Full text: St. Ingberter Anzeiger

R. d. O. hatte schon oft Diensistrafen wegen Mißhandlung von 
Schülern erhalten, ließ sich aber dadurch nicht abhalten, seine 
Schüler zu schlagen, was im betreffenden Falle zur Folge hatte, 
daß ein schwächliches Mädchen von 12 Jahren einen Bruch des 
rechten Schlüsselbeins erlitt, wofür der Schuldige zu einer Strafe 
don sechs Wochen Amtsgefängniß verurtheilt wuͤrded 
7 Emitl Devrient triit devinitiv von der Bühne zurück. Am 
1. Mai wird er zum letzten Male als Torquato Tasso die Dres 
dener Bühne betreten, der er 37 Jahre angehörte. 
Ein trauriger Fall von Vergiftung durch Streichhölzer ha! 
sich in voriger Woche in Berlin ereignet. Die Frau eines wohl⸗ 
habenden, erst im vorigen Jahre aus Breslau dorthin gezogenen 
aufmannes, der eben nach Ostpreußen verreist war, überließ am 
Donnerstag, als sie ausgehen mußte,ihre; vier unerwachsenen 
Zinder der Aufsicht der beiden Dienstmädchen und die Kleinen 
spielten bei diesen in der Küche. Am Abend klagte der eine 
fünfjährige Knabe über Unwohlsein, es zeigten sich Erbrechen und 
andere eigenthümliche Krankheitssymptome, über welche die Aerzte 
zu keiner Entscheidung kommen konnten. Am Freitag Morgen 
legte sich der zweite dritthalbjährige Knabe, und binnen 26 Stun⸗ 
den waren beide Kinder todt. Der Vater wurde durch Depeschen 
zurückgerufen. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden, 
wie die Kreuzzeitung meldet, am Dienstag beide Leichen in der 
Unatomnie obducirt, wobei sich zweifellos ergab, daß die Kinder 
an Phosphorvergiftung gestorben sind. Wahrscheinlich sind Streich⸗ 
hölzer in ein Getränk gefallen, das die Kinder genossen haben. 
Jedenfalls trifft die Maädchen der Vorwurf großer Fahrlässigkeit 
in der Beaufsichtigung der Kleinen. 
4 Ein entlassener Bahnwärter haite auf der Vorpommer'schen 
Bahn bei Prenzlau verschiedene Gegenstände auf die Schienen 
gelegt, um einen Unglüdcksfall herbeizuführen; das Geschworenen⸗ 
gericht zu Prenzlau hat denselben deßhalb am 31. Januar zu 
acht Jahren Zuchthaus und Stellung unter Polizei-Aufsicht auf 
gleichen Zeitraum verurtheilt. 
fKoburg, 1. Febr. Das 18jährige Fräulein G., eine 
talentvolle Schülerin des hiesigen Conservatoriums, welche in un⸗ 
jeren Concerten sich viel Beifall erwarb, liegt heute auf der Bahre. 
Auf dem letzten Gymnasiastenball vergangenen Freitag, wollte sie 
Morgenz um 4 Uhr den letzten Tanz fertig tanzen, als sie plötz⸗ 
lich ihrem erschrockenen Tänzer todt in die Arme fiel.Fräulein 
G. hattte kurz vorher iu der „fliegenden Colonne gesungen und 
zetanzt. Sonntag darauf sang sie die schwere Titusarie im Con⸗ 
kert für die Ostpreußen, Monlag hatte sie in der Harmonie ge⸗ 
jungen und getanzt, Donnerstag im Sängerbund gesungen und 
getanzt, da unsern Concerten hier immer ein unabweislicher Thee— 
zall folgen muß, Freitags tanzte fie zum letzten Mal auf dem 
Gymnasiastenball. Eine Mehr verbut sich der zwar langmüthige 
dafür aber unerbittliche Tod. Als der Vater 4 Stunden vor 
deren Tod von der geliebten, in jugendlicher Fülle, Frische und 
Schönheit prangenden Tochter um Mitternacht Abschied nahm, um 
sich zur Ruhe zu begeben meinte die Tochter noch: „Grüße die 
liebe Mutter und sage ihr, ich würde mit dem Bruder und der 
Schwester bald nachkommen,“ Die arme Mutter sollte das ge⸗ 
liebte Kind nur als Leiche wiedersehen! 
Der österreichisch Erzherzog Heinrich hat sich am 
4. Febr, zu Innsbruck mit der Schauspielerin Hoffmann ver⸗ 
heirathet. 
fLondon, 6. Frbr. Bismark's new mode of education 
— uerter diesem Ramen wird ein Kinderspielzeug um einen Penny 
auf der Straße feilgeboten. Construction folgende: Der preu—⸗ 
ßische Premier hängt an einem dünnen Schnürchen aus Kaut⸗ 
chuk und hält einen kleinen aufgedunsenen Mann, den Kaiser der 
Frauzosen, bei den Ohren. Läßt man jenen an dem elastischen 
Schnürchen auf und nieder tanzen, so entsteht das Phänomen, 
daß der kleine Mann von ihm unablässig und tüchtig bei den 
Ohren gerissen wird, was sich einfach dadurch erklären läßt, daß 
das Schnürchen durch die beweglichen Arme des Premiers läuft 
und an den ebenfalla beweglichen Ohren des Zöglings festgemacht 
ist. Die Portraits beider sind den Zeichnungen von „Punch“ 
nachgebildet und, in sofern Jedermann in ihnen die Originale anf 
den ersten Blick erkennt, darf man füglich sagen, daß die (carikirte) 
Portrait⸗Aehnlichkeit nichts zu wünschen übrig lasse. 
f London, 1. Febr. Vor dem Todtenschaugericht zu 
Blackfriars, London, enthüllte sich geslern bei Gelegenheit einer 
Untersuchung über die Leiche eines 14 Monate alten Kindes ein 
rauriges Bild von religiösem Fanatismus. — Das Kind war 
die Tochter eines Elternpaares, das einer Secte, genannt „Die 
Auserwählten“ (Peculiar People,) angehörte. Es war am Keuch⸗ 
husten erkrankt, und statt die Hülfe eines Arztes in Anspruch zu 
nehmen, wurden die Vorsteher der Kirche zusammenberufen, um 
das Kind zu salben und Gott um die Heiligung desselben zu 
zitten. Außerdem wurde dem Kinde nur ein Hausmittel, Franz⸗ 
hranntwein mit Wasser vermischt, verabreicht. Das Kind wurde 
chlimmer und starb. Auf die Frage des Leichenbeschauers an die 
Mutter-des Kindes, warum sie keinen Arzt gerufen, antwortete 
fie: „Ich handelte nach dem Worte Gottes, das da sagt: 
‚Verflucht der Mann, der sein Vertrauen auf Menschen setzi,“ 
ind ferner „Verlaß dich nicht auf den Arm des Fleisches.“ Ein 
Vorsteher der Kirche erschien und verlas die Glaubensartikel der 
Zecte, woraus allerdings hervorging, daß in Krankheitsfällen von 
Mitgliedern nie die Hülfe eines Arztes in Anspruch genommen 
werden darf, und die Heilung nur von Gott erwartet wird. Auf 
die Frage eines Geschworenen, was gethan werde, wenn Jemand 
ein Bein bräche, antwortete der fromme Mann: „Gott sagt: Die 
Hebeine eines Rechtschaffenen werden nie gebrochen werden.“ Die 
Jury gab jedoch ein Verdict auf fahrlässige Tödtung und verwies 
die Eltern des Kindes vor die Assisen.Neuesten Nachrichten zu⸗ 
folge ist das Ehepaar freigesprochen worden. 
. Eisenbahnunfall. Aus Shrewsbury wird gemel⸗ 
det: Am Sonnabend Morgen stürzte die Eisenbahnbrücke über 
den Fluß bei Caerhws, einer kleinen Station der Cambrian⸗-Ei⸗ 
jenbahn in dem Augenblicke zusammen als ein Passagierzug die⸗ 
elbe passirte. Die Locomotive fiel in den Fluß, der Locomotib⸗ 
ührer und der Heizer wurden getödtet und verschiedene Passagiere 
chwer verleßt. 
52 Der deutsche Turnverein in London zählt gegenwärtig 
120 deutsche und 600 nichtdeutsche Mitglieder; letztere sind meisi 
knglander. 
f Auf Corsica ist die Blutrache so ziemlich abgeschafft, aber 
in den Vereinigten Staaten, besonders in Kentuchh und Tenessee, 
wird sie noch geüßt. Der Telegraph meldet aus Memphis unterm 
9. Jan. „Ein trauriges Ereigniß versetzte am Dienstag Dyersburg 
in Ost⸗-Tenesse in große Aufregung. Sheriff Parkington wollte 
auf der Straße einen alten Mann, Namens Duncan ver⸗ 
haften, dieser aber zog ein Pistol und schoß dem Sheriff den 
Daumen ab; des Sheriffs Sohn, der in der Nähe stand, feuerte 
nun und tödtete Ducan; Ducan's Sohn der auch dabei stand, 
rächte den Tod seines Vaters und schoß den jungen Parkington 
nieder. Jetzt klam die Reihe an Parkington sen. der den jungen 
Ducan durchs Herz schoß. Man vermuthet, daß unter den Ver—⸗ 
wandten der Getödteten ein kleiner Krieg ausbrechen wird.“ 
f In einer einsam auf einem Berge stehenden und durch 
den tiefen Schnee von aller Verbindung abgeschnittenen Hütte bei 
Valazzuolo (Toskana) wurden am 22. v. M. drei Kindervon 1-3 
Fahren, ein Pferd und 28 Schafe erfroren“ und verhungert auf⸗ 
Jefunden; das Ehepaar, dem die Hütte gehörte und ein Knabe 
zerselben wurden todt in einem Abgrunde gefunden; fie hatten 
vahrscheinlich in einer benachbarten Quelle Wasser holen wollte, 
und waren von einer Lawine erfaßt und in den Abgrund geschleu⸗ 
dert worden. — 
4 Russische Blätter melden, der Pole Berezowski, der 
letzten Sommer das Atitentat auf den Czaren verübte, sei aus 
dem Bagno von Toulon, von wo er nach Reukaldonien devortirt 
werden sollte, eniflohen. 
4 In Chicago soll nächsten Juli ein großes, deutsches San—⸗ 
gerfest startfinden; an die Gesangvereine in Hamburg, Köln, 
Zremen wurden bereits Einladungen zur Betheiligung erlassen. 
4 Lohn für ländliche Arbeiten in den Vereinigten Staaten. 
in Nordamerika. Der durchschnittliche Lohnbetrag für weiße Ar— 
zeit ohne Beköstigung beläuft sich auf 28 Dollar per Monat und 
15 Doll. 50 Cent. pro Monat mit Bekostigung. Der durchschnit⸗ 
liche Betrag für die Arbeiten von freigelassenen Negern beträgt 
16 Doll. und mit Bekoͤstigung 9 Doll. 75 Cent. Am höchsten 
deht der Lohnsatz in Californien, derselbe beläuft sich auf 45 Doll. 
Demnächst folgt Massachusetts mit 38 Doll. Der durchschnittliche 
dohnsatz für die östlichen Staaten beläuft sich auf 33 Doll. 30 
Tent., in den mittleren Staaten auf 80 Doll. 7 Cent., in den 
vestlichen Staaten auf 28 Doll 90 Cent., in den südlichen 
Staaten für die Arbeiten der freien Neger 16 Doll. Die Stei⸗ 
gerung in dem Lohne für ländliche Arbeiten beträgt seit dem Jahre 
860 ungefähr 50 pCi. und seit dem Jahre 1855 nach Carey's 
“Schätzung 70 pCt. In den Staaten die sich von Pennsylvanien 
is nach Jova ausdehnen, schwankt der Lohnsaß nur um 24 Cent. 
Fr belduft sich mit Beköstigung auf 18 Doll. 72 Cent. bis auf 
18 Doll. 96 Cent. 
4 (Unglaublich) Die Nacion Argentina vom 21. Nov. 
zersichert, der Präsident von Paraguay habe einen ungeheuren 
zisernen Kafig construiren lassen, in welchem zehn Jaguars täglich 
ziejenigen Personen, welche der Verrätherei verdächtig sind, zur 
Beute erhalten. 
7 Der Sturm, welcher vor einigen Wohen die canarischen 
Inseln heimsuchte, riß auch den riesenhaften Drachenbaum von 
Zroiava auf Teneriffa nieder, dessen Alter A. v. Humboldt auf 
5000 Jahre schätzte.