Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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der St. Ingberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene uUnterhaltungsblatt, mit der Dienskags⸗, Donnerstags⸗ und Sonntags⸗ 
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Rr. 29. Sanstag, den 20. Februe 4186869. 
Deutschland. 
Mäünchen, 15. Febr. Das Handelsministerium hat durch 
Beschluß vom 2. d. die Städte München, Passau, Regensburg, 
Jugsburg, Bayreuth, Nürnberg, Würzburg und Ludwigshafen 
ils Sitze von Handels- und Gewerbekammern, je für den Regie— 
rungsbezirk bestimmt. Gleichzeitig wurde verfügt, daß die bisher 
hestandenen Handels-, Fabrik⸗ und Gewerberäthe außer Function 
u treten haben. 
Augsbürg, 17. Febr. Gegenüber einem Stuttgarker 
Telegramm, in welchem behauptet wurde, die Bestrebungen Bayerus 
vegen Bildung eines süddeutschen Staatenbundes hätten noch keine 
ormelle Gestalt angenommen, erklärt ein officiöser Münchner Ar— 
itel der Augsburger „Allg. Ztg.“, daß sowohl hinsichtlich der 
Form, in welcher der im Artikel 2 der Nickolsburger Friedens- 
hräliminarien vorgesehene Verein der Staaten südlich des Mains 
u gestalten wäre, als auch hinsichtlich der Art, in welcher dieser 
Herein seine nationale Verbindung mit dem norddeutschen Bunde 
zu suchen hätte, den Bestrebungen des Fürsten Hohenlohe längst 
detaillirt a usgearbeitete artikulirte Verfassungs-Entwürfe zu Grunde 
liegen. J 
Aus Ludwigshafen 18. Febr. schreibt der Pfälz 
durier: der Antrag des Abgeordneten Umscheiden, dahin gehend, 
die Ausdehnung des neuen Civilproceß-Gesetzes auf 
insere Pfalz zu verhindern, wurde mit 7 gegen die 2 Stimmen der 
Falzischen Äbgeordneten Din gler und Umbsscheiden abge⸗ 
ehnt, so daß die Pfalz mit der Einführung des neuen Gesetzes 
zedroht ist, wenn sie nicht in energischer Weise ihre Zustimmung 
zu dem Antrage ihrer“ Abgeordneten kundgiebt. Nun wird uns 
hon München geschrieben, daß der Civilproceß schon nächste Woche 
n der Abgeordnetenkammer selbst zur Berathung kommt, und daß 
ilso die äußerste Gefahr vorhanden ist. Unler diesen Umständen 
zlibt der Pfalz, wenn sie diese Gefahr wirklich von sich abwenden, 
venn sie eine der schönsten Perlen ihrer eigenen Gesetzgebung ret⸗ 
en will, nur noch derselbe Weg übrig, den sie im vorigen Jahte 
weimal mit Glück betreten hatt: der Weg der möglichst einmüthi— 
gen telegraphischen Kundgebung nach München, damit man dort 
die Ueberzeugung gewinne, daß auch in dem vorlie enden 
Falle die ganze Provinz hinterihren Abge— 
rdnetensteht. 32 
Wir laden daher alle Corporationen, Vereine und Einzelper— 
onen, welche befähigt und berufen sind, die Wünsche der Psalz 
u vertreten, also insbesondere die Gemeindevorstände ein, 
ich alsbald in telegraphischen Adrefssen an den König 
owohl als an die Abgeordnetenkammier mit der Bitte zu 
venden, der Pfalz ihren eingewohnten und bewährten Civilproceß 
uu belassen. Wo es sich ohne Zeitverlust thun läßt, würde sich auch 
iie Veranstaltung von Bürgerversammlungen etwa auf den nächsten 
Zonntag empfehlen. An diesem Tage spätestens müßten aber die 
ammtlichen Adressen nach Müuchen abgehen. 
Die Dringlichkeit der Sache und die Kürze der Zeit mag es 
utschuldigen, daß wir uns erlauben, für die beiden Adressen zu— 
Zleich ein Formular vorzuschlagen, und schließen mit dem Wunsche, 
)aß auch in dem vorljegenden Falle die Pfalz aufs Neue dac— 
hun möge, daß sie ihre Institutionen mit allen gesczlichen Mitteln 
u vertheidigen gewillt und fähig ist. ν: 
3* 3 8* * 
Die Adresse an den König also, würde eiwa so zu 
auten haben: 
Konigliche Majestät wolse geruhen, anzuordnen, daß sofort 
Schritte geschesen, um die Beseitigung der zum Gedeihen des 
Landes bestehenden bewährken pfälzischen Civilprocedut rückgüngig 
u machen und hierdurch von der entlegenen und zufriedenen Gresnz— 
)rovinz eine Stimmung fern' zu halten, welche den Wünschen des 
sroßen und' wohlwoflenden Herzens des allgeliebten Königs nicht 
entsprechen kann, auch mit einer guten Volitik des Staatsministe⸗ 
ciums im Widerspruch stehs“ 
und die Adresse au die Abgeordnetenkammer: 
„Der Gemeinderath (oder wer'es sonst ist: der Verein, die 
Versammlung ꝛc.) tritt der Erklärung der pfälzischen Abgeordneten 
yom 15. Febr. bei und bittet dringend, von der Pfalz eine Reform 
hrer Civilprocedur fernzuhalten, welche- in dieser Gestalt Niemand, 
gar Niemand in der Pfalz wünscht und bei Allen ohne Ausnahme 
die schwersten Besorgnisse hervorruft. Die Nichteinführung stellt 
kein Staatsinteresse in Frage, die Einführung bringt Storungen 
und begünstigt Gefahren Die Pfalz ist einstimmig und diese Ein⸗ 
timmigkeit gibt ihr die Hoffnung, daß ihr Wunsch noch in letzter 
Stunde Gehör finden werde ··· e 7 ä 
7 5 Dienstesnachrichtenn. — 
Der Oberbeamte der kIgl. Filialbank Ludwigshafen, Johann 
deonhard Seybold, ist, seiner Bitte“ willfahrend, auf die Stelle 
eines Oberbeamten der k. Filialbank Ansbach versetzt und auf 
die Stelle eines Oberbeamten der kgl. Filialbank Ludwigshafen 
der Cassier der kgl. Filialbank Bamberg, Theodor Pühn, befoör⸗ 
dert worden. 
Baerlin, 16. Febr. Das in 'shiesigen Blättern wiederholt 
tufgetauchte Gerücht, wonach der Oberpräsident v. Möller zum 
Minister des Innern, der jetzige Minister des“ Innern, Graf 
kulenburg, zum-Botschafter in Paris und Herr v. Patow zum 
Oberpräsident in Kassel ernannt werden follen, wird in gutunter⸗ 
ichteten Kreisen als vollständig unbegründet erklärt. 
Berlin, 17. Febr. Die „Probincial⸗Correspondenz“ mel⸗ 
det: Die Worte des Grafen Bismarck bei der Debatle über die 
Beschlagnahme des Vermögens der Depossedirkten reichen in ihrer 
Bedeutung weit über den Unniattelbaren“ Berathungsgegenstand 
zinaus. Die Zuversicht, welche der Minister bezüglich der fried— 
ichen Absichten der europäischen Regierungen äußerte, die enischie⸗ 
dene Hinweifung auf das friedliche Streben unserer Regierung 
werden nicht verfehlen, die Zuverfsicht auf den Frieden in Deutsch⸗ 
and und Europa zu erhöhen und zu befestigen. 
— Dasselbe Blatt glaubt, daß über einige der Wünsche 
ind Anträge Frankfur'ts weitere Verhandlungen stattfinden 
werden. — 
Der „Siebenbürger⸗Zeitung“ vom 10.d. M..wird aus 
Wien in Bezug auf das gegen den Grafen v. Bismarck beab⸗ 
sichtigte Attentat geschrieben: „Anfangs war“ man geneigt, die 
Sache für einen Berliner Kniff zu halten, weiß Gott, zu welchem 
zwecke in Scene gesetzt, jetzt aber zeigt es fich, daß wir es hier 
mit keiner Komödie zu thun haben. Wagen wir auch nicht 
direct die Beschuldigung, daß der Emigrantenhof in Hietzing mit 
»em Mordplane in Verbindang steht, den untern hannover'schen 
fmigrantentreisen aber soll der bethörigte Junge dafür um so 
räher stehen · 
Franukreich. 
Paris, 16. Febr. Der ,Constitutionnel“ erwöhnt heute 
das von der helgischen Deputirkenkammer votitte Gesetz, welches 
»ie Cession von Eisenbahnen oder auch nur des Betriebs von 
Sisenbahnen ohne Autorisation des Staates unfersagt. In Bezug 
auf den politischen Gedanken, den die belgische Regierung, wie 
der „Comstitutionnel“ bemerkt, hierbei hat leiten können, beschräukt 
ich das officiöse Blatt darauf, auf die Datlegung der Motive 
zu verweisen, die den Gesetzentwurf begleiteftf. 
Eine ganz andere Melodie hingegen pfeift das imperialisti— 
sche, man könnte fast sagen officisse Ein: Soublatt, das Peuple.“ 
Dießse Melodie verdient in Folge der persönlichen Beziehungen, 
die zwischen Napoleon III. und Herrn Clement Dupernois exiiti— 
ꝛen, außerordentliche Beachtung. Das „Venpte“ hringt aus der 
Feder seines Chef-Redacteurs folgenden Artitel gegen die belgische 
skegierung: „Mißtrauen erzeugt Mißtranen und der Verdacht ruft 
bieder Verdacht hervor. So waren wir seit gestern überzeugt, 
aß die. Haltung des belgischen Cabinets? Frankreich gegenüber,