rücken und wandert, auf dem Posthorn blasend, in Ma⸗ 
rienberg ein, welcher Einfall natürlich im Städtchen große Heiter⸗ 
keit erwecte. 
4F Rothschild's Hinterlassenschaft. Endlich scheint ein Licht 
auf die Hinierlassenschaft des in Paris verstorbenen Barons James 
Rothschild zu fallen. Die Erben haben nämlich 10 Millionen 
Fraucs Erbschaftssteuer bezahlt. Die französischen Erbschaftsgesetze 
zu Grunde gelegt, läßt diese Steuer auf eine Hinterlassung von 
einer Milliarde, das find 1000 Millionen Francs, schließen. 
Eine Schenkung des Bankiers Herrn Peabody von 
100,000 ppfd. Sterl. an die Londoner Armen besteht theils in 
Baarem, theils in einem trefflich rentirenden Grundstück von 15 
Acres bei Brixton in der Nähe von London. Zusammen hat 
der edle Mann der hauptstädtischen Armen⸗Kasse 850,000 Pfd. 
Sterling geschenkt — was schwerlich für solchen Zweck je ein 
Fürst her eschenkt hat, geschweige denn ein anderer reicher Privat⸗ 
mann. Dazu seine emsprechend großen Gaben an New⸗York, 
Philadelphia und andere Städte der Union. Dabei hat Herr 
Ppeabody Kinder; aber er geht von der Ansicht aus, daß den 
Zeinigen dennoch großer Reichthum bleibt, sowie von der humanen 
xkrwägung, daß große Schätze, die sich durch Glück in den Händen 
Finzeiner ansammeln, auf der Arbeit sehr vieler Menschen mit 
—X 
'London, 9. Dec. Während der vergangenen Woche 
wurden 91 Schiffbrüche gemeldet. 
FKrakau, 12. Dec. Man telegraphirt der „N. Ir. Pr.“: 
Die befürchtete Katastrophe in Wielizka ist eingetreten. Im Franz⸗ 
Joseph⸗Schacht ist der Boden stark geborsten. Es haben sich 
mehrere Risse gebildet. Die Saulen sind eingestürzt. Alles 
cflüchtet aus dem Schachte, in welchen sich Niemand mehr hinun⸗ 
terwagt. 
FWarschau. Vor einigen Tagen wurde in einem hie— 
sigen Schanketablissement in der Chmielna durch die Polizei eine 
Gesellschaft von Gaunern aufgehoben, die sich mit Verbreitung 
falscher Geldnoten beschäftigte und der man seit Monaten auf der 
Spur war. Es wurde noch eine bedeutende Menge falscher No— 
len vorgefunden und confiscirt, aber nicht russische, sondern öster⸗ 
reichische. 
— Ein vor kurzem hier erfolgter Todesfall ist Gegenstaud 
der allgemeinsten Erbitterung und stillen Ingrimms, der nur unter 
der Herrschaft des Kriegszustands nicht in lauten Schrei ausbre⸗ 
hen kann. Die vollkommen verbürgte Thatsache ist folgende: 
Fines Abends spät hielt ein Polizist einen Mann im betrunkenen 
Zustande an und führte ihn nach dem Polizeigefängniß des Be⸗ 
sirks. Als der Mann, ein deutscher Bäcder, Namens Friedrich 
dauschin 50 Jahre alt, Morgens vor den Commissär gebracht 
purde, war er unghalten wegen seiner Haft, und drohte gegen 
»en Commissar Klage zu führen, daß er ihn, den Bäcker, in einen 
euchten finstern Keller wie einen schweren Verbrecher habe werfen 
assen. Der Commissär Namens Ryzewski, ein als aufbrausend 
»ekannter Mann, befahl einem seiner Polizisten, den Bäcker zu 
ohrfeigen, was diesen zu noch größeren Drohungen veranlaßte. 
Da verlor der Commissar die Geduld und versetzte dem Lauschin 
mit eigner Hand mehre Schläge ins Gesicht und an den Kopf. 
Ein heftiger Blutsturz erfolgte, Lauschin fiel hin und wurde eilig 
nach dem nahen Hospital zum heiligen Geist gebracht, wo er einige 
S„tunden darauf starb. Die hierauf von den Aerzten ausgeführte 
Obduction wies den Tod als eine Folge der Schläge nach; allein 
ein vom Oberpolizeimeister nach dem Hospital beorderter Oberst 
dictirte ein Protocoll, wonach der Tod eine Folge der Betrunkenhett 
des Lauschin gewesen sei. Die Erbitterung im Votke war unge— 
heuer, wurde aber durch die Arretirung des Commissirs etwas 
gedämpft. Was geschah nun dem Commissär? Er saß drei Tage 
auf der Wache, kam am 7. d. frei uad übte schon am 8. sein 
Polizeiamt wieder aus. 
4 In der Nacht des 8./9. Nov. wurde von einem englischen 
Schiffe bei St. Helena ein unterseeisches Erdbeben beobachtet; 
nach allen Richtungen hörte man ein Geräusch glesch einer ent⸗ 
cernten Kanonade, die See gerieth in furchtbare Brandung, der 
Tompaß fibrirte stark und verlor fast seine Polarität; Fische zeig⸗ 
zen sich auf der Oberfläche der See und schlugen in unruhiger 
Bewegung gegen die Seiten des Schiffes, welches in seinem ganzen 
Bau dermaßen erbebte, daß man das Rumpeln und Poltern deut⸗ 
lich hören und verspüren konnte; die vulkanische Bewegung dauerte 
his Sonnenaufgang.