Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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ser. 37. * 3 e V Samstag,⸗ 3*8 P eehee — 1869. 
Deutschland. 
München, 28. Febr. Wie wir vernehmen, hat Se. Maj. der 
zonig verfügt, daß dem Frhrn. Philipp v. Künsberg in Folge des gegen 
ihn wegen Betrugs erfolgten Erlenntnisses des Stadtgerichts zu 
Berlin die bayr, Kammerjunker⸗Würde entzogen wird. 
Münschen, 1. März. Die Lassalle' schen commis 
royageurs, welche jüngst in Augsburg gastirten, sind nun hieher 
zekommen, um auch hier Gastrollen zu geben, zund haben zur 
herfolgung ihrer Zwecke heute Abend eine öffentliche Versamm 
ung in Scone gesett. Nachdem ein junger Mann, der sich als 
n Augsburg in“„Condition“ stehend vorsiellte, die Versammlung 
röffnet und die- von der Augsburger Versammlung her bekannte 
Schmähung der „feilen Presse, die im Solde des Kapitals steht,“ 
mufgewärmt hatie, entwickelien die „Agitatoren,“ deren Einer fich 
hrer großen moralischen Siege, namentlich des vermeintlich in 
AUugsburg errungenen, rühmte, die alten Phrasen von dem Gegen⸗ 
atze zwischen Kapital und Arbeitskraft von dem socialdemokrati⸗ 
chen Fundamentalsatze, daß jedes neu erzeugte Werk seinem Ur— 
jeber, der Arbeitskraft gehöre, und von der Rothmendigkeit des 
illgemeinen directen Wahlrechts. Entgegnung fanden die Herren 
von ein paar, wie es schien. Dem gebildeten Theile des Arbeiter⸗ 
tandes angehrigen Rednern/ von denen der Eine hervorhob, daß 
zas direkte allgemeine Wahlrecht den Arbeitern nur vütze, wenn 
ie auf eine Bildungsstufen sich. erheben, daßusie wenigstens nich 
pon einer gewifsen Partein für die Wahlen ebenso mißbrauch! 
verden, wie das Kapital sie ausbeute. Von Seite der Lassalle⸗ 
chen Schreier: wurde auch die Lüge niedergeküut, daß die Fort 
chrittspartei das Princip des allgemeinen Wahlrechts von ihrer 
Fahne gestrichen habe. 
—2.März. In der heutigen Sitzung der Abgeordneten⸗ 
ammer ertheilte der Handelsminister auf die Interpellation des 
Abg. Schultes in Betreff der Verhältnisse der deutschen Feuer⸗ 
versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit (früher in Ludwigs—⸗ 
jafen, dann in Nürnberg) sehr ausführlich Antwort. Er sagte 
zarin, die Entziehung der Concession wäre nutzlos gewesen, weil 
zadurch die civilrechtüchen Verbindlichkeiten nicht aufgehoben wür 
»en. Nur rasche Liquidation sei im Interesse der Betheiligten. 
München, 4. März. Der Gesetzgebungsausschuß der 
Abgeordnetenkammer hat die Berathung über das Einführungsgeset 
um Civilprozeß beendigt. Mehrere Modificationsanträge der 
Staatsregierung, sowie von pfälzischen Abgeordneten wurden 
uingenommen, doch hielt die Mehrheit des Ausschusses sowohl, wie 
zie Regierung daran fest, den Civilproceß für den ganzen Umfang 
des Königsreichs einzuführen. — Die Debatten über die Eisenbahn— 
Borlagen sind noch nicht geschlossen. 
Landau, 3. März. In der Frage „über Umwandlung 
der hier bestehenden confessionell getrennten deutschen Schulen in 
confessionell gemischte Volksschulen (Communalschulen)“ haben bis 
etzt 3546 Bürger und Heimathberechtigte abgestimmt und zwar 
348 für und 8 gegen die Communalschule. 
Neust adt, A März. Gestern waren hier die Mitglieder 
unserer nun außer Function getretenen Handelskammer versammelt, 
im ihre Ansichten über die allerh. Verordnung vom 20. Dezemberv. Is 
die Reorganisation der Handelskammern betreffend“ auszutauschen 
ẽs warde allseitig anerkannt, daß die neue Organisation wesent⸗ 
liiche Vortheile hiete, besonders dadurch, daß der jeweilige Vorstand 
die Mitglieder der neuen Kammer, so oft ein Bedürfniß dazu 
jorliegt, einberufen kann, während dieselbe früher nur einmal 
ährlich eine ordeniliche Versammlung halten konnte. Hiergegen 
wurde aber auch hervorgehoben, daß durch die neue Einrichtung 
die Handels- und Fabrikräthe in der Art der Ausführung ihrer 
Befugnisse gegen früher wesentlich beschränkt werden; daß ferner 
die Ausuübung des activen und passiven Wahlrechts an den Be— 
iitz des baher. Indigenats gebunden, wodurch manche inielligente 
kraft der neuen Handelskammer entzogen wird; und endlich, daß 
zurch den 8 4 der allegirten Verordnung nur die Interessenten 
jener Stiadt zur Wahl der Handelskammer⸗Mitglieder berechtigt 
sind, in welche der Sitz der Handelskammer vorgelegt wird. 
Außerdem bestimmt 84: „Wählbar sind alle Wahlberechtigten, 
welche a) bayerische Staatsbürger find u. s. w.“ 
u Durch die erleichterte Ansässigmachung und die bestehende 
Bewerbefreiheit finden wir in der Pfalz viele Fabrikanten, sowie 
Directoren von Fabriken, welche im Auslande Bürger sind, dieses 
Bürgerrecht aus besonderen Gründen nicht aufgeben wollen, in 
Folge dessen aber das bayerische Indigenat nicht erlangen können. 
Dier Bestimmung des 8 4 benimmt diesen, oft sehr intelligenten, 
mit reichen Erfahrungen ausgestatteten Männern das Recht der 
Wählbarkeit, und hierdurch gehen der Kammer viele der besten 
sräfte verloren. 
Die Versammlung beschloß daher, in einer Vorstellung an 
das königl. Handelsministerium diese Punkte klar zu legen und 
die Bitte zu stellen, daß wenigstens der erwähnte 84 dahin ab— 
zjeändert werde, daß in der Pfalz( die Interesfenten des ganzen 
Kreises in gleichmäßiger Weise in der neuen Handelskammer ver⸗ 
reten werden. — 
—Germersheim, 25. Febr. Die „Rheinpfalz“ hat schon 
früher die „conservative“ Partei aufgefordert, sich für die bevor⸗ 
stehenden Landtagsabgeordnetenwahlen zu rühren und die Cadidaten 
aufzustellen. Das soll nun nach der heutigen Nummer des ge⸗ 
nannten Blattes für den Wahlbezirk Bergzabern⸗Germersheim 
„bereits geschehen? sein. Die Namen. werden aber noch nicht 
genannt. Sobiel jedoch verlautet, sind die von der ultramontanen 
Partei in Aussicht genommenen Candidaten folgende Herren; 
Bezirksamtsmann von Moers, Dr. Riedinger, Dompicar und 
Redacteur des „Christl. Pilger“ in Speyer und — Dr. Lücas 
Jäger, Redacteur der „Pfälzer Zeitung.“ em J 
Dienstesnachrichten. —— 
München, 3. März. Der bisherige Unfergerichtschreiber 
am kgl. Bezirksgerichte Zweibrücken Herr Ludwig Krieger von 
da wurde an die Sitelle des verlebten ersten Untergerichtschreibers 
am kgl. Appellhafe Herrn v. Besnard ernannt; die Stelle eines 
Baubeamten bei der Baubehörde in Aschaffenburg wurde dem 
Assistenten bei der Baubehörde in Ansbach, K. Heuser 
derliehen. 
Der Bau-Assistent Anton Hurt von Zweibrücken wurde auf 
sein Ansuchen in gleicher Diensteseigenschaft nach Speyer und der 
Asfistent der dortigen Baubehörde, Friedrich Feil, nach Zwei⸗ 
brücken versetzt. 
Karsruhe, 1. März. Die Rheinthalbahn Mannheim— 
Karlsruhe wird nach Ministerialbescheid von Waghäusel' ab über 
Wiesenthal, Graben, Linkenheim, Eggenstein nach Karlsruhe 
gebaut werden. 
— Seit heute sind hier die Kreisschulräthe und andere 
Fachmänner des Großherzogthums versammelt, um den neuen 
Lehrplan und die Schulordnung für die Volksschuüle einer begut⸗ 
qIchtenden Prüfung zu unterziehen. 
Geislingen, 283,. Febr. Die heute hier abgehaltene 
dandesversammlung der deutschen Partei in Württemberg war 
bon nahezu 2000 Personen besucht. Einstimmig wurden folgende 
Resolutionen beschlossen: „Der Eintritt der süddeutschen Staaten 
in den Norddeutschen Bund ist der naturgemäße Weg zur Ver—⸗ 
wirklichung der langersehnten Einheit des Vaterlandes. In den 
freien Willen Süddeufschlands ist es gelegt, diesen Weg zu be— 
reten; für die süddeutschen Regierungen ist es dringende Pflicht, 
LBerhandlungen hierüber zu eröffnen. Keine europäische Macht 
hat ein Recht, gegen die fortschreitende Einigung Deutschlands 
Zinsprache zu erheben; die Drohungen des Auslandes dürfen das 
bolk v aufhalten in der Arbeit für dieses höchste und berech. 
igte Ziel.“ 
Berlin, 4. März. Der Reichstag ist heute von Se. Maj. 
den König eroͤffnet worden. Die Throntede kündigt Vorlagen an