Sl. Ingberler Anzeiger.
— —r—
—77
—
der St. Ingberter Anzeig er“ mit seinem Unterhaltungsblatte erscheint wöchentlich dreinal; Dienstag, Donnerstag
und Samstag, Abonnementspreis vierteljährig 45 Krzr. oder 13 Silbergr. Anzeigen werden mit 3 Krzr. die dreispaltige Zeile
J Blattschrift oder deren Raum berechnet.
Donnerstag, den 27. Februar
1ss.
Deutschland.
München, 22. Febr. In der heutigen Sitzung des vier⸗
sen Ausschusses der Abgeorduetenkammer kam der den Turmmier⸗
licht betreffende Autrag des Abgeordneten Dr. Edel zur Berathung.
Dieser Antrag lautet: „Hohe Kammer wolle beschließen: „Es sei
in Se. Maj den Koͤnig die allerunterthänigste Bitte zu richten,
s möge 1) in dem zu erlassenden Schulgesetze der obligatorische
Turnunterricht in entsprechender Weise beruͤcksichtiget, 2) einstweilen
dieser Unterricht in den höheren Kursen der männlichen Volks⸗
chule sowie in alleun mittleren Unterrichtsanstalten in obligatorischer
Weise durchgeführt und in zweckmäßige Verbindung mit dem Sy⸗
dem der allgemeinen Wehrpflicht gebracht, 3) die Anstellung der
Turnlehrer nur auf Grund mit Erfolg bestandener Prüfung vor⸗
Jenommen, 4) in das Budget der nächsten Finanzperiode eine
dem Bedarf eutsprechende Summe für diese Zwecke eingestellt
verden. — es wurde auf Antrag des Referenten-Abgeordneten
Strobel und unter Zustimmung der Staatsregierung beschlossen:
„Ziff, 1 des Edel'schen Antrags sei mit Hinblick auf den in Vor⸗
lage gebrachten Schulgesetzentwurf hier nicht weiter in Betracht zu
ziehen. Im übrigen aber sei der Antrag der hohen Kammer der
Abgeordneten zur Annahme zu empfehlen, und zwar in folgender
Fassung: 1) Es möge einstweilen der Turnunterricht in den hö—
seren Tursen der männlichen Volksschule, sowie in allen mittleren
Unterrichtsanstalten in obligatorischer Weise durchgeführt und da—
rauf 2) die Anstellung der Turnlehrer nur auf Grund mit Er—
folg bestandener Prüfung vorgenommen, 83) in das Budget einer
dem Bedarf entsprechenden Summe für diese Zwecke eingestellt
verden. — Die Budgetberathungen werden im Finanz- Ausschuß
der Abgeordnetenkammer in der nächsten Woche ihren Anfang
aehmen. —
München, 22. Febr. Der neue Organisationsplan der
Bendarmerie ist dem König zur Genehmigung vorgelegt worden.
Ihm zufolge sollen die Offiziersstellen des Corps verringert, da⸗
Jegen die Gehalte der Gendarmen erhöht und ihre Verheirathung
crleichtert werden. Die Ergänzung der Mannschaft geschieht aus
dem stehenden Heere, und es werden bei Concurrenz in erster Reihe
Reservisten und Capitulanten dahei berücksichtigt. Ihrer dienst⸗
ichen Stellung nach ist die Gendarmerie dem Ministerium des
Innern untersiellt, während ihre Organisation eine militärische
eibt und bei etwaigen Vergehen u. dal. die Militärstrafgesetze
zur Anwendung kommen.
München, 24. Febr. Ein heute Abend aus Nizzq ein
getroffenes Telegramm meldet: ESeit gestern Mittag Stei⸗
gerung der Entzündung. Fieber mit Delirium. Der Zustand des
önigs Ludwig J. ist sehr ernst.“
München, 24. Febr. Der Staatsminmister des
Innern, Frht. v. Pechmann, ist heute Nachmittag 2 Uhr
verschieden..
J Dienstesnachrichten.
Se. Maj, der König haben Sich allergnädigst bewogen ge⸗
funden, den Ädvokaten Ludwig Golsen in Zweibrüchen aquf die
durch den Rücktritt des Advokalen Georg Jakob Stockinger erle—
higte Advotatenstelle in Frankenthal, auf allerunterthänigstes An—
juchen zu versetzen.
Berlin, 24. Febr. Wie das „Allg. Volksblatt“ berich—
jet, ist die Regierung ernstlich mit Schritten gegen die provoca-
orische Haltung des Erkönigs von Hannover beschäftigt. Von
den bekaunten i6 Millionen hat dieser noch nichts erhalten, Ca—
dital und Zinsen sind noch im Besitz der preußischen Regierung;
2 Millionen, die er von früher her hat, sollen eyentuell in Ab⸗
zug gebracht werden. — Der amerikanische Gesandte Bancroft
hat heute sein Beglaubigungsschreiben als Vertrefer der Uniou
zeim Norddeutschen Bunde üderreicht. — Gestern hatte der Kö⸗
aig eine lange Unterredung mit dem zur Uebernahme des badi—
schen Kriegoͤministeriums heute nach Karlsruhe abreisenden Ge⸗
nexal Bayer.
Berlin, 24. Febr. DerStaatsanzeiger“ bringt die
TFinberufung des Zollvereinsbundesrathes auf
den 2. März.“
Berluan, 25. Febr. Sicherem Vernehmen nach ist am
2. Febrnar zwischen Preußen und Nordamerika ein Vertrag unter⸗
eichnet worden, welcher die Militärpflicht der Ausgewanderten regelt.
der Vertrag bestimmt, daß alle aus dem norddeutschen Bunde ausge⸗
panderten jungen Leute, welche das Bürgerrecht in den Vereinigten
5taaten erlaugt und 5 Jahre dort gelebt haben, vom diesseitigen
Nilitärdienste befreit sind; ausgenommen sollen nur solche sein,
velche sich widergesetzlich dem Militärdienst entzogen haben und
eimlich ansgewandert sind.
Wien, 22.: Febr. Prinz Ludwig von Bayern wurde zum
Iberst⸗Inhaber des 62. Infanterie⸗Regiments ernannt. — Aus
Anlaß der Vermähluug des Prinzen Ludwig von Bayern mit
der Erzherzogin Maria Theresia wurde dem bayerischen Minister⸗
Präsidenten Fürsten Hohenlohe das Großkreuz des Stephans⸗Or⸗
dens und dem bayerischen Gesandten Grafen Bray das Großkreuz
des Leopolds⸗Ordens verliehen.
Frankreich.
Paris, 22. Febr. In der Angelegenheit der hannoverschen
Lusreißer scheint die hiesige Regierung der preußischen etwas
ibertriebene Versicherungen ertheilt zu haben. Es wird fortwäh—
end behaupiet, daß die Leute nicht'in der Champagne, sondern
m Elsaß vertheilt sind, und daß in Bourges kein einziger ihrer
Ifficiere sich befindet. ..
. Der Aufzug des Fastnachtochsen wird heuer mit
janz besonderer Pracht gefeiert werden. Jedes Jahr soll die
ilberne Sitte abgeschafft werden; und immer wird sie wieder
aufgefrischt.
Paris, 24. Febr. Der Kriegsminister hat das Loskaufs—
jeld für die Befreiung vom Milizärdienst für das Jahr 1868
auf 2500 Francs festgesetzt. — Die „France“ fagt: Die An—
gelegenheit wegen der hannover'schen Flüchtlinge sei beendet und
Zreußen habe sich mit den vom Baron von Beust im Reichs-
rathe abgegebenen Erklärungen zufrieden gestellt erklärt.
England. J
London, 21. Febr. Die Times schreibt über das wel⸗
ische Fest: „Stände es in der Macht des Königs Georg, seinen
Thron dadurch wiederzuerobern, daß er einfach ganz Europa in
Brand steckte, er würde fich ohue Zweifel für völlig berechtigt er⸗
ichten, den Versuch zu machen. König Georg kann sich vorstellen,
vie der Welfe ohne die Hannoveraner existiren könnte, aber ist
gewiß überzeugt, daß die Hannoperaner nicht ohne die Welfen
ertig werden können. In seinem Geiste sind Welf und Hanno—
gerauer eins und dasselbe. Ob die große Mehrzahl der Hanno⸗
eraner mit ihrem jetzigen Schichsale zufrieden ist oder nicht, die
Welt bleibt nach König Georg's Ueberzeugung so lange ausge—
enkt, bis die welfische Dynastie wieder in das Erbe ihrer Väler
inzieht. Mit ihm darüher zu streiten, daß die Könige der Völ⸗
er and nicht die Voͤlker der Könige wegen existiren, hieße seinen
Athem verschwenden. .. Sollte Georg noch seine goldene Hochzeit
ꝛrleben, so wird er gewiß ganz in derselben Weise von den un—⸗
eräußerlichen Rechten der Welfen reden, lebend und sterbend auf
einen Glauben, daß Unterthanen für die Herrscher gemacht sind,
ind daß ein Königsgeschlecht mie der Odem in des Volkes Nü—
dern, daß sie durch es leben und ohne es sterben.“ Die Times
neint, daß eigentlich viel zu piel Wesens mit den Trümmern der
jannover'schen Legitimität und ihrer Stützen gemacht werde; Prä-
endenten seien eine unangenehme Last, wo sie sich auch einfinden
nögen, aber Preußen könnte sich doch allein schon in seiner mili—
ärischen Macht sicher genug fühlen.
London, 24. Febr. Ein Telegramm des „General Tele⸗
ram Office von Pope und Ree“ meldet aus »Wahington. nom
eutigen:: Präsident Johnson hat die Gerichte aufgefordert, einen
Zollzugsbefehl wegen der Absetzung des Kriegsministers Stanton